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Werner Bleicher

 Schwabenstraße 13, 90518 Altdorf,

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Da wird der Fisch in der Pfanne verrückt

Kurz nachdem ich sie über die Schwelle unserer ersten Wohnung getragen habe, hatte ich Gelegenheit mich zu revanchieren.

Ich erzähle Ihnen das alles im Vertrauen, deshalb meine Bitte: Lesen Sie bitte möglichst im stillen Kämmerlein!

Ich hatte seinerzeit den, aus heutiger Sicht übersteigerten, Ehrgeiz meine Frau und wenn es dann soweit ist, auch meine Kinder, selber und allein zu ernähren. In dem heute in dieser Form nicht mehr existierenden Beruf als Schriftsetzer (gleich nachdem ich dem graphischen Gewerbe gekündigt hatte, ging die ganze Technik ein) konnte man für damalige Verhältnisse gutes Geld verdienen. Vor allem mit Nachtschichten.

So kam ich dann, wenige Tage nach dem obigen Ereignis – des „Über-die Schwelle-Tragens“ – von der Frühschicht nach Hause und roch schon im Hausflur am Duft, dass sie mir heute ein besonderes Schmankerl aus ihrem, für eine so junge Ehefrau, doch ganz respektablen Repertoire bereitet hatte. Ich fand meine „beste Ehefrau von Allen“ – (wenn wir Frau Kishon auch noch eine übergeordnete Sonderstellung einräumen wollen) – in aufgelöstem Zustand, mit abgewandtem Gesicht am Herd stehend und schreckensbleich mit ihrem längsten Kochlöffel in einer Pfanne herumstochernd.

 Es war ja die Karpfenzeit als wir heirateten und in der Pfanne lag herrlich goldgelb und knusprig gebacken ein Prachtexemplar dieser Spezies. Es war weder verbrannt, noch schien es sonst wie irgendwelche Sonderheiten aufzuweisen. Ich sah nicht den geringsten Grund für eine derartige Aufregung. Mit allen Anzeichen des Entsetzens und Schreckens drückte sie mir den Kochlöffel in die Hand:

„Da – mach du das fertig! – Ich rühr’ das Vieh nicht mehr an – ich will ihn gar nicht mehr sehen!“ und verschwand eilends im Wohnzimmer.

Nachdem sie hörte, dass ich begonnen hatte das köstliche Mahl auf Teller zu legen schrie sie entsetzt vom Wohnzimmer um die Ecke zur Küche:

„Brauchst für mich gar nichts anzurichten! – Ich bringe keinen Bissen hinunter!“

„Was ist denn los?“, fragte ich, „erzähl’ doch!“

„Erst wenn das Biest weg ist. Ess’ ihn alleine, wenn er dir schmeckt – oder wirf ihn weg! Mir ist alles egal!“

Es blieb mir nichts anderes übrig, als alleine in der Küche zu genießen. Es schmeckte vorzüglich. Eva weigerte sich beharrlich, mir wenigstens Gesellschaft zu leisten und dabei etwas anderes zu essen.

Endlich, als alle Reste und  Spuren – auch in der Pfanne – beseitigt waren, ließ sie sich bewegen von ihrem geheimnisvollen und so schrecklichen Erlebnis zu berichten. Es musste im Wohnzimmer sein. Die Küche wollte sie noch immer nicht betreten.

„Ich habe das Vieh dort vorne in dem Fischladen gekauft“, begann sie, „und ihn sogar lebend selbst ausgesucht. Der Verkäufer hat ihn vor meinen Augen geschlachtet, ausgenommen und zerteilt ...“.

„... dabei ist dir schlecht geworden!“, warf ich ein.

Eva sah mich erstaunt und fast vorwurfsvoll an: „ Aber Reiner! – Deswegen wird mir doch nicht schlecht! Du weißt, dass wir lange Zeit auf dem Land gewohnt haben – sogar in einer Karpfengegend – ich habe schon öfter gesehen, wie alle möglichen Tiere geschlachtet wurden.“

„Dann verstehe ich gar nichts mehr!“

„Wart’s ab! – Hast du schon einmal einen Karpfen gebacken?“

„Nein“.

„Na siehst du – dann wirst du gleich hören was passiert ist!“, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen und schlotterte fast bei der Erinnerung. „Ich hab’ das Vieh in das heiße Fett getan und nach wenigen Augenblicken ist der halbe Karpfen wieder lebendig geworden!“

Sie wurde ganz wütend, weil ich mir natürlich das Lachen nicht verkneifen konnte.

„Der halbe Karpfen hat zuerst den Schwanz und dann den Kopf gehoben und gezappelt, dass ich meinte, er springt im nächsten Moment aus der Pfanne! – In meinem Schreck bin ich gleich zu meiner Tante hoch (zwei Stockwerke höher wohnte ein Tante von ihr) und die hat mir erklärt, dass das bei einem solchen Vieh normal ist und der trotzdem tot ist. Aber ich konnte das Gezappel nicht mehr sehen – und essen konnte ich schon gleich gar nichts!“

Bis heute haben wir Karpfen nur in Lokalen gegessen. Und erzählt haben wir diese Geschichten vom VW und dem Karpfen nur auserwählten Freunden. Ab heute gehören Sie auch dazu!

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