Mehr vom Autor | Zu Autoren im ST bis 2007 | Neuere Autoren
Lassen Sie sich den Text vorlesen! Den Text vorlesen lassen

10. August 2004, Dienstag

Vom 31. Juli bis zum 9. August waren wir in nördlichen Regionen auf Reisen, und zwar per Bus (3300 km) und per Schiff (1600 km). Erster und letzter Tag waren der Kilometerüberwindung von March bis zur Küste und zurück gewidmet.

Am zweiten Tag ging es von Hamburg über die Vogelfluglinie bis zum schwedischen Ort Jönköping. Busfahrt über eine Brücke zur Insel Fehmarn, dann per Fähre zur Insel Lolland, dann durch einen Tunnel zur Insel Falster, dann über eine Brücke zur Insel Seeland und schließlich per Schiff über den Öresund nach Schweden. Die Landschaft auf den dänischen Inseln weist primär Landwirtschaft auf, d.h. Rüben- und Getreidefelder. In Schweden überwiegt Mischwald: Tannen, Kiefern, Birken; kaum Felder, wenn dann meist Hafer.

Der dritte Tag brachte uns Stockholm. Eine Stadtführung zeigte prächtige Gebäude der Altstadt, vornehmlich die königlichen Anlagen. Eine Wachablösung vor dem Schloss begeisterte mich nicht. Um 16 Uhr bestiegen wir das Fährschiff “Silja Serenade". Beeindruckend ist die Promenade des Schiffes mit Läden und Restaurants. Sie erstreckt sich in der Länge vom Bug bis zum Heck (200 m) und in der Höhe über sechs Decks. Das Licht kommt von oben durch gläserne Dächer. Außenkabine und üppiges Abendbuffett trugen zu unserer Zufriedenheit bei.

Am vierten Tag entsteigen wir in Helsinki dem Schiff und fahren bis zur russischen Grenze. In Vyborg dauern die Pass- und Visakontrollen fast zwei Stunden. Abends erreichen wir St. Petersburg. In den Atlanten steht bisweilen noch Leningrad. Es erhielt mit der Perestroika (Umgestaltung seit Gorbatschow 1985) wieder seinen alten Namen. Auch das Staatsembleme ist wieder das alte, nämlich der russische Doppeladler anstelle des Sowjetsterns. Das Hotel “Moskva" in St. Petersburg liegt im russischen Standart und ist nicht absonderlich entzückend. Es hat eine überdimensionale Länge, schätzungsweise 500 Meter. Wir benötigten von der Rezeption bis zu unserem Zimmer zehn Minuten. Das Zimmer war sehr heiß, und Mücken erschwerten den Nachtschlaf. Der Speisesaal war nach sowjetischer Art und für mein Gefühl nicht schön. Das Essen vom Buffett war jeden Tag gleich, und nicht gut. Das Wasser war nicht

keimfrei. Hatte drei Tage üblen Durchfall, und das will bei meinem strapazierfähigen Verdauungssystem etwas heißen. Wie gesagt, ich fühlte mich in diesem schrecklichen Bau nicht wohl.

Aber die Besichtigungserlebnisse während dieser drei Tage machten alles wieder gut. Es sind Höhepunkte unserer Reiseerlebnisse überhaupt. Die sehr kompetente russische Stadtführerin bringt alles gut rüber. Die Zarengeschichte von 1700 bis 1917 ersteht vor unserem geistigen Auge, gestützt durch Bauten und Objekte, die wir bei schönstem Sonnenwetter erleben. Die Zaren Peter, Alexander, Paul, Nikolaus und die Zarinnen Katharina und Elisabeth, wovon einige Namen mehrfach in den Generationen benutzt wurden, werden sehr häufig genannt. Peter- und Paul-Festung, in deren Mitte sich das Mausoleum mit 50 Zaren- und Adligengräbern befindet. Newa-Schifffahrt, die uns wichtige Gebäude an den Ufern vor Augen führt. Newsky-Prospekt, eine fünf Kilometer lange, breite Prachtstraße mit Bauten aus der alten Zeit. Hier oder in unmittelbarer Nachbarschaft lebten Puschkin, Gogol, Dostojeweski. Hier entstand und spielt u.a. der Roman “Verbrechen und Strafe". Katharinen-Palast in Zarskoje Selo mit seiner atemberaubenden blau-weiß-goldenen lang ausgedehnten Außenfassade und seinen weitläufigen, neu restaurierten Rockocko-Zimmern und -Sälen im ersten Geschoss, wozu auch das Bernsteinzimmer gehört. Erbaut 1710 - 1758, zerstört 1944, wieder aufgebaut 1955 bis 2003, dies ist ein Jubiläumsjahr, denn St. Petersburg wurde 1703 durch Peter den Großen gegründet.

Die Eremitage. Prof. Lützeler in Bonn sprach viel von diesem Kunstmuseum, welches zu den bedeutendsten der Welt zählt. Endlich kann ich hier eintreten. Zu der Gesamtanlage, an der Newa gelegen, gehören viele Bauten. Primär war das der Zarenpalast, welcher in der Folgezeit allmählich zu einem Museum wurde. Wir sehen die Zarengemächer und die Gemäldegalerie, die über viele Gebäude verteilt ist; bekannteste Objekte, die man sogar fotografieren darf.

Die Isaak-Kathedrale ist unerwartet groß und hoch und weit. Man meint schier in St. Peter in Rom zu sein. Im Alexandra-Theater erleben wir Tschaikowskis Ballett “Schwanensee". Wer denkt da nicht u.a. an Nijinski und Nurejew. Die Park- und Schloss-Anlage Peterhof, 25 km von St. Petersburg entfernt und am Finnischen Meerbusen gelegen, ist sozusagen das Versailles von St. Petersburg. Die Busfahrt hierher ging durch jüngere Stadtteile. Wir sahen u.a. desolate Plattenbauten und Mietshäuser der Stalinzeit.

Am siebten Tag nachmittags besteigen wir im Hafen von St. Petersburg das Fährschiff “Finnjet" und gelangen nach 42 Stunden, am neunten Tag, nach Rostock. In Lübeck haben wir Gelegenheit zu einem Kurzbesuch der Altstadt und sehen das Holstentor, das Rathaus, die Petrikirche und die Marienkirche. Sie ist mir seit der Kinderzeit von Abbildungen auf Briefmarken bekannt.

Der zehnte Tag gehört gänzlich der Busrückfahrt, sie dauert elf Stunden. Es gibt keinen Stau, draußen herrschen 33°C, aber zum Glück hat der Bus eine Klimaanlage. Vor uns sitzen zwei alte Frauen - Jahrgang 1926 -. Ich bewundere ihre Kraft und ihre Disziplin. Habe schon oft auf ähnlichen Reisen gefühlt: Wenn ich nicht die Strapazen des Busses und der Hotels auf mich nehme, könnte ich all das Schöne nicht erleben. - Mit der Digitalkamera entstanden ca. 150 Fotos.


nach oben