Weltreise Seit einigen Tagen bin ich wieder zurück von der Weltreise.
Fünfzehn Tage war ich unterwegs, die Erde mit dem Flugzeug zu umrunden. · 1978
las ich die Biographie über Magellan von Stephan Zweig. Magellan fand
bekanntlich 1519 - 1522 den Seeweg um die Welt von Ost nach West. Seit ich
dieses Buch gelesen habe, hatte ich den Wunsch, einmal um die Erde zu reisen.
Am liebsten hätte ich das mit dem Schiff gemacht, aber so mancher riet mir
davon ab, weil das zu lange dauert und weil das zu langweilig ist. So habe ich
mich entschlossen, eine Weltreise in fünfzehn Tagen mit dem Flugzeug zu
machen, sie führte von West nach Ost. I Die erste Flug-Etappe begann am 29.1. um 1.20 Uhr in Frankfurt. In einer
großen Boeing 747 mit 400 Sitzplätzen ging der Flug mit Zwischenlandung
in London-Gatwick zum ersten Bestimmungsort Bangkok. Über zehn Stunden
dauerte dieser erste Flug mit der Überwindung von ca. 9000 km. Alle
Flüge bis Los Angeles sind mit der "Garuda Indonesia", einer
angenehmen Fluggesellschaft. Das Flugzeug nach Bangkok ist höchstens halb
besetzt, so dass ich auf drei Sitzen liegen und bis zum Morgen schlafen kann.
Morgens überfliegen wir die Osttürkei, um 13 Uhr MEZ überfliegen
wir den Golf von Bengalen. Als wir in Bangkok aussteigen, schiebe ich die Uhr
um 6 Stunden vor. Es ist jetzt spät abends 21 Uhr. Die Tage in Bangkok sind wunderschön in dieser fernen, ostasiatischen
Märchenwelt. Die Stadtrundfahrt führt zu drei wichtigen buddhistischen
Tempeln. Abends geht es in ein Thai-Theater-Restaurant, wo nach dem Essen
orginal Thai-Tänze vorgeführt werden. Das Amari-Atrium-Hotel ist
erste Klasse. Ich kann sogar meinen Tee aufbrühen. Die Klimaanlage senkt
die Außentemperatur von 36° auf 25°C. Es ist hier Sommer, kurze
Hose und T-Shirt sind angesagt. Am letzten
Abend frequentiere ich die Pool- und Sauna-Landschaft des Hotels, alles ist bestens eingerichtet. Während einer
Ruhephase in dem weitläufigen, begrünten
Dachgarten sehe ich den Mond. Die Krümmung seiner Sichel liegt ganz nach
unten, das habe ich vor vier Wochen auch in Marokko beobachtet. I Nach drei Tagen geht die Weltreise weiter von Thailand nach Indonesien.
Nach drei Flugstunden langen wir in Jakarta an, der Hauptstadt des
Riesen-Insel-Reiches Indonesien. Wir überfliegen den Golf von Thailand,
dann Singapur, dann die Ostküste Sumatras. Der Äquator wurde heute
von Nord nach Süd überflogen. Nach kurzem Zwischenaufenhalt in
Jakarta fliegen wir weiter nach Denpasar auf Bali. Ich merke, dass ich diese Reisenotizen in der Wir-Form schreibe, obwohl
ich doch Alleinreisender bin. Es ist meine erste größere Reise, die
ich alleine unternehme. Doch ich fühle mich nicht alleine. Die Reisegruppe
besteht aus vielen angenehmen und netten Menschen, mit denen man zusammen ist
und mit denen man zu jeder Zeit gut sprechen kann. Die Reiseleitung - eine Dame
und ein Herr - von der Firma Gastager-Weltreisen, München, ist umsichtig,
fix, freundlich und jederzeit ansprechbar. Bali ist das geheimnisvollste Reiseziel. Tropische, feucht-heiße
Hitze, Sonne und blauer Himmel, 36° C herrschen hier am achten Grad südlicher
Breite. Alles grünt und blüht: Bambus, Banane, Kokuspalme, Reis und
vieles, vieles mehr... Der balinesische Reiseführer, der uns zwei Tage die
Insel zeigt, ist ein frommer Mann, der viel über die Götterwelt Balis
erklärt. Hier herrscht die Religion des Hinduismus vor. Wir besichtigen mehrere
Tempel, das sind heilige Bezirke mit Verehrungsbauten für die Götter.
Wir wohnten auch in einer Vorstellung dem balinesichen Barongtanz bei; dieser
führt in die Götterwelt Balis, in der die guten Götter gegen die
Dämonen gleichwertig kämpfen. In einer Holzschnitzerei kaufe ich eine
Barongmaske und einen Garudavogel für unser Haus daheim als Andenken an
diese schöne Reise. Keiner darf mit kurzen Hosen in die Tempelbezirke
eintreten. Man muss sich ein Tuch um die Hüften wickeln, das nennt man
hier Sarong. Außerhalb der Ortschaften liegen prachtvolle, terrassierte
Reisfelder. Es ist eine hügelige Landschaft von ungemeinem Reiz. Teilweise
wird sogar noch mit Ochsengespannen in den Feldern gearbeitet. Kokuspalmen und
Bananenstauden schwanken in der Luft. - Schon früher habe ich die kleinen
Sunda-Inseln im Blick gehabt. Bertold erzählte 1964 von seinen Besuchen
bei der Ordensniederlassung auf Flores. Lombok kam 1969 durch ein
Fontane-Gedicht in meinen Horizont und die Insel Timor erst kürzlich, als
der dortige katholische Bischof Carlos Belo den Friedens-Nobel-Preis erhielt.
So bin ich jetzt glücklich, dass ich auf der Insel Bali sein kann. Ich
erlebe diese völlig andere Welt in vollen Zügen. I Die nächste Flug-Etappe war die gewaltigste. Das war am 4. Februar.
Diese ganze Zeitspanne war überhaupt ein Höhepunkt auf der "Erdumrundungs-Reise":
1] ist es der längste Flug, 2] dieser Tag kommt zweimal vor, 3] hier bin
ich am weitesten weg von Europa. Aber ich möchte doch sagen, dass ich
diese gesamte Reise als einen glücklichen Höhepunkt in meinem Leben
ansehe, und ich bin dankbar dafür, dass ich diese Erdumrundung erleben
darf. Der Flug von Jakarta nach Honolulu dauerte ca. 12 Stunden und überwand
11.000 km. Am späten Nachmittag überfliegen wir Borneo, schon bei
Dunkelheit überqueren wir den Äquator und Nord-Celebes, einige
Stunden später erreichen wir die Mariannen. Zwischen 1.00 und 1.30 wird es
wieder hell, jetzt überqueren wir die Datumsgrenze. Ich stelle die Uhr 7
Stunden vor, aber einen Tag zurück: Es ist jetzt wieder der 4. Februar, 9
Uhr morgens. Bei der gesamten Reise wird die Uhr öfter vorgeschoben, und der jeweiligen
Ortszeit angepasst. Es sind dies zusammengerechnet 24 Stunden. Damit dies
ausgeglichen wird, wird an der Datumsgrenze die Uhr wieder 24 Stunden
zurückgedreht. Es ist also effektiv keine Stunde länger oder
kürzer zu leben. Aber die Relativität der Zeit wird mir doch bei
diesem häufigen Vor- und Zurückschieben der Uhr bewusst und auch
meine Abhängigkeit vom Erdumdrehungs-Rhythmus. Je öfter die Uhr
umgestellt wurde, desto schlechter konnte ich am jeweiligen Abend einschlafen,
und ich wachte trotz mehrerer Stunden Schlaf übernächtigt auf. I Nun kam das dritte große Reiseziel: Honolulu. Wer hat nicht schon
von Hawaii geträumt? Einmal im Leben am Strand von Waikiki zu liegen, zu
surfen, zu schnorcheln! Mir ist es vergönnt. Während dieser drei Tage
hier muss ich mir öfter bewusst machen, wo ich im Moment bin: auf der
andern Seite der Erde, mitten im Pazifischen Ozean. Gleich am Flughafen hängen die polynesischen Hawaii-Mädchen jedem
einen Blütenkranz um den Hals, ähnliches geschah bei der Begrüßung
in Bangkok. Der Bus fuhr bis zum Hotel eine halbe Stunde. Ich sehe gleich die
typisch amerikanische Skyline von Honolulu und denke an Manhattan oder Chicago.
Das Hotel Outrigger East liegt gleich am Strand. Ich bin mit allem zufrieden.
Aber einschlafen kann ich abends sehr schlecht. Um 1.30 Uhr wache ich auf. Ich
rufe Angela an. Sie hebt ab, es ist dort Freitag, 12.30 Uhr, sie ist gerade
nach Hause gekommen. Es ist also zu Hause elf Stunden später. Nach dem
Nachtschlaf wache ich um 10 Uhr Ortszeit auf. Ich trete auf den Balkon meines
Zimmers im 12. Stock. Es herrscht ein Wetter wie bei uns in schönsten
Hochsommertagen: 25° C, leichte, warme Sommerluft umweht mich. Eine Rundfahrt über ganz Oahu zeigt uns die Schönheiten der
Insel. Am Nachmittag gehe ich zum Strand. Hier ist auch die einzige katholische
Kirche, die ich auf der ganzen Reise gefunden habe. Ich betrete sie. Sie
heißt "St. Augustine By-the-Sea". Alles ist kanonisch eingerichtet. Ich danke Gott
für diese schöne Reise. I Los Angeles war die letzte Etappe. Wir erreichen es nach fünf Flugstunden.
Es ist der letzte Flug mit Garuda Indonesia. L.A. wäre verzichtbar gewesen, weil ich vor zwei Jahren hier
mit Angela schon war. Aber es liegt nun mal in dieser
Weltreise drin; interessant war der Besuch in den Universal-Studios dennoch. Die beiden letzten Tage der Reise - der 9. und 10. Februar - sind eigentlich
ein Tag, weil die Flüge von L.A. bis Frankfurt fast ineinander
übergehen, lediglich auf dem Flughafen Newark ist eine vierstündige
Pause. In der 757 der Continental-Airlines hatte ich beim Flug von L.A. bis New
York einen sehr guten Fensterplatz. Ich konnte mehrere Stunden auf das
amerikanische Land bei schönstem Wetter hinabblicken. Ich sah fünf
Stunden lang den gesamten Querschnitt des amerikanischen Landes: die Rocky
Mountains, die Great Plains, die inneren Ebenen mit den quadratischen
Flurformen, die Appalachen. Der siebenstündige Flug von Newark bis
Frankfurt über den Atlantik ging nachts - auch mit einem Flugzeug der
amerikanischen Continental-Fluggesellschaft, deren Flugzeuge den Flughafen
Newark total beherrschen. Wir landen am 10. Februar um 9 Uhr vormittags in Frankfurt. Ich schiebe
ein letztes Mal die Uhr sechs Stunden vor. Das Fliegen selbst mit allen dazugehörenden
Begleitumständen hatte auf dieser Reise einen hohen Stellenwert. Insgesamt
waren es ca. 39.000 km in ca. 48 Flugstunden. Das ist ein gewaltiges
Unternehmen, das mir allerdings vorher größer erschien als nachher.
Das Wichtigste war bei dieser Reise eben die Erdumrundung: Nicht wieder den Weg
zurück nach Erreichung des Reisezieles, wie es gewöhnlich der Fall
ist, sondern nach Osten aufbrechen und von Westen zurückkommen, das ist
das Faszinierende. Die Erde - unser Lebensraum - als Gesamtes wurde mir dadurch
zur Erfahrung. Mein Wunsch ist erfüllt, und ich bin dankbar und zufrieden. |