Wölkchen Pill
findet Weihnachten © Ruth Lichtwitz 79801 Hohentengen (Germany) email: Ruth.Lichtwitz@t-online.de Wölkchen PILL findet Weihnachten Hoch über der englischen Stadt London segelte
einmal eine grosse Wolkenfamilie langsam und träge dahin. Sie zog
über die weltbekannten Gebäude der britischen Hauptstadt, umrundete
den Tower, stieg über dem Hydepark ein wenig höher in den grauen
Himmel und senkte sich wieder, als sie Big Ben, die berühmte Turmuhr
erreichte. Und da passierte es: Die schwere Leitwolke
glitt wohl etwas zu tief und wurde so von der Turmspitze an der Seite
aufgeritzt, gerade als die Uhr 12
schlug. Dabei verlor sie ein kleines Stück von ihrem grau-weissen Umfang
und so wurde ein neues Wölkchen geboren. Das machte sich sofort
selbständig und begann wippend, schwankend und schwänzelnd von der
grossen Mutter wegzutänzeln Aber die liess es nicht weit entkommen.
Sie sog es mit einem gewaltigen Einschnaufen wieder an ihre Seite und begann
sofort mit der Erziehung. „Hör zu“, sagte sie mit einer
weichen Stimme, die wie Windesrauschen klang, also “hör zu, kleine
Wolke, du kannst nicht einfach lossegeln wohin du willst. Allein zu fliegen ist
für uns sehr gefährlich. Die Sonne trocknet uns aus, der Wind
zerzaust uns und der Regen macht uns so schwer, dass wir zu Boden sinken und
eine Pfütze werden. Nur, wenn wir alle ganz nah zusammenbleiben, sind wir
stark genug, um all dem zu trotzen und über die Welt zu gleiten. Und
deshalb tust du gut daran, ganz nah bei mir zu bleiben und genau aufzupassen,
wie wir Grossen es machen. Na ja, und übrigens musst du ja noch einen
Namen haben. Weisst du, weil. du genau so aussiehst wie ein Kopfkissen, so
gerade an den Seiten und so mollig weich, werde ich dich “Kissen“
taufen - und weil du über London geboren bist, sollst du
“Pillow“ heissen, das ist der englische Ausdruck dafür. Aber,
wenn ich dich so betrachte, so wie du bist, klein, beweglich und auch ein wenig
keck, dann ist “Pillow“ für dich zu ernst. Wie wäre es
einfach mit PILL? Ja, ich glaube, dieser Name passt zu
dir“. Und damit begann das Leben vom Wölkchen Pill. PILL
lernt die Welt kennen
Pill
war ein glückliches Wolkenkind, von allem begeistert und geradezu
verrückt danach, Neues kennen zu lernen. Und es lernte schnell. Als sich
der Nebel lichtete und die Familie weiter nach Süden zog, strahlte die
Sonne manchmal richtig unangenehm heiss. Da schlüpfte es unter Mamis Bauch
und war auf diese Weise vor dem Verbrennen geschützt. Man darf ja nicht
vergessen: Pill war noch ein Baby mit dünner Haut und ohne die Masse,
welche ungünstigen Witterungsverhältnissen widersteht. Ausserdem
machte Pill eine wichtige Entdeckung: Je häufiger die Sonne auf sie
schien, desto weisser wurden alle. “Es sind die Regentropfen, die uns
schwer und grau machen“ erklärte ihm die Wolkenmami aber die
brauchen wir, um überhaupt leben zu können. Sie sind so wichtig wie
der Wind, der uns am Himmel vorwärts bläst, damit wir alles sehen,
was es auf der Welt gibt. Nur darf der nicht zu stark sein, sonst zerreisst er
unsere Familie und wir finden nie mehr zueinander.“ Das machte
natürlich grossen Eindruck auf Pill, zudem sie eine frische Brise gerade
über eine wunderschöne Wiese führte, die wie ein Smaragd in der
Abendsonne glänzte. Aber es war nicht das saftige Grün, welches das
Wölkchen in helle Aufregung versetzte, denn mitten auf der Wiese sah es
sich langsam bewegende kleine Figuren, die ihm sofort gut gefielen.
“Mama“, schrie es mit vor Begeisterung sich fast
überschlagender Stimme, “Mama, sieh, da unten ist ein
Wolkenkindergarten. Da muss ich sofort hin!“ Und schon setzte er zum
Sturzflug an, aber Mutter Wolke hielt ihn mit einem Pfiff zurück.
“Das sind keine Wolkenkinder“, erklärte sie, “das sind Tiere,
man nennt sie Schafe. Die fressen das grüne Gras und ihr Fell nennt man
Wolle. Die wird ihnen immer wieder abgeschnitten, wächst aber schnell
nach. Daraus machen sich dann die Menschen Kleider, weil ihnen kein Fell
wächst und sie sonst frieren müssten. Aber es gibt bei uns auch so
etwas ähnliches wie diese Schafherde. Das sind die Wolkenzwerge, die sehr
viel höher als wir am Himmel ziehen. Man nennt sie Schäfchenwolken -
und weil sie die Hitze noch mehr fürchten als wir, begleiten sie oft in
der Nacht den Mond. Am Tag schmiegen sie sich meistens ganz eng aneinander und
erst, wenn es Abend wird, segelt jede wieder für sich allein. Du wirst sie
sicher noch einmal kennen lernen, sie sind ein lustiges Völkchen, aber man
kann sie nicht zum Regensammeln brauchen. REGENSAMMELN ? - PilI stutzte. “Was heisst
denn das? Ist es denn nicht schon schlimm genug, wenn wir vom Wasser so schwer
werden, dass wir fast auf die Erde herabsinken? Und zudem sehen wir so
regengrau gar nicht hübsch aus. Wozu also die ganze Nässe?“ “PilI“,
entgegnete Mama ernst “wir sehen zwar hübscher aus, wenn wir weiss
und luftig am blauen Himmel segeln, aber auch wir haben unsere Aufgabe.
Über uns, hoch oben hinter den Sternen, wohnt der Schöpfer aller
Welten und Wesen. Jedem hat er einen Teil zugeteilt, um das Leben auf der Erde
zu erhalten. Wir nun müssen
immer wieder Wasser aufnehmen und es auf die Erde regnen lassen, damit dort das
Gras für die Schäfchen, die Bäume, Blumen und auch das
wächst, was Menschen und Tiere als Nahrung benötigen. Also das
Getreide, die Früchte und das Gemüse. Darüber hinaus aber
füllen wir die Seen und Flüsse auf, in denen die Fische und Muscheln
leben, die ohne frisches Wasser sterben müssten. Und um alle Orte zu erreichen,
über die wir unser Wasser abladen, benötigen wir den Wind“. Pill war es
längst langweilig geworden, seiner Mutter zuzuhören, denn für
ihn war es viel interessanter nach unten zu schauen. Unter ihm waren
Wälder, Berge und Städte vorbeigezogen, in denen er eine Menge
aufregender Dinge entdeckte.
Kleine und grosse Vögel flogen mit lebhaftem Gezwitscher umher, lustige
Tiere sprangen durch die Wälder und viele Menschen liefen eilig über
die Strassen der Ortschaften. Er sah grosse und kleine, alte und junge. Manche
mit Schirmen oder Stöcken, andere sogar auf Krücken. Oft erschrak er
sogar ein bisschen über die schnellen Autos, die langen, pfeifenden
Eisenbahnen und die donnernden Motoren. Der
grösste Schrecken aber stand ihm noch bevor. Böse Überraschungen
PiIl hatte
schon einige Male in der Luft Vögel getroffen. Es waren solche mit
rauschenden Flügelschlägen, hellen Rufen oder unmelodischem
Krächzen. Sie hatten schwarze, braune oder weisse Federn, flogen mit lang
ausgestreckten Hälsen und zuruckgeklappten oder auch unter dem Bauch
hängenden Beinen.. Sie waren meistens als Familien oder in Gruppen
unterwegs. Immer waren
sie artig an den Wolken entlanggeflogen und hatten Zusammenstösse
vermieden. Höchstens hatte ihn ab und zu ein leichter Flügel
gestreift. An einem
sonnig-warmen Abend schaukelte PiIl träumend im Schein der rot
untergehenden Sonne, als die friedliche Stimmung plötzlich von einem immer
lauter werdenden Dröhnen, Poltern und Grollen gestört wurde. Die Luft
fing an zu vibrieren und ein Wind begann zu wehen, wie er ihn noch nie
gespürt hatte. Pill schmiegte sich voller Furcht an seine Wolkenmami, aber
die lachte nur: “Hab keine Angst, mein Kleiner, das ist nur einer der
grossen Menschenvögel. Sie nennen es Flugzeug und viele von ihnen sitzen
darin. So kommen sie schneller als wir überallhin und oft fliegen sie
über uns hinweg. Es ist auch schon vorgekommen, dass sie durch uns
hindurchstossen, aber das hat noch keinem geschadet.“ Während sie
noch sprach, war das Flugzeug an Pill vorbeigezischt und schon so weit
entfernt, dass es nur noch wie ein heller Fleck am dunkelblauen Abendhimmel
wirkte. Kurz darauf fing es in den luftigen Höhenstark an
zu dröhnen und zu winden und zu blasen. Die Wolken wurden geschüttelt
und gerüttelt; sie stiessen aneinander, bekamen Dellen und Beulen, wackelten
und schwankten, kleine Wolkenfetzen flogen davon und Pill verkroch sich wieder
einmal unter Mamis Wolkenbauch. Dann wurde er nass. Wasser kam von allen
Seiten. Alle Wolken sogen sich voll mit Feuchtigkeit. Nebelschwaden krochen in die Massen,
färbten die weissen Wolkenkörper grau und machten sie schwer. Zuerst
begannen sie zu sinken, näherten sich der Erde und berührten fast die
Wipfel der im Sturmwind tanzenden Bäume. Zum Platzen voll fühlte sich
Pill, der natürlich ebenso wie alle voller Regenwasser war. “Mami,
ich kann mich nicht mehr halten, ich falle hinunter“ stöhnte er, als
ein greller Zick-Zackblitz mitten durch ihn hindurchzuckte und mit einem
gewaltigen Donner das Gewitter einleitete. Ein Engel fällt vom Himmel Einige Zeit
war vergangen. Die Wolken zogen ruhig dahin, als sich nach einem heissen
Sommertag erneut Blitz und Donner ankündigten. Aber das kannte Pill ja
schon. Der Wind fing wieder an stark zu blasen, feuchte Luft drang in die
weichen Wolken und füllte sie mit Wasser und ein schwarz gewordener Himmel
liess ein schreckliches Gewitter ahnen. Als dieses losbrach, überstieg es
alles, was Pill bisher erlebt hatte. Er wurde von einem Sturmwirbel derart
erfasst, dass er sich um die eigene Achse drehte und nicht mehr erkennen konnte,
wo der Himmel und wo die Erde war. Er sah seine Mutter nicht mehr und hatte
auch ganz schnell den Anschluss an seine Familie verloren. Es schleuderte ihn
in jede Richtung. In einem Augenblick fiel er sehr tief, im nächsten wurde
er in die Höhe gewirbelt und fühlte sich, als hätten ihn die
Blitze zerrissen. Als das Unwetter endlich nachliess, wusste Pill nicht, wo er
war. Ganz allein schwebte er hoch am sternenlosen Nachthimmel und
fürchtete sich sehr. Er rief nach seiner Mutter, aber keine Antwort kam
und so packte ihn die Verzweiflung. Er begann so zu weinen, dass er sich fast
auflöste. Da vernahm Pill plötzlich ein feines Stimmchen,
das aus ihm selbst zu kommen schien. Er fühlte und horchte tief in sich
hinein bis er erkannte, dass ein kleines, menschenähnliches Wesen auf
seinem Rücken sass. Das Geschöpfchen war so zart, dass es nahezu
durchsichtig wirkte und weinte ebenfalls zum Erbarmen. Sofort hörte Pill
mit seinem Gejammer auf. “Wer bist denn du“, fragte er verwundert und wie bist du auf meinen Rücken
gekommen?“ Noch schluchzend erklärte ihm daraufhin sein kleiner
Gast: “Ich bin ein Engel und war mit meinem grossen Bruder auf dem Weg
nach Israel, wo in diesen Tagen der Sohn Gottes geboren wird. Wir sollten dort
mit den anderen Engeln den Hirten sagen, wo sie hingehen müssen, damit sie
das Baby Jesus finden. Aber dann kam das fürchterliche Gewitter und ich
habe meinen grossen Bruder verloren und bin in dich hineingeblasen worden. Was
mach ich denn jetzt nur? Wie finde ich meinen Bruder und den kleinen Gottessohn
wieder?“ Und erneut fing der kleine Engel an herzerweichend zu weinen. Pill fühlte sich auf einmal ganz erwachsen und
schon fast wie ein Beschützer. Er wurde vor lauter
Verantwortungsgefühl ganz dick und wuchtig und tröstete den
Kleinen:“ Mach dir jetzt bloss keine solchen Sorgen, ich bin ja auch noch
da. Wir beide fliegen nach Israel, obwohl ich keine Ahnung habe, wo das ist,
und dann wirst du deinen Bruder schon finden. Aber das tu ich nur, wenn du mir
die ganze Sache erklärst und mir von Gottes Sohn erzählst.“ Himmel und Hölle
“Ach, was bist du für ein
toller Kerl!“, strahlte da der kleine Engel. “Sicher werden wir das
Dorf Bethlehem finden, das ist nämlich der Ort, wo Jesus auf die Welt
kommt, und ich wüsste nicht, was ich lieber täte, als dir vom Himmel
zu erzählen. Also“ - und der Engel setzte sich ganz gemütlich
in Pill’s Watterücken, “du weisst vielleicht, dass über
uns der Himmel ist“. “Natürlich“, bestätigte PilI
“und dass da Gott wohnt, weiss ich auch, und dass der alles geschaffen
hat, was man sehen kann, weiss ich auch. Das hat mir meine Mutter gesagt - nur
so ganz richtig verstanden hab ich es nicht“. “Na ja“, meinte
da der Engel nachdenklich “so ganz alles habe ich auch noch nicht
erfahren. Dafür haben wir unsere grossen Brüder, die erklären
uns da oben alles, was wir wissen müssen und die können wir auch
immer fragen. Es war eine gewaltige Auszeichnung, dass mein lieber, grosser
Bruder nach Bethlehem geschickt wurde und ich konnte es zuerst gar nicht
glauben, dass er mich mitnehmen würde. Aber, weil er es so wollte, durfte
ich auch im Himmelssaal dabei sein, als uns Gott erklärte, was in
Kürze hier auf der Erde geschehen sollte. Die Menschen, so sagte Gott,
wären böse geworden und würden viel auf den Teufel hören
und so hatte sich Jesus, der Sohn Gottes, entschlossen auf die Welt zu kommen
und die Menschen vor der Hölle zu retten“. “Moment mal“,
Pill vergass fast zu segeln, so war er überrascht von dem, was er
hörte, “ich weiss, dass es Gott gibt und dass er einen Sohn hat, der
Jesus heisst, weiss ich jetzt auch, aber wer ist der Teufel - und was ist die
Hölle?“ “Oh, da muss ich ja viel erklären“, seufzte
der Engel “also der Teufel, das ist einmal ein Engel gewesen. Er wollte
aber mehr sein als Gott und hetzte bei den anderen Engeln gegen den
Schöpfer. Da wurde er hinausgeworfen, kam auf die Erde und fing an, die
Menschen gegen Gott aufzubringen. Wenn ihm das gelingt, dann kann er die
Menschen zu sich holen und dafür gibt es die Hölle. Das ist ein ganz
entsetzlicher Ort voller Feuer und die Strafe für böse Menschen. Da
es aber Jesus leid tut, dass so viele Menschen sich vom Teufel verleiten
lassen, hat ihm Gott erlaubt, auf die Erde zu gehen und den Menschen vom
Paradies und der ewigen Seligkeit zu predigen. Und weil er ganz wie ein Mensch
denken und fühlen will, so kommt Jesus als ein Baby auf die Erde. Das
geschieht nun in nächster Zeit und jetzt weisst du auch, weshalb wir uns
beeilen müssen, dass wir rechtzeitig nach Israel kommen“. “In
Ordnung“, meinte Pill, aber so ganz wohl war ihm dabei nicht, denn er
wusste weder, über welches Land er jetzt gerade schwebte, noch in welcher
Richtung Israel lag. “Wir wollen jetzt langsam machen“, schlug er
deshalb vor. “Wenn es hell wird, dann können wir sehen, wo wir sind
und werden dann dein Bethlehem schon finden“. Zwei auf grosser Fahrt Als der
Morgen heraufzog und ein freundlicher Windstoss die beiden weckte, sahen sie
unter sich ein Land, das wie ein Stiefel aussah und das von blauem Meer umgeben
war. “Oh, ich kenne die Gegend, hier bin ich schon einmal
gesegelt“, rief PiIl, “das Land heisst Italien, so hat mir eine
alte Wolke erzählt und wenn wir an sein Ende kommen und das Wasser
überqueren, sind wir in Afrika. Hast du überhaupt eine Ahnung, wo das
Dorf Bethlehem ist, das wir suchen?“, “Na ja, nicht so ganz
genau“, gestand der kleine Engel, “aber es liegt mitten in einem
Land, das Israel heisst und nicht weit weg von einer schönen Stadt, die
man “Jerusalem“ nennt und die für die ganze Welt und alle
Zeiten von grosser Bedeutung ist. Wenn ich
mich richtig erinnere, dann gehört Israel schon zu dem Kontinent Afrika
und ich glaube, so fürchterlich weit entfernt sind wir gar nicht mehr. Ich
werde dir noch ein bisschen mehr vom Himmel erzählen, dann wird uns die
Reise nicht langweilig und du wirst das Wunderbare, welches hinter allem Leben,
steht, besser begreifen. Also“, und der Engel schmiegte sich in den
weichen Wolkenrücken “also, da ist nun der grosse Himmel mit dem
Lieben Gott und den vielen Engeln, die alle sehr beschäftigt sind. Manche
von ihnen machen Musik, andere beobachten die Sterne, damit sie sofort melden
können, wenn einmal etwas nicht richtig sein sollte, wieder andere stehen
parat, um besondere Befehle Gottes auszuführen und eine grosse Zahl von
Engeln sind “Schutzengel“ für die Menschen. So einer
möchte ich auch einmal sein, aber noch bin ich zu klein dazu. Man muss
viel lernen, wenn man ein Schutzengel werden will, man muss auf den Menschen
aufpassen, dass er nichts Böses tut, dass er nicht stiehlt und nicht
lügt, dass er, wenn er noch ein Kind ist, zu seinen Eltern und
Geschwistern freundlich ist, kein Tier quält und immer hält, wenn er
etwas verspricht. Das ist gar nicht so einfach, denn der Teufel hat auch seine
Helfer, die auf die Menschen lauern und ihnen immer wieder schlechte
Ratschläge geben wollen, damit sie das tun was böse ist und im Himmel
als Sünde gilt. Da nun aber
Jesus, Gottes Sohn, auf die Erde kommen will, wurden viele Engel nach Bethlehem
geschickt, um die Menscheneltern, Maria und Josef, vor Unglück und Not zu
bewahren und den Geburtstag mit Musik und himmlischem Schein zu
verschönen. Mein grosser Bruder, er heisst Gabriel, und ist ein ganz
berühmter Engel im Himmel, hat schon vor längerer Zeit Maria gesagt,
dass sie bald einen Knaben auf die Welt bringen wird und dass sie ihn
“Jesus“ nennen soll. Sie und ihr Mann – er heisst Josef --
hatten schon alles vorbereitet und sogar eine wunderschöne Wiege
gezimmert, als sie plötzlich aus ihrem Haus in Nazareth - das ist auch ein
Dorf in Israel - weg mussten. Ein hoher Regierungsbeamter hatte nämlich
angeordnet, dass jeder dahin gehen muss, woher er kommt, denn sie wollen die
Menschen nach ihrer Herkunft zählen. Maria und Josef stammen aus Bethlehem
und so sind die beiden eben losgezogen. Aber sie werden es nicht schaffen, das
Haus ihrer Verwandten zu erreichen, bevor das Kind geboren wird, sondern werden
am Rande von Bethlehem Halt machen müssen Gott hat
nämlich beschlossen, dass sein Sohn ganz arm auf die Welt kommen
und nicht einmal in einem weichen Bettchen liegen soll. Warum das so ist, kann
ich dir nicht sagen, aber vielleicht ist es auch deshalb, weil Jesus ein so
ungewöhnlicher Mann sein wird und von Anfang an fühlen will, wie es
denjenigen geht, die kein Geld und keinen Besitz haben.“ Während dieser Engelsrede hatte eine
kräftige Böe die beiden weit vorangebracht und als PilI unter sich
sah, erschrak er gewaltig, denn unter ihm war das weite, blaue Meer.
“Hoffentlich kommt jetzt keine Flaute, damit wir nicht absinken“,
dachte er, aber ganz offensichtlich hatte man im Himmel oben ein Aug auf ihn,
denn auch die Sonne hatte ein Einsehen und schien nicht so heiss vom Himmel, so
dass PilI nicht austrocknete. Nach einiger Zeit sah er mitten im Meer eine
Insel, mit grünen Flächen und weissen Felsen, die ihm unsagbar
schön erschien. Er liess sich ein wenig tiefer sinken und erkannte
Olivenbäume, breit angelegte Weinberge und viele Schafe, die an sanften
grünen Hängen weideten. Die Luft war erfüllt von fröhlichem
Vogelgezwitscher und die Wellen des Mittelmeeres stiessen mit weissen
Schaumkronen an die Ufer. Dass es sich hierbei um die Insel Kreta handelte,
wusste Pill natürlich nicht, aber ihr Name kümmerte ihn auch nicht
weiter. “Schau, wie schön!“ rief er seinem Reisegefährten
zu und der lachte ihn aus seinem weichen Sitz freundlich an. “Da siehst
du, wie wunderbar Gott die Welt gemacht hat. Immer wieder erscheint sie als ein
anderes Bild. Genauso unfassbar ist auch der Himmel mit seinen goldenen
Sternen, dem Mond und der unvergleichlichen Sonne. Sag, wer anders als Gott
hätte soviel Schönheit schaffen können?“ Pill konnte
daraufhin nicht antworten, aber ganz allmählich erkannte er die
unvergleichliche Kraft Gottes, der alles schuf und lenkte. Und im Himmel war man ihnen weiter freundlich gesinnt
und schickte sie auf einen guten Weg. Sie segelten Tag und Nacht mit einem
frischen Wind und die Sonne verbarg ihr heisses Gesicht immer wieder hinter
einem Nebelschleier, um Pill nicht zu schaden. Wenn es regnete, dann
berieselten sie immer nur leichte, kleine Tropfen, die weder Pill noch seinem
Begleiter gefährlich wurden. Sie erreichten die Küste von Israel und sahen
bald eine grosse Stadt mit zahlreichen Toren, einer Burg und einem
wunderschönen Tempel auftauchen, die der Engel sogleich als Jerusalem
erkannte. “Nun
sind wir bald da“, rief er aufgeregt. In diesem Augenblick änderte
der Wind seine Richtung und führte die beiden von Jerusalem weg über
ausgedehnte Weidegebiete, auf denen viele Schafe blökten, die zahlreiche Hirten und zottige Hunde
bewachten. AM
ZIEL Als es Nacht
geworden war, sahen sie einen grossen, sehr hellen Stern mit einem funkelnden
Schweif, der über einem kleinen Holzhaus stand und blinkte. Verwundert
hielt PilI plötzlich im Segeln inne. Er begriff nicht wie ihnen geschah,
denn was sie da erlebten, hätte er sich in seinen schönsten
Träumen nicht ausmalen können: Der Himmel über ihnen hatte sich
geöffnet und eine grosse Schar weissgekleideter Engel senkte sich
über die Weiden. Sie sangen ein solch schönes Lied, das Pill die
Tränen kamen. “Freuet Euch alle“, jubelten sie, “denn
Euch ist heute Christus geboren, dort im Stall, geht alle hin und seht Euch das
Wunder an!“ Langsam begannen die erschrockenen Hirten hin zu dem Stall zu
wandern über dem der Stern stand. PilI aber wusste nicht, was er machen
sollte. Da rief ihn der Aufschrei seines kleinen Engels in die Gegenwart
zurück und er hörte ihn jauchzen “Dort ist mein grosser Bruder,
mein lieber Gabriel, oh Pill, wir
haben ihn gefunden, nun ist alles gut!“ Aus der
Schar der himmlischen Gestalten löste sich da ein wunderschöner Engel
und flog auf sie zu. Er nahm den Kleinen liebevoll in die Arme, strich Pill
über den Rücken und flüsterte ihm zu: “Ich danke dir, dass
du so gut auf meinen kleinen Bruder aufgepasst hast. Ihr seid rechtzeitig gekommen
um mit zu feiern, was für die ganze Welt zum grössten Erlebnis werden
wird. Komm mit, braver Pill, auch du sollst das Christuskind sehen, das von nun
an Frieden und Güte für die Menschen bringt, denen Gott nicht mehr
böse sein wird, wenn sie seinen Sohn lieb haben.“ Ohne es zu
merken, schwebte Pill mit den Engeln hin zum Stall, aus dem ein warmes Licht
strahlte. Er sah einen Mann und eine Frau, die sich über ein neu geborenes
Kind beugten, welches in einer Futterkrippe lag und nichts als Stroh zum
Wärmen hatte. Mit ihnen waren die Hirten herbeigekommen und auf die Knie
gesunken. Still und andächtig betrachteten sie den kleinen Knaben, der
einmal der Grösste auf der Welt sein würde. Aber PilI
war bei aller Freude auch etwas traurig. Ihm tat das zarte Baby auf seinem
Strohbett leid und er wünschte sich innig, etwas ganz Besonderes für
das Neugeborene tun zu können. Da
fühlte er auf einmal die Hand des grossen Engels auf sich und sah in sein
Gesicht. “Pill, ich weiss, was du denkst“, flüsterte dieser,
“dein Wunsch soll sich erfüllen und du wirst ein wunderschönes
Geschenk für den kleinen Jesus sein“. Mit diesen Worten strich der
Engel über die kleine Wolke und Pill fühlte sich auf einmal noch
weicher, aber auch schwerer werden. Schon glaubte er auf den Boden sinken zu
müssen, da fingen ihn die Hände seiner beiden Engel auf und legten
ihn zu dem Neugeborenen in die Holzkrippe. Die winzigen
Jesushändchen griffen sofort nach Pill und dieser erkannte, dass er nun zu
einem weichen, weissen Federkissen geworden war. Sprachlos vor Glück
schmiegte er sich um den kleinen Körper, wärmte ihn und wusste
“Nun ist meine Reise zuende, ich bin unendlich glücklich und werde
Jesus, den heute geborenen Sohn Gottes, nie mehr verlassen“. ******* |