Ein Spätsommer auf der
Adria-Insel Rab Tagebuchaufzeichnungenvon Jugoslawien 1989 Ein Reisebericht Wenn jemand auf die
Reise geht, dann hat er hernach so einiges zu erzählen. Damit ich dabei
nicht allzuviel vergesse, will ich unsere Erlebnisse Tag für Tag
fleißig und ohne nennenswerte Übertreibungen zu Papier bringen. A
l s o : Mittwoch, der 6.September Eichenau Die Fahrt verlief
insgesamt gut. Die A8 zwischen Karlsruhe und München, das ist schon mehr
eine Bremsspurbahn. Es sind nicht etwa die Golfs und GTi's, die da zeigen, was
in ihnen steckt. Nein, das schienen alles Testfahrer von BMW und Mercedes zu
sein. Haben die das noch nötig?! Bei Evi und Bert in
Eichenau waren wir offensichtlich recht willkommen. Ich schließe das
nicht nur aus Cocos Verhalten. In dieser Runde fühlen wir uns immer sehr
wohl. - Ach ja, Berts Biermarke: >AUGUSTINER EDELSTOFF<. Tageskilometer: 588 Donnerstag, der 7.September Medno Es war wohl ein
etwas müder Blitzstart. Deshalb haben wir auch unsere Thermoskanne bei
Evi stehengelassen. Das zeigt mal wieder: Eile lohnt sich in den seltensten
Fällen. Ansonsten war die ganze Fahrt ein einziges Vergnügen:
Wetter gut, Sicht und Laune gut, Auto gut, Beifahrer gut und letztendlich
Motel MEDNO, bei Ljubljana, sehr geschmackvoll (1988) renoviert. Aber der Lärm
am Abend und bei der Nacht! Einen Vorteil hatte es. Man brauchte zum
Einschlafen keine Schäfchen zu zählen.
Autotürenzuschlagenzählen ist viel unterhaltsamer und auch für
den Bettnachbarn wahrnehmbar. Natürlich schlug man nicht alle vier Türen
zur gleichen Zeit zu. Tageskilometer: 454 Freitag, der 8.September Insel
Rab/Lopar Bis an die
Fähre zur Insel RAB, bis Jablanac also, waren es gut vier Autostunden.
Der Weg dorthin brachte keinerlei Probleme. Unsere Ankunftszeit paßte
auch genau in den Fahrplan des Fährbetriebs. Die Zeit reichte gerade um
die Tickets zu lösen, einzusteigen und sich anzuschnallen. Auch die
Fahrt über die Insel (22 km) brachten wir schnell hinter uns. In San Marino, zum
Ort Lopar zählend, steuerten wir unsere unangemeldete Zielvorstellung
an. Beim Anblick der vielen und an den unmöglichsten Plätzen
parkenden Autos, links und rechts und überall, hätte man gleich
umkehren mögen. Gut, daß wir's nicht getan haben. Schaute man sich
hinter dem Hotelkomplex den Strand und die Bademöglichkeiten an, dann
mochte man schon gerne bleiben. Also buchten wir, vorerst für eine
Woche, im Hotel PLAZA und fanden dort auch eine ansprechende Unterkunft. Wir
buchten Vollpension, und es stellte sich schnell heraus, daß das Beste
an allem Essen die Bedienung war. Aber auch das sollte man nicht
unterschätzen. Auch unsere
Tischnachbarn verdienen erwähnt zu werden. Zu meiner Linken saß
sich ein Hamburger Ehepaar gegenüber. Neben mir die sehr resolut und
initiativ wirkende Dame (62). Ihr gegenüber ihr Ehemann, der neben
seiner Körperbehinderung auch seiner agilen Frau wegen, aus gutem Grund,
oftmals in der Deckung verharrte, wobei es ihm wohl am sichersten schien, in
der Früh gleich im Bett liegen zu bleiben. Ja, - ungefähr so
hätte ich mich in seiner Situation auch verhalten. Sie sah man nie ohne
eine Plastiktüte, weil es immer etwas zu organisieren gab, wobei der
Küchenbereich das bevorzugte Ziel ihrer Bemühungen war. Sie kam
schon über viele Jahre hier auf die Insel, wobei ihre Beziehungen
offensichtlich flächendeckend aufgebaut waren. Jedenfalls fehlte es ihr
an nichts, wenn man jetzt einmal von ihrem Mann absah. Aber auch darüber
kam sie gut hinweg. Er war sehr spät und sehr krank aus russischer
Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Da wird er's gelernt haben, allen Attacken
mit freundlichem Gleichmut zu begegnen. Ich habe ihn jedenfalls bewundert und
auch gemocht. Das andere Ehepaar,
zu meiner Rechten, kam aus Graz. Das war nun das genaue Gegenteil. Er
verfügte, als Aussendienstmann einer Supermarktkette, über einen
unerschöpflichen Vorrat an Witzen. Wenn ich schon gedacht habe, ich
wäre auf diesem Gebiet auch nicht schlecht, da gab es wohl keinen
Zweifel: Er war besser. Nun ja, er hat ja in gewisser Beziehung davon gelebt.
Leider habe ich die meisten seiner Witze vergessen. Liesel erging's genauso.
Wer gute Witze vergißt, der muß dann wohl doch schon in die Jahre
gekommen sein, wo Vergeßlichkeit nicht mehr behandelt wird. - Sie
verhielt sich bei Tisch still und unauffällig, aber bei der Nacht in der
Bar ..., da entpuppte sie sich zu einer unermüdlichen Tänzerin. Da
sich dazu allabendlich Gelegenheit in Fülle bot, war das für ihn
und seine Figur ein schweißtreibendes Unterfangen. Kurz und gut, die
beiden waren recht unterhaltsam und überaus angenehm. Ach ja. Das sollte
ich vielleicht auch noch erzählen: Im Hotelkomplex, am Restaurant,
verkaufte ein etwas älterer Insulaner Souvenirs. Ich wollte keine
kaufen. Als er keine Ruhe ließ, bediente ich mich sehr höflich der
serbokroatischen Sprache, was ich nicht hätte tun sollen. Er hatte mich
gleich verstanden und fragte, wo ich damals in Slowenien gewesen sei.
Daß ich ihm dies dann auch noch gesagt habe, bezeugt meine
Unbefangenheit. Aber das hatte ich nicht gekannt. Ja, in Selce, gleich dort
drüben an der Küste, hätten sie mit 150 Mann (Partisanen)
3.000 deutsche Soldaten abgemurkst. Bei diesem "Verhältnis"
konnte ich mir gut vorstellen, wie sich das abgespielt haben wird. Solches
geschah zum Kriegsende in der Regel nach der Waffenniederlegung meuchlings an
wehrlosen Soldaten. Kein Grund also, sich dessen noch zu rühmen. Jetzt
fand er es nicht richtig, daß ich mit dem Auto durch die Lande fuhr und
er mit wenig Erfolg Souvenirs an den Mann zu bringen versuchte. Wo blieb da
die Gerechtigkeit? Tageskilometer: 260 Samstag, der 9.September Lopar Unsere Hamburgerin
vermeldete beim Frühstück ihren gestrigen "Totalabsturz".
Sie war in der Disco versackt. Ihr Mann hatte bis drei Uhr in der Nacht
vergeblich nach ihr gesucht. Warum eigentlich? Jetzt holte er ihren Schlaf nach und ließ sich
von seiner Disco-Lady das Frühstück ans Bett bringen. Das war ja
wohl das Mindeste! Ich habe dem mir recht sympathischen Hamburger angeboten,
falls es an der Zeit sei, seine Frau mal zu verdreschen, ihm hilfreich an die
Hand zu gehen. Er fand an meinem Angebot offenbar Gefallen. - Es ist nicht
dazu gekommen. Sonntag, der
10.September Lopar Zehn Uhr
Gottesdienst in Lopar. Die Kinder sind in der Kirche auch nicht gesitteter
als bei uns. - Ach ja, die Kinder.
Der langgestreckte Sandstrand von San Marino bietet Kindern jeden Alters ein
Höchstmaß an Badespaß, vorausgesetzt, daß die Eltern
diesen nicht vermiesen. Am Strand findet man
sehr viele junge Familien mit mehreren Kleinkindern. Drei
Sprößlinge sind keine Seltenheit. Es macht Freude zuzuschauen, wie
Papa seinen Fips überlistet, ins Wasser einzutauchen. Da fehlt es auch
nicht an Schwimmgerät: Zuerst sitzt beispielsweise die ganze Familie im
großen Gummiboot. Wenn sich die Aufregung gelegt hat, steigen die zwei
Kleinsten um ins kleine Beiboot. Das macht dann schon mehr Spaß. Dann
steigt der Kleinste um in den bunten Gummiring, und der größere
bekommt die Schwimmflügelchen um die Ärmchen gelegt. Es ist ein
Vergnügen, dieser liebevollen Umsicht zuzuschauen. Man sieht
natürlich, und leider wesentlich häufiger, auch andere Verfahren.
Da brüllen Kinder wie am Spieß, und ein ungeduldiger Vater nimmt
seinen Sprößling ins Verhör, was er sich wohl, verdammt noch
mal, dabei gedacht habe, als er sich auf den Strand- und Badeurlaub gefreut
habe. Ja, was wird er sich gedacht haben? Vielleicht hat er seinem Vater
zugetraut, daß er daraus auch ein schönes Badeerlebnis werden
läßt. Überhaupt sind
wir der Meinung, daß, bei allen Vorzügen dieser Strandstruktur,
Säuglinge hier noch nichts zu suchen haben. Man denke allein schon an
die lange Anreise mit dem Auto. Tausend Kilometer werden es im Schnitt immer
sein. Während dem Papa die tollsten Überholmanöver gelingen,
wartet Mutti auf die erste oder nächste Tankpause, damit sie mal wieder
auf den Klo kann. Der Frischling, sicher auf den hinteren Sitzen verzurrt,
braucht beides nicht; nicht zu überholen und auch nicht auf den Klo. Er
darf, wie es gerade kommt, in seine Pampers laufen lassen. Wichtig ist,
daß er seinen Nuckel oder Schnuller nicht aus dem Mund verliert, damit
er nicht auch noch zu plärren beginnt. - Im Restaurant, bei den
Mahlzeiten im großen Speisesaal, geht es ihm auch nicht viel besser. Da
muß er nuckeln, bis seine Eltern mit Essen fertig sind. Dann kommt das
Fläschchen. Ich bin überzeugt, daß er mit dessen Inhalt auch
betrogen ist. Ist er aber schon etwas älter, sagen wir zwei Jahre alt,
kann es ihm passieren, daß er sich vor einem Teller Erbsen wiederfindet,
die aus der Karte als Beilage serviert werden. Beschiß also, von
frühester Jugend an. Und während ich mir noch so meine Gedanken
mache, marschiert draußen vor der großen Fensterscheibe ein
Jungvater daher, der seinen schnullerlutschenden Balg wie die 'Frankfurter
Allgemeine' backbord unter den Arm geklemmt hält. "Herrliche
Sonnentage ...", wird er auf Ansichtskarten in die Heimat berichten. Hinter uns sitzen
bei Tisch zwei Ehepaare mittleren Alters. Beide haben sie einen Sohn. Ich
weiß nicht warum, aber beide Rangen veranstalten vor jeder Mahlzeit ein
nervenzehrendes Gehample, bis sie beide, als Vorspeise gewissermaßen,
von ihren Vätern eine gescheuert bekommen. Dann ist nicht etwa Ruhe.
Dann wird gebrüllt, bis sich Appetit einstellt. Hernach turnt man wieder
auf den Stühlen herum, bis auch der Nachtisch in Form einer Backpfeife
verabreicht ist. Da passierte es eben heute Mittag, daß der Hampelmann
hinter dem Rücken unserer Hamburgerin zweimal mit dem Stuhl umkippte und
bei unserer resoluten Hanseatin im Rücken landete. Als sie sich also zum
zweiten Mal umdrehte, um dem Geräteturner auf die Beine zu helfen, erhob
sich der zuständige Vater und sprach mit fester Stimme: "Ich
entschuldige mich für meinen Sohn!" Meiner Nachbarin, sonst nicht
auf den Mund gefallen, entfuhr ganz erschrocken: "Mein Gott, ich habe
doch gar nichts gesagt!" Montag, der 11.
September Lopar Am Vormittag waren
wir in der Stadt Rab. Eine interessante und geschichtsträchtige Stadt.
Unser Versuch, in Wolfgarten anzurufen, hat nicht geklappt. Wenn man sich die
Insel Rab vom Festland anschaut, mag man nicht glauben, was sich hinter
dieser kahlen Mondlandschaft alles verbirgt. Dieses Rab, das der Insel ihren
Namen gegeben hat (oder umgekehrt?) ist tatsächlich eine
kulturgeschichtliche Fundgrube, in der wir uns noch eifrig umsehen werden.
Wir haben ja Zeit! Das ist ja das Elend eines jeden Rentners: Wenn er mal
Urlaub macht, weiß er nie, wann er zu Ende ist. Mit den Jahren bekommt
man dieses Problem aber in den Griff. Das
Partisanendenkmal auf dem zentralen Platz in Rab ist nicht unbedingt ein
Zeugnis von Kultur und auch kein Denkmal der Friedfertigkeit. Ein Partisan
wirft mit seiner Rechten gerade eine Eierhandgranate, während seine
Linke mit ausgestrecktem Arm einen deutschen Karabiner (98k) hält. Man
zieht unwillkürlich den Kopf ein, bei diesem heroischen Anblick. Dienstag, der
12.September Heute haben wir am Campingkiosk
alles gekauft, was wir vergaßen mitzunehmen: eine Wäscheleine, ein Gebinde Wäscheklammern, Flaschenverschlüsse, wobei natürlich
letztere mit Abstand am wichtigsten waren. Was nützt einem bei
quälendem Durst eine Wäscheschnur. Durst ist ja noch lange kein
Grund, sich aufzuhängen. Mittwoch, der
13.September Lopar 'Bleibe im Land und
ernähre dich redlich.' Warum ich gerade
heute auf diesen Spruch komme? Beim Frühstück habe ich mir einen
überkronten Schneidezahn abgebrochen, an dem auch noch eine Brücke
befestigt war. Wenn ich Glück habe, war's beim Krachen nicht die
Zahnwurzel, sondern der Kieferknochen. Dann könnten sich die wackelnden
Zähne vielleicht wieder festigen. Also esse und kaue ich vorsichtig an
den lädierten Zähnen links und rechts vorbei, was aber sehr
schmerzhaft ist. So heißt es für mich nun 'Fahre ins Ausland und
ernähre dich flüssig(!).' Gestern habe ich mir
im Wasser an einem der ganz wenigen großen Steine den rechten kleinen
Zeh zerschunden. Das Nagelbett ist beschädigt und somit
behandlungsbedürftig. Donnerstag, der
14.September Lopar Regen und Gewitter halten
uns erst einmal in unserer Unterkunft. Meine Wackelzähne verhalten sich
ruhig, wenn ich in weitem Abstand kaue. Ich habe immer noch die verwegene
Hoffnung, daß, durch die bei Knochenbrüchen eintretende
Kallusbildung, meine Zähne wenigstens wieder einen etwas schmerzloseren
Halt bekommen. So schnell soll man ja nicht aufgeben. Unsere Tischnachbarn
aus Graz sind heute Vormittag heimgefahren. Hoffentlich gelingt es mir,
einige seiner vortrefflichen Witze zu behalten. Die "Neuen" kommen
aus Königswinter. Es sind noch junge Leute. Wir sind einmal von
Rab aus nach Suha Punta gefahren. Es ist sehr schön dort. Leider findet
man hier keinen Sandstrand. Statt dessen Felsen und viel Wald. Freitag, der
15.September Lopar Am Vormittag hat
Liesel die erste Miniwäsche gemacht. Derweil hab' ich mich ausgeruht.
Mein Blutdruck gründelt irgendwo ganz unten. Mein rechtes Auge sieht mit
einem Mal eine schwarze Kontur, die es eigentlich gar nicht gibt. Mag dies
bedeuten, was es will; solange ich diese Bildstörungen wahrnehme, habe
ich die Gewißheit, daß ich noch lebe. Trotz meiner
schlappen Bereifung haben wir neue Höhen erklommen. Dieser Höhenzug
ist eine kleine Schatzkammer, was Fauna und Flora betreffen. Die herrlich
gezeichneten Eidechsen trauen uns zwar nicht so ganz, aber mitunter hat man
doch den Eindruck, daß sie uns, hochnäsig zwar, freundlich
begrüßen. Und Pilze gibt's, die offensichtlich niemand will. Sogar
Champignons sind darunter. - Am Nachmittag sonnen wir uns noch ein wenig in
der Bucht. Nach unserer Rückkehr hat die Rezeption eine Neuigkeit
für uns: Unser Zimmer wird für eine Gruppe benötigt. Und das
morgen schon. Na, wir werden sehen. Samstag, der
16.September Lopar Nach einem langen
Palaver stellt sich dann heraus, daß wir doch nicht auszuziehen
brauchen. Aus dieser Situation heraus habe ich mich nach einem schönen
Privatquartier umgeschaut und auch gefunden. Wir bleiben hier noch eine
Woche. Dann ziehen wir um. Den Rakia unserer künftigen Wirtin habe ich
schon gekostet. Wenn alles andere auch so gut ist... Es ist seit 40
Jahren alter Brauch, daß ich mein Schätzchen in Abständen
frage, ob sie mich noch liebt. Heute habe ich dies wohl zur unrechten Zeit
getan. Sie saß über einem Kreuzworträtsel, und was sie nach
meiner Frage da senkrecht niederschrieb, lautete RINDVIEH. Es kann aber sein,
daß sie vor lauter Kreuzworträtsel meine Frage nicht wahrgenommen
hat. Also verlasse ich mich weiterhin auf ihre vortreffliche Fürsorge
und will recht zufrieden sein. Sonntag, der 17.September Lopar Am Mittag haben wir
unser künftiges Restaurant inspiziert. Liesel hat sich ein recht
schmackhaftes Djüwetsch bestellt. Preis ca. 8 DM. Meiner Zähne
wegen dachte ich an etwas Gekochtes. Da wurde eine Zahnbrasse angeboten. Ich
habe sie bestellt. Viel zu groß, viel zu viel und eine Menge Knoblauch.
Preis ca. 28 DM. Das war dann wohl schon für Weihnachten mit. Montag, der 18.
September Rab Als erstes bekam
unser Auto eine Katzenwäsche. Das Parken unter Bäumen hat auch hier
auf der Insel nicht nur Vorteile. Unser Wasser hat für die Fenster und
die Motorhaube ausgereicht. Anschließend sind wir mit unseren jungen
Tischnachbarn nach RAB. Liesel ging bei dieser Gelegenheit zum Friseur.
Waschen und fönen machte ca. DM 4,50. - Während dieser Zeit kaufte
ich mir zwei Musikkassetten. Heute hielten wir
erstmals mittags unsere Touristenmahlzeit: Butterbrot mit Weintrauben. Mir
liegt der gestrige Fisch noch im Magen. Ich freue mich schon auf die
nächste (private) Woche. - Nachdem ich den Nemski-Killer freundlich nach
dem Lauf seiner Souvenirgechäfte befragt habe, grüßen wir
uns; sehr verhalten natürlich. Dienstag, der
19.September Lopar Heute haben wir
erstmals die Mittagssonne getestet; von 10 bis 13.30 Uhr. Sie fördert zwar
den Appetit auf das Bier, aber ich vertrage Bier auch ohne Durst. Angenehm
ist die Mittagssonne jedenfalls nicht. Und das auch noch der angeblich
gesunden (?) Bräune wegen. Unser neuer
Tischnachbar schnorchelt ab heute, und er schwärmt von der bunten
Vielfalt der hiesigen Fische. Seitdem man keinen Meerjungfrauen mehr begegnen
soll, lasse ich das Schnorcheln. Letzten Endes wird man ja auch ganz
schön naß dabei. Für einen Fischgeborenen ein erstaunliches
Ressentiment. Als Dreijähriger bin ich um ein Haar einmal ertrunken. Das
wird es wohl sein. Mittwoch, der
20.September Lopar Heute Vormittag war
es draußen so heiß, daß Liesel ein Innendienst-Programm
gestartet hat: Waschen, Bügeln Briefe schreiben. Das heißt
für mich: Zeitungen kaufen und lesen. Dazu Bier und Sliwowitz. Ein Liter
Badel (Sliwowitz) kostet derzeit DM 9,50. Vor 14 Tagen waren es noch DM
10,50. Bei diesem Kursverfall sollte man bleiben, bis er bei DM 2.50
angelangt ist. Das hieße natürlich hier zu überwintern. Aber
diese Rechnung kann wohl auch nicht aufgehen, sonst bekäme man ja im
nächsten Jahr um diese Zeit auf jede Flasche noch Geld ausbezahlt. - Ich
sollte vielleicht doch einmal anmerken, daß mir der Sliwowitz so viel
auch wieder nicht bedeutet, sonst säße ich längst schon in
einem Heim für schwer Erziehbare. Unsere Tischnachbarn
sind heute zu den Koronati-Inseln unterwegs. Ich bin gespannt, was sie morgen
zu erzählen haben. Für uns wäre das heute auf jeden Fall viel
zu heiß. Da habe ich doch ein
altes Hobby entdeckt: Ich habe mir nach dem Mittagsschlaf meine wackeligen
Zähne gezogen. Jetzt bin ich zwar nicht mehr so schön, aber ich bin
ja nicht nur meine Zähne, sondern auch meine Schmerzen los. Donnerstag, der
21.September Lopar Heute früh gab
es wieder für jeden ein gekochtes Ei; die von den grünen
Hühnern. Hernach haben wir mit den jungen Leuten aus Königswinter
beisammengesessen. Anhand meiner Jugoslawienkarte habe ich sie auf die
lohnenden Ziele in Jugoslawien aufmerksam gemacht. Es war heute wieder
so heiß draußen, daß wir erst um 16 Uhr zum Strand gegangen
sind. Ich habe mich 1½ Stunden auf die Klippen gesetzt und dabei dem
Strandtreiben zugeschaut. Freitag, der
22.September Nach dem
Frühstück sind wir ins Dorf auf die Post und haben mit Marlene
telefoniert. Anschließend irrten wir noch bis Mittag durch die
Umgebung. Auf den Ziegenpfaden der Höhenzüge hat man sich schnell
in ein undurchdringliches, dorniges Gestrüpp verlaufen, aber man findet
ja immer wieder an die Küste, womit man natürlich noch längst
nicht an seinem Ziel ist. Unsere jungen Nachbarn sind auf diese Weise einmal
ganze vier Stunden durch die Klippen und Hügel gestiegen und haben dabei
noch das Mittagessen im Restaurant versäumt. Der Hitze wegen
gehen wir der Sonne immer noch etwas aus dem Wege. Samstag, der
23.September In der Früh
habe ich Geld getauscht und meine Hotelrechnung beglichen. Der
Rechnungsbetrag ließ sich schmerzfrei auf 24 Millionen Dinare
aufrunden. Also habe ich das auch getan. Morgen früh ziehen wir um ins
Privatquartier. Am Nachmittag haben wir noch einen trockenen Strandgang bis
zum Ende der Bucht unternommen. Am Abend packt Liesel unsere Koffer für
den morgigen Umzug. Sonntag, der
24.September Lopar Mit der freundlichen
Hilfe unserer jungen Tischnachbarn aus Königswinter war der Umzug ein
Kinderspiel. Anschließend haben wir uns auf der Sonnenterrasse einen
ausgedehnten Umtrunk, einen sonntäglichen Frühschoppen genehmigt. Die Zeitumstellung
macht mir zu schaffen. Alles scheint nicht mehr zu stimmen: Zur falschen Zeit
Hunger, zur falschen Zeit müde, viel zu früh dunkel, wenn es auf
den Abend geht. Montag, der
25.September Lopar Nachdem uns unsere
jungen Tischnachbarn gestern auf eine "Gottesanbeterin" aufmerksam
gemacht haben, wir waren diesem Insekt in der Natur noch nie begegnet, treibt
es uns wieder auf die Ziegenpfade der Höhenzüge. Man macht immer
wieder neue Entdeckungen. Hatte man den Fotoapparat dabei, dann wurde man auf
etwas aufmerksam, wozu man das Fernglas notwendig gebraucht hätte. Hatte
man das Glas dabei, dann baute sich meinetwegen eine bunte fette Eidechse vor
einem auf, so als wolle sie sagen, 'na, wie wär's denn mit einem Foto'.
Aber alles konnte man nicht mit sich herumschleppen. Am Abend wollte ich
den jungen Leuten in der Hotelbar einen ausgeben, um dann festzustellen,
daß ich praktisch kaum Geld bei mir hatte. Wie heißt es in dem
Klagelied: "... wenn ich sitz an der Bar und habe kein Geld." Dienstag, der
26.September Lopar In der Früh
zogen wir wieder ans Wasser. Da entdeckten wir auf einem kleinen Riff etwa 20
Kraniche, die dort stocksteif herumstanden. Ich eilte schnell zur Unterkunft,
um unser Fernglas und das Teleobjektiv zu holen. Während dieser kurzen
Zeit ist ein einsamer Schwimmer in Richtung Riff und hat die Vögel
verjagt. Pfeifen gibt es immer wieder. Schlecht Wetter
kommt auf. Wir fuhren gleich nach Mittag nach Rab zum Friseur. Auf dem
Heimweg kaufte Liesel sich noch einen schön geflochtenen und
geräumigen Korb. Mittwoch, der
27.September Lopar Das Wetter will's
auch heute nicht. Also haben wir unser Auto gewaschen. Schön schaut's
jetzt wieder aus. Am Nachmittag haben wir wieder eine Ziegenirrfahrt
unternommen. Diesmal haben wir uns tatsächlich fast verlaufen. Und kalt
ist es mittlerweile geworden. Sturm kommt auf, die oft so gefürchtete
"Bora". Und ich bin den ganzen Nachmittag mit nacktem
Oberkörper herumgeturnt.- Hoffentlich habe ich mir dabei nichts geholt. Am Abend kommen die
jungen Leute aus Königswinter zu uns ans Haus. Bis 22 Uhr haben wir noch
beisammengesessen. Donnerstag, der
28.September Lopar Nachdem es die ganze
Nacht gestürmt und wie aus Kübeln gegossen hat, ging es auch den
ganzen heutigen Tag so weiter. Am Strand läßt sich kein Mensch
blicken. Entweder man reist ab oder packt zumindest oder geht auf volle
Deckung. Die Saison ist hier jedenfalls zu Ende. Freitag, der
29.September Lopar Es stürmt und
regnet ohne Unterlaß. Man traut sich nicht mehr vor die Tür. Unsere
österreichischen Zimmernachbarn nahmen uns am Mittag im Auto mit zum
Essen. Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf lassen wir es weiter
stürmen. Den Rest des Tages verbringen wir mit unseren Nachbarn im
"Frühstücksraum", wo wir gemeinsam Rumy spielen. Samstag, der
30.September Lopar Der blaue Himmel
strahlt wieder über uns. Allerdings weht noch ein rauher Wind. Wir
fuhren am Mittag nach Rab zum Essen und machten dort auch unsere
Einkäufe. Auf dieser Inselseite, der Westseite, ist alles windstill und
sehr warm. Für den Rest
des Tages bin ich absolut nichts mehr wert. Ich lege mich ins Bett, um
Kräfte zu sammeln. Sonntag, der 1.Oktober Lopar Am Vormittag
wanderten wir nach Lopar in die Kirche. Ich schaffte auch, völlig ohne Appetit,
ein Mittagessen. Aber dann legte ich mich wieder nieder. Montag, der 2.Oktober Lopar Das Wetter scheint
sich stabilisiert zu haben. Also zogen wir wieder zu den Klippen und
wanderten hernach über die mittlerweile schon etwas vertrauteren
Ziegenpfade. Über Mittag wurde es noch einmal richtig heiß. Wir
setzten uns auf die Terrasse, bis es uns wieder zu windig wurde. Und die
Sonne verzog sich auch. Wir machten noch
eine Strandwanderung. Das Autocamp wirkte wie ausgestorben. Es sind vielleicht
noch 20 Wohnwagen bewohnt. Am Abend zwang ich mich im Plaza zu einem Omelett,
das ich nur zur Hälfte essen konnte. Mein Magen hat wohl Heimweh. Dienstag, der 3.Oktober Lopar Nach (meinem)
Teefrühstück sind wir nach Lopar und haben an der Post einen
E-Scheck eingelöst. Liesel hat noch für eine sehr heruntergekommene
Hundemutter ½ kg Gulasch gekauft. Die Mutter von acht Jungen brauchte
keine fünf Minuten, da war der Gulasch in ihrem Magen verschwunden. Ihr
Appetit, das war wohl das Einzigste, worum ich sie sehr beneidete. Am Nachmittag haben
wir gepackt und geladen. Morgen früh geht es ins Land hinein. Mittwoch, der 4.Oktober Plitvitze/Mrkonjic
Grad Wir starteten zeitig
um ¼ vor acht. Unsere Innsbrucker Zimmernachbarn verabschiedeten sich
sehr herzlich von uns. Sogar unsere jungen Leute aus Königswinter waren
angetreten. Für dieses Aufwiedersehen hatten sie sich eigens von der
Hotelrezeption wecken lassen. Für unsere Zimmernachbarn, inzwischen
waren links neben uns auch wieder Gäste eingezogen, hinterließ ich
zum Abschied einen kleinen Vierzeiler: Der
Sturm war's, der uns weggefegt, nun
roll'n wir auf der Piste. Wir
wünschen unseren Nachbarn noch viel Freud' an Strand und Küste. Die problematische
Wegausfahrt schafften wir mit Hach und etwas Krach am hinteren
Stoßfänger. Bei der Einfahrt in die vorfahrtsberechtigte
Straße von Rab zum Fährplatz hat es dann um ein Haar gekracht. Es
war eindeutig mein Verschulden. Der aufgeschreckte Insulaner muß
geglaubt haben, daß ich hinterm Steuer den abgebrochenen Schlaf wieder
aufgenommen habe. Auf die Fähre
kamen wir als vorletztes Fahrzeug. Die Bora fegte über das Deck. Die
Gischt schwappte immer wieder über unser frisch gewaschenes Auto hinweg.
Hernach, durch die Sonne gleich angetrocknet, konnte man nicht mehr durch die
Scheiben sehen. Und die Karosse erst! Die Scheiben haben wir etwas
säubern können. Den Rest wollten wir uns bei erster Gelegenheit
vornehmen. Auf dem Weg nach Plitvitze haben wir noch einmal getankt und
zeitig um 12 Uhr auf dem Autocamp gut und gepflegt zu Mittag gegessen. Sehr
empfehlenswert! 25 km vor Jajce, bei
Mrkonjic Grad, nahmen wir etwas übereilt Quartier in einem Motel, einem
eiskalten Saustall. Im Restaurant konnte man sich nicht einmal aufhalten, geschweige
essen, so sehr stank es nach altem, ranzigen Fett bis zur Tür hinaus.
Kein einziger Winkel im gesamten Motel-Komplex war auch nur andeutungsweise
beheizt. Ich werde wohl die ganze Nacht nicht warm. Von den Knien
abwärts, wie Eisbein aus der Truhe. Nun haben wir einmal A gesagt. Das B
bedeutet jetzt bis zum Morgen durchhalten. Tageskilometer: 340 Donnerstag, der 5.Oktober Travnik/Doboj/Slavonisch
Brod/Ruma Den heutigen Tag
hätten wir vorher üben sollen. Nach durchfrorener Nacht war Liesel für
Autowaschen. Das ganze Salzwasser pappte noch auf der Karosse. Als ich an den
Wagen kam, traute ich meinen Augen nicht. Unser Auto war rundum dick vereist.
Das mochte daran liegen, daß neben der Kälte ein See diesen
Motel-Komplex säumte. Also mit Schaben war da nichts zu machen. Liesel
machte heißes Wasser. Zwei Eimer Wasser reichten aus, um unser Auto
wieder gebrauchsfähig zu machen - und sauber noch dazu. Als die Sonne am
Himmel stand, strahlte auch unser Auto wieder wohlgemut. In Travnik besuchten
wir den Bazar und kauften dort zwei lange Unterhosen in der Hoffnung,
daß wir sie auf dem weiteren Weg nicht brauchen. Wir aßen in
Doboj zu Mittag, wo wir auch tanken wollten. Super gab es aber nur noch oben
an der Auto-Put. Der kürzeste Weg dorthin wäre nach Slavonisch
Brod. Also fuhren wir, wohin wir eigentlich nicht fahren wollten. Kurz vor Slavonisch
Brod katapultierte ein entgegenkommendes Fahrzeug einen Stein auf unser
Fahrzeug zu. Er war ihm vom vorderen Reifen fortgeschleudert worden. Liesel hat's
gesehen und unwillkürlich ihren Kopf eingezogen. Ich habe nur den
Aufschlag gehört. Dieser Stein hat über meinem Kopf, zwei Finger
breit über der Windschutzscheibe, das Wagendach getroffen. Der Lack ist
bis aufs Blech abgesprungen. Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn
dieser Stein auf die Windschutzscheibe aufgetroffen wäre. Wäre da
unsere Reise dann zu Ende gewesen? Man darf nicht darüber nachdenken.
Ist mein Schutzengel etwa auch auf einer Urlaubsreise, oder versucht er, mich
mit ständigen Schrecksituationen von meinem Vorhaben abzubringen. Das
Letztere wird es wohl sein, und das macht mich zusätzlich nervös,
denn ich vertraue meinem Schutzengel. - In Slavonisch Brod konnten wir
endlich tanken. Auf der Suche nach einem bestimmten Motel gerieten wir in und
um Ruma in die Dunkelheit. In Ruma verirrten wir uns nach den
widersprüchlichsten Wegbeschreibungen heillos. Dazu kam, daß ich
große Schwierigkeiten mit den Augen hatte. Ich wußte in dieser
Finsternis kaum noch etwas zu erkennen. Das Licht aufzublenden hatte keinen
Sinn, weil die dichten Emissionsnebel dann überhaupt nichts mehr
erkennen ließen. Dabei kamen uns, von den Straßenpassanten
abgesehen, unbeleuchtete Fahrräder und Eselskarren entgegen. Ich wurde
von der Angst getrieben, daß ich jemanden überfahren könnte.
Dann fanden wir uns auf irgend einem Werksgelände wieder. Liesel, als
meine Beifahrerin, behielt in bewunderungswürdiger Weise die Ruhe. Ihr
verdanke ich, daß wir aus Ruma wieder herausgefunden und den Auto-Put
erreicht haben. Wir befanden uns bei der Auffahrt auf die Autobahn gleich an
einer Tankstelle. Bei unserer Frage nach einer
Übernachtungsmöglichkeit sagte man uns, daß wir gleich
davorständen. Nun war es uns egal, was sich uns da anbot. Ich
mußte schleunigst vom Steuer weg. So geschah es, daß wir in einem
Schuppen landeten, der sich kaum beschreiben läßt. Für
südöstliche Fernfahrer mag das noch angehen, aber ... - Trotzdem,
ich war erleichtert, daß wir wenigstens das gefunden hatten. Jetzt sind
wir sogar beide froh, daß wir uns in Travnik die beiden langen
Unterhosen gekauft haben. Sie werden noch an diesem Abend in Betrieb
genommen. Während der
"Rezeptionist" aus unseren Pässen die Personalien in seinen
Gästenachweis übernimmt, schaut ihm der einzige Gast im Lokal, ein
alter Serbe, zu. Dabei fragt er den Schreiber nach meinem Jahrgang.
"21", gibt er ihm zurück. "68 Jahre also",
ergänze ich. Der Schreiber rät dem Serben, den Mund zu halten. Ich
würde ihn verstehen. Nach dieser Unterhaltung habe ich meinen Besuch im
nahen Klenak aufgegeben. In der Unterkunft
hatte Liesel währenddessen die Übernachtung vorbereitet. Sie
wußte inzwischen auch, wo sich die Toiletten befinden. Mit einer
Taschenlampe müßte man problemlos hin- und zurückfinden.
Jetzt wird mir auch verständlich, wieso in der Waschecke, die
gleichzeitig auch als Dusche dient, wieso es da so penetrant nach Latrine
stinkt. Nicht jeder wird eine Taschenlampe besitzen. In dieser Waschecke
entdeckt Liesel noch eine ganze Schnakenkolonie. Sie hat was dagegen
einzusetzen, aus der Sprühdose, versteht sich. Bald riecht es nicht mehr
nach Latrine. Schnaken gibt es auch keine mehr. Atembare Luft allerdings auch
kaum noch. Mit kratzenden Schleimhäuten verzehren wir auf der Bettkante
noch ein Butterbrot mit einigen Weintrauben. Etwas muß ja doch in den
Magen hinein. Beim Dahindämmern ist es tröstlich, Liesels
Hände halten zu dürfen. Sie ist ein Mordskumpel und durch nichts zu
erschüttern. Aber das wird vielleicht auch nur so aussehen. Nicht
auszudenken, wenn auch sie so hampelig gewesen wäre, wie ich mich an
diesem Abend dargeboten habe. Tageskilometer: 464 Freitag, der 6.Oktober Nova
Pazova/Belgrad/Bregana Nur weg hier, von
diesem Saustall. Nova Pazova und Belgrad standen auf dem Programm. Dieses
Nova Pazova aber war nicht mehr wiederzuerkennen. Unsere Planierungsarbeiten
damals hatten keinen Flugplatz entstehen lassen, sondern eine schäbige
Industrieansammlung. Das hängt wohl mit dem Bruch Titos mit Stalin
zusammen. Jetzt in diesem Ort noch nach alten Zeiten zu suchen, erschien
sinnlos. Ich fragte Straßenpassanten nach der Kirche. Ich hatte
zufällig eine freundliche Sächsin erwischt, die mir den Weg dorthin
beschrieb. Diese Kirche sei aber als solche kaum noch zu erkennen, so
hinfällig sei sie und nur noch am Kreuz auf dem Dach auszumachen. Aber
was wollte ich da überhaupt? Also 'raus hier und weiter nach Belgrad. Ich glaubte klug zu
handeln, indem ich über Zemun nach Belgrad hineinfuhr. Ich hatte auch
sofort das Albanija-Hochhaus und den Platz der Republik gefunden. Dann aber,
nach einer Parkmöglichkeit Ausschau haltend, trieb mich der chaotische
Straßenverkehr unausweichlich in eine breite
Straßenunterführung, und weg war ich, verschwunden, wie in einem
Klo mit Wasserspülung. Als es wieder hell um mich wurde, war auch
tatsächlich Wasser in Sicht. Wir waren am Saveufer angelangt. Wäre
ich rechts abgebogen, hätte ich den Kalemegdan, Belgrads
geschichtsträchtige Festung erreicht. Von da aus hätte ich
natürlich weitergewußt. Aber wenn ich nun mal in Panik gerate,
leiste ich es mir auch, mich immer in die falsche Richtung zu orientieren.
Irgendwann ging es dann am Saveufer auch nicht mehr weiter. Wir waren eine
Weile, ohne uns dessen bewußt zu sein, so quasi über einen
langgestreckten Parkplatz gefahren. Da mußten wir also wieder
zurück, zurück in den fließenden Verkehr. Wir haben ihn
gefunden. Und nicht nur das. Ehe wir uns versahen, fanden wir uns in Nova
Pazova wieder. Es war zum weinen! Wir sind zurück zur Auto-Put, und dann
gab es für mich nur noch eins, auf dem kürzesten Weg zurück in
die Heimat. Privlaka mochte nun auch bleiben, wo es lag. Wir fuhren und
fuhren und kamen bis zum Motel Bregana, nachdem wir in Slavonisch Brod gut zu
Mittag gegessen hatten. (Hier waren wir doch schon einmal!) Hier in Bregana
kannten wir uns aus. Es war noch alles wie bei früheren Reisen. Diese
Wiederkehr habe ich dann auch gleich mit einem Sliwowitz begossen. Tageskilometer: 489 Samstag, der 7.Oktober Kranjska
Gora Als wir Bregana
verließen, fühlten wir uns schon ein wenig besser. Trotzdem, die
letzten Tage waren entschieden zu viel für mich. Aber bald war es ja
auch geschafft. Unser Tagesziel
hieß Kranjska Gora. Hier wollten wir über Sonntag bleiben. Im
Hotel Kompass, das beste hier am Platze, haben wir ein Zimmer genommen, das
einen herrlichen Ausblick auf die Berge zuließ. Und geheizt ist es
hier. Ein richtiges Bad mit Badewanne. Noch am Abend nehme ich ein Bad in
einem Kopfwaschmittel. Tageskilometer: 207 Sonntag, der 8.Oktober Kranjska
Gora In der Ortskirche
erlebten wir einen Pfarrer, dem die verschriebene Liturgie offensichtlich
nicht ausreichte. Er machte sich so seine eigenen Gedanken, womit ich nicht
die Predigt meine, die ich sowieso nicht verstand. Einen Lefèvre
hätte es glatt zerrissen. Und alle hatten ihr Vergnügen. Die Kinder
in den vorderen Bänken und auch die Meßdiener am Altar. Liesel hat
sich in ihrem Zorn deren Gesichter eingeprägt. Ich weiß das, weil
sie mich am Nachmittag auf einen Buben aufmerksam machte: "Das ist doch
der Meßdiener von heute früh, dem ich am liebsten jetzt noch ein
paar Backpfeifen verabreichen möchte." Da während dieses
Gottesdienstes drei Meßdiener am Altar eingeteilt waren, traten
während des Ablaufs der Liturgie auch drei Jungfrauen, so will ich doch
hoffen, an den Altar; eine für die Epistel und eine für die
Fürbitten. Was die dritte vorzutragen hatte, da bin ich nicht
dahintergekommen. Ach ja, die Kollekten sollte ich noch erwähnen. Auf
der Insel Rab ging noch der Kollektant mit einem Körbchen und einer
Plastiktüte an den Bänken vorbei. War das Körbchen voll, wurde
es in die Plastiktüte entleert. Hier in Kranjska Gora wurde vom
Küster ein hölzerner Opferstock an die Altarstufen herausgetragen,
womit ein Opfergang eingeleitet war. Alles zog also nach vorne um seine 10 -,
20 -, 50 -, oder 100.000 Dinare in diesen Opferstock zu stecken. 100.000
Dinare entsprachen an diesem Tage (muß man sagen) etwa 5 DM. Mit
fünf Mark waren wir auch dabei, obwohl das eigentlich niemanden etwas
angeht. Am Abend rufen wir
in München an. Evi und Bert werden morgen nicht zu Hause sein. Also
verlängern wir unseren Aufenthalt hier im Hotel um einen weiteren Tag.
Hier läßt es sich ja vortrefflich verweilen. Montag, der 9.Oktober Kranjska
Gora Irgendwie vertreiben
wir uns die Zeit. Wir machten einen Spaziergang in Richtung Bergpanorama,
aber mit mir will es nicht so recht. Am liebsten lege ich mich ins Bett.
Vorher spielen wir aber noch eine Partie Rumy und Canasta. Aber auch da bin
ich jeweils nur der zweite Gewinner. Ich lege mich noch einmal in die Wanne.
Jawohl, gut warmes Wasser mit Shampoo angereichert, das ist jetzt das
richtige Element für mich. Dienstag, der
10.Oktober Eichenau Ich zahlte die
Hotelrechnung: Die Kleinigkeit von Zehn Millionen DIN. (aufgerundet). Ein
wenig komme ich mir jetzt doch wie ein armer Mann vor. Aber das ist ja nur
eine Frage der Zeit. Da kommt jetzt noch die Zahnreparatur, wenn nicht ein
völlig neues Gebiß, die Autoreparatur, was das Dach betrifft.
Während unserer Abwesenheit haben Marlene und Günter Öl
für das kommende Jahr getankt. Was da vielleicht noch dazukommt, werden
wir erfahren, wenn wir wieder zu Hause sind. Wenn wir wieder zu
Hause sind. Gegen 14 Uhr hatten wir es jedenfalls bis zu Evi + Bert in
Eichenau geschafft. Man spricht deutsch. Was sind wir froh, Evi, Bert und
Beate wiederzusehen! Inzwischen, wieder etwas an Komfort gewohnt, macht uns
die Badbenutzung keinerlei Schwierigkeiten. Nur, was meine lange, warme
Unterhose aus Travnik betrifft, die sollte in Wolfgarten gleich gewechselt
werden. Aber was geht das Evi und Bert an. Evi
verhätschelt uns, so gut es nur möglich ist. Ungeachtet dessen
vergrabe ich mich auf das Unhöflichste in die aktuellen Zeitungen. Die
Berichte über die ostdeutschen Fluchtbewegungen sind einfach
sensationell. Hoffentlich nimmt das alles ein gutes Ende. Tageskilometer: 371 Mittwoch, der
11.Oktober Eichenau Absoluter Ruhetag
mit Wunschkost: Gekochtes Rindfleisch mit Wirsinggemüse. Nachdem ich das
gegessen hatte, war mein Magen sprachlos. Das habe ich schon eine Weile nicht
mehr erlebt. Am Nachmittag machten Evi und Liesel einen Abstecher nach
München. Nein, das schaffte ich noch nicht. Ich habe sogar den Eindruck,
daß mich nicht einmal mehr Bier und Sliwowitz zu was verleiten
können. Ich lese Zeitungen und schaue mir einen Zeichentrickfilm im
Fernsehen an. Beate kommt nach Hause. Also schalte ich, etwas verschämt,
die "Kinderstunde" ab. Am Abend darf ich noch einmal mit Bert zusammen
Rindfleisch und Wirsing essen. Gewichtskontrolle:
65 kg (5 kg sind also in Jugoslawien geblieben.) Donnerstag, der
12. Oktober Wolfgarten Jetzt geht es aber
heim! Kurz nach 9 Uhr befanden wir uns bereits auf der Autobahn. Das ist
für einen amtlich beglaubigten Schwerbehinderten schon eine ganz gute
Zeit. Da gibt es nichts mehr zu berichten. Wir nahmen auch keine Bremsspuren
mehr wahr. Sollten sie alle fahren und rasen wie sie wollten, wir fahren nach
Hause. Kurz nach 15 Uhr bogen wir nach Wolfgarten ein. Marlene und Simone
begrüßten uns und präsentierten uns ein gemütliches und
sauberes Heim. Von Simone erfahre ich, daß sie mich immer noch liebt.
Von Marlene erwarte ich so viel Sympathie nicht, aber immerhin, wir freuen
uns sehr, daß wir uns wieder gesund gegenüberstehen.- Die letzte
Woche, das war kein Urlaub. Das war eine Expedition. Morgen will ich
gleich zur Zahnärztin. Aber wo sind meine Zähne? Wir suchen und
suchen und verderben uns damit den ganzen Abend. Meine Zähne lassen sich
nicht finden. Tageskilometer: 588 (Letzte
Km-Eintragung) In der nächsten
Zeit notiere ich also keine Kilometerleistungen mehr, sondern meine
täglichen Gewichtszunahmen. Freitag, der
13.Oktober Keine Zähne,
kein Zahnarzt. Da tut sich also heute nichts mehr. - Am Nachmittag fuhr ich
mal zum Lorbachs Kopf, um einmal nach den Pilzen zu schauen. Keine Pilze,
aber ein Rudel Rotwild stand auf dem Weg und schaute mir interessiert
entgegen. Hatte natürlich kein Glas dabei. Samstag, der
14.Oktober Es ist wie verhext.
Die Zähne sind nicht zu finden. Liesel befürchtet schon, daß
sie, in ein Tempotuch gewickelt, aus Versehen weggeworfen wurden. Na, das
wäre ja was! Sonntag, der
15.Oktober Endlich 'mal wieder
ein schöner Gottesdienst in Heimbach. Am Gesang der Kirchenlieder mochte
ich mich heute nicht beteiligen, da ich durch die fehlenden Zähne
falsche Luft ziehe. Ansonsten ein ganzer Tag der gepflegten Ruhe. Wir haben meine
Zähne gefunden! In der Medikamentendose. Sie befand sich noch unter dem
Beifahrersitz. Wenn ich Liesel richtig verstanden habe, hat sich der heilige
Antonius damit wieder ein frommes Gedenken verdient. Auf ihn kann man sich
tatsächlich verlassen. Fazit: Nach dieser Lektüre wird es
niemanden wundern, daß der liebe Gott, wenn ich mich mit meiner Frau
auf "Großer Fahrt" befinde, über alle Schutzengel des
Himmels eine Urlaubssperre verhängt, weil sie mich in drei Schichten,
rund um die Uhr, vor allem Unheil bewahren müssen. Das ist auch eine
Erklärung dafür, daß ich diesen Servis nicht allzu oft in
Anspruch nehmen möchte. *** |