Auf Wiedersehen in Sofia Ljdbilfyt
d Cjabz Von Sofia
zur Schwarzmeerküste erzählt von 1969 Zum Vorstand eines großen Sportvereins im Kölner Norden, den ich Anfang der Sechziger Jahre mit Gleichgesinnten ins Leben gerufen hatte, gehörte auch seit Jahren ein Autohändler, der die Automarke Ford vertrieb. Nach irgendeiner Vorstandssitzung bot er mir überaus preisgünstig seinen Vorführwagen an. Es war ein Zwei-Liter Sechszylinder, der, im Vergleich zu meinem Opel, auch schon etliches an Komfort aufzuweisen hatte. Er war noch keine zehntausend Kilometer gelaufen, also gerade erst so richtig eingefahren. Das war doch ein Geschäft. Ich habe erst gar nicht lange überlegt. Unser Bernd hatte inzwischen seinen Führerschein. Ihm fehlte nur noch das Auto. Nun schien sich dieses Problem für ihn zu lösen. Unter der Bedingung, dass wir also im Sommer gemeinsam nach Bulgarien fahren, dürfe er meinen Opel übernehmen. Hernach könne er sich vom Verkaufserlös dieses Wagens dann seine 'Ente' kaufen, auf die er es von Anfang abgesehen hatte. Und so haben wir's dann auch gemacht. Alle, die bereits berufstätig waren, Bernd also, Christa, Maria und Bernds Arbeitskollege Rolf, ließen gleich ihren Jahresurlaub für die letzte Juliwoche und die ersten drei Augustwochen vormerken. Ursula, Klaus und Günter gingen ja noch in bzw. auf die Schule und hatten zum geplanten Termin ihre Sommerferien. Von nun an wurden eifrig Pläne geschmiedet, ein regelrechtes Drehbuch geschrieben. Ich hatte mir im Jahr zuvor vom ADAC die Reiseroute nach Sofia ausarbeiten lassen. Damals stellte dieser Club sehr aufschlussreiche Umlegeblocks zusammen, die alle denkbaren Informationen enthielten. Solch eine Routenausarbeitung, allerdings erweitert um die Strecke Sofia - Burgas und südliche Schwarzmeerküste, ließ ich mir wieder zusammenstellen. Auch wurden die Rollen verteilt. Bernd fuhr also unseren alten Opel, der die bulgarischen Straßen ja bereits erlitten hatte, Rolf machte den Beifahrer und Kartenleser. Außerdem verwaltete er die Reisekasse. Da jeder dieser zweiten Wagenbesatzung mittlerweile über ein gewisses Einkommen verfügte, begann sogleich das große Sparen. Wenige Wochen vor Reiseantritt baute Bernd noch einen Autounfall. Zum Glück hatte ich eine Werkstatt an der Hand, die mir die Reparatur, neuer Kotflügel mit Lichtanlage, zum Freundschaftspreis ausführte. Als es passierte, war Bernd am Boden zerstört. Er mochte es noch gar nicht glauben, dass der Opel wenige Tage später schon wieder fahrbereit war. Dieser Schreck in der Morgenstunde war in Anbetracht der weiten Autoreise, die ihm schon bald bevorstand, vielleicht ein heilsames Erlebnis. Ich wüsste mich auch nicht zu erinnern, dass er später jemals wieder einen Unfall verursacht hat. Das heißt also, dass er sich auf dieser Balkanreise als zuverlässiger Fahrer erwies. Maria hatte übrigens seit Monaten in Sofia eine Brieffreundin. Mami B. hatte sie ihr vermittelt. Rumi (Rumjana) Troschanowa wurde mit ihrer Schwester Maria von unserer Mami B. in der deutschen Sprache unterrichtet. Nach ihren Briefen zu schließen, musste diese Rumi ein ganz liebes Mädchen sein. Nun ja, bald würden wir sie kennen lernen. Am letzten Samstag im Monat Juli war es dann endlich so weit. Da man vor solch großen Unternehmungen eh zu keinem Nachtschlaf findet, haben wir unseren Start wieder auf die Mitternachtsstunde gelegt. Wir fuhren nicht auf Sicht, hatten aber mehrere Treffs als Ruhe- und Tankpausen festgeschrieben: Zwischen drei und vier Uhr Rastplatz Spessart/Rohrbrunn, zwischen sieben und acht Uhr Rastplatz Holledau, zwischen zehn und elf Uhr Grenzstation Kufstein, zwischen fünfzehn und sechzehn Uhr St.Johann, ab achtzehn Uhr Ankunft am Tagesziel Motel Lienz. Diese Streckenaufteilung hat prächtig funktioniert. Die zurückgelegten 850 Kilometer waren für Bernd auch eine recht gute Leistung. Das Motel Lienz gefiel allenthalben, wenn sich die Unterkünfte selbst auch sehr bescheiden zeigten. Aber auch das hatte seinen Reiz. Christa hatte, während wir uns im zähen Stau über die Ringstraße von München zwängten, sehr unter der Hitze zu leiden gehabt. Hier, angesichts der von der Abendsonne angestrahlten Dolomiten, erholte sie sich bald, wenn auch das Essen noch nicht schmecken wollte. Was das Essen betraf, so hatte Christa in jener Zeit sowieso Probleme. Der Abend ließ uns noch eine Menge Zeit, den kommenden Tag durchzusprechen. Da war zuerst einmal der Loibl-Pass mit seiner stellenweise 26 prozentigen Steigung zu überwinden. Von der jugoslawischen Grenzstation aus wollten wir dann aber auf Sicht fahren, da es im Falle der Not zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre. Mit dem Start am folgenden Morgen hatten wir es nicht so eilig. Wir konnten es uns leisten, dem Schlafbedürfnis der jungen Leute etwas entgegenzukommen. Um zehn Uhr rollten wir aber doch schon durch das malerische Mölltal auf Spital zu. Als wir auch Villach hinter uns gelassen hatten, wurde es dann ernst. Bernd hatte seine erste Passfahrt zu bestehen. Als wir oben die jugoslawische Grenzstation passiert hatten, zitterten ihm noch die Knie. Die Vorstellung, dass er in den extremen Steilstrecken den Motor abwürgen könne, verfolgte ihn noch bis in den Schlaf. Unser Mittagessen auf der jugoslawischen Seite, in Podgoren, einzunehmen, war ein Fehler. Was man uns da vorsetzte, war noch keine jugoslawische Küche, aber auch keine österreichische Küche mehr. Das Fleisch war viel zu fett, der Krautsalat viel zu sauer und die Kartoffeln, na, da waren wir auch anderes gewohnt. Wären wir nur ein kleines Stückchen weitergefahren, etwa bis Grajnska Gora, da hätten wir Balkanküche vom Feinsten angetroffen. Aber das musste man wissen. Es gelang mir aber, die zweite Wagenbesatzung davon zu überzeugen, dass wir am Abend verpflegungsmäßig besser aufgehoben seien. Die Fahrtstrecke bis nach Bregana brachte keinerlei Probleme, obwohl das Sichtfahren grundsätzlich nicht gerade angenehm ist. Bregana entschädigte aber für alles. Als wir uns mit unseren neun Personen auf der Restaurantterrasse an drei Tischen breit machten, konnte es auf der ganzen Welt nirgendwo schöner sein. Auch die gemischte Grillplatte am Abend enttäuschte keineswegs. Ein wenig ärgerlich gestaltete sich am nächsten Morgen unsere Absicht, in dieser sympathischen Absteige zu frühstücken. Und das war so: In der Früh hatten wir ja unsere Hinterlassenschaft in den drei Appartements so zu ordnen, wie das bei zivilisierten Menschen üblich ist. Auch war das Sturmgepäck zu verstauen. Ich war derweil schon ins Restaurant gegangen, um für neun Personen Frühstück zu bestellen. "Ja, wo sind denn diese neun Personen?" "Die bringen noch das Gepäck im Auto unter." "Nun gut, dann machen Sie Ihre Bestellung, wenn diese neun Personen hier am Tisch erscheinen." Na, das war ja wohl das Letzte. Was bildete sich dieses Suppenhuhn eigentlich ein? Aber der würde ich es heute morgen zeigen. Unsere Reisecrew hatte an den Tischen Platz genommen. Ich bestellte, ohne jemanden zu befragen, für jeden Teefrühstück mit Ei, Schinken und Orangensaft. Als denn dieses verflixte Weibsbild in der Küche verschwunden war, um unsere Bestellung auszurichten, kaufte ich an der Theke drei Flaschen Milch und dreißig 'Krapfen', wie man bei uns sagt, die ich in der Vitrine ausgestellt fand. Mit diesem Proviant haben wir uns dann klammheimlich vom Acker gemacht. Gleich hinter Zagreb haben wir auf einem Rastplatz unseren Gaskocher in Aktion gebracht, um einen anständigen Filterkaffee herzustellen. Und während wir unsere Krapfen verzehrten, haben wir uns das dumme Gesicht der Kellnerin aus dem Motel Bregana vorgestellt. Am Mittag fuhren wir das Motel 'Spašva' an, das Motel mit der ausgezeichneten Küche und den schönen bunten Fässern für eine eventuelle Übernachtung. Die zweite Crew war begeistert von dieser Anlage. Da müssten wir auf dem Rückweg aber einmal übernachten. Aber noch waren wir nicht auf dem Rückweg. Jetzt wurde erst einmal hervorragend gegessen. Hernach war wieder eine Lagebesprechung angesetzt. Bisher hatten wir alle Hinweis- und Wegeschilder lesen können. Das hörte nun bald auf. Ab Belgrad erwartete uns die cyrillische Schreibweise, mit der unsere zweite Wagenbesatzung ja nichts anzufangen wusste. Die kritische Strecke war eigentlich nur die Stadtdurchfahrt in Belgrad. Als erschwerend kam hinzu, dass an der südlichen Stadtgrenze nur ein winziges Hinweisschild mit der cyrillischen Aufschrift 'Nisch' auf ein abbiegendes Gässchen hinwies, das einen dann auf die Weiterführung der Autoput in Richtung Süden brachte. Wenn ich auf dieser Strecke unseren zweiten Wagen aus den Augen verlor, musste ich damit rechnen, dass unsere Kinder große Probleme bekommen könnten. Also habe ich bei der ganzen Stadtdurchfahrt meinen Rückspiegel aufmerksam im Auge behalten. - Und dann ist es passiert: In Belgrad war man dabei, eine Art Stadtautobahn zu bauen. Sie sollte die nördliche mit der südlichen Autoput verbinden. Bei all den dadurch bedingten Umleitungen hatte ich schon meine liebe Not, die Richtung nicht zu verlieren. Was würde das also erst unserem Bernd für Schwierigkeiten bereiten. - Von links kam dann eine ganz neue Trasse auf uns zu, die aber noch nicht befestigt war. Trotzdem hatte sie bereits Vorfahrtsberechtigung, was ich leider übersehen habe. Ein Polizist, ein Milizionär, kam diese neue Straßenführung heruntergefahren und landete direkt vor meinem Autokühler. Was jetzt folgte, das wäre etwas für einen Filmamateur gewesen. Der Milizionär knallte sein Leichtmotorrad so auf die Straße, dass man gleich sah, dass es nicht sein eigenes war. Ich sah mich bereits angesprochen und drehte artig die Scheibe herunter. Und dann ging's los. Mit hochrotem Kopf sprang er wie in einer Stummfilmklamotte ständig auf und nieder, hatte beide Daumen und Zeigefinger zu einem Dreieck geformt und schrie hysterisch: "Ne widisch? -
Ne widisch? - Ne widisch, ebem ti boga?" Hast Du's nicht gesehen,
verdammt noch 'mal (oder noch
schlimmer)?!? Mein Gott, ich konnt's doch nicht mehr ändern. Ich habe mich entschuldigt, mit Entschuldigung, mit pardon, mit excuse please, nur nicht mit dem ihm vertrauten 'izvinete'. Ich glaube, das hätte er nicht mehr ertragen. Im Rückspiegel beobachtete ich zwei grinsende Gesichter, das meines Sohnes Bernd und seines Beifahrers Rolf. Das hat man dann davon. Na, wartet nur! Wenn man Belgrad hinter sich gelassen hat, geht es so etwa zehn bis zwanzig Kilometer bergabwärts. Auf diesem Teilstück der Autoput passieren deshalb auch sehr häufig böse Unfälle. Ich hatte meinen Bernd auf diese Tücken aufmerksam gemacht. Jetzt fuhr er vor mir her, weil es bis zum Tagesziel Alexinac kein Vertun mehr gab. Auf dieser abschüssigen Strecke überholte uns ein Omnibus und setzte sich hinter Bernds Wagen. Durch dauerndes Blinken signalisierte er unserem Bernd, daß er doch endlich seinen Vordermann überholen möge. Ich verfolgte diese Rempelei mit größter Aufmerksamkeit. Deshalb entging es mir auch nicht, als Bernd lässig seinen linken Arm aus dem Fenster schob und mit seinem Zeigefinger über seinem Kopf aufs Dach tippte. Diese Szene wirkte so originell, dass ich mir vornahm, ihm dafür am Abend einen auszugeben. Eigentlich wollten wir ja bis Alexinac. Aber dann erinnerte ich mich an den freundlichen Motelverwalter in Cuprija. Ob er dort noch seinen Dienst tat? Aber das ließ sich ja feststellen. Da Bernd auf Alexinac programmiert war, musste ich ihn jetzt überholen und die Führung übernehmen. So war er denn auch recht erstaunt, als ich plötzlich den Blinker setzte, um auf ein unscheinbares Motel abzubiegen. Jawohl, da war er noch, mein Menschenfreund. Er erkannte mich sogleich wieder. Während Liesel und die Kinder ihre Zimmer bezogen, bat ich meinen Freund uns eine stattliche Grillplatte für den Abend herzurichten. Wir seien zwar nur neun Personen, aber er könne ruhig auf zehn Personen aufrunden. Die abendliche Grillplatte war ein Fest. Wir alle hatten so etwas bis dahin noch nicht gesehen. An eines kann ich mich noch erinnern: Ausgerechnet das schmale Handtuch von Rolf haute an diesem Abend auf das Gegrillte ein, dass ich dachte, gleich wird es ihn zerreißen. Das war doch immerhin eine Belohnung für die Fahrleistungen des Tages. Das alles wäre noch viel schöner gewesen, wenn dieser Pfeifenkopf von jungem Burschen, der uns im Jahr zuvor den Slivoviz besorgt und in der Früh den Wagen gewaschen hatte, wenn dieser verdammte Kerl nicht den ganzen Abend die laute und völlig deplazierte Musikbox gefüttert hätte. Da wir zeitweilig den Eindruck hatten, dass das auch unseren Kindern gefiel, haben wir auf jedwede Reklamation verzichtet. Da Cuprija nicht vorgesehen war, habe ich die abendliche Grillplatte auf mein Konto gebucht. Dadurch, dass wir bereits in Cuprija Quartier bezogen hatten, war die Etappe des nächsten Tages etwas weiter geworden. Gravierend war das aber nicht. Nach einem ausgezeichneten Frühstück setzten wir uns bester Laune wieder in Marsch. Schon bald kamen die romantischen Tunnel in der Morava-Schlucht auf uns zu und leider auch die Marterstrecke zwischen Bela-Palanka und Pirot. Unser Opel, der jetzt von Bernd chauffiert wurde, kannte diese Strecke ja. Für unseren Ford war das eine ganz neue Erfahrung. Da er rundum schon auf Teleskopfedern schwebte, war das aber kein Problem für ihn. An der bulgarischen Grenze gab es keine Schwierigkeiten, obwohl die Abfertigungsformalitäten auf unsere jungen Leute etwas belustigend wirkten. Na klar, da war ich ja ganz ihrer Meinung, aber so ist es, wenn man sich anschickt, ein 'Arbeiter- und Bauernparadies' zu betreten. Wir hatten unsere Pässe wieder, unser erstes Geld in Lewa umgetauscht, also konnte es nach Sofia weitergehen. Dieses Mal sind wir aber gleich auf den vom ADAC empfohlenen Campingplatz 'Vranja' zugesteuert. Dieser lag also an der Straße nach Plovdiv, gleich bei dem Motel 'Gorubljansko Chantsche'. Im Jahr zuvor waren wir schlicht falsch abgebogen. Vranja machte einen guten Eindruck. Wir ließen unser Zeltgepäck im Wagen und mieteten uns gleich vier 'Bungalows'. Natürlich stellt sich unsereins unter einem Bungalow etwas anderes vor, aber so wurden diese Holzbuden nun einmal genannt. Und was solls, hier war alles recht urig und einladend. Chan bedeutet in der bulgarischen Sprache das Rasthaus. Dabei wird das 'Ch' (cyrillisch 'X') als Rachenlaut, also wie 'Bach' ausgesprochen. Chantsche ist die Verkleinerungsform von Chan, das Rasthäuschen also, wobei ich annehme, dass dies mehr eine liebevolle Umschreibung für eine Gaststätte war, die sich deutlich von dem lauten und hektischen Treiben jener orientalischen Karavansereien früherer Zeiten unterschied. Seit allerdings diese Rasthäuser vom staatlichen BALKANTURIST verwaltet werden, stimmt das mit dieser Idylle auch nicht mehr. Wenn wir mit Mami B. gemeinsam zu Mittag essen wollten, wurde es Zeit, dass wir uns auf den Weg machten. War das eine Freude, als wir in der '11.August' auftauchten. Mami hatte sich im Nu 'kultiviert'. Minuten später steuerten wir wieder die Kathedrale an, um dort im Schatten der Bäume unsere Wagen abzustellen. Natürlich wollten wir unsere erste Mahlzeit wieder im ehemaligen Hotel KOOP einnehmen. Wir haben auch gut dort gegessen. Leider hatte Christa immer noch sehr unter der Hitze zu leiden und deshalb überhaupt keinen Appetit. Mami S. empfahl ihr, eine Portion Tarator zu bestellen. Das hat sie auch gemacht. Und es muss ihr auch gut bekommen sein, denn auch an den Folgetagen fragte sie immer gleich nach Tarator. Tarator, was das ist? Also: Eine (halbe)
grüne Gurke, je Person ein halbes Glas Joghurt und ein halbes Glas saure
Sahne, 100 bis 150g gehackte Walnüsse, ein bis zwei Zehen Knoblauch, viel
Dill und etwas Salz. Je nach Witterung Eiswürfel zugeben. Für den Nachmittag haben wir Mami B. auf den Campingplatz eingeladen. Sie sollte doch unsere 'Bungalows' begutachten. Fix haben wir unsere Klapptische und -stühle in Stellung gebracht, während Liesel bereits einen guten Kaffee durch den Filter laufen ließ. Natürlich gab es dazu auch feines Gebäck aus 'deutschen Landen', welches von mir stets als 'Notverpflegung süß' mitgeführt wurde. Da saßen wir nun unter jungen Pappeln und ließen es uns gut gehen. Frau B. rauchte mit großem Genuss von meinen deutschen Zigaretten und schien glücklich, wie lange nicht mehr. Auf dem Campingplatz befand sich ein annehmbares Restaurant, welches, wie überhaupt alles, was etwas mit Tourismus zu tun hat, eine Einrichtung des staatlichen 'BALKANTURIST' war. Diese Gaststätten wurden während der Ferienzeit besonders gut mit Lebensmitteln versorgt, da sie zu den besten Devisenbringern zählten. Es konnte vorkommen, dass es in ganz Sofia kein Fleisch zu kaufen gab. Bei BALKANTURIST war dann von diesem Engpass nichts zu spüren. Das waren allerdings Situationen, über die man erst nachdachte, wenn man mit der Zivilbevölkerung vertraulichen Kontakt hatte. An diesem Abend gab es in ganz Sofia Fleisch. Trotzdem grenzte unser gemeinsames Abendessen in den Augen unserer Mami B. schon an Völlerei. Liesel und ich haben unseren glücklichen Gast spät abends noch in die Stadt zurückgebracht. Am nächsten Vormittag haben wir uns erst einmal unsere neue Umgebung angeschaut. Auf dem Campingplatz hatte sich an zentraler Stelle ein Verpflegungskiosk etabliert. Da holte ich am Morgen in der Früh für uns alle frische Butter, Milch und etwas Schafskäse. Der Magazineur war ein wahres Unikum, der mir gleich überaus sympathisch war. Was ich so daherredete, war ein Gemisch von Bulgarisch und Serbokroatisch. Das erklärt sich aus meiner Historie, da ich in Bulgarien vier Jahre als Soldat und in Jugoslawien vier Jahre als Kriegsgefangener jene kostbare Zeit verschliss, die man landläufig als Jugendzeit bezeichnet. Unser Magazineur sprach, wie ich den Eindruck hatte, so ziemlich alle Sprachen, soweit es sich um Käse, Milch und Butter drehte. Ich hätte ihn also auch in jedem arabischen Dialekt ansprechen können. Mein Frühstück wäre auf jeden Fall gesichert gewesen. An meiner Sprachschöpfung mochte er sich mächtig amüsieren. Serbobulgarisch, das waren auch für ihn ganz neue Klänge. Wir hatten also gleich Spaß aneinander, und da ich mich nun schon einmal mit ausgefallenen Sprachschöpfungen qualifiziert hatte, nannte ich ihn fortan 'Pavilonski Natschalnik', den Pavillon-Vorsteher. Diesen Titel hat er mit großem Vergnügen akzeptiert und mit einem hochfeinen Grosdova ratifiziert. In diesem Zusammenhang kann 'Grosdova' natürlich wieder nur ein Schnaps sein. Grosdova bezeichnen wir als Trester, da er aus Weintrauben gebrannt ist. Für die Mittagszeit hatten wir uns mit Mami im ungarischen Restaurant auf der Rakovska verabredet. Unserer zweiten Crew zeigten wir, wo sie an der Kathedrale ihren Wagen abstellen konnte. Während wir Mami aus der '11.August' abholten, hatten unsere Kinder Gelegenheit, sich das Innere der wunderschönen Gedächtniskirche anzuschauen. Von der Kathedrale sind wir dann wieder zu Fuß in die Rakovska und zum ungarischen Restaurant. Mit unserer gesamten Mannschaft belegten wir nun schon zwei Nischentische. Der alte Kellner vom Vorjahr war tatsächlich nicht mehr da, aber wie wir erfuhren, lebte er noch, wenn man das so leben nennt. Unsere Tochter Maria spannte natürlich darauf, nun endlich ihre Brieffreundin Rumi kennen zu lernen. Also bat sie Frau B., bei dieser Familie einmal nachzufragen, wann wir einen Antrittsbesuch wagen dürften. Rumis Mutter war am Telefon. Natürlich sollten wir gleich in die 'Ami Bue' kommen. Die Kinder, Rumi und Maria, würden uns mit Spannung erwarten. Diese Arztfamilie hatte also auch eine Tochter mit dem Namen Maria. Wir sind gleich vom Restaurant zurück an die Kathedrale zu unseren Autos und haben uns von Mami S. in die Ami Bue-Straße dirigieren lassen. Als ich, von der Patriarch Evtimij kommend, einen Obelisken umkreiste, kam mir diese Gegend doch schon bekannt vor. Als wir dann links bei einer Tankstelle einbogen, wusste ich es genau. Hier hatte dieser fixe Tankwart im vergangenen Jahr für zehn Lewa mein Auto gewaschen, während ich mich in der Kneipe gegenüber als Westdeutscher feiern ließ. Ami Bue Nr.25. Hier war's also. Auf einem Emailleschild am Eingangstor stand zu lesen: Dr.Troschan Troschanow, Lekar. Lekar, das ist der bulgarische Begriff für einen Arzt oder Mediziner. Vom Straßentörchen waren es nur wenige Schritte bis zum Hauseingang. Auf unser Klingeln öffnete eine alte Frau, die Oma, wie sich gleich herausstellte. Mit Frau B. waren wir zehn Personen, die sich vor der Haustür aufgebaut hatten. Wir waren zwar angemeldet, aber ob uns Frau B. mit dieser Überzahl avisiert hatte, wussten wir nicht. Die Oma Drumewa empfing uns mit großer Herzlichkeit und führte uns in den ersten Stock des Hauses, wo sich das 'gute Zimmer' befand. Hier lernten wir dann auch die beiden Töchter Rumi und Maria kennen. Beide waren bildhübsche Mädchen. Da mussten die Eltern ja wohl auch etwas darstellen. Aber da war erst noch der Opa Drumew. Er sprach, im Unterschied zur Oma, kein Deutsch. Er war ein gebürtiger Bulgare, der in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine Wienerin geheiratet hatte. Opa Drumew war ein pensionierter Eisenbahner. Sein Wortschatz beschränkte sich allem Anschein nach auf 'Guten Tag', 'Wie geht's?' 'Auf Wiedersehen' und 'Eine Schande, eine Schande!' Diesen empörten Ausspruch haben wir in der Folgezeit am häufigsten von ihm gehört, wenn wir von unseren Erlebnissen erzählten, die ihm seine Frau oder die Kinder übersetzten. Rumis Mutter war im Augenblick beim Friseur. Sie war gleich nach Frau B.s Anruf dort hingeeilt. Eitel war sie also auch. Rumis Vater, der Arzt, würde gleich erscheinen, er habe noch einige Patienten im 'Kabinett' zu versorgen. Hierzu ist zu sagen, dass Dr.Troschanow in einer nahen Klinik als Hals-Nasen-Ohren-Arzt praktizierte. Seine ursprüngliche Fachrichtung war die eines Gynäkologen. Als die Ärztekammer der Ansicht war, dass es, wegen des allgemeinen Geburtenrückgangs, mittlerweile Gynäkologen im Überfluss gebe, dagegen Mangel an HNO-Ärzten bestände, schickte man Dr.Troschanow für zwei Jahre nach Moskau, wo man ihm nicht nur Fachwissen vermittelte. Als Herr Troschanow endlich erschien, lernten wir in ihm eine sehr sympathische und hochinteressante Persönlichkeit kennen. Ich glaube, wir haben uns auf Anhieb gemocht. Er bat uns um etwas Geduld. Seine Frau müsse jeden Augenblick vom Friseur zurück sein. Und so war es denn auch. Welche Frau sieht nicht gut aus, wenn sie gerade vom Friseur kommt? Die Oma Drumewa hatte inzwischen Gebäck aufgetragen und einen westdeutschen Kaffee in der Produktion, den ihr Liesel gleich bei der Begrüßung überreicht hatte. Das sei ja ein Kaffeegeruch, den man nur noch vom Hörensagen kenne. Der sündhaft teure Kaffee, der in den Sofioter Magazinen angeboten würde, käme aus Cuba und sei für unseren Geschmack wahrscheinlich ungenießbar. Aber warum noch lange darüber reden, heute gäbe es Kaffee à la Sapadna-Germania. Ach ja, das sollte man gleich erklären: Man unterschied hierzulande, wie in allen Ostblockländern, nach DDR und Sapadna-Germania. 'Sapad', das ist für den Bulgaren der Westen. Der Westen ist für den Bulgaren das Paradies. Bei diesem Kaffee ist das auch nicht verwunderlich. Das hatte auch 'Radio Erivan' in seinem Programm präsent. Als nämlich ein Russe dort anfragte, ob man in die GFR, also nach Sapadna Germania gelange, wenn man sich auf seinem Wege exakt nach Westen orientiere, erhielt er vom Sender die Antwort: Theoretisch ja. - Ach wüssten doch alle unsere Jugendlichen, was unser Land auf die Bevölkerung des gesamten Ostblocks für eine Anziehungskraft ausübt. Rumi hatte unsere Maria in das Kabinett ihres Vaters entführt. Die beiden mochten sich wohl viel zu erzählen haben. Aber auch in unserer großen Runde stellte man uns Fragen über Fragen. Wie könne eine so große Familie überhaupt existieren, wie ausreichenden Wohnraum finden? Da wir außerdem auch noch leidlich gut angezogen waren und dann mit zwei großen Autos vorgefahren kamen, das wäre doch ganz gewiss auch in Westdeutschland nicht alltäglich. Ob man das alles tatsächlich mit einem einzigen Einkommen bestreiten könne? Ganz so war es ja auch nicht. Bernd, Christa und Maria hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung und verdienten immerhin so viel, dass sie sich Bekleidung und ihre bescheidenen Wünsche selbst finanzieren konnten. Die unbescheidenen Wünsche sparte man an, oder man schlug sie sich aus dem Kopf. Soweit sei das eine ganz normale Ökonomie. Die Größe unserer Familie sei allerdings nicht alltäglich, aber mit der entsprechenden Einstellung existentiell absolut gesichert. Die Verhältnisse in Bulgarien wären dann doch mit unseren Lebensbedingungen nicht zu vergleichen. Sie hätten nun noch das Glück, im Haus der Eltern leben zu können. Dem Schwiegervater, Opa Drumew also, hatten sich Anfang der dreißiger Jahre als Eisenbahner günstige Bedingungen für den Erwerb eines Eigenheims geboten. So seien sie an dieses Haus gekommen. Das sei heute ein großes Glück für die Familie. Er selbst habe in seine Ehe weiter nichts als einen soliden Beruf einbringen können. Seine Eltern seien ganz einfache Bauern gewesen, die nicht einmal sein Medizinstudium bezahlen konnten. Sein Studium habe er sich mit Korbflechten und einer guten Singstimme finanziert. Die von ihm mit Volksliedern besungenen Tonträger befänden sich beim Radio Sofia, und es verginge kaum eine Woche, wo seine 'Naródni Pésni' nicht im Hörfunk gesendet würden. Dr.Troschanow war also nicht nur ein guter HNO-Arzt, sondern auch ein sehr bekannter Rundfunkinterpret. Seine hervorragende Solistenstimme kannte man auch von einem prominenten Kammerchor des Innenministeriums. Die Mitwirkung in diesem Chor bot ihm manche Gelegenheit zu Auslandsreisen. Erst kürzlich war er von einer großen Japan-Tournee zurückgekommen. Von dem Devisenhonorar hatte er sich eine aufwendige japanische Stereoanlage gekauft, die nun das gute Zimmer zierte. In Japan hatte man von diesem Chorkonzert unter dem Titel 'The voice of Sofia' eine Schallplatte produziert. Er würde sie uns bis zur Rückreise besorgen. Was seine Arbeit in der Klinik betraf, da gehörten Mandeloperationen zum gewohnten Alltag. Die bulgarische Medizin spricht übrigens in diesem Zusammenhang nicht von Mandeln, sondern von 'Slivnici'. In der deutschen Übersetzung ist das die Verkleinerungsform von Zwetschgen. Eine weitere Kunst, die unser Dr.Troschanow einzigartig beherrschte, war die Malerei. Abgesehen von den Ölgemälden, die die Wände schmückten, zeigte uns seine Frau Lily verschiedene Tonvasen, die er nachträglich wunderschön bemalt hatte. Auf diesen Vasen hatte er mit Hilfe einer Lupe winzigkleine Dorfsituationen gemalt, die in der Vergrößerung aber von makelloser Exaktheit waren. Die übrigen Tonflächen hatte er mit erhabenen Ornamenten abgedeckt. Frau Lily kommentierte diese Arbeiten mit: "Mein Mann hat goldene Hände." Frau Lily selbst arbeitete als Lektorin für italienische Texte in dem Sofioter Zeitschriftenverlag SOFIAPRESS, was heißt, dass sie die italienische Sprache perfekt in Wort und Schrift beherrschte. Und mit uns sprach sie perfekt Deutsch. Frau Lily war außerdem auch noch eine recht ansehnliche Erscheinung. Ihr gepflegtes Äußere brachte natürlich auch ihre Berufsarbeit mit sich. Aber das allein war es ja nicht. Bernd brachte es auf den Punkt, als er mir zuflüsterte: "Papa, so etwa kannst du dir 'mal meine spätere Frau vorstellen." "Bei der, mein Lieber, kommst du aber zu spät." Rumi studierte Kunst mit dem Berufsziel Szenographie. Sie hatte sich also der Bühnen- und Kostümgestaltung verschrieben, wenn sie bei dieser Berufsvorstellung blieb. Die Arbeiten, die sie uns zeigte, verrieten großes Talent. Zudem war sie ein überaus liebes und sympathisches Mädchen. Ob das herrschende System ihr später einmal günstige Arbeitsbedingungen einräumen würde? Maria hatte noch keine konkreten Pläne. Bis zur Matura hatte sie noch etwas Zeit. Sie war die Hübscheste in der Familie und wusste das auch. Also nahm sie alles noch auf die leichte Schulter. Die Mitschüler machten ihr mächtig den Hof, der Vater war ein angesehener Arzt, da konnte ihr eigentlich nichts anbrennen. Sie war ein wenig zu dünn geraten. Das wusste sie auch. Und deshalb wurde sie gleich wütend, wenn die Oma 'Krebsenspeck' zu ihr sagte. Ganz besonders störte sie das in unserer Gegenwart. Mit sicherem Blick hatte sie mit ihren zwölf Lebensjahren unseren gleichaltrigen Klaus gleich als ihre Kragenweite ausgemacht und ließ das auch, mit kindlichem Charme, deutlich erkennen. Damit Klaus sie auch nicht unterschätzte, setzte sie sich ans Klavier und zeigte ihr musikalisches Können. Nicht nur Klaus, wir alle haben uns sehr beeindruckt gezeigt. Opa Drumew hielt sich im Hintergrund und achtete darauf, dass der Service reibungslos funktionierte. Die Oma hantierte eifrig in der Küche und bereitete schon etwas für den Abend vor. Mami B., die ja die Weichen für dieses Zusammentreffen gestellt hatte, genoss diese Stunden in vollen Zügen. Es wurde ziemlich spät an diesem ersten Abend. Es wurde ziemlich spät an diesem ersten Abend. Dr.Troschanow, den wir nun schon Troschan nennen durften, bot sich an, Frau B. mit seinem 'Wartburg' nach Hause zu bringen. So konnten wir gleich den Heimweg zum Campingplatz Vranja antreten. Wie verabredet erschien Rumi am folgenden Vormittag auf dem Campinggelände und fand uns natürlich auch gleich, da sie ja unsere Wagen kannte. Wir vertrödelten den Vormittag, bis es Zeit wurde, Mami B. zum Essen abzuholen. Natürlich suchten wir wieder unser ungarisches Restaurant auf, wo wir inzwischen als Saison-Stammgäste, mit entsprechender Tischreservierung natürlich, angesehen waren. Die jungen Leute sind dann zu Fuß in die Ami Bue zurück, während Bernd und ich mit Frau B. und meinem Schätzchen mit den Wagen nachfuhren. Heute durfte es nicht wieder so spät werden, weil wir am nächsten Tag zum Schwarzen Meer aufbrechen wollten. * Schon früh sind wir los. Bis zu unserem geplanten Ziel fehlte nicht viel an fünfhundert Kilometern. Da war mit keinen flotten Autobahn-Kilometern zu rechnen. Trotzdem waren die Straßen in Richtung Burgas leidlich gut. Schon nach drei Stunden erreichten wir Kasanlâk im Rosental. Der Duft der Rosen, die um diese Zeit gerade für die Herstellung von Rosenöl geerntet wurden, lässt sich nicht beschreiben. Für das Einbringen der kostbaren Rosenblätter bleibt bis zum Verblühen nur kurze Zeit. Deshalb waren überall auf den Rosenfeldern unzählige Schüler im Ernteeinsatz. Stellenweise verlor sich der Rosenduft. Statt dessen drang ein noch viel intensiverer Duft von Lavendelblüten auf uns ein, aber so penetrant, dass wir sogar trotz der herrschenden Hitze alle Wagenfenster schlossen. Kasanlâk gilt als die Metropole des Rosen- und Lavendelölhandels. Geschichtliche Bedeutung hat diese Stadt durch einen sensationellen Grabfund erlangt. Dieses Grabmal lässt sich auf das vierte bis dritte Jahrhundert v.Chr. datieren. In der Grabkuppel ist der Abschied eines thrakischen Feldherrn von seiner Gemahlin dargestellt. So lautet jedenfalls die Auslegung dieser Szene. Um den Erhalt dieses kostbaren Fundes zu sichern, hat man gleich neben dem Originalstandort eine naturgetreue Nachbildung errichtet. Nur diese ist dem interessierten Besucher zugänglich. Wenn man nur wenige Kilometer weiter in Richtung Gabrovo abbiegt, gelangt man nach Schipka und zum Schipka-Paß. Hier ist allerdings bulgarisch-russische Geschichte in großartigen, aber auch in sehr bedrückenden Denkmälern präsent. Der Ortsname Schipka läßt sich ins Deutsche übersetzen. Schipka, das ist die Rose. Schipki, als Plural, sind die Rosen, aber auch deren Früchte, die Hagebutten. Wenn man von Kasanlâk kommend auf Schipka zufährt, sieht man schon aus großer Entfernung an grünen Waldhängen goldene Kuppeln strahlend aufleuchten. Der Fremde, der diese so zum ersten Mal erblickt, kommt nicht umhin, dort nachzuschauen. Also sind wir, trotz des Weges, den wir noch vor uns wussten, in diesen Ort hinein, haben unsere Wagen vor einem Lebensmittelmagazin abgestellt, um zu diesem wunderschönen Kirchenbau zu gelangen. Und dann sahen wir sie vor uns, eine russische Gedächniskirche, erbaut zum Andenken an die vielen gefallenen russischen Soldaten und bulgarischen Freiheitskämpfer, die im Jahre 1878 auf dem Schipka-Pass das türkische Heer vernichtend schlugen und damit Bulgarien von einer fünfhundertjährigen osmanischen Bevormundung oder Unterdrückung befreiten. Die nun hier errichtete Gedächtniskirche ist ganz im russischen Stil erbaut. Die Haupt- und vier Eckkuppeln sind mit Dukatengold belegt und leuchten gleißend in der Sonne. Natürlich ist diese Kirche nicht so gewaltig, wie die Gedächtnis-Kathedrale in Sofia, aber wir alle fanden sie in ihrer Art einmalig schön. Die Zeit wurde uns knapp, also beschlossen wir, auf der Rückfahrt hier am Schipka-Pass eine Übernachtung einzuplanen, damit wir uns die gesamte Gedächtnisanlage, bis hinauf zu dem mächtigen Denkmal auf der Passhöhe, in aller Ruhe anschauen könnten. Jetzt ging es erst einmal weiter in Richtung Burgas. Kurz vor Sliven fanden wir alles, was ein Auto-Tourist braucht. Da war zur Rechten eine große Tankstelle und linker Hand ein Speiselokal. Da sind wir erst einmal hin, da die Mittagszeit schon überschritten war. Diese Raststätte hatte vor dem Gasthaus eine Laubenkolonie eingerichtet, in der man in lauschig begrünten Nischen zu Mittag speisen konnte. Die Auswahl war nicht groß. Wenn ich mich recht erinnere, gab es überhaupt keine Auswahl. Es gab kurz gebratene Hackfleischröllchen, die man auf dem ganzen Balkan Küftetas nennt. Für meinen Geschmack waren sie noch halb roh, weshalb ich mich bei der Bestellung sehr zurückhielt. Statt dessen suchte ich mein Auto auf, um nachzuschauen, ob sich da irgendeine Ersatzverpflegung fände. Außerdem war ich zu dieser Zeit noch ein sehr starker Raucher. Es mag sein, dass ich mir auch nur eine neue Schachtel Zigaretten holen wollte. Als ich meinen Wagen wieder abgeschlossen hatte und wieder zu unseren Tischen zurück wollte, baute sich plötzlich ein Bulgare vor mir auf: "Kadé Opel?!" - Wo ist der Opel? Na, was hatte denn das jetzt zu bedeuten? - Aber ja! Das war ja mein Mechaniker von der TPK DUNAV, der mir im vergangenen Jahr die neue Blattfeder unter unseren Opel montiert hatte. Ich hatte ihn im ersten Augenblick nicht erkannt, da er nun rasiert und gut angezogen war. Er fasste mich kurzerhand am Arm und führte mich an seinen Tisch. Hier stellte er mich seiner Frau und einem weiteren Ehepaar vor und begann wohl jetzt mit seiner Geschichte. Seine Frau war mir übers Jahr offensichtlich nicht mehr böse, denn auch sie schaute mich überaus freundlich an. Vielleicht war es aber auch die Flasche 4711 Kölnisch Wasser, derer sie bei meinem Anblick gedachte. Aber was ist die Welt doch klein! - Natürlich sah er ein, dass ich mich jetzt nicht bei ihm aufhalten konnte. Das machte er dann auch seiner Frau und seinen Tischnachbarn klar: "Das muss sich einer vorstellen. Mit sechs Kindern ist der unterwegs." Wir haben uns dann auch bald wieder auf den Weg gemacht. Die Kinder fanden die halbrohen Küftetas auch nicht gut. Und Christa hat, als sie hier ihren Tarator nicht fand, erst gar nichts gegessen. Wir haben also eben noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite getankt, und weiter ging’s dem Schwarzmeer zu, auf das wir natürlich alle mächtig spannten. In Burgas angelangt, mussten wir in südlicher Richtung abbiegen. Da gab es jetzt für uns nur noch eine schlechte Straße, die uns nach siebzig Kilometern endlich ans Ziel bringen würde. Nachdem wir eine Weile an finsteren Hafenanlagen vorbeigefahren waren, öffnete sich plötzlich zur Linken das weite Meer. Was war das für ein herrlicher Anblick! Natürlich hielten wir erst einmal an. "Na, ist das was?" "Vatter, hier sind wir genau richtig." Eigentlich konnte man sich jetzt nicht mehr verfahren. Also haben wir auf weiteres Sichtfahren verzichtet. Ich wollte bei der Abfahrt zum angepeilten Campinggelände auf den zweiten Wagen warten. So haben wir es dann auch gemacht. Auf halbem Wege gerieten wir in eine Straßenbaustelle. Eine vergleichbare Arbeitsweise hatte ich noch nie erlebt. Gerade hatte ich den Straßenzustand noch gelobt, aber das hätte ich 'mal lassen sollen. Das war nämlich das frisch 'remontierte' Straßenstück. Bei der nächsten Etappe, da war man gerade dabei, die renovierte Straßendecke mit einer frischen Teerschicht zu versehen. Ein völlig teerverkrustetes Ungetüm sprühte aus einem breiten Rechen heißen, flüssigen Teer. Und da musste man durch, vorsichtig, weil der Untergrund so glitschig war. Das nächste Teilstück bot dann eine Straßendecke, die bis auf den Teerauftrag auch fertiggestellt war. - Dann aber kam auf der ganzen Straßenbreite eine Stufe, die scharfkantig etwa fünfzehn Zentimeter auf den groben Schotteruntergrund aufsetzte. Langsam, ganz langsam, die Vorderräder hopps, dann vorsichtig die Hinterräder wupp. Was da so knirschend über die Stufenkante schürfte, war entweder der Benzintank oder die Auspuffanlage. Wahrscheinlich war es beides. Nein, wir haben nicht angehalten um nachzuschauen. Wir wollten es im Augenblick gar nicht sehen. Deshalb waren wir heilfroh, als in einem jungen Eichenwald ein großes Schild auf die Abzweigung zum Camping 'Perla' hinwies. - Hier hielten wir an. Jetzt konnten wir auch kontrollieren, was sich unser armer Ford für Schürfwunden zugezogen hatte. Der Tank hatte eine kleine Delle, aber das musste nicht unbedingt vorhin passiert sein. Unsere Auspuffanlage wollte, so war mein Eindruck, nach unserer Heimkehr auch aus noch anderen Gründen ausgetauscht werden. Aber alles andere! Unter dem Wagen und an den Seiten bis zur Gürtellinie, war alles eine einzige Teerschmiere. Da hatten wir für den folgenden Tag bereits ein unerwartetes Arbeitsprogramm. Jetzt warteten wir erst einmal auf unseren zweiten Wagen. Das heißt, da gab es eigentlich nicht viel zu warten. Während wir uns noch über die Teerverschmutzung ereiferten, kam auch Bernd angerollt. Auch er hatte das dringende Bedürfnis sich seinen Opel einmal anzuschauen. Aus Freude, diese schreckliche Teerschmiere endlich hinter sich zu haben, hatte man sich für ein frohes Lied entschieden, was dann allerdings dazu führte, dass man auf diese heimtückische Stufe hinunter auf den Schotter zu spät aufmerksam wurde. Da tat sich also nichts mit 'hopps und wupp'. Da hat es gründlich gekracht. Irgendwer hat sich dabei sogar heftig auf die Zunge gebissen. An einem der Reifen hatte sich über einige Zentimeter das Profil gelöst. Wenn dieser jetzt auch noch keine Luft verlor, so musste das abgeplatzte Profil noch vor der Rückreise vulkanisiert werden. Der Benzintank fasste künftig die sechzig Liter, für die er dimensioniert war, auch nicht mehr. Da konnte man künftig getrost drei Liter abziehen. Unsere Schwarzmeerbegeisterung hielt sich in diesem Augenblick also in gewissen Grenzen. Na, wir würden sehen. Bis Perla waren es jetzt, auf einer schmalen asphaltierten Straße durch Eichenwald, laut Anzeige noch ca. 2,5 km. Was uns auf dem Wege dorthin zu allererst begegnete, waren Wasserschildkröten, wie wir bis dahin noch keine gesehen hatten. Wohl waren mir die Landschildkröten aus meinem früheren Balkanaufenthalt vertraut. Hier diese, von der Natur amphibisch ausgestattete Sonderausführung, wirkte wesentlich eleganter als ihre Vettern vom Lande. Ihre Panzer waren flach, wie ein Tommy-Helm und farblich wesentlich dunkler gezeichnet. Außerdem waren sie mit einem spitzen Schwanz ausgestattet, der auf See wohl als Steuerruder fungierte. Wir hielten natürlich an, und ich nahm eines dieser Exemplare auf die Hand. Aber das hatte ich nicht gekannt. Vermutlich als Angst- oder Abwehrreaktion ließ dieser Bursche soviel Wasser ab, dass ich mich fragte, wo er all diese Brühe vorher aufbewahrt hatte. Da mir ein Teil dieses Abwassers dabei in die Schuhe gelaufen war, habe ich diese Spezies in der Folgezeit nicht mehr belästigt. Aber so war das ja wohl auch gemeint. Camping PERLA war ein weit ausladendes Waldareal, entlang einer langgezogenen Sandstrandbucht. Das gesamte Gelände war, der zu entrichtenden Platzgebühren wegen, eingezäunt. An der Rezeption gestattete man uns gebührenfreie Durchfahrt, da wir uns erst einmal umschauen wollten. Wohl machte man uns darauf aufmerksam, dass auf den Parkplätzen vor dem Strandrestaurant Parkgebühren erhoben würden. Das Restaurant, zum Meer hin gebaut, machte einen sehr guten Eindruck. Der 'Chef de sal' hatte unsere westdeutsche Herkunft offensichtlich wieder mit jener rätselhaften Sicherheit diagnostiziert, die mir wohl für immer verschlossen bleibt. Zum Unterschied zu unseren Landsleuten aus der DDR erwies sich dieses Gespür als überaus positiv. Darauf werde ich wohl an anderer Stelle noch zu sprechen kommen. Diese ersten Eindrücke ermunterten uns, für die nächsten zwei Wochen hier unsere Zelte aufzuschlagen. Ich bin also gleich zurück an die Rezeption und habe für unsere drei Zelte entsprechende Stellplätze gemietet. Wir konnten sie uns aussuchen. Da wir zu neun Personen waren, hat uns dieser 'Chef de sal', nennen wir ihn fortan Nicola, zwei besonders gut platzierte Tische angeboten und reserviert. Schaute man aus den großen Fensterflächen hinaus, glaubte man schon auf den Wellen des Schwarzmeers zu schippern. Den gastronomischen Aspekt sahen wir also schon bestens gelöst. Da wir noch unsere drei Zelte aufzustellen hatten, mussten wir auch mit der Wahl des Stellplatzes bald zu einer Entscheidung kommen. Wir wählten eine Stelle an der Peripherie, am Zaun gewissermaßen, von wo wir nicht weit vom Strand, nicht weit vom Restaurant und nicht allzu nah an den Toiletten waren. Ja, die Toiletten, das war wohl der hygienische Knoten bei dieser ganzen Unternehmung. Dieses Entsorgungsproblem musste wohl unter der Erde, im Rohrsystem, zu suchen sein. Wenn die Toilettenfrauen am Vormittag die Anlagen mit sehr viel Wasser gereinigt hatten, blieben alle bestehenden Einrichtungen bis zur ersten nächsten Benutzung in einem annehmbaren Zustand. Es empfahl sich also, zumindest auf dem Klo, allmorgendlich der erste zu sein. Hatte man sich darauf eingestellt, funktionierte auch das so leidlich. Bei unserem Stellplatz befand sich außerhalb der Umzäunung noch ein ganz einfaches Restaurant. Auch hier befand sich eine weitere Toiletteneinrichtung, die wir bevorzugten, da sie weit weniger frequentiert war. In unmittelbarer Nachbarschaft von uns kampierte ein bulgarisches Ehepaar, das sich gleich um Kontakte mit uns bemühte. Sie waren aus Veliko Târnovo. Sie war eine Lehrerin und er bei der Steuerbehörde, ein 'Zöllner' gewissermaßen, aber einer von der ganz sympathischen Art. Er, dieser Herr Noew, sprach recht gut Deutsch. Sie erfuhr von allen Unterhaltungen nur das, was ihr Mann ihr übersetzte. So blieb sie mehr im Hintergrund. Ich habe mich sehr gern bei Herrn Noew aufgehalten, der mit Vornamen Dimitr hieß. In dem winzig kleinen Zelt hausten auch die Eltern von Frau Noewa. Dieses schon recht betagte Ehepaar wusste mit der deutschen Sprache absolut nichts anzufangen. Trotzdem taten sie so, als ob sie unsere Unterhaltung mit großem Interesse und höflicher Zustimmung verfolgten. Da wir wohl allesamt unsere Sprachschwierigkeiten hatten, verstanden wir uns von der ersten Stunde an allerbestens. Wer glaubt, dass dies jetzt nur ein Wortspiel sei, dem sei empfohlen, dort selbst einmal nachzuschauen. Er wird sich wundern. Der Waldboden, in den wir unsere Zeltpflöcke hineingetrieben hatten, war jetzt, auf dem Höhepunkt der Ferienzeit, nur noch eine unbegrünte Staubpiste. Da man sich tagsüber ohnehin wenig in Zeltnähe aufhalten wollte, spielte das keine große Rolle. Wenn wir mit Noewis, den Nachbarn, unseren Kaffee tranken, haben wir diese ökologische Verwüstung eifrig übersehen. An dieser Stelle wäre vielleicht eine kleine Lektion über die bulgarische Sprachphilosophie bezüglich der Familiennamen angebracht. Betreiben wir dies am Beispiel unserer soeben erwähnten Nachbarn: Der Name unseres sympathischen Zöllners lautete Noew. Der Name der Frau, bulgarische Intellektuelle sprechen hier etwas scherzhaft von ihrem 'Genitiv', lautet, durch das weibliche Geschlechtsattribut ergänzt, Noewa. Bei der Frau ist es außerdem üblich, den eigenen Familiennamen auch in ihrer Ehe mitzuführen. Hätte der Mädchenname der Frau Noewa beispielsweise Maria Dobrewa, Tochter des alten Drobrew, geheißen, würde sie sich demzufolge Maria Dobrewa Noewa nennen. Auf diese Weise kommen auch die russischen Zungenbrecher zustande, die sich manch einer nicht zu erklären weiß. Auf diesem Wege findet man auch zu der richtigen Betonung dieser Namen. Sie liegt immer auf der vorletzten Silbe des männlichen Familiennamens. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Da dies erwiesenermaßen für alle unsere Sportreporter ein unlösbares Problem zu sein scheint, will ich das an den bulgarischen Familiennamen, die uns in diesem Bericht noch begegnen, deutlich machen. Und jetzt das Meer! - Das Schwarze Meer geht tatsächlich dunkel in einen fernen Hintergrund über. Wer weiß, woran das liegt, aber dieses Phänomen übt auf den Betrachter eine unheimlich beruhigende Wirkung aus. Die unendlich langgezogene Sandstrandbucht reicht bis zum Ort Primorsko. Über einem Strandmarsch, hin und zurück, geht ein halber Tag dahin. Auf dem Weg dorthin hat man hinter den Dünen ein weites Schilfgebiet, die Einmündung des Ropotamo-Flusses. Nun sollte man meinen, dass damit auch eine große Schnakenplage verbunden sein müsse. Das ist aber nicht der Fall. Diese Region befindet sich offenbar noch in einem ökologischen Gleichgewicht, wo nicht einmal die Mücken, die Komari, auf den Menschen angewiesen sind. Dadurch hat auch dieses Sumpfgebiet seine ungetrübten Reize. Allein die Schilfpflanzen mit ihren finsterbraunen Kolben sind schon eine Pracht. Die dort heimische Fauna gleicht schier einem Paradies. Von den Wasserschildkröten war schon die Rede. Dazu gesellt sich eine für uns fremde Vogelwelt. Unter diesen gefiederten Gesellen ist der 'Bienenfresser' ein ausgesprochenes Prachtexemplar. Was sich allabendlich alles an den Froschkonzerten beteiligt, das erfährt man natürlich nie. Wie könnte man auch? Auch in den angrenzenden Eichenwäldern herrscht ein für uns völlig fremdartiges Treiben. Hier sind natürlich erst einmal die Landschildkröten zu Hause. Wenn man in aller Frühe dieses Waldgebiet durchstreift, trifft man auf große giftgrüne Eidechsen, mit einem roten Schwanz. Aus meiner Erinnerung schätze ich sie auf 30 bis 50 Zentimeter. Um diese frühe Tageszeit beobachtet man Schlangen, die sich am Licht der Sonne erwärmen und Energie tanken, so wie wir. Für Menschen, die sich einen Blick für die Natur erhalten haben, wird diese Umgebung zum aufregenden Erlebnis. In den Krüppeleichen über unseren Zelten tummeln sich Kleiber und Eichelhäher in einer Menge, wie man das bei uns wohl nirgendwo kennt. Für die Försterstochter an meiner Seite war das alles eine phantastische Kulisse. Das Strandleben war für unsere Kinder natürlich die Attraktion, derentwegen wir diesen weiten Weg ja auf uns genommen hatten. Für einige junge Bulgaren schien das auch unsere Ursula zu sein. Aber alles das spielte sich so ab, dass auch wir unseren Spaß daran haben durften. Klaus zeigte sich da etwas kritischer. Seinem Empfinden nach saß Ursula, überall wenn und wo sie auch saß, 'im Schaufenster'. Dass er so empfand, lässt darauf schließen, dass er seine Schwestern, und Ursula ganz besonders, sehr liebte. Also ließen wir die Kinder in Frieden. Natürlich darf man sich hier daran erinnern, dass ein bestallter Rettungsschwimmer namens Nasko (Athanas) ein ganz besonders freundliches Auge auf Ursula geworfen hatte. Wer aber davon profitierte, war ausgerechnet unser Klaus, der nun von Nasko zu Bootsexkursionen eingeladen wurde, sicher in der Hoffnung, über ihn einen unkomplizierteren Zugang zu seiner Schwester zu finden. Klaus nahm alles und gönnte nichts. Da wir uns auf unsere Kinder verlassen konnten, verfolgten wir solche und ähnliche Bemühungen mit großem Vergnügen. Komplizierter war das schon mit mir. Unser Nachbar, Herr Noew, war ein harmloser Festgenosse. Alkoholisches schien für ihn ziemlich unbedeutend. Da fand er unseren Kaffee schon wesentlich attraktiver, worin er mit seiner Frau und den Eltern übereinstimmte. Auch mit meinem Pfeifentabak hatte er es schon eher. Da war es schon gut, dass ich ausreichend bevorratet war. Eine Gefahr für Leib und Seele bildete eine Männerrunde, die mich schon sehr bald ausgemacht hatte. Der diesen Kontakt herstellte, war ein gewisser Georg Tschipew, der wohl eine deutsche Mutter hatte und deshalb über gute Sprachkenntnisse verfügte, ansonsten in dieser Runde aber keine große Rolle spielte. Dann waren da zwei promovierte Ingenieure, ein Zanko Bontschew und ein Stephan Semow, beides sympathische und in ihrer Art zurückhaltende Herren, was aber auch daran liegen konnte, dass sie mit der deutschen Sprache nicht allzu gut zurecht kamen. Für Petko Dudewski war das wiederum kein Problem. Er war allein insofern schon ganz anders als seine Kumpanen, weil er einen knallroten BMW fuhr. Er muss eine Zeitlang als Ingenieur auf Dollarbasis in Tunesien gearbeitet haben. Von dort hat er dieses Auto mitgebracht. Dieser Petko war überhaupt ein Mann von Welt. Er sprach Deutsch, war ein großer Organisator und stand auf flüssiger Verpflegung. Diese drei Eigenschaften zusammen genommen, konnten ein braves Weib schon zur Verzweiflung bringen. Dann war da noch Max Burdin. Das war eine Nummer für sich. Ein Romantiker, der sich, als es in Bulgarien ungemütlich wurde, konsequent einigelte. Sein Zelt hätte Winnetous Wigwam sein können. So jedenfalls war es geschmückt und bemalt. Als wir ihn dort einmal aufsuchten, war er gerade dabei, eine Wassermelone zu verzehren, deren Fleisch allerdings noch fast weiß war. Auf meine Frage, wie gerade ihm so etwas passieren könne, meinte er, dass es ihm ähnlich ergangen sei wie jenem Mazedonier. Der hatte Kaschkaval kaufen wollen und statt dessen Seife erhalten. Das ist ihm aber zu Hause erst aufgefallen. Als sich da ein Nachbar wunderte, wieso sein Käse so merkwürdig schäume, erhielt der die Auskunft: "Seife gekauft, - Seife gegessen." An den soeben aufgeführten Familiennamen sollten wir eben noch einmal die slawische Philosophie der Familiennamen-'Deklination' demonstrieren: Herr: Frau: Familie: Góspodin: Gósposcha: Semeïstwo:
(=Plural) Tschipew Tschipewa Tschipewi Bontschew Bontschewa Bontschewi Semow Semowa Semowi Dudewski Dudewska Dudewski (polnische Abwandlung von Dudew) Burdin ist
russischen Ursprungs und außerhalb dieser Regeln. Burdin war auch nicht sein ursprünglicher Name. Mit diesem russischen Pseudonym ist er so quasi auf Tauchstation gegangen. Denken wir an Lenin und Stalin. Max war ganz gewiss ein lieber Kerl, aber ein Winetou war er wohl doch nicht. Jetzt werden wir wohl die Not unserer Sportreporter verstehen, wenn wir dabei sind, uns mit einer slawischen Sportmannschaft zu messen. Solches diesen Reportern zu vermitteln, wäre, wie man wohl sieht, eine kinderleichte Aufgabe. Vielleicht sind wir da etwas hochnäsig. Aber die Bulgaren revanchieren sich da auf ihre Art. So nennen sie unseren stolzen Mercedes Mèrzedäs, und von unserem Porschë behauptet man, dass er französischer Abstammung sei. Hört sich ja auch ganz so an. Wenden wir uns nun von solchen Äußerlichkeiten ab und kehren wir zurück zum freundlichen Zusammensein, worüber mein Schätzchen und ich bis auf den heutigen Tag sehr unterschiedlicher Meinung geblieben sind. Da ich hier der Chronist bin, kann ich unsere Erlebnisse ja nur aus meiner Sicht beschreiben, wobei meinem Schätzchen ein gewisses Verständnis nicht versagt bleiben soll. Es ist ja nicht auszuschließen, dass Frau Tschipewa, Frau Zankowa, Frau Semowa, Frau Dudewska und auch Max Burdins Liebste ähnlicher Kummer plagte. Aber ich glaube, jetzt werde ich etwas albern. Als ich Petko Dudewski fragte, ob es hier am Schwarzen Meer noch den Tschiros, diese luftgetrocknete Makrele gebe, setzte er sich gleich in seinen BMW und fuhr die siebzig Kilometer bis Burgas, um für den Abend diese Dörrmakrelen anbieten zu können. Dabei mochte ich die gar nicht. Liesel hat sie mit Appetit verspeist, zusammen mit schwarzen Oliven (Maßlini), eingelegten Peperonis und grünen Tomaten. Nein, die grünen Tomaten hat meine Liesel auch nicht sonderlich gemocht. Petko Dudewski bot an jenem Abend Wodka mit Orangensaft an. Was da so wie Babynahrung anmutete, entpuppte sich als ein wahres Teufelsgesöff. Es wäre wohl angebracht gewesen, zu dessen Risiken und Nebenwirkungen vorher den Arzt oder Apotheker zu befragen. Liesel hat ganz einfach gekniffen. Dagegen war natürlich nichts einzuwenden. Die Probleme kamen erst hinterher. Hätte Liesel an jenem Abend auch nur ein ganz kleines Äffchen mit ins Zelt genommen, wäre unsere Stimmung bedeutend stabiler geblieben. Groß gestritten haben wir natürlich nicht. Das wäre für unsere Kinder ja etwas ganz Neues gewesen. Am nächsten Morgen erinnerte ich mich noch genau, dass ich unsere neuen Freunde in eine etwas größere Verlegenheit brachte, als ich wodkaselig die zaristische Nationalhymne anstimmte: 'Rausche Mariza, schäumend vom Blute...'. Da war es für einen kurzen Augenblick vorbei mit allem Spaß. Lernfähig, wie ich mitunter bin, habe ich mir derartige Erinnerungen schnell wieder aus dem Kopf geschlagen. Man sollte sich an die Bibel halten, wo es heißt: Seid nüchtern und wachsam... Die Touristen aus der Tschechei hielten sich aber auch nicht daran. Für sie gab es eigentlich nur ein Thema: Die gewaltsame Niederknüppelung all ihrer Hoffnungen, die sich mit Dubcek und seinem 'Prager Frühling' verbanden. Hier, vor internationalem Publikum, schimpften und fluchten sie hemmungslos auf ihre russischen 'Brüder' und wünschten ihnen alles Erdenkliche an den Hals. Dass auch wieder einmal die Deutschen mitmarschiert waren, das war dann noch der Gipfel. In Diktaturen münden maßlose Empörungen meistens in einen Witz. So erzählte man sich, dass Dubcek von dem sowjetischen KP-Chef Leonid Breschnew mit Haut und Haaren verschlungen wurde. Als Dubcek in der Finsternis dieses Gedärms nach irgendeinem Ausweg suchte, vernahm er plötzlich von irgendwoher merkwürdige Geräusche. - Ist dort wer?! - Ja, hier Ulbricht. - Mein Gott, hat er dich etwa auch verschluckt? - Aber, wo denkst du hin, Genosse. Ich komme von hinten. Wäre natürlich noch das Essen im Restaurant zu erwähnen. Da gab es hervorragend zubereitete internationale Gerichte, für die man bis zu 1,50 Lewa zahlte. Die volkstümliche Küche, wie etwa Mußaká, Gjüwetsch oder Swinsko ß Sele, dafür zahlte man etwa 0,70 Lewa. Da wir verbotswidrig Lewa zum Kurs von 1:1 hier in Deutschland eingekauft hatten, waren das für uns natürlich alles Traumpreise. Unsere Sündhaftigkeit dem bulgarischen Staat gegenüber haben wir natürlich bei den Kellnern wieder etwas gutzumachen versucht, was wiederum zur Folge hatte, dass wir uns in diesem Restaurant allerbestens aufgehoben fühlten. Sah man einmal von den sanitären Anlagen ab, wäre dieser Aufenthalt am Schwarzen Meer wunderschön gewesen, hätte uns da nicht ein Scheinwerfer gestört, der allabendlich die Strandfläche abstrich. Als äußerst bedrückend empfanden wir das eigentlich erst, als wir erfuhren, was diese Abendveranstaltung auf sich hatte. Hier von unserem Standort war es nicht mehr all zu weit bis zur türkischen Grenze. Mancher Bulgare, vielleicht war auch der eine oder andere DDR-Bürger mit von der Partie, hatte versucht über das Wasser die Türkei zu erreichen. Mit Hilfe dieses Scheinwerfers wollten die bulgarischen Grenzsicherungskräfte sich ihre Leute wieder einfangen. Diese Menschenjagd soll sich dann auch als sehr wirksam erwiesen haben. Unsere Kinder, die von Freiheit noch eine andere Vorstellung hatten, überfiel beim Anblick dieses Suchscheinwerfers regelrechte Angst. Nasko, unser junger bulgarische 'Bademeister', hob etwas verlegen die Schultern; er kannte es nicht anders. Für unseren Aufenthalt hier am Schwarzen Meer standen uns knapp zwei Wochen zur Verfügung. Inzwischen war allgemeines Abschiednehmen angesagt. Nikola und seine Mannschaft im Restaurant wünschten uns nicht nur eine gute Heimreise. Sie wünschten sich auch, dass wir im kommenden Jahr wiederkämen. Unsere Tische könnten wir heute schon als reserviert betrachten. Petko Dudewski und seine Kumpanen fanden in diesem Abschied einen erneuten Grund zum Feiern. Dieses Mal war ich mit meinem Schätzchen der gleichen Meinung: Um Gottes Willen! Nasko, paradiesisch eingesperrt, verabschiedete sich von uns, wobei er sich keine Mühe gab, seine Tränen zurückzuhalten. Natürlich gab er uns seine Adresse mit auf den Weg. Unser Zeltnachbar aus Veliko Târnovo, Herr Noew, war gleich zur Stelle, als ich mit dem Zeltabbau beginnen wollte. Ob ich ihm nicht dieses große Zelt verkaufen wolle. In den bulgarischen Magazinen wüsste man so große Zelte auch für Geld nicht zu bekommen. Der Gedanke, auf der weiten Rückfahrt von diesem Zeltgepäck befreit zu sein, war schon recht verlockend. Ich fragte ihn, was er denn so anlegen wolle. Dabei kam ich mir schon recht schäbig vor. Nein, ein Angebot wollte er nicht abgeben. 'Ich sollte sagen'. Nun ja, verschenken wollte ich dieses große Steilwandzelt ja auch nicht. Dazu gab es auch keinen Grund. Also fragte ich arg verlegen, was er von fünfzig Lewa halte. Da hat er mich bald abgeküsst. Also blieb unser Zelt stehen. Herr Noew mit Frau und Eltern rafften bereits ihre sieben Sachen zusammen und hielten Einzug in unser Zelt, was die Bulgaren Palatka nennen. Herr Noew verband mit diesem Hausverkauf eine dringende Einladung nach Veliko Târnovo, wo er uns im nächsten Jahr als seine Gäste empfangen wollte. Diesen Besuch haben wir ihm dann auch versprochen. Unsere für den zeitigen Vormittag geplante Abfahrt geriet ins Stocken. Es wäre leicht zu sagen: Natürlich der zweite Wagen. Aber unsere jungen Leute hatten ja auch ein Herz im Leibe. Rolf stand da wie eine geplünderte Schaufensterpuppe, auf Socken und in Unterhose. Er war seine Turnschuhe und seine Jeans los. "Was hast du denn dafür genommen?" "Ich weiß nicht. Schaust du mal?" Rolf hielt mir seine Hand hin, damit ich nachzählen konnte. Was sollte ich dazu sagen? Er war genau so ein blöder Hund wie ich. Jetzt musste er noch einmal an den Kofferraum, um sich eine kurze Hose und seine Badeschlappen aus dem Gepäck zu kramen. * Um die Mittagszeit trafen wir in Veliko Târnovo ein. Hier war also unser Herr Noew zu Hause. Dieses Târnovo wurde im Jahre 1187 die Hauptstadt des Zweiten Bulgarischen Reiches, nachdem die Brüder Zar Assen und Zar Petar mit den osmanischen Unterdrückern zu einem Friedensschluss gefunden hatten. Für uns war Târnovo für's Erste eine große Pleite. Wir wollten hier zu Mittag essen, und wenn uns dann noch Zeit blieb, hatten wir auch einen Stadtbummel ins Auge gefasst. Aus dem Stadtbummel wurde nichts. Im besten Restaurant am Platze, so schätze ich, haben wir von der Terrasse über Târnovo geschaut und geschaut und auf unser Essen gewartet. Soviel Borniertheit war mir bis dahin noch nicht untergekommen. Natürlich hätten wir aufstehen und das Lokal wechseln können, aber da hätte unsere Wartezeit anderswo wieder bei Null begonnen. Als wir dann endlich unser bescheidenes Essen bekamen, war es kalt. Also essen und schnell weg von hier. Wir freuten uns auf Schipka, auf die wunderschöne russische Kirche und das Motel auf der Passhöhe. So großartig diese Gedächtniskirche von außen wirkte, so klein und dunkel erschien der Innenraum. Fotografieren war verboten. Also drückte ich meinen Fotoapparat fest gegen die Wand und hab's ohne Blitz versucht. Dieses Foto ist sogar einigermaßen gelungen. Das Motel auf dem Schipka-Paß machte schon von außen einen recht guten Eindruck. Nachdem wir Quartier bezogen hatten, sind wir die vielen, vielen 894 Stufen zum Denkmal hinaufgestiegen. Es ist eine mächtige, stumpfe Pyramide mit einem acht Meter großen bronzenen Löwen. Darunter befindet sich ein Beinhaus mit zwei Figuren als Ehrenwache. Anlässlich der 90. Wiederkehr dieses denkwürdigen Jahrestages hat die bulgarische Nationalbank eine Zwei-Lewa Münze prägen lassen, auf der eine eindrucksvolle Kampfszene dargestellt ist. Mit diesem Sieg über das osmanische Heer war gleichzeitig das Dritte Bulgarische Reich gegründet. Wir waren es also nicht allein, die ein Drittes Reich in unserer jüngeren Geschichte aufzuweisen hatten. Die Zeit danach, die ist bei uns Westdeutschen allerdings etwas anders verlaufen. Man sollte wohl sagen ganz anders. In dem Motel fühlten wir uns recht gut aufgehoben. Bei der Qualität der Küchenleistung haben wir das Mittagessen noch einmal wiederholt und das Abendessen nachgeschoben. Unsere Kinder, die doch so fleißig für diesen Urlaub gespart hatten, erlebten nun schon über eine ganze Weile, dass Geld überhaupt keine Rolle mehr spielte. Das vermittelte natürlich ein völlig ungewöhnliches Ferienvergnügen. Ich selbst war natürlich sehr zufrieden, dass meine diesbezüglichen Ankündigungen sich bewahrheiteten. Wie hätte ich sonst auch ausgesehen? Am folgenden Morgen empfing uns eine eisige Kälte; eisig, gemessen an den gewohnten Temperaturen der letzten Zeit. Das hatte zur Folge, dass sich einige aus unserer Runde nicht gewaschen hatten. Namen werden hier keine genannt. Auf der Weiterfahrt nach Sofia hatten wir noch ein überaus sympathisches Erlebnis mit jungen Bulgaren. Von Schipka bei Kasanlâk auf die Fernstraße nach Sofia stoßend, hat sich Bernd mit seinem Wagen an die Spitze gesetzt. Da war es uns lieber, wenn wir hinterherfuhren. Wer kennt nicht die Mutter mit ihrer Porzellankiste. Wir waren schon wieder eine ganze Weile unterwegs, so dass uns bereits die Mittagssonne nervte. Dann sahen wir unseren Opel am Straßenrand stehen, davor ein klappriger Kleinlaster. Dieser Lieferwagen hatte eindeutig Obstkisten geladen, und unsere Kinder waren offensichtlich dabei, sich für den Rest der Reise mit Obst einzudecken. Liesel hatte bereits eine Plastiktüte in der Hand, als sie mich bat auch anzuhalten und nach Obst zu schauen. Ich setzte mich also vor den Obsttransporter, zückte meine Tüte und fragte die jungen Leute, was sie anzubieten hätten. Sie hatten Pfirsiche geladen. Dann sollten sie mir mal ein Kilo abwiegen. Ja gut, aber vorher möchte ich doch diesen jungen Leuten aus Deutschland klar machen, dass sie ihnen eine Kiste Pfirsiche schenken möchten. Die würden ständig mit Geld wedeln, obwohl sie gar keines haben wollten. Ich bekam mein Kilo Pfirsiche gegen bar, und meinen Kindern machte ich klar, dass diese junge Völkchen schon eine Weile versuchte, ihnen eine Kiste Pfirsiche zu schenken. Bernds Kommentar: "Das gibt es doch gar nicht. Was haben die denn zu verschenken? Die haben ja nicht einmal Schuhe an den Füßen." Ja, so ist das mit dem Schenken. Unsere Kinder erzählten uns dann, dass sie schon eine ganze Weile hinter diesem Wagen hergefahren seien und dass sie sich mit allerlei Faxen verständigt hätten, Faxen, die nicht allzu fein waren, denn theoretisch seien sie alle längst tot. Man hatte sich gegenseitig mit Maschinengewehren beschossen. Jetzt wollte man mit Pfirsichen Frieden schließen. - Wenn ich mich da an 'unseren' Krieg zurückerinnere, - auf die Idee mit den Pfirsichen ist damals niemand gekommen. * In Sofia wurden wir sehnlichst zurückerwartet. Mami B. hatte ja eigentlich nichts von uns gehabt. Sie sah natürlich ein, dass wir unseren Kindern Land und Leute zeigen wollten. Und außerdem würden wir im nächsten Jahr ja auch wiederkommen. Auch bei Troschanowis war die Freude groß, als wir uns zurückmeldeten. Für Troschan gab es gleich etwas zu tun, denn unser Rolf hatte über Halsschmerzen zu klagen. Mit Tränen in den Augen und sauerverzogenem Gesicht kam er aus Troschans Kabinett zurück. Troschan hatte auch die Schallplatte von dem Konzert in Tokio besorgt, auf der er als Solist zu hören ist. Als kleine Gegenleistung schenkte ich ihm eine Dia-Serie, 45x45mm, von der Landung der amerikanischen Astronauten auf dem Mond. Die Heimfahrt ließen wir langsam angehen. An der bulgarischen Grenze stellte man seine Uhr ja wieder um eine Stunde zurück. Das schaffte einen erweiterten Spielraum für die Tagesplanung. Zu Mittag kehrten wir im Motel Alexinac ein, damit die zweite Wagenbesatzung auch dieses Motel kennen lernte. Übernachtet haben wir im Motel Slavonski Brod. Die Leistung des Restaurants war ausgezeichnet. Das Preisniveau war mit Bulgarien natürlich nicht zu vergleichen. Bregana haben wir diesmal überschlagen. Die Sache mit dem Frühstück, wenn man an die Hinfahrt denkt, war noch zu wach, und das Risiko Ärger zu bekommen, zu groß. Wir holten ganz tief Luft und fuhren bis nach Lienz in Österreich. Hier wurde auch wieder Deutsch gesprochen. Und nicht nur das. Klaus kam freudestrahlend von irgendwo her und verkündete, dass es hierzulande Sitzklos gebe. Was wollte man also mehr. Die letzte Tagesetappe, von Lienz bis Köln, war natürlich für uns jetzt nur noch ein Klacks. Das Resümee: Das war eine ganz tolle Expedition! Hier ist noch etwas nachzutragen: Den alten Opel haben wir zum Verkauf in die Zeitung gesetzt. Am Abend meldete sich eine Dame, die wissen wollte, ob dieses Auto bereits verkauft sei. Nein, das war es noch nicht. Aber die Anruferin klang sehr verdächtig nach Sofia und Schwarzem Meer. Also fragte ich sie, ob sie etwa eine Bulgarin sei. Dann bekäme sie diesen Wagen sowieso. Sie war eine Bulgarin. Schon am nächsten Abend erschien sie mit ihrer Schwester, ihrem Vetter und dessen Tochter. Dieser Vetter war ein Zahnarzt aus Caracas, der seiner Tochter die Heimat seiner Vorfahren in Bulgarien und Italien zeigen wollte. Man zeigte sich zu Anfang ziemlich zurückhaltend, aber das rettete sie nicht vor einem sehr langen Abend. Am nächsten Tag fragte uns eine Nachbarin, was denn in der vergangenen Nacht bei uns los gewesen sei. Solches sei man doch von uns gar nicht gewohnt. Wie sollten sie das auch verstehen? Es war ja bereits Mitternacht, als wir unsere Dias vom Schwarzen Meer vorführten. Und dann tat die Dame, die diesen Kontakt hergestellt hatte, mit einem Mal einen Schrei. - Mein Gott, da ist ja mein Vetter, Petko Dudewski, wo habt ihr den denn aufgegriffen?- Es war schon beim Abschied auf der Haustreppe, als Frau M. meinem Schätzchen zum wiederholten Male versicherte: "Frau Kurtenbach, ist Ihnen klar, dass Sie einen Bulgaren geheiratet haben!?" ** |