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Margit Sass

 

 

Gedichte

 

Sonnenaufgang

Über mir Nacht,

traumverhangene Tiefe,

blaudunkle Endlosigkeit.

 

Mein suchender Blick

findet im Osten

rotglühenden Halt.

 

Leuchtend greifen

orange-rote Arme

in meine fliehende Nacht.

 

Vor mir,

in rosarotes Licht getaucht,

nahende Wirklichkeit.

 

Ein neuer Tag,

eine neue Herausforderung:

Ich nehme sie an.

 

  Zeit

 

Uhrengebändigt,

in Stücke zerhackt

durch Stunden, Minuten, Sekunden

eilst du davon.

 

Schneller, immer schneller. . . .

Zehntel, Hundertstel, Tausendstel.

 

Rasen, rasen. . . .

 

Nimmst mir die Ruhe,

kaum Raum gibst du

für fruchtbares Denken.

 

Eingekeilt

zwischen jetzt und gleich

möchte ich mich befreien,

aufstreben.

Weite schaffen mich zu entfalten,

Freiraum,

zur Besinnung auf mich selbst.

 

 

 Termine

 

Termine, Termine und keine Zeit!

   Nicht Zeit für ein wenig Freundlichkeit?

   Ein nettes Wort, ein Dankeschön,

   und manches im Leben würd' leichter gehn.

 

Termine, Zermine und keine Zeit!

   Nicht Zeit für ein wenig Besinnlichkeit?

   Für eine Stunde bei Kerzenschein

   einmal entspannen, ganz selber sein?

 

Termine, Termine und keine Zeit!

   Nicht Zeit für ein wenig Zärtlichkeit?

   Eine liebe Geste, die zeigt, Du bist da,

   die sagt, Du bist meinem Herzen nah.

 

Termine, Termine und keine Zeit!

   Nicht Zeit für ein wenig Traumseligkeit?

   Für bunte Träume, auf Wolken gehn,

   schmetterlingsleicht über allem stehn.

 

Termine, Termine und keine Zeit!

   Nicht Zeit für ein wenig Menschlichkeit?

   Für etwas Achtung vor jedem Leben,

   viel Leid würd' da wohl weniger geben.

 

Termine, Termine,-nimm Dir die Zeit,

   damit Dich später einmal nicht reut

   gesagt zu haben: Ich hatt' keine Zeit.

   Hattest Du wirklich keine Zeit?

 

 

  Ein Lächeln

 

Ein Tag ging zu Ende voll Eile und Hast,

voll hektischen Treibens, kaum Zeit war zur Rast.

 

Dann Heimfahrt im Zuge, von Menschen gedrängt

stand müd' ich im Gange, ans Fenster gezwängt.

 

Mein Aug' schaute blicklos ins Leere hinaus,

ich fühlte mich einsam, wollte nur noch nach Haus.

 

Doch plötzlich, da wähnt ich mich nicht mehr allein:

vom Zug gegenüber sah jemand herein.

 

Beschlagene Scheiben, nur schemenhaft - weit -

ein Antlitz dahinter, voll Aufmerksamkeit.

 

Das Aug' sucht das meine, verstehend, bereit

eine Brücke zu schlagen. Oh Menschlichkeit.

 

Die Brücke zu mir her ein Lächeln sie trägt,

das plötzlich ins fremde Gesicht sich geprägt.

 

Ich lächle zurück nun voll Dankbarkeit.

Zwei Menschen versteh'n sich in eilender Zeit.

 

Ein ganz zartes Band nur,- Sekundenbestand-

und doch fühlt mein Herz sich dem andern verwandt.

 

Der Zug, er fuhr weiter. Was machte es aus,

ich trug ja das Lächeln im Herzen nach Haus.

 

Ich sah nur Sekunden das fremde Gesicht,

doch das Lächeln darin vergesse ich nicht.

 

Wir sollten viel öfter in unserer Welt

ein Lächeln verschenken, das Dunkel erhellt,

das Brücken kann schlagen von Dir auch zu mir.

Ein Verstehen die Antwort: ich dank' Dir dafür.

 

 

 Hand in meiner Hand

 

Hand in meiner Hand,

wonneweich und schön,

hilfesuchend meine fand,

wollt' nicht alleine gehn.

Kindes Hand in meiner Hand.

 

Hand in meiner Hand,

scheu-zarte Heimlichkeit.

In der Jugend Wunderland

war der ersten Freundschaft Zeit.

Junge Hand in meiner Hand.

 

Hand in meiner Hand,

ich spür' die andre kaum.

Ein Herzschlag sie verband

in Glücklich-sel'gem Raum.

Des Liebsten Hand in meiner Hand.

 

Hand in meiner Hand,

zerbrechlich fast und zart.

Ein ganzes Leben bis zum Rand

sie durchgestanden hat.

Der Mutter Hand in meiner Hand.

 

 


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