Mit dem rollenden Hotel zur Mitternachtssonne ans Nordkap ( 1982 ) von Irmtraut Werner <Irmtraut.Werner@Web.de> Das „rollende Hotel“ besteht zum einen aus einem ganz normalen Reisebus mit insgesamt 40 Sitzplätzen und zum anderen aus einem Anhänger mit Kochgelegenheit und 42 Schlafkabinen. Es war meine erste Fahrt mit diesem rollenden Hotel, sollte aber nicht meine letzte bleiben. Denn wie heißt es so schön: „Einmal Rotel und nur noch Rotel oder einmal Rotel und nie mehr Rotel !“ Die Reise begann am Frankfurter
Flughafen, wo wir in den Bus, der von München her kam und noch ohne
Hänger war, einstiegen. Der Hänger selbst wartete auf uns auf einem
Campingplatz hinter Hamburg, wo auch unsere erste Übernachtung
stattfand, ehe es am nächsten Morgen, leider regnete es in Strömen,
losging. Wir brausten los Richtung Puttgarden auf
der Insel Fehmann, dann mit dem modernen Fährschiff auf der
Vogelfluglinie in einstündiger Fahrt über den Fehmann-Belt zur
Insel Lolland (Dänemark). Organisiert ist alles perfekt, so lassen wir
unseren Hänger kurzerhand auf einem Parkplatz zurück, da wir solo beweglicher
und schneller sind. Dänemark – von einem Dichter Land der Inseln und des Lächelns genannt – besteht aus 500 Inseln und wird auch gerne als Landbrücke zwischen Norden und Süden sowie zwischen Nordsee und Ostsee bezeichnet. Gegen 14,30 Uhr erreichen wir seine Hauptstadt Kopenhagen und haben bis 16 Uhr Zeit, uns ein bisschen die Füße zu vertreten. Dann besteigt eine Stadtführerin unseren Bus, um uns bei einer Stadtrundfahrt die Stadt zu zeigen und manch Interessantes zu erklären. U.a. sehen wir Schloss Christiansborg, in dem heute das Parlament sowie der Oberste Gerichtshof untergebracht sind, das Charlottenburger Palais und Schloss Amalienborg, die Universität und schließlich die Grundvig-Kirche. Diese Kirche ist dem Pfarrer Grundvig, dem Gründer der Volkshochschule gewidmet und wir erfahren bei dieser Gelegenheit, dass die Volkshochschule früher zur Förderung der Allgemeinbildung der Bauernjugend, später aber auch der Arbeiterjugend gedacht war; sie erinnert mit ihrem treppenförmigen Giebel an eine große Orgel. Weiter geht es zum Wahrzeichen der Stadt – der kleinen Meerjungfrau. Ehe sich unsere Stadtführerin nach zwei Stunden von uns trennt, erfahren wir noch ein paar Kleinigkeiten über diese Stadt von ihr: dass in Kopenhagen z.B. keine Straßenbahnen mehr fahren, die wurden allesamt nach Kairo verkauft, wo sie heute noch benutzt werden, oder dass ein Gammelkloster in Wahrheit ein Altenwohnheim ist (gammel = alt). Unser Fahrer bringt uns zu einem Campingplatz unweit von Kopenhagen, wo unser Hänger schon steht; der Schlepper hat ihn in der Zwischenzeit hierher gebracht. Unser Fahrer ist auch zugleich verantwortlich für unsere Verpflegung – er hat wahrlich einen Fulltime-Job. Nachdem er uns allesamt noch mit Abendbrot versorgt hat, fährt er uns wieder in die Stadt zurück und bringt uns zum Tivoli, Kopenhagens weltberühmten Vergnügungspark, damit wir uns dort ins „Nachtleben“ stürzen konnten ! Tivoli ist nicht nur bei Tag eine Attraktion, bei Nacht ist der Anblick fast durch nichts zu überbieten. Tausende und abertausende Lämpchen glühten in Bäumen und an herrlichen Blumengestecken, an prächtigen Fassaden, daneben hell erleuchtete Wasserspiele auf dem großen See . . . man hatte schon zwei Stunden zu tun, nur um diesen farbenprächtigen Anblick zu genießen, da blieb für den sonstigen Rummel in diesem Park gar keine Zeit mehr übrig. Viel zu rasch verging die Zeit, doch pünktlich um 11 Uhr steht leider der Bus vor dem Ausgang. Schade, wie prächtig muß das Feuerwerk erst gewesen sein, dass eine Viertelstunde später begann ! Auch am nächsten Tag steht der Besuch einiger dänischer Schlösser auf dem Programm, ehe wir nach Schweden übersetzen werden. Zuerst erreichen wird das stolze Wasserschloss Frederiksborg - auf drei Inseln erbaut, die mit hübschen Bogenbrücken miteinander verbunden sind. Unsere Reiseleiterin führt uns in einer Stunde selbst durch die Schlossräume, ehe es zum zweiten Schloss, Schloss Fredensborg, der Sommerresidenz der jetzigen Königin, weitergeht, es liegt nur ca. eine Viertelstunde entfernt. Hier können wir um Punkt 12 Uhr die Wachablösung vor dem Schloss miterleben – zwei Handvoll Soldaten mit recht imponierenden Bärenfellmützen auf dem Kopf! Das dritte Schloss ist Schloss Kronborg, das Hamlet-Schloss, am Öresund; hier haben wir nur Gelegenheit, es von au ßen zu besichtigen. Wir benutzen die Fähre über den Öresund und sind innerhalb von 20 Minuten in Schweden. Von der Fähre aus kann man ganz besonders schön das Hamlet-Schloss sehen und fotografieren. Schweden – von
einem Dichter Land der Seen und des Lichtes genannt - besteht aus insgesamt 24 000 Inseln,
hat seit 1814 keine Kriege mehr geführt und man sagt, die
Haupteigenschaft der Schweden sei, Kompromisse z u schließen. Es geht in flotter Fahrt auf der Reichsstraße durch die hügelige, stark bewaldete schwedische Provinz Schonen, das Land der alten Herrensitze, in das seen- und waldreiche Smaland nach Ljungby zu einem schönen Campingplatz mitten im Wald, sogar mit einem Warmwasserschwimmbecken (50 m lang). Da es erst 16 Uhr ist, werden die Badesachen hervorgeholt und ab geht es ins Wasser ! Die Abende sind mittlerweile schon recht lang und hell; um ½ 11 Uhr ist es noch so hell, dass man ohne Licht lesen und schreiben kann. Schon gestern auf der Herfahrt war uns am Straßenrand ein für uns neues Verkehrsschild „Vorsicht – Elche“, ähnlich dem uns bekannten Schild „Vorsicht – Wildwechsel“, aufgefallen. Und heute morgen sehen wir plötzlich aus dem Bus neben dem Straßenrand tatsächlich den ersten Elch dahintraben ! Ehe wir Schwedens Hauptstadt erreichen, erklimmen wir noch unterwegs den 342 m hohen Taberg , der fast zur Gänze aus Magneteisenstein besteht und von dem man eine prächtige Aussicht über die Seenlandschaft ringsum hat. Es geht weiter vorbei an dem Streichholzstädtchen Jönköpping, in dem der Erfinder des Zündholzes geboren wurde und das am Südende des zweitgrößten Sees von Schweden liegt – am Vättersee. Er ist 130 km lang, 20 bis 30 km breit und 128 m tief und der viertgrößte See Europas. Kurze Rasten am Wasserschloss in Vadstena und am Dom von Linköpping. Und am Abend sind wir endlich auf unserem Campingplatz bei Stockholm am Mälar-See, dem drittgrößten See Schwedens. Stockholm selbst liegt an den Mälaren, einer insel- und sch ärenreichen Bucht der Ostsee. Hier in Stockholm werden wir zwei Tage bleiben. Am ersten Tag besuchen wir das Skansen – ein großartiges Freilichtmuseum, das einen guten kulturgeschichtlichen Überblick des schwedischen Landes bietet. Anschließend folgt der Besuch der berühmten Wasa-Werft mit dem 1965 gehobenen Kriegsschiff Wasa, das 1628 schon auf seiner Jungfernfahrt nach nur 2 Stunden kenterte, sank und fast 300 Jahre auf dem Meeresboden lag, bis ein schwedischer Forscher es 1956 ortete. 1961 begannen die Vorbereitungen zur Bergung und 1965 wurde das Schiff gehoben. Man baute eigens eine Werft und seitdem ist man am Restaurieren dieses imposanten, 62 m langen Holz-Segelschiffes und wird noch einige Zeit damit beschäftigt sein. Um ½ 2 Uhr kommt ein Stadtführer zu uns in den Bus, um uns Stockholm zu zeigen und manches zu erklären. Die Stadt ist auf insgesamt 14 Inseln erbaut, allein die Altstadt liegt auf 4 Inseln, und liegt zwischen dem Süßwassersee Mälarsee und der Ostsee. Der Mälarsee mündet in die Ostsee, ist jedoch ½ m höher als diese. Die Stadt wurde vor 700 Jahren von der Lübecker Hanse erbaut und war lange Zeit halb deutsch, halb schwedisch. Natürlich besichtigen wir den Dom, machen einen kleinen Rundgang durch die Altstadt, ehe es zu dem dem Dom gegenüberliegenden Königsschloss geht, in welchem die königliche Familie auch heute noch einen Seitenflügel bewohnt. Unser Stadtführer ist hauptberuflich Lehrer und meint es gut mit uns, indem er uns nicht nur allein die Hauptsehenswürdigkeiten dieser weiträumig angelegten Stadt zeigt, sondern er wollte uns auch vermutlich einen allgemeinen Eindruck verschaffen. So fahren wir 5 Stunden kreuz und quer durch die Straßen und sind total erschöpft, als wir gegen Abend auf den Campingplatz zurückkommen. Am zweiten Tag steht der Besuch der wichtigsten schwedischen Universitätsstadt Uppsala auf dem Programm, sie liegt nur knapp 70 km hinter Stockholm. Wieder steigt eine ausgezeichnete Stadtführerin zu und zeigt uns das Wichtigste:
Den Dom, erst 1970 innen mit Weißbrotkrümel Stück für Stück gereinigt (jede Hälfte 2 ½ Jahre lang). Zahlreiche schwedische Berühmtheiten haben hier ihre letzte Ruhestätte, u.a. Gustav Wasa. Gleich gegenüber liegt das Gustavianum, die älteste Universität Schwedens (1477), die jedoch heute nur noch als Museum dient. In einem Kuppelbau im obersten Stockwerk befindet sich der ehemalige Hörsaal mit 180 Stehplätzen (damit die Studenten während der Vorlesung nicht einschlafen konnten), alles aus Holz getäfelt. 1878 wurde die neue Universität eingeweiht. Über dem Portal ein Spruch:
Tanke fritt ar stort, men tanka ratt ar store. Zu deutsch: Denke frei ist groß, denke richtig ist größer. Auch die Carolina Redivia, die Universitätsbibliothek, betreten wir. Sie ist mit über 2 Mill. Büchern und fast 30 000 Handschriften die älteste und größte Bibliothek Skandinaviens, sie besitzt Sammlungen aus dem 16. Jahrhundert, hat 1 Mill. Besucher pro Jahr und gilt als Fundgrube für Akademiker. Ihre größte Kostbarkeit ist die sogen. Silberbibel, eine im 4. Jahrh. entstandene Bibelübersetzung der 4 Evangelien ins Gotische, in silbernen Buchstaben auf purpurfarbenem Pergament geschrieben. Danach die Besichtigung des Schlosses, von Gustav Wasa einst begonnen und von Gustav Adolf endgültig fertiggestellt. Hier hat 1654 die Tochter Gustav Adolfs – Königin Christine von Schweden – abgedankt. Es folgt ein Besuch von Alt-Uppsala ( Gamla-Uppsala ), der
heidnischen Residenz der schwedischen Könige. In vorchristlicher Zeit
bis ins 8. Jahrh., bis sich der Meeresspiegel allmählich senkte, lag
Gamla-Uppsala an der Küste und das Wasser reichte bis hin an die
„Pyramiden des Nordens“, riesige Erdhügel in Form eines
Schiffes. Sie sind zur Hälfte
normale Hügelketten, jedoch in der oberen Hälfte Gräber, 3
große Königsgräber und noch 78 kleine Gräber von
Königinnen u.a. aus der Zeit 500 bis 600 nach. Am nächsten Morgen verlassen wir Schweden – 10 Grad zeigt das Thermometer (im Juni). Eine Fähre bringt uns 300 km weiter nach Finnland, d.h. wir werden etwa 10 Stunden auf dem Schiff verbringen. Allein 3 Stunden braucht es allein schon, bis es überhaupt mal durch die vielen, vielen Schären durchkommt. Die Zeit vergeht schnell, wir verbringen sie zum Teil im Speisesaal beim kalten und warmen skandinavischen Büffet, auch ein Rentierbraten liegt aufgeschnitten zum Verzehr bereit. Nach diesem reichhaltigen Essen tut ein kleines Schläfchen immer gut – warm eingepackt auf dem Sonnendeck im Liegestuhl. Finnland – das Land der 60 000 Seen mit einem Durchmesser von mindestens 200 m, die anderen gar nicht mitgezählt, die alle in Ost-Süd-Richtung fließen und 1/10 des Landes bedecken. Um 20,30 h osteuropäischer Zeit = 19,30 h westeuropäischer Zeit, erreichen wir den Hafen von Turku. Turku war bis 1812 die Hauptstadt des Landes. Aber wir fahren weiter zu einem unweit mitten in einem großen Waldstück gelegenen Campingplatz. Am darauffolgenden Morgen ist unser Ziel die Hauptstadt Helsinki, die wir bei einer Stadtrundfahrt erkunden. Den vom russischen Zaren Nikolaus erbauten prächtigen Dom, die orthodoxe Kathedrale, Rathaus, den Hafenmarkt, das Sibeliusdenkmal, das Olympiastadion mit dem nackten Nurmi in Bronze davor. Und dann, wenigstens für mich persönlich, der Höhepunkt: die vor ein paar Jahren erbaute Felsenkirche, die nur 13 m hoch und völlig nach unten in Felsen gesprengt ist, 700 Plätze aufweist und eine große flache Kuppel aus 22 km Kupferkabeln besitzt. Licht strömt durch ein breites Band um die Kuppel in den Innenraum. Die Felswände blieben unbearbeitet. Das Dach wird im Winter beheizt, dann taut der Schnee ab und das Schmelzwasser läuft an den Felswänden in die Kirche hinein und am Fußboden durch Roste wieder ab. Wir fahren noch 4 Stunden weiter, seit wir Finnland betreten haben, ohne Hänger. Das ist hier und auch später in Norwegen nicht erlaubt. Ein Schlepperfahrer begleitet uns nun durch diese zwei Länder; somit finden wir unser „Schlafzimmer“ schon vor, als wir unseren heutigen Übernachtungsplatz erreichten. Beim abendlichen Rundgang kann man den Parka gut vertragen, es ist merklich kälter geworden. Bei uns regnet es außerdem noch am nächsten Tag. Von anderen Touristen hören wir mit Schrecken, weiter nördlich schneie es. Einen Vorteil jedoch haben diese kalten Temperaturen, man spürt so gut wie nichts von der Mückenplage, die einem sonst den Aufenthalt in diesem seenreichen Land vergällen kann, wo angeblich der Mückenschleier das wichtigste Kleidungsstück sein soll. Es geht über die Provinzstadt Kuopio weiter, wo wir unbedingt eine finnische Spezialität probieren müssen: Kalakukko – eine Delikatesse soll es sein. Fisch und Speck werden in Roggenbrotteig eingebacken, schmeckt gar nicht mal so schlecht, sättigt aber ungemein. Durch den strömenden Regen geht es weiter durch die bei etwas besserem Wetter bestimmt recht eindrucksvolle finnische Landschaft: Birken, Kiefern, Sümpfe, Seen. Doch heute sind die Scheiben des Busses beschlagen, innen und außen läuft das Wasser . . . Wir übernachten in Kajaani und fast alle sind bereit, die Sauna auf dem Campingplatz zu besuchen, schon allein, um sich wieder einmal richtig aufzuwärmen. Wir fahren fast nur 3-Sterne-Plätze an und all diese Plätze besitzen hier in Finnland und zum Teil auch in Norwegen eine Sauna. Als Tauchbecken dient uns ein See, an dessen Ufer das Saunahäuschen steht. 8 Grad hat der See Wassertemperatur. Nun gibt es keine Städte mehr zu besichtigen, nur noch Seen und Wälder und Wälder und Seen, dazwischen hin und wieder mal ein paar kleine bunte Holzhäuser. Unbemerkt überfahren wir die Grenze der Provinz Lappland und erreichen ihre Hauptstadt Rovaniemi am Polarkreis gelegen, wo die Sonne vom 6. Juni bis zum 15. Juli schon nicht mehr untergeht. Nach unserem Abendessen fahren wir noch zum deutschen Soldatenfriedhof, wo 25000 deutsche Soldaten aus dem letzten Krieg ihre letzte Ruhe gefunden haben. Er liegt in einem stimmungsvollen Waldstück mit einem riesengroßen Holzkreuz am Seeufer. Nachts wird der Wind fast zum Orkan und schon schlägt das Wetter wieder um: es schneit ! 1 Grad wird bei unserer Abfahrt um 7 Uhr in der Frühe gemessen. Und je weiter wir fahren, desto dichter wird das Schneetreiben. Schöne Fotomotive bieten treibende Baumstämme auf breiten Flüssen – oder sind es Seen ? Oder die älteste Holzkirche Lapplands (erbaut 1689) in Sodankylä, angeblich dem kältesten Ort Finnlands, mit einem 300 Jahre alten Altargemälde. Sonst fehlt jegliche Farbe in dem aus groben Balken gezimmerten Gebäude, und man kann sich mit etwas Fantasie gut darin die Lappen vorstellen, wie sie früher aus weit entlegenen Dörfern im Winter mit dem Rentierschlitten und im Sommer mit ihren Booten hierher zum Gottesdienst kamen. Die „Eismeerstraße“, die wir nun befahren, führt nun fast nur noch durch unbewohnte Gebiete, nur ab und zu ein paar Souvenirstände am Wegrand, einmal auch eine Lappenhütte mit offenem Feuer darin und dahinter einem an einen Baumstamm gebundenen Ren. Dass die Straße, lt. Reiseführer, durch Moore und Sümpfe führt, können wir nicht erkennen, denn das dichte Schneetreiben hat alles mit einer weißen Schneedecke zugedeckt. Und als die Straße zu dem 438 m hohen Aussichtsberg Kaunispäa ansteigt, wird das Schneetreiben immer stärker; wieder einmal haben wir überhaupt nichts von der versprochenen schönen Aussicht. Heute hat man den Eindruck, man befinde sich in Sibirien, der Wind peitscht die dichten Schneeflocken fast waagerecht durch die Luft. Rasch verlassen wir die ungastliche Stätte Richtung Enare, dem „heiligen See der Lappen.“ Er ist 80 km lang und ungewöhnlich klar mit mehr als 3000 Inseln. Nun geht es weiter Richtung norwegische Grenze auf einer Straße, bei deren Befahren einem unwillkürlich der Gedanke kommt, die heimische Achterbahn stamme aus dem Land der Finnen – es geht steil bergauf und dann sogleich aber wieder bergab – rüber und nüber. Links und rechts der Straße Tundra, bedeckt mit weißem Moos, der Nahrung der Rentiere, und kargen Birkenbäumchen, die jetzt erst, Mitte Juni, beginnen zu treiben. Am Spätnachmittag erreichen wir die finnisch/norwegische Grenze, zum Glück hört das Schneetreiben jetzt auf, und das Wetter bessert sich ein wenig. Norwegen – von einem Dichter Land des Wassers und der Märchen genannt – hat 150 000 der Küste vorgelagerte Inseln und Schären und besteht zu 72 % aus Gebirge. Waren wir seither in Finnisch-Lappland, so sind wir nun in Norwegisch-Lappland. Wir übernachten auf dem Campingplatz in Karasjok (klingt fast russisch), ehe es am nächsten Morgen durch zerklüftete Moränelandschaften weitergeht, am Horizont tauchen die ersten schneebedeckten Gipfel auf. Und dann erreichen wir den Poranger-Fjord und somit das nördliche Eismeer. Es geht am Lackselv-Fjord entlang durch weite Rentier-Weidegebiete, vorbei an einsam stehenden Fischerhütten bis hin zu unserem heutigen Etappenziel: Hammerfest – die nördlichste Stadt der Erde, vergleichsweise ebenso nördlich wie die Nordspitze Alaskas. Die Stadt selbst liegt auf einer Insel und ist durch eine neue moderne Brücke mit dem Festland verbunden. Der erste Eindruck der Stadt, die übrigens als erste Stadt Europas eine elektrische Straßenbeleuchtung besaß, ist, als sei sie aus einem Bilderbuch der naiven Malerei entstanden: gradlinig gebaute kleine bunte Häuser in allen Farben in Reih’ und Glied aufgestellt, alle erst nach dem 2. Weltkrieg erbaut, denn die Stadt brannte 1944 beim Rückzug der deutschen Truppen vollständig ab. An Sehenswürdigkeiten hat sie so gut wie nichts zu bieten – nur ihre einmalige Lage. Von Mitte Mai bis Ende Juli geht die Sonne in Hammerfest nicht unter. Doch heute ist der Himmel wieder einmal wie schon so oft in letzter Zeit bewölkt. Zwar klart es im Laufe der Nacht, die übrigens taghell war, ein wenig auf, doch kann man den Sonnenball selbst nicht erblicken, sondern dieses Naturereignis nur hinter der gleißenden Wolkendecke ahnen. Um ½ 4 Uhr heißt es schon wieder aufstehen. Der Bus fährt uns zum Hafen zum Postschiff. Dieses kleine Schiff bringt uns nun entlang schöner Küsten, Buchten und Inselgruppen in fünfstündiger Fahrt zuerst nach Honnigsvag. Dort besteigen wir einen angemieteten Bus, der uns in einer knappen Stunde auf einer 33 km langen Straße, die von Oktober bis Mai gesperrt ist, vorbei an gerade erst aufzutauen beginnenden Schneefeldern zum „Dach Europas“, dem Nordkap, einem 307 m hohen, steil ins Eismeer abfallenden, grau-schwarzen Schieferfelsen bringt. Er gilt als der nördlichste Punkt Europas, was jedoch genau genommen nicht ganz stimmt; das ist das vom Nordkap im Westen sichtbare, jedoch nicht erreichbare Kap Knivskjellodden. Unser Blick schweift über Wasser und Himmel auf der einen, Fels und Schnee auf der anderen Seite. Und so trostlos bleibt der Anblick auch in den folgenden Stunden, als wir weiterfahren. Zuerst nach Honnigsvag zurück, dann Übersetzen mit einer Fähre zu unserem Bus, der uns weitere 4 Stunden durch die Einöde fährt Richtung Alta-Fjord. Erst allmählich taucht nun zaghaft das erste Grün wieder auf, und als wir spätabends unseren Campingplatz an diesem wunderschön gelegenen Fjord erreichen, können wir endlich wieder den Anblick von grünen Birken- und Kiefernbäumchen und Wiesen genießen. An diesem Alta-Fjord schieben wir nun einen Faulenzertag ein, zudem sich die Sonne uns ausnahmsweise einmal den ganzen Tag über zeigt. Es werden Einkäufe im nächsten kleinen Dorf in einem Tante-Emma-Laden getätigt, ein paar Optimisten gehen zum Angeln – leider ist die Beute nicht überwältigend: 3 Fische für 40 Personen sind entschieden etwas zu knapp. Auf diesem Campingplatz gibt es jedoch nicht nur einen wunderschönen Aufenthaltsraum – sogar mit Polstersitzgruppen, sondern auch eine große praktische Küche mit mehreren Elektroplatten. Da werden nun die 3 Fischlein am Abend lecker zubereitet und jeder darf mal kosten. Ausgeruht und mit frischen Kräften geht es tags darauf wieder weiter. Unsere heutige Fjordfahrt soll zum schönsten Teil der Reise zählen, so steht es jedenfalls im Programm. Doch, wie kann es anders sein, bei der Abfahrt vom Alta-Fjord regnete es bereits wieder. Vom „Zusammenspiel von Gebirgsriesen, Gletscherfelsen und Meer“ lt. Programm sehen wir nicht sehr viel, die Scheiben sind beschlagen. Schade drum.
Wir fahren auf schmalen und kurvenreichen Straßen entlang der Fjorde, setzen auch mal mit einer Fähre über, um abzukürzen und kommen so nach Lyngseidet, wo wir übernachten. Hier kann, wer will, im Gasthaus Walfischbraten kosten, der gar nicht wie Fisch schmeckt, sondern eher wie Fleisch. Mit der Fähre setzen wir über den Ullsfjord und die Fahrt geht zum Tromsö-Sund und dann über die elegant geschwungene 1000 m lange, erst 1960 erbaute Brücke zur Insel, auf der die Stadt Tromsö – der Ausgangspunkt vieler Polarexpeditionen – liegt. Die erste größere menschliche Ansiedlung seit Tagen ! Tromsö besitzt die nördlichste Universität der Welt und besitzt eine wundervolle Kirche – die Eismeerkathedrale. Es ist eine 1965 als Symbol für Dunkelheit und Nordlicht fertiggestellte Kirche, deren eigenartige fächerförmige Dachkonstruktion an Eismeerschollen erinnern soll. Von Tromsö aus geht es weiter nach Narvik. Die unzähligen am Wegrand stehenden Birken sind mittlerweile etwas größer, sie knospen auch nicht mehr, sondern tragen ihr volles Blattkleid. Hin und wieder kann man sogar eine Kuh auf den saftiggrünen Wiesen erblicken – die Schneefelder ziehen sich vollständig in die Berge zurück. Wir kehren sichtlich aus der Einöde des Nordens in die Zivilisation zurück, obwohl wir noch immer nicht den Polarkreis überschritten haben. 15 km vor Narvik wird übernachtet. Auch hier besichtigen wir den deutschen Soldatenfriedhof, wo u.a. 1473 deutsche Soldaten aus dem letzten Krieg ihre letzte Ruhe gefunden haben. Narvik wurde im letzten Krieg ja bekanntlich heiß umkämpft, es besitzt den zweitgrößten Hafen Norwegens nach Oslo. Die Stadt wurde schwer zerstört und nach 1945 fast vollständig wiederaufgebaut. Auch heute bezwingen wir zahlreiche Fjorde mittels mehrerer Tunnels, vieler Brücken und benutzen auch zwei Fähren. Norwegen investiert sehr viel Geld in den öffentlichen Straßenbau; all diese Brücken und zum Teil auch die Straßen und Tunnels sind erst nach Entdeckung der Ölquellen in der Nordsee gebaut worden. Heute abend ist zum ersten Mal abends der Himmel kaum bewölkt. Sollten wir doch noch dazu kommen, die Mitternachtssonne zu sehen ? Wir befinden uns ja schon wieder auf der Rückreise und sollen morgen den Polarkreis überschreiten. Somit ist heute die letzte Gelegenheit für uns. Gegen ½ 11 Uhr geht es los an die Küste, wo schon eine Menge Menschen da steht und wie gebannt aufs offene Meer hinausschaut. Und wir haben endlich, endlich Glück und können dieses grandiose Naturereignis mitverfolgen. Anhand einiger Felszacken am Horizont kann man besonders gut den Lauf der Sonnenscheibe verfolgen. Sie senkt sich langsam, immer tiefer – man kann es gut mit den Augen verfolgen. Die Fotografen knipsen alle 5 Minuten ein Bild, die Filmkameras surren . . . . . Das war Glück in allerletzter Minute ! Nach Überschreiten des Polarkreises, diesmal in 700 m Höhe, geht es nun Richtung Trondheim, der drittgrößten Stadt Norwegens. Ach, wie lechzen wir alle danach, wieder einmal eine richtige Stadt betreten zu dürfen ! Und als uns der Bus am Trondheimer Dom für die nächsten 5 Stunden entläßt, finden wir hier nicht nur einen richtigen Markt mit Gemüse und Blumen, nein, es gibt auch Kaufhäuser und Geschäfte ! Eine deutschsprachige Reiseführerin erzählte uns einiges Wissenswertes über dien Dom, der seit 1814 Krönungsstätte der norwegischen Könige ist. Er erinnert in seiner Bauweise stark an Notre Dame in Paris mit der großen Rosette zwischen den beiden Haupttürmen. Unweit von Trondheim übernachten wir auch. Am nächsten Tag bessert sich das Wetter zusehends. Wir klettern mit unserem Bus von 0 m über dem Meeresspiegel hinauf auf 1026 m, auf das sogen. Dovre-Fjell, einem bekannten Ausgangspunkt für Bergwanderungen, Es geht wieder bergab und bergauf auf steilen und recht engen Serpentinen, vorbei an schäumenden Wasserfällen und wilden Stromschnellen. Unser Ziel ist der bekannte Geiranger Fjord, der Fjord, der oft auf Kalenderblättern u.ä. abgebildet ist. Diesen Fjord kann man einfach nicht beschreiben, man muss ihn gesehen haben ! Man sollte nicht denken, dass man in Norwegen das größte Gletschergebiet Europas findet, Vom Sognefjell (1400 m hoch) aus genießen wir einen herrlichen Rundblick. Dieses Gletschergebiet besteht aus 24 Gletschern. Wir machen eine kleine Wanderung in der Sonne (!!!), ehe uns der Bus wieder einlädt. Das Wetter wird jetzt immer besser. Nach unserer Rückkehr nach Lom, wo wir übernachtet hatten, steht noch der Besuch einer sogen. Stabkirche auf dem Programm, einer jener alten, teerbraunen Holzkirchen aus der Zeit der Christianisierung des Landes, denen man aber noch sehr ihren heidnischen Ursprung ansieht, oft mit Drachenköpfen an den Gebäudeecken. Meistens sind sie an Stellen heidnischer Heiligstätten erbaut und sehen oft wie hausgewordne Fabeltiere aus. Weiter geht es am nächsten Tag durch `s sanfte Gudbrandstal bis nach Lillehammer, uns allen wohlbekannt. Hier hat auch die Dichterin Sigrid Undset ihre letzten Tage verbracht. Wir besuchen dort noch das Freilichtmuseum, u.a. mit dem ältesten Wohnhaus aus dem 12. Jahrhundert, ehe der Bus weiterrollt – nach Oslo, die Stadt, die ¾ aus Wäldern, Obstgärten und Seen besteht und vom Nordkap weiter entfernt liegt als München von Sizilien. Sie liegt am Ende eines 100 km langen und rund 350 m tiefen Fjord, des Oslo-Fjord, der ein Teil des Skagerrak ist. Wieder steigt eine Stadtführerin zu, die uns für die nächsten 4 Stunden begleitet. Wir sehen u.a. das Rathaus, eines der Wahrzeichen der Stadt, wegen seines Aussehens im Volksmund auch Ziegenkäse genannt, die Kaianlagen mit dem Kleinboothafen (jede 5. norwegische Familie besitze ein Boot und auch eine Hütte, wo gerne Ferien und Feiertage verbracht werden). Auf der Museumshalbinsel Bygdoy bewundern wir im „Vikingskiphus“ 3 Wikingerschiffe und weitere archäologische Funde aus dem Oslofjord. Aber auch das Kontiki-Floß, auf dem sich Thor Heyerdal mit seinen 5 Begleitern im Jahre 1947 von den Winden und der Meeresströmung 8000 km weit über den Stillen Ozean treiben ließ, ist auf dieser Museumshalbinsel ausgestellt, ebenso sein Schilfboot „RA II“. Im sogen. „Fram-Haus“ besichtigen wir noch das Polarschiff Fridtjof Nansens, mit der mehrere Expeditionen unternommen wurden, insbesondere die Nansens zum Nordpol und die Amundsens zum Südpol. Dann geht es weiter zum Frogner-Park und wir gehen ein wenig in diesem spazieren. Hier stehen weit über 100 Bronzefiguren des norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland (1869-1943) zur Schau, die eine „Symphonie über das menschliche Leben“ darstellen sollen und an denen der Künstler 20 Jahre lang gearbeitet hat. Es würde zu weit führen, sämtliche Figuren im einzelnen zu beschreiben, aber eines möchte ich doch besonders hervorheben. Nämlich den an der höchsten Stelle des Parks stehenden 17 m hohen Granitmonolith mit 121 (!) ineinander verschlungenen menschlichen Leibern, die sich der Säulenspitze entgegenwinden. Mit dem Besuch des „Holmenkollenbakken“ endet unsere Stadtrundfahrt. Voll Stolz berichtet uns noch unsere Stadtführerin, dass in ihrer Stadt heute noch 400 Elche lebten, die sich oft frühmorgens bis ins Zentrum wagen (leider haben wir keinen einzigen zu sehen bekommen), und dass sich im Stadtbereich 1000 km Wanderwege sowie 2600 km Skiloipe befinden. Wir nehmen am folgenden Tag nicht nur Abschied von Oslo, sondern auch von Norwegen. Denn nun geht es endgültig heimwärts bei Svinesund nach Schweden , dann vorbei an Göteborg, bis zur Fähre Schweden/Dänemark, weiter zur Fähre Hälsingborg / Hälsingör, wo sich der Kreis der Fahrt wieder schließt. Sind erst 25 Tage vergangen, seitdem wir nach Norden aufbrachen ? Hatten wir auch manchmal etwas Pech mit dem Wetter gehabt, vor allem was die Mitternachtssonne betrifft, so war es doch, im Großen und Ganzen gesehen, eine sehr beeindruckende Reise gewesen.
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