Meine zwei Tanten
Von Herbertkarl Hüther (Frater-Persevebo@DerPatriot.com) Meine Tante Hanna, die ist gleich als sie starb "zur
Hölle gefahren"; man konnte den Schwefelgestank noch lange riechen. Tante Dinni, die lebt noch, aber in einem Altersheim und
ohne Verstand. Am letzten Lebenstag von meinem Großvater holten beide
noch schnell einen Notar, der den
Tanten fast das ganze Erbe zusprach, indem er meinem Großvater bei der Unterschrift "die Hand
führte." Keiner der drei Brüder wagte, gegen das erschlichene
Testament anzugehen. So nahmen meine Tanten die zwei Häuser in Beschlag und
lebten darin. Sie "igelten" sich ein und gingen kaum heraus. Lästige
Hausarbeiten ließen sie von einer bekannten Hilfe erledigen. Tante Dinni wurde schnell rund und fett; wog bald vier
Zentner und vertilgte Essen gleich
bratpfannenweise und schnell. Auf dem Nachhauseweg holte sie sich oft noch beim
Metzger eine runde Fleischwurst
und beim Bäcker eine große Tüte Teilchen; beides aß sie
schon im Gehen auf, und zuhause
warteten schon die Pfannen auf sie. Mit zwanzig, als älteste, macht sie noch die
Handelsschule, danach wurde sie Schulsekretärin
auf der Aufbauschule, die ich später besuchte. Tante Hanna lernte im selben Alter noch die Küche bei
den Nonnen in Dortmund. Die große Maggi-Flasche sollte dort ein ganzes
Jahr halten, und als meine Tante sie
Anfang des Schuljahres zerbrach, gab es in der gesamten weiteren Ausbildung keinerlei Maggi, das einzige
Würzmittel, mehr. Erst wollte sie Nonne werden, aber dazu war die dem Orden
"zu hässlich." Wäsche für das Kloster hatte sie schon
genug. So entwickelte sie eine Unterleibsgeschichte, die in einer
damals noch sehr gefährlichen
Totaloperation endete, und sie auch noch dazu heiratsunfähig zurückließ. Tante Dinni "hielt es sowieso mehr mit den
Frauen". Als mein Großvater noch lebte, hatten wir zusammen ein
eigenes Spiel: Ich trat ihn auf die Füße und er versuchte im
Gegenzug zurückzutreten, und wenn er mich erwischte, schrie ich hell auf. Auch hatte mein Opa immer Angst um seine Wurst, und
ließ sie sobald Besuch kam,
"schnell in der Küchenschublade verschwinden." In den Spätfünfzigern verlegte mein Vater seine
Schusterwerkstatt im späterem Pfarrheim, in das zweite Haus meiner Tanten. Dazu war viel
Umbauarbeit nötig. Ein Keller
musste in das harte Gestein geschlagen werden, eine Zentralheizung aufgestellt, und jede Menge Steckdosen
in der neuen Norm Schuko ersetzt werden. In der Wand, neben dem Schaufenster, war noch der
Einschusskanal von einem Nachbar
schräg gegenüber zu begutachten. Mitten im zweiten Weltkrieg hatte der einen
"Saufkumpanen" aus der Wirtschaft zum Weitertrinken zu sich nach Hause mitgenommen. Als der ihm
an die "Hose wollte", schoss er mit einem großkalibrigen
Revolver nach im, traf aber nur die Fensterscheibe und das Haus der Tanten. Leider bekamen wir einen "Spring" in den Keller
und die Feuerwehr "rückte regelmäßig an." Da mein Vater die gut kannte,
wurde das Ganze als Übung deklariert und war ohne Unkosten. Der Boden war nur durch eine Art Falltreppe erreichbar und
fast gänzlich leer und
dunkel. Beim Umbau fiel dann auch ein SS-Dolch, ein Karabiner und
händevoll Münzgeld aus
einer Decke. Zu Weihnachten bekam ich von den Tanten einen Satz Werkzeuge
mit Laubsäge, Fuchsschwanz,
Hammer, Zange etc. Als meine Eltern mal weg gingen, hatte ich sodann den
Küchentisch in vier mühevollen
Stunden durchgesägt. Die Eltern waren nicht sehr angetan von "meiner
Leistung." Auch mein eigener Hund "Strolchi" überstand
anfangs den Umzug gut, leider kam er
später auf die dumme Idee, die Leibchen meiner Tanten, wenn sie an der Wäscheleine hingen, zu zerfleddern. Einige Schulkameraden wohnten direkt in der Nähe, einer
in der Gastwirtschaft gegenüber;
das bedeutete "freies Fernsehen ohne Zeitbegrenzung", denn
außer in den Wirtschaften
hatte kaum jemand Privates einen TV zu eigen. Im Sommer lag ich nur auf den sonnenerweichten Asphalt der
Strasse; ein Auto kam in jenen Tagen nur alle paar Stunden vorbei. Jedem Petticoat schaute ich dreimal nach. Als erster und lange Zeit einziger der ganzen Stad
ließ ich mir, ohne rechtsradikale Hintergedanken, einen "Meckihaarschnitt"
verpassen; Rock 'n'-Roll-Klammern trug ich sowieso, und ewig dudelte das alte
Schellackgrammofon. Endlich der lang erwartete große Krach: Meine Tanten ließen sich das Mietbuch zum Abzeichnen
geben, hielten es zurück, und
der Anwalt teilte mit, dass wir gekündigt seien, da wir nie einen Mietvertrag besessen hätten. So endete dann schmählich "jene Wohnperiode". Meine Tante Dinni sah ich erst später wieder, als ich
nach einer Prüfung von einer
Woche, auf die Aufbauschule kam. Da wurde ich prophylaktisch jeden Tag zum Schuldirektor
zitiert und musste im Sekretariat,
bei meiner Tante warten, denn ausgefressen hatte ich eh immer etwas. Mal hatte ich "blaue Augen", mal ein Schulkamerad. Das war nun der Beginn der zweiten Episode mit meinen
Tanten. |