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Der blaue Fleck

Georg von Signau, alias G. Segessenmann

Es war höchste Zeit, seine prekären Finanzen aufzubessern. Er hatte zwar nach seiner letzten Haftentlassung wirklich auf Sparflamme gelebt. Seit drei Wochen hatte John Flitt, genannt der Marder, die Umgebung des kleinen Uhrenladens in der Markens-Street ausbaldowert. In der darauf folgenden Neumondnacht machte er sich nun ans Werk. Routiniert hebelte er mit seinem Brecheisen die Hintertüre des Ladens auf, knipste die Taschenlampe an und schlich sich auf Gummisohlen über die Treppe in den Hinterraum des Ladens, wo, wie er inzwischen erkundet hatte, sich der Tresor des alten Uhrenmachers befinden musste. Diesen zu finden war für ihn eine Kleinigkeit. Direkt stümperhaft, wie doch die Leute ihre uralten Kassenschränke immer hinter Bildern verstecken wollten!

Auch das Öffnen war für ihn, der schon gewichtigere Objekte in Minutenschnelle aufgebrochen hatte, eine Lappalie. John leuchtete ins Innere. Ein Grinsen überzog sein aufgedunsenes Gesicht: Da lagen Bündel von Geldscheinen bereit zur Selbstbedienung! Gekonnt steckte er die Beute in den mitgebrachten Jutesack. Er hörte nicht die Tür zum Nebenraum, er sah nicht den kleinen Terrier. Erst als dieser ihn mit einem drohenden “Grrrrrr" von hinten am rechten Oberschenkel erwischte, realisierte es John. Mit einer Reflexbewegung hieb er dem Hundchen seine Stablampe über den Schädel, dass das Tier mit einem leisen Röcheln zusammenbrach. Erst als John Flitt zu hause seine Hose auszog, sah er, dass an dieser hinten ein faustgrosses Stück fehlte. “Verdammt", brummte er. Dann packte er die Hose in eine Plastiktüte und ging damit auf die Strasse. Drei Häuserblocks von seiner Wohnung entfernt warf er den Sack in einen Container. Dann ging er in aller Ruhe wieder in seine Bleibe, wo er die geraubten Banknoten in Tücher wickelte und unter einem zuvor gelösten Dielenbrett verstaute.

Es ging gegen Mittag, als es an der Wohnungstür läutete. Verschlafen öffnete John. “Inspektor Brent, wir kennen uns ja bereits bestens, Mister Flitt. Dürfen wir eintreten?" Ohne eine Antwort abzuwarten, hielt er dem verdutzten John einen Durchsuchungsbefehl unter die Nase und betrat mit zwei seiner Leute die Wohnung. “Durchsuchen," brummte er und sah sich selber in der Wohnung um. “Wo waren Sie heute Nacht, Mister Flitt?" “Wo denn wohl als hier", erwiderte John gespielt heftig. “Was wollen Sie denn von mir? Seit ich aus dem Knast bin, habe ich mir nichts mehr zu schulden kommen lassen, bin ein ehrlicher Mensch geworden, können Sie mir glauben." Inzwischen hatten die beiden Beamten die Wohnung auf den Kopf gestellt, jedoch nichts finden können. John grinste auf den Stockzähnen. Er hatte ja das Brett am Boden mit einem Schnellkleber auf seiner ursprünglichen Lage angeleimt. Der Inspektor runzelte nachdenklich die Stirn. Dann sagte er: “Darf ich Sie trotzdem bitten, mit uns aufs Präsidium zu kommen?!"

Flitt kleidete sich an und ging anstandslos mit, innerlich weiter grinsend. Denn er wusste, nach höchstens zwei Stunden würde er wieder ein freier Mann sein. Im Office angekommen bat der Inspektor Flitt, doch gleich stehen zu bleiben, es gehe nur ein paar Minuten. Dann sagte er noch: “Ziehen Sie doch mal ihre Hose aus!" John tat verdattert wie geheissen. “Nun drehen Sie sich bitte um." John kam der Aufforderung gerne nach. Der Inspektor öffnete die Tür zum Nebenraum und schnalzte mit der Zunge. Ein kleiner Hund kam herein, schnupperte und stürzte sich dann mit lautem Gebell auf John. “Nein, nicht schon wieder", schrie dieser und sprang mit einem gewaltigen Satz auf den Bürotisch.

Inspektor Brent zog mit einem infamen Grinsen einen Stofffetzen aus einem Plastikbeutel. “Wetten, dass wir am blauen Fleck auf ihrem Oberschenkel noch ein paar Faserchen von diesem Fetzen finden werden? Und wetten, dass es auf dem Stofffetzen - den wir übrigens dem braven Hundchen mit Gewalt haben aus dem Raubtiergebiss zerren müssen - Hautpartikel von Ihrem Oberschenkel gibt? Abführen!" Naja, wie hätte denn John mit diesem blauen Fleck rechnen müssen: er hatte schliesslich hinten keine Augen!


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