Prinz Friedgard Seiter Toll sah er aus - richtig
lieb! Fränzchen Petereit stand
vor der Bühne im Gasthaussaal und schaute fasziniert hinauf zu den
Dingen, die für die Versteigerung aufgebaut waren. Das Schönste war der
Hund - er war auch der Mittelpunkt und der teuerste Gegenstand. Die Frau Pfarrer hatte ihn
gebastelt. Er war so groß wie ein lebendiger Hund und hatte ein weiches
Fell aus Stoff. Die Ohren und der Schwanz waren aus richtigem Fell, die Augen
schwarze runde Knöpfe, Schnauze und eine kleine Zungenspitze aus Leder.
Fränzchen durfte ihn mal streicheln. „Prinz...“
flüsterte er - diesen Namen hatte er ihm im Stillen gegeben - „Prinz, ich wollte, ich
könnte dich kaufen...“ Dann mußte er sich zu
den anderen Kindern vorne auf den Boden vor der Bühne setzen, denn die
Versteigerung fing an. Sie nannten es „amerikanische
Versteigerung“, seine Geschwister hatten es ihm erklärt. Ein Ding
wurde hochgehalten, der Anfangsbetrag wurde ausgerufen, dann konnten die Leute
sagen, wieviel mehr sie bezahlen wollten. Der ausgerufene Betrag wurde gleich
in eine Sammelbüchse eingezahlt. Wie bei einer normalen Versteigerung
gehörte das Angebotene dem, der am höchsten geboten hatte. Aber so kam mehr Geld zusammen als
bei einer gewöhnlichen Versteigerung. Auch in der Schule - Fränzchen
ging schon in die zweite Klasse - hatte die Lehrerin es ihnen erklärt und
hatte erzählt, daß das ganze Geld für die „Flüchtlinge“
gesammelt wurde. Fränzchen war ein
Flüchtling. - Er erinnerte sich dunkel an endlose Straßen mit
vielen, gebückten Menschen, zwischen denen er gegangen und gegangen war,
oder auch mal getragen wurde, wenn er zu müde wurde zum Gehen. Und an lange Züge, die
voller Menschen waren, und an Hunger und Durst und Kälte unterwegs - Nun waren sie schon ein paar
Jahre hier im Dorf. Sie hatten zwei Zimmer in einem Bauernhaus, oben im
Dachgeschoß. In einem schliefen seine Eltern, im zweiten er mit seinen
drei Geschwistern. Drei Betten hatten sie. Er schlief mit seinem älteren
Bruder in einem, das gab manchmal Rippenstöße in der Nacht. Die
beiden größeren Schwestern hatten jede ein eigenes, schmales Bett.
Die Älteste ging schon arbeiten, die Zweite würde nächstes Jahr
aus der Schule kommen. Er sei ein „Nachkömmling“, hörte
er manchmal. Aber das sei nichts Schlechtes, hatte ihn die Mutter
getröstet. Seine Eltern und Geschwister
waren auch da. Sie saßen auf Stühlen irgendwo im Saal. Nur die
Kleinen durften vorne auf dem Boden sitzen, damit sie alles besser sahen. In den ersten Reihen sah man
die bekannten Leute aus dem Dorf: den Bürgermeister, den Pfarrer und den
Doktor mit ihren Frauen, den Herrn Lehrer mit seiner Frau und die Lehrerin und
auch die Ladeninhaber, die viel gespendet hatten. Der Bauer, bei dem sie
wohnten, war auch vorne dabei. Er hatte viele Essenssachen gespendet. Es gab
jetzt wieder genug zu essen, aber die Mutter hatte nicht viel Geld und was ihm
am besten schmeckte, war teuer. Ob sie wohl eine Tafel Schokolade für ihn
steigern würde? Natürlich nicht für ihn allein. Sie
müßten teilen, allerdings nur zu dritt, denn sein großer
Bruder aß lieber Wurst. Während er so vor sich
hin sinnierte und beobachtete, wurde fleißig gesteigert. Nach und nach
verschwand ein Artikel nach dem anderen von der Bühne und die
Sammelbüchse wurde immer voller. Der Hund würde zuletzt drankommen,
er war das beste Stück von allen. Das nette Ehepaar, das er
gelegentlich mit dem Kinderwagen im Dorf sah, war auch da. Er kannte sie, weil
sie ihn immer anlächelten, wenn sie ihn sahen. Er wußte nicht,
warum. Aber es gefiel ihm und deshalb mochte er sie. Sie schauten grade zu dem
Hund hin und flüsterten. Ob sie ihn für ihren kleinen Jungen steigern
würden? Sie redeten ziemlich eifrig. Dann schauten sie ihn an und
lächelten - hatte er sich auffällig benommen? Er bekam einen roten
Kopf und schaute schnell wieder zu „Prinz“ hinauf mit großen,
sehnsüchtigen Augen. Dann war es soweit. Prinz -
das letzte und schönste Stück - wurde geboten. „Zwanzig Mark
zum Ersten.....“ - zwanzig Mark waren sehr viel Geld. Soviel verdiente
seine große Schwester in der Woche. Aber es war nicht genug für den
Hund. Es wurde weiter geboten, und diesmal verfolgte er mit Spannung, wer bot
und wieviel. Das nette junge Ehepaar hatte noch gar nicht geboten. Sie
flüsterten nur miteinander. Der Herr Pfarrer bot und auch die Lehrerin und
andere, die er nicht kannte - weiter und weiter stieg der Preis. Bis auf 45
Mark waren sie schon gekommen. Es gab eine Pause - niemand schien mehr bieten
zu wollen. „Fünfzig
Mark“ rief da der nette junge Mann. „Fünfzig Mark sind geboten
- wer bietet mehr? - Fünfzig Mark zum Ersten, zum Zweiten und.... zum
Dritten! Der Hund geht für Fünfzig Mark an den Herrn Wohlmann. Fränzchen war tief
betrübt, aber dann dachte er: wenigstens waren es nette Leute, zu denen
Prinz kam. Wieder flüsterten sie miteinander, wieder schauten sie ihn an -
warum nur? Dann stand der Herr Wohlmann
auf, brachte seine fünfzig Mark nach vorn in die Büchse, die der
Versteigerer ihm hinhielt, nahm den Hund auf den Arm und..... kam auf
Fränzchen zu! Er stellte Prinz vor
Fränzchen auf den Boden: „Da, Fränzchen, nimm ihn, es ist
Deiner. Du hast dich doch auf den ersten Blick verliebt, nicht wahr?“ |