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Prinz

 

Friedgard Seiter
friedgard.seiter@gmx.de

 

Toll sah er aus - richtig lieb!

 

Fränzchen Petereit stand vor der Bühne im Gasthaussaal und schaute fasziniert hinauf zu den Dingen, die für die Versteigerung aufgebaut waren. Das Schönste war der Hund - er war auch der Mittelpunkt und der teuerste Gegenstand.

 

Die Frau Pfarrer hatte ihn gebastelt. Er war so groß wie ein lebendiger Hund und hatte ein weiches Fell aus Stoff. Die Ohren und der Schwanz waren aus richtigem Fell, die Augen schwarze runde Knöpfe, Schnauze und eine kleine Zungenspitze aus Leder. Fränzchen durfte ihn mal streicheln.

 

„Prinz...“ flüsterte er - diesen Namen hatte er ihm im Stillen gegeben - „Prinz, ich wollte, ich könnte dich kaufen...“

 

Dann mußte er sich zu den anderen Kindern vorne auf den Boden vor der Bühne setzen, denn die Versteigerung fing an. Sie nannten es „amerikanische Versteigerung“, seine Geschwister hatten es ihm erklärt. Ein Ding wurde hochgehalten, der Anfangsbetrag wurde ausgerufen, dann konnten die Leute sagen, wieviel mehr sie bezahlen wollten. Der ausgerufene Betrag wurde gleich in eine Sammelbüchse eingezahlt. Wie bei einer normalen Versteigerung gehörte das Angebotene dem, der am höchsten geboten hatte. Aber so kam mehr Geld zusammen als bei einer gewöhnlichen Versteigerung. Auch in der Schule - Fränzchen ging schon in die zweite Klasse - hatte die Lehrerin es ihnen erklärt und hatte erzählt, daß das ganze Geld für die „Flüchtlinge“ gesammelt wurde.

 

Fränzchen war ein Flüchtling. - Er erinnerte sich dunkel an endlose Straßen mit vielen, gebückten Menschen, zwischen denen er gegangen und gegangen war, oder auch mal getragen wurde, wenn er zu müde wurde zum Gehen. Und an lange Züge, die voller Menschen waren, und an Hunger und Durst und Kälte unterwegs -

 

Nun waren sie schon ein paar Jahre hier im Dorf. Sie hatten zwei Zimmer in einem Bauernhaus, oben im Dachgeschoß. In einem schliefen seine Eltern, im zweiten er mit seinen drei Geschwistern. Drei Betten hatten sie. Er schlief mit seinem älteren Bruder in einem, das gab manchmal Rippenstöße in der Nacht. Die beiden größeren Schwestern hatten jede ein eigenes, schmales Bett. Die Älteste ging schon arbeiten, die Zweite würde nächstes Jahr aus der Schule kommen. Er sei ein „Nachkömmling“, hörte er manchmal. Aber das sei nichts Schlechtes, hatte ihn die Mutter getröstet.

 

Seine Eltern und Geschwister waren auch da. Sie saßen auf Stühlen irgendwo im Saal. Nur die Kleinen durften vorne auf dem Boden sitzen, damit sie alles besser sahen. In den ersten Reihen sah man die bekannten Leute aus dem Dorf: den Bürgermeister, den Pfarrer und den Doktor mit ihren Frauen, den Herrn Lehrer mit seiner Frau und die Lehrerin und auch die Ladeninhaber, die viel gespendet hatten. Der Bauer, bei dem sie wohnten, war auch vorne dabei. Er hatte viele Essenssachen gespendet. Es gab jetzt wieder genug zu essen, aber die Mutter hatte nicht viel Geld und was ihm am besten schmeckte, war teuer. Ob sie wohl eine Tafel Schokolade für ihn steigern würde? Natürlich nicht für ihn allein. Sie müßten teilen, allerdings nur zu dritt, denn sein großer Bruder aß lieber Wurst.

 

Während er so vor sich hin sinnierte und beobachtete, wurde fleißig gesteigert. Nach und nach verschwand ein Artikel nach dem anderen von der Bühne und die Sammelbüchse wurde immer voller. Der Hund würde zuletzt drankommen, er war das beste Stück von allen.

 

Das nette Ehepaar, das er gelegentlich mit dem Kinderwagen im Dorf sah, war auch da. Er kannte sie, weil sie ihn immer anlächelten, wenn sie ihn sahen. Er wußte nicht, warum. Aber es gefiel ihm und deshalb mochte er sie. Sie schauten grade zu dem Hund hin und flüsterten. Ob sie ihn für ihren kleinen Jungen steigern würden? Sie redeten ziemlich eifrig. Dann schauten sie ihn an und lächelten - hatte er sich auffällig benommen? Er bekam einen roten Kopf und schaute schnell wieder zu „Prinz“ hinauf mit großen, sehnsüchtigen Augen.

 

Dann war es soweit. Prinz - das letzte und schönste Stück - wurde geboten. „Zwanzig Mark zum Ersten.....“ - zwanzig Mark waren sehr viel Geld. Soviel verdiente seine große Schwester in der Woche. Aber es war nicht genug für den Hund. Es wurde weiter geboten, und diesmal verfolgte er mit Spannung, wer bot und wieviel. Das nette junge Ehepaar hatte noch gar nicht geboten. Sie flüsterten nur miteinander. Der Herr Pfarrer bot und auch die Lehrerin und andere, die er nicht kannte - weiter und weiter stieg der Preis. Bis auf 45 Mark waren sie schon gekommen. Es gab eine Pause - niemand schien mehr bieten zu wollen.

 

„Fünfzig Mark“ rief da der nette junge Mann. „Fünfzig Mark sind geboten - wer bietet mehr? - Fünfzig Mark zum Ersten, zum Zweiten und.... zum Dritten! Der Hund geht für Fünfzig Mark an den Herrn Wohlmann.

 

Fränzchen war tief betrübt, aber dann dachte er: wenigstens waren es nette Leute, zu denen Prinz kam. Wieder flüsterten sie miteinander, wieder schauten sie ihn an - warum nur? Dann stand der Herr Wohlmann auf, brachte seine fünfzig Mark nach vorn in die Büchse, die der Versteigerer ihm hinhielt, nahm den Hund auf den Arm und..... kam auf Fränzchen zu!

 

Er stellte Prinz vor Fränzchen auf den Boden: „Da, Fränzchen, nimm ihn, es ist Deiner. Du hast dich doch auf den ersten Blick verliebt, nicht wahr?“

 


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