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Andreas
Kleindienst Mittel - Stadt (Erzählunq) Schon 12.20 Uhr! Wo wohl Micha
bleibt, denkt die Mutter und schaut immer wieder aus dem Fenster die Strasse
hinunter. Dann ein Gepolter und Geschimpf, den
Schulsack in die Ecke schmeissend, steht er mit hochrotem Kopf in der
Küchentüre. *Diese blöden Affen wissen immer alles besser, alle
gehören sie auf den Mond, sollen sie da ihre dummen Sprüche den Sternen
erzahlen, die hören ihnen sicher gerne zu!* *Du scheinst ja bester Laune zu
sein, Micha!* *Was los war, dir erzahle ich es
auch nicht, du bist ja auch so eine; zwei Kopf grösser als ich, und du weisst
es sicher auch besser, wie der Lehrer, der Abwart und der Briefträger!* Die Mutter kniet sich vor Micha hin,
jetzt stimmt das mit dem Grössersein aber nicht mehr. *Ich habe den Lehrer gefragt, warum
der Pausenhof nicht wie eine Schüssel sei, damit man nicht immer den Ball unten
auf der Strasse holen müsse. Der Lehrer hat gesagt, das ginge doch nicht, der
Platz müsse eben sein, weil sonst das Wasser zusammenlaufe, wenn es regne, und
dass es viel zu teuer sei, einen solchen Platz zu bauen. Ich denke aber, wir
brauchten dann gar kein Schwimmbad mehr, und im Schulzimmer könnten wir doch
die Hosenbeine raufziehen und schwimmend in die Pause gehen!* *Du bist ein dummer Schwätzer und
verstehst es nicht besser, warte nur, bis du älter bist.* *Ich habe dann das Gleiche den
Abwart gefragt, und der zeigte nur an die Stirne, fluchte und sagte, ich spinne
ja, und ob ich solchen Unsinn in der Schule lernen würde. Auf dem Heimweg
begegnete ich dem Pöstler, und der hat mich gefragt, warum ich so ein Gesicht
schneiden würde? Ich habe ihm geantwortet: Weil die Post nicht von Tauben
gebracht wird, und weil die Briefe nicht fliegen können. - Ach, die Grossen
verstehen unsere kleinen Wünsche und Bitten einfach nicht! Sind denn die nie
klein gewesen?* *Klein gewesen sind wir alle, doch
die meisten vergessen es eben, d. h. sie geben sich gar keine Mühe, sich ihrer
eigenen Kindheit zu erinnern. Die einzige Ausnahme ist, wenn die Grossen mit
ihren Jugendstreichen prahlen.* *Ja, und wenn ich so einen Streich
spiele, bekomme ich den Hintern voll von diesen komischen Erwachsenen*,
sinniert Micha. *Mir scheint, die haben nicht begriffen, dass wir Kinder auch
ein Recht haben zu leben und unsere Wünsche und Träume eben lebendig in uns
sind.* *Ja*, sagt die Mutter, *du hast Recht, wir leben in einer Welt der
Erwachsenen, und die Kinder haben fast keinen Platz mehr. Wir hier draussen
haben es noch gut, aber die Kinder in der Stadt sind schlimm dran. Die können,
ja müssen ihre Wünsche nur noch träumen, denn zum Spielen ist kein Platz mehr.
Ich weiss wirklich nicht, woher diese Grossen ihr Recht nehmen, solch eine
kinderfeindliche Umwelt zu gestalten*, seufzt die Mutter weiter. *Ich weiss etwas, wir bauen eine
Kinderstadt, wo nur Kinder Zutritt haben!* *Aber dann muss ich ja auch draussen
bleiben, Micha!* *Nein, wir bauen eben eine
Mittelstadt, wo gross und klein zusammenleben können!* *Wie stellst du dir das
vor?* *Nicht ich stelle mir diese Stadt vor,
sondern du und ich planen, bauen und bewohnen diese Stadt. Wir erzählen uns
gegenseitig unsere Wünsche, Vorstellungen und Träume.* *Dann beginne, Micha!* ... *Ein grosses, rundes Haus wollen wir
bauen, mit einem riesigen Innenhof, wie ein Ring soll es aussehen. In der Mitte
ein hoher Turm mit einer Treppe aussenherum. Zuoberst im Turm wohnen die Tauben
für die Post. In der Mitte nisten die Vögel, die für uns Musik machen und
zuunterst lebt der Hahn, der bestimmt, wann die Musik beginnen soll und wann wieder
Ruhe ist. Der Turm steht im Wasser, in dem wir baden können, aber auch Fische
und Enten schwimmen umher, und das Wasser ist schön warm. Am Rande dieses
Wassers hat es eine Höhle. Auch einen Wasserfall, weisst du, nur so hoch, er
zeigt an die Küchendecke. Grosse Blumen stehen da, wo wir Verstecken spielen
können, ein kleines Boot haben wir auch. Auf dem Wasser blühen das ganze Jahr
Seerosen und der Turm ist mit Efeu überwachsen, auch die Schlingpflanzen mit
den blauen und gelben Blumen wachsen rings um die Fenster, und über der Türe
blühen gelbe und rote Rosen. In den Nischen, die wir im Turm
einbauen, brüten Schwalben und Stare. Unter dem Turmdach leben Eulen und
Fledermäuse. Zuoberst im Turm ist ein kleines Zimmer mit vielen Fenstern. Da
sitzen wir abends im Kreis und können den Sonnenuntergang erleben, da beten wir
auch das Sonnengebet. Wenn es gewittert, sitzen wir auch da oben und schauen
dem schauerlichen Farbenspiel zu, du wirst mir dann sicher Geschichten erzählen
!* *Schön*, sagt die Mutter, und ihre
Augen glänzen vor Vergnügen bei diesen Vorstellungen. *Wo werden wir wohnen?* *Im
Ringhaus. Da hat es Wohnungen für die Grossen und solche für die Kleinen, in
die die Grossen nur hinein können, wenn sie auf allen Vieren gehen. Das ganze
Ringhaus ist auch mit Reben, Efeu und vielen Rosen bewachsen und noch so vieles
andere mehr. Vor dem Haus, gegen das Wasser hin, pflanzen wir die Blumen, die
du so gerne magst, auch Gemüse und die feine Pfefferminze für den Tee. - In
einem Teil des Rundhauses leben Pferde, Kühe, Hasen und viele andere Tiere, die
wir aber nicht töten dürfen. Um das Rundhaus ist ein grosser Wald, den niemand durchqueren
kann, der nicht den Schlüssel für dieses Haus besitzt.* *Wer bekommt denn den
Schlüssel, Micha ?* *Nur die, die lieb sind mit den
Kindern. Auch die, die Kasperletheater oder sonst Theater für die Kinder
spielen. Auch ein Zirkus mit Tieren und lustigen Clowns. - Wir werden
Blumenkränze flechten, und jeder, der von uns Kindern einen solchen
Blumenschmuck auf die Stirn bekommt, hat auch den Schlüssel für den Wald. -
Elektrischen Strom haben wir keinen, auch kein Telefon. Die Post holen ja die
Tauben.* *Wie soll ich denn kochen, Micha?* *Im
Wald hat es Holz genug, und in der Küche eine grosse Feuerstelle mit einem
schönen Kupferkessel. Wasser holen wir am Teich. Dieses Wasser ist sehr sauber,
weil kein Auto um den Teich fahren kann und keine Flugzeuge über den Wald und
das Haus fliegen. Flugzeuge müssen einen Umweg fliegen, weil seine Insassen ja
keinen Schlüssel besitzen. - Die Elfen, die im Garten wohnen, werden uns die
Sprache der Blumen und Tiere lehren, sie werden uns Schule geben. Die blöde
Schule, die wir hier haben, brauchen wir nicht mehr, die Lehrer können uns
nichts mehr beibringen, wir gehen in der Natur zur Schule! Die alte Eule bringt
uns sicher das bei, was wir wissen wollen. - Einen kleinen Durchgang lassen wir
offen, damit die Tiere des Waldes zu uns hineinkommen können, wenn wir ein Fest
feiern, oder wenn die dummen Grossen zur Jagd blasen. - über allem steht eine
Wolkenglocke, die uns für die andern Menschen in der Welt unsichtbar macht.* *Es ist so schön, wie du, lieber
Micha, dies alles siehst, ich habe fast nichts zu verbessern. Doch eines würde
mich interessieren, nämlich wie du dir das vorstellst, warum sollen wir uns so
von der Welt zurückziehen?* *Das ist ganz einfach, wenn die
Menschen sich gegenseitig getötet haben, alle Strassen und Städte kaputt sind,
werden wir hinausgehen können und dieses Ringhaus um die ganze Erde bauen. Es gäbe dann eine Erde mit kleinen
und grossen Kindern, und alle hätten einen Blumenkranz auf der Stirne, und alle
würden sich kennen und hätten sich lieb.* *Ja, Micha*, Iächelte die Mutter, *das
wäre schön und gut, doch bauen wir nicht besser dieses Mittelringhaus hier?*
Sie zeigt auf ihr Herz. *So werden wir jetzt schon diesen Blumenkranz auf
unserer Stirne tragen, und die Welt muss nicht zuerst zerstört werden, sondern
es darf langsam an diesem Ringhaus des Friedens und der Liebe gebaut werden. - Komm
Micha, wir essen jetzt und träumen danach weiter, es ist noch Zeit.* LIEBE SEI EIN FLIESSEN UND STRöMEN, UM ALL DIE KINDER ZU VERSöHNEN. LASST UNS DAS LACHEN UND DIE FREUDE AUSLEBEN HIER UND HEUTE!!! Copyright by
Andreas Kleindienst. |