Wirtschaftsthemen Quo vadis EURO-Land?

carlos1
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf pschroed vom 25.11.2011, 10:20:45
"Am heftigsten aber wurde die Bundesregierung am Mittwoch getroffen, als eine Versteigerung von Staatsanleihen zum Desaster geriet. Berlin wollte für sechs Milliarden Anleihen begeben, bekam aber nur 3,6 Milliarden Euro. Warum nur sprachen die Märkte der bedeutendsten wirtschaftlichen und politischen Kraft Europas ihr Misstrauen aus?" pschroed/phil


Hallo phil,
Bundesregierung getroffen oder nicht? Bei einer Rendite von 1,89% über 10 Jahre ist nüchtern betrachtet eine Platzierung von nahezu vier Mrd € bei einer Tranche von 6 Mrd € auch als Erfolg zu werten. Der Zinssatz ist derart niedrig, dass es wunder nimmt, dass überhaupt zugegriffen wurde. Die Märkte sind überaus nervös und der kleinste Anlass gibt Nahrung für neue Spekulationen und Zeitungsenten. Um es negativ auszudrücken: Auch der Musterschüler im Euroraum ist vor Nackenschlägen nicht gefeit.

Die Debatte um Eurobonds sollte kein parteipolitischer Kriegsschauplatz sein. Eurobonds wären eigentlich die notwendige Konsequenz und Resultat eines politisch, wirtschaftlich und fiskalisch geeinten Europa. Dies gibt es noch nicht. Anlass genug sich über den Charakter der Krise auszutauschen. Die öffentliche Diskussion läuft so, dass die Banken als Schuldige wahrgenommen werden. In erster Linie aber liegt der Schwarze Peter doch bei der Politik. Griechenland erlebt zum 5. oder 6. Mal seit 170 Jahren eine klassische Staatskrise. Auf diesen Klassiker– es sind also Krisen der Institutionen!– folgt fast immer eine Bankenkrise. Denn die Banken hatten dem Staatspleitier die großen Kredite gegeben und erhalten das Geld nicht mehr zurück. Damit können sie der Wirtschaft nicht mehr das benötigte Geld leihen, was wiederum eine Wirtschaftskrise zur Folge hat. Die
Reihenfolge zu beachten ist nicht unwichtig.

Griechenland schon wieder klassisch so pleite, wie so oft schon, woran liegt das? An der Politik wohlgemerkt. Dafür, dass die GR.LD-Krise auf den Euroraum übergreift, sind wiederum Politiker schuld, und nicht nur griechische. Der Euro wurde gestartet, als die notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben waren. GR (und Italien ….etc) wurden in die Eurozone aufgenommen und erfreuten sich erstmals der billigen Kredite, die der Euro (dank der Wirtschaftskraft einiger anderer Staaten) allen Euroländern möglich machte (Konvergenz). Munter wurde aber alles verkonsumiert und die Politik sah zu nach dem Motto: Was billig ist, kann man doch nicht so einfach liegen lassen. Die Politik sah zu und sagte auch nichts, weil es nicht auffiel. Auch den Gscheitles der Finanzmärkte fiel nichts auf. Wenn aber niemand etwas auffällt, handelt die Politik nicht. Jetzt ist das Geschrei groß. Gr.ld könnte doch die Steuern erhöhen und sparen. Keine Ahnung hat man von dem Land: Dort fehlen für Steuererhöhungen nicht mal die Beamten, sondern die Infrastruktur und die Mentalität. Kein Kataster gibt es, und wer in Gr.ld nach einer Rechnung und fragt wird mit großen Augen angesehen, als käme er von einem anderen Stern. Nichts ist schriftlich nieder gelegt. Wie soll man da Steuern erheben????


Spielregeln müssen her. Wer sie nicht einhält, muss mit Sanktionen rechnen, sonst werden Spielregeln zum Widersinn. Wer legt die Spielregeln fest? Natürlich die, deren Geld verkonsumiert wurde und wird. Mit solchen Regeln allein machen Transfers Sinn. Könnten!

Die Eurobonds werden kommen, in der einen oder anderen Form. Die Politik hat eine lange Zeit verstreichen lassen und heroisches Getue unsererseits hilft nicht weiter. Eine Krise ist aber immer auch eine Möglichkeit, die zum Guten führen kann. Gutes liegt schon darin, dass klar erkannt wird, wo die Prioritäten liegen müssten. Nicht bei der Entschuldung der Staaten, deren Politiker ohnehin nur an Geldverschwenden denken. Besser wäre es das Geld den Banken zu geben, die ja nur durch Nicht-zurück-Zahlen der Schulden des Staates in die Lage gekommen sind. Wer aber Geld erhält, muss dem Staat Anteile abgeben! Das wird nicht jedem passen. Schon gar nicht wird jedem passen, wenn eine Finanztransaktionssteuer eingeführt würde. 80 bis 90% der vorhandenen globalen Geldmenge wandert Tag für Tag – dem Internet sei Dank - um den Globus, nicht um in der Realwirtschaft (Arbeitsplätze, Produktion) Gutes zu tun, sondern nur um sich - casinomäßig - zu vermehren. Bis jetzt traut man sich nicht sich zu trauen und redet sich mit London und New York heraus, die die Finanztransaktionssteuer nicht einführen wollen.

Die Folgen der Eurobonds für uns werden zu spüren sein, aber, ehrlich gesagt, spürt hier irgendjemand die Folgen des Politikversagens in den Pleite-Bundesländern wie Berlin, Saarland und Bremen nach und anderen Verschwendern? Die Bundesrepublik ist fiskalisch gesehen der Prototyp einer Transferunion, und die Mehrheit der Deutschen ahnt das nicht mal. Politik und Wirtschaft können die Krise nur gemeinsam lösen. Wir werden mit Eurobonds alle ein wenig Wohlstand einbüßen, wenn über Eurobonds ein Teil der Schulden Europas von uns übernommen wird. Methodisch kann das über die EZB laufen, auch wenn sie unabhängig ist. Sie wird die Schuldscheine Gr.lds und anderer Staaten aufkaufen und die Geldgeschäfte regeln. Ich befürchte nicht einmal eine große Inflation, die doch schon längst da sein müsste. Wir bilden eben unsere Urteile in wirtschaftlichen Dingen immer erst an den Ereignissen der Vergangenheit und meinen, so wie einstmals wird es immer sein. Die Weltwirtschaft ist heute aber ein globales Geschehen und kein punktuelles mehr.

Die japanische Staatverschuldung liegt derzeit bei 220%. Warum gibt es keine Entrüstungsstürme und Tränenfluten? Und erst die USA? Bei den 120% Italiens gehen wir dich schon in die Knie. Wobei ein großer Teil der Schulden Italiens Binnenschulden sind. Die Sparquote ist hoch.
silhouette
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 25.11.2011, 14:47:04
Aber carlos,
wenn ich das richtig mitgekriegt habe, wäre das faktisch ein europäischer Länderfinanzausgleich, richtig?

Das hat in D mal toll funktioniert, als Bayern sich von einem armen, rückständigen Agrarland in ein Hochtechnologieland mit hohem Bildungsstandard verwandelt hat und heute ganz oben steht auf der Liste der gebenden Bundesländer. Aber das war nur ohne allgemeine Korruption, ohne massenhaften Steuerbetrug, ohne irrational aufgeblähten Öffentlichen Dienst (und was noch alles sonst) möglich.

Und wenn ich es weiter richtig mitgekriegt habe, hat sich die ablehnende deutsche Haltung erst vor kurzem verfestigt: Berlusconi hatte ein sehr ristriktives Sparprogramm auflegen lassen, als es brenzlig wurde. Als die Milliarden aus dem Rettungsschirm flossen, hat er es korrigiert und deutlich abgeschwächt. Und das sollen die Länder gut finden und mittragen, die an allen Ecken und Enden sparen, an den Sozial- und den Bildungsausgaben, um nur diejenigen zu nennen, wo es bei uns wirklich "klemmt" oder um selber von unserem Schuldenstand runterzukommen?

Tut mir leid, wenn ich von Volkswirtschaft nicht viel oder nichts verstehe. Aber meine Denke ist mir noch nicht abhanden gekommen.
Mitglied_bed8151
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Die (Zins-)Schlinge zieht sich zu... Die Rating-Agentur Fitch hat die Bonität Portugals herabgestuft von "BBB-" auf "BB+". Dadurch rutscht das EURO-Land auf Ramschniveau. So werden in der Finanzbranche Bewertungen unterhalb des "BBB"-Status genannt. Sie signalisieren Investoren, dass eine Investition mit einem hohen Risiko verbunden ist. Der Preis für frisches Geld steigt dann.

Die Rating-Agentur Moody's hatte die Bonität Portugals bereits im Sommer auf Ramschniveau gesetzt.

O quam cito transit gloria mundi!

--
Wolfgang

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carlos1
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf silhouette vom 25.11.2011, 15:36:44
"Aber meine Denke ist mir noch nicht abhanden gekommen." silhouette


Hallo Silh,
deine Denke ist völlig richtig. Mit Italien, GR etc wird eine Transferunion nicht funktionieren aus den von dir angeführten Gründen ein Fass ohne Boden sein. Eurobonds, die diesen Staaten zinsgüsntige kredite sichern würden, wären nur eine Einladung das dolce vita aus früheren Zeiten fortzusetzen. Der Fehler darf nicht ein zweites Mal passieren. Deshalb wies ich auf unmumgängliche Regeln und Sanktionen hin. Anders geht es nicht.

Italien: Der Beerlusconismus ist quicklebenidg, auch wenn sein spiritus rector kurzfristig von der politischen Bühne verschwunden ist.

Zitat:
"Spielregeln müssen her. Wer sie nicht einhält, muss mit Sanktionen rechnen, sonst werden Spielregeln zum Widersinn. Wer legt die Spielregeln fest? Natürlich die, deren Geld verkonsumiert wurde und wird. Mit solchen Regeln allein machen Transfers Sinn. Könnten!

pschroed
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf carlos1 vom 25.11.2011, 14:47:04
Hallo carlos1

Es freut mich dich wieder hier zu lesen


Zitat carlos1

Die Eurobonds werden kommen, in der einen oder anderen Form. Die Politik hat eine lange Zeit verstreichen lassen und heroisches Getue unsererseits hilft nicht weiter. Eine Krise ist aber immer auch eine Möglichkeit, die zum Guten führen kann. Gutes liegt schon darin, dass klar erkannt wird, wo die Prioritäten liegen müssten
.

Sehe ich auch so, es ist nur zu Hoffen daß die verschuldeten Länder abgestraft werden wenn sie sich nicht an die Richtlinien halten. (Wo Frau Merkel Recht hat)

Zitat carlos1

Jetzt ist das Geschrei groß. Gr.ld könnte doch die Steuern erhöhen und sparen. Keine Ahnung hat man von dem Land: Dort fehlen für Steuererhöhungen nicht mal die Beamten, sondern die Infrastruktur und die Mentalität. Kein Kataster gibt es, und wer in Gr.ld nach einer Rechnung und fragt wird mit großen Augen angesehen, als käme er von einem anderen Stern. Nichts ist schriftlich nieder gelegt. Wie soll man da Steuern erheben????

Ich gehe davon aus daß GR überhaupt nicht dafür kann das sie in diese Schuldenspirale hineingeraten sind. Nach der Kultur ihres Landes liegen/lagen sie richtig.

Zitat carlos1

Die Folgen der Eurobonds für uns werden zu spüren sein, aber, ehrlich gesagt, spürt hier irgendjemand die Folgen des Politikversagens in den Pleite-Bundesländern wie Berlin, Saarland und Bremen nach und anderen Verschwendern?

(Lebe in Belgien Wallonie) Keiner merkt daß wird schon über 400 Tage keine Regierung haben

Ich glaube eher, wenn die Bürger weniger Sozialhilfe, Schwimmbäder geschlossen, Steuern erhöht werden usw.,erst dann entstehen ???

Vergleichbar mit dem Klimawandel, alles ist immer solange ok, solange es das Individum nicht selbst betroffen ist.

Die ersten Bedürfnisse zum Überleben sind die wichtigste den Rest des Konsumes braucht man sowieso nicht.

Phil.
carlos1
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.11.2011, 15:45:49
Leser deines Beitrages Eindruck gewinnen den Eindruck, dass Agenturen wie Fitch, Moody´s, Standard and Poor´s etc. schicksalhafte und sogar richtige Entscheidungen treffen könnten. Diese Rating-Agenturen haben lange gepennt und sind keinesfalls gottähnliche Alleswisser. Ihre zum Teil falschen und irreführenden Bewertungen können aber Unheil anrichten (vgl. Frankreich): Einfach nur ein bissel verrechnet. Dafür werden sie auch noch von ihren Kunden bezahlt. Wie zweifelhaft Beurteilungen in der Presse sein können zeigt die Meldung über die nicht vollständig gelungene Platzierung von 6 MRD € Bundesanleihen bei einer Auktion vor wenigen Tagen durch die Bundesagentur (Rendite 1,89%). Nach der Statistik lag die Rendite im August 2010 für Bundeanleihen bei 2,1%. Das war der niedrigste Wert in 2010. Nahezu vier MRD € im November 2011 abzusetzen ist ein Erfolg. Bei der jetzigen Inflationsrate bedeutet erbringt Rendite einen jährlichen Verlust von kanpp 1%. Untergangspropheten sagen doch für die nächsten Jahre eine starke Inflation voraus. Wie können Finanzmärkte nur so falsch reagieren und den größten Teil der Auktion noch ersteigern. Diese Reaktion wäre zu erwarten gewesen.

Penner in den Rating-Agenturen tragen auch Mitverantwortung dafür, dass über viele Jahre hinweg die mangelnde Bonität vieler Länder falsch, da viel zu hoch, eingestuft wurde. Ein Land wie GR erhielt lange Zeit relativ gute Noten, obwohl einem halbwegs wachen Kopf hätte auffallen können, dass Prämienzahlungen für pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz, wie in Griechenland üblich, wirklich kein Ausweis für einen guten Standort sind.

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Mitglied_bed8151
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
das geht jetzt wie das katzenmachen... belgien wurde heute von standard & poor's weiter runtergestuft. aa+ -> aa. das ist zwar noch nicht ramschniveau, ist aber kurz davor. der ausblick ist negativ. dumm gelaufen. prompt zogen die zinsen an für belgische anleihen. wie alle pleitiers hoffen die belgier jetzt auf EURO-bonds. deutschland soll für sie bezahlen. aber daraus wird nichts.

O quam cito transit gloria mundi!

--
Wolfgang
silhouette
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Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 25.11.2011, 15:52:36


Zitat:
"Spielregeln müssen her. Wer sie nicht einhält, muss mit Sanktionen rechnen, sonst werden Spielregeln zum Widersinn. Wer legt die Spielregeln fest? Natürlich die, deren Geld verkonsumiert wurde und wird. Mit solchen Regeln allein machen Transfers Sinn. Könnten!


Du hast ja sooo recht - im Prinzip. Aber da kommt schon wieder eine blöde Bemerkung: wer soll da hinfahren und "die Bücher prüfen", die Einhaltung der Spielregeln prüfen, um festzulegen, ob Sanktionen verhängt werden? So ein Ausschuss von drei Hanseln wie diejenigen, die nach Griechenland gefahren sind, bevor weiteres Geld aus irgendeinem "Schirm" geflossen ist (was für ein Bild! Vom Schirm herunter, bei einem Platzregen vielleicht), in dieses Fass ohne Boden, das du gut beschrieben hast? Könnte man mich nicht dahin schicken? Nur so, damit die Frauenquote halbwegs stimmt? Athen ist eine tolle Stadt, und ich liebe die karge Landschaft des Peleponnes.

Und die letzte Staatsanleihe: viel Meinungsmanipulation durch die Presse, viel Psychologie. Ist es das nicht immer in diesem "Geschäft"?
Marija
Marija
Mitglied

Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von Marija
als Antwort auf carlos1 vom 25.11.2011, 21:02:38
@ carlos,

du hast mit allem recht.

Und ich möchte ergänzen :
Hinter all dem, was sei 20 Jahren in der Finanzwelt abgelaufen ist, steckt eine langfristige Absicht.

Nichts ist zufällig.

Griechenland z.B. wurde seit mindesten 10 Jahren von Goldman Sachs und two others of the big 5 " gesponsert und hochgeratet " - und nun sind genau diese Hochfinanzler indirekt die Nutznießer.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Der globale Krieg hat längst angefangen.
Und keiner spricht laut von den 15 Billen Schulden, die Amiland (sichtbar) hat.

Diejenigen, die aus dem kommenden Welt-Schlamassel als Finanz- Kriegsgewinnler hervorgehen
werden, das sind meiner Meinung nach die USA.

Marija
Christine1951
Christine1951
Mitglied

Re: Quo vadis EURO-Land?
geschrieben von Christine1951
Westerwelle

einer um den es still geworden ist hat sich gedrängt gefühlt sich Gedanken zu machen

Wut auf Deutschland

und wenn es stimmt das alles was die Kanzlerin vehement ablehnt dann doch noch kommt ...



LG

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