Wirtschaftsthemen Die Unvereinbarkeit von ethischen Werten und gewissen Wirtschaftsbeziehungen
Alte Gepflogenheit bei der ersten Tasse Kaffee am Morgen: PC einschalten, kurz die neuesten Nachrichten überfliegen, d. h. lediglich Titel und Untertitel lesen - es sei denn, im Einzelfall deutet Letzterer auf eine besonders wichtige Nachricht hin, die mich zum Weiterlesen veranlasst.
Diese Angewohnheit hat mir heute (Spiegel-Online aufgerufen) gründlich den Tag verdorben! Die Startseite war voll von solchen „Einzelfällen“, alle so unerfreulich, dass ich sie besser nicht gleich lesen wollte – bis auf einen mit dem Untertitel:
„Der chinesische Staat soll in Umerziehungslagern rund eine Million Uiguren interniert haben: Die Xinjiang Police Files geben diesem System nun Namen und Gesichter. Sie zeigen nie gesehene Bilder aus dem Inneren.“
Wann immer (nicht gerade selten) dieses Thema in den Medien auftaucht, schießt mir jedes Mal durch den Kopf: „Und dieses China unterstützen wir (die westliche „Werte"gemeinschaft) so kräftig mit unseren Wirtschaftsbeziehungen, dass wir (Deutschland) längst in eine gefährliche Abhängigkeit von diesem China geraten sind!“
Was aus diesen „Xinjiang Police Files“ geleakt worden ist, hätte mich daher interessiert, aber siehe da, es ist ein Artikel (wie bei den interessantesten Spiegel-Artikeln üblich), der Abonnenten vorbehalten bleibt, wozu ich nicht gehöre. Für jene, die ein Abonnement haben, hier der Link dazu:
https://www.spiegel.de/ausland/xinjiang-police-files-einblick-in-chinas-brutales-lagersystem-a-6e85c81a-43c5-4a7b-85ad-8c70b22179a2
Nachdem ich die zahlreichen Details dazu in einem (für alle Leser offenen) Kommentar gelesen hatte, konnte ich meinem Magen zwei weitere offene Artikel nicht mehr zumuten. Wer interessiert ist, findet sie (vermutlich zumindest in den nächsten 2 – 3 Stunden noch) auf der Startseite. Der Link zum Kommentar:
https://www.spiegel.de/ausland/xinjiang-police-files-china-uiguren-angela-merkel-ukraine-a-fe40ed15-b0dc-451c-ad66-24a40aa0bd11
Nicht nur bezüglich der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China, sondern gleichermaßen bezüglich derer zu anderen Ländern, die fortlaufend Menschenrechtsverletzungen begehen, stehen wir vor dem Dilemma einer Prioritätensetzung zwischen wirtschaftlichen Vorteilen und Einhaltung der ethischen Werte, die Deutschland sich für das eigene Handeln gegeben hat.
Diskussionsthema:
Kann es dabei – anstelle eines „entweder/oder“ – einen Mittelweg geben?
Wenn ja, wie könnte er aussehen?
Ich fürchte: Nein. Wenn man dieses Thema mit einem langjährigen Globalisierungsgegner ansprechen würde, würde er wohl sagen: "Ich wende mich seit Anno-Tobak gegen den Globalisierungswahn.
Heute sind sind die Abhängigkeiten so groß, dass sie allenfalls noch kleinteilig durch Produktionsverlagerungen zu entflechten sind. Ansonsten werden die Anbindungen an China doch ständig stärker. Stichwort "Neue Seidenstraße" und die zunehmenden Abhängigkeiten afrikanischer Staaten mit chinesischen Geldern. Neulich habe ich gehört, dass den Chinesen auch schon der Hafen von Piräus gehört. Das dürfte eine Folge der griechischen Finanzkrise sein.
Warum wir uns gerade in eine neues Dilemma mit Katar reinsteuern, ist hinlänglich bekannt.
Mir fallen dazu zwei Sprüche ein:
-Geld regiert die Welt und der Spruch, der Lenin zugeordnet wird:
-Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.
Ja@ingo,
es geht hier ja nicht um ein bilaterales, sondern um ein multilaterales Geschäft. Und China wird zum Multiplayer, zum Bigplayer. Verhindern kann man das sicher nicht. Man muß immer nur schneller sein als der Chinese : Der Hase und der Igel, wenn man diesen Sprint gewinnen möchte.
Und in dieser Disziplin, so scheint mir, haben die Bosse des freien Westen geschlafen, als der Chinese längst sich auf der Tartanbahn befand.
......Ansonsten werden die Anbindungen an China doch ständig stärker. Stichwort "Neue Seidenstraße" und die zunehmenden Abhängigkeiten afrikanischer Staaten mit chinesischen Geldern........ Neulich habe ich gehört, ,,,,,dass den Chinesen auch schon der Hafen von Piräus gehört. ....Warum immer diese Neiddebatte üder die, die Geld haben?
.....Mir fallen dazu zwei Sprüche ein:
-Geld regiert die Welt und der Spruch, der Lenin zugeordnet wird:
-Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen......
Das heutige kommunistische China ist der Nachlaßverwalter dess kommunistischen Manifestes von Marx und Engels. In dem Karl Marx den Traum hatte, dass die Revolution der Arbeiterklasse paradisische Zustände auf die Erde bringt.
Das heutige China schwimmt in Geld und kann alles kaufen. Sie kommen dem Traum von Karl Marx immer näher.
Oder irre ich mich etwa?
Nick42
Fast hatte ich schon befürchtet, einen thread zu einem Thema eröffnet zu haben, das hier niemanden interesssiert 😉. Dabei wird China m. E. DAS Thema sein, das in den nächsten Jahren weltweit am stärksten in den Vordergund rücken wird.
Der Grund dafür ist keineswegs allein das von mir angesprochene Dilemma. Dieses hatte ich herausgegriffen, weil es derart viele kritische Aspekte gibt, dass sie alle aufzuführen und zu begründen, jeden thread sprengen würde und sie somit nur gesondert diskutiert werden können. - Übrigens sehe ich alles, was Du dazu geschrieben hast, genauso.
"Heute sind sind die Abhängigkeiten so groß, dass sie allenfalls noch kleinteilig durch Produktionsverlagerungen zu entflechten sind."
Genau daran hatte auch ich bei der Frage nach dem Mittelweg gedacht (bzw. als einen von mehreren). Dass bezüglich aller Möglichkeiten nur an ein schrittweises Vorgehen gedacht werden kann, dürfte sich von selbst verstehen.
Die Globalisierung ist dabei (egal, wie man dazu steht) als unumkehrbares Faktum zu berücksichtigen. Davon ausgehend überhaupt noch etwas zu ändern, setzt ein allseitiges Umdenken voraus, d. h. zum einen seitens der Marktteilnehmer, zum anderen seitens der politischen Entscheider. Und das braucht Zeit, zumal es bezüglich der Letzteren bedeuten kann, dass die gegenwärtigen in vielen Fällen (insbesondere China) dazu noch lange nicht bereit sein mögen, so dass auf hoffentlich einsichtigere nachfolgende zu warten wäre.
Bei 'Produktionsverlagerungen' würde ich übringens die Verlagerung einzelner in die jeweils eigenen Länder verstehen. Insbesondere Deutschland hat m. E. im Hinblick auf die Verlagerung eigener Produktionskapazitäten ins Ausland viel zu kurzfristig gedacht und insofern in dieser Hinsicht gravierende Fehler gemacht. Dies hat sich nicht nur beim Beginn der Pandemie überdeutlich gezeigt, sondern umso mehr in der jetzigen Krise.
Das Thema ist hochinteressant - zumindest meiner bescheidenen Meinung nach! Eine grundsätzliche Frage ist doch: Soll man als Firmenlenker:in wirklich jedes Geschäft machen, das sich anbietet und das nach aktuellem Recht legal ist?
Meine persönliche Antwort darauf lautet: Nein! Aber was wäre denn, wenn ich einer dieser Firmenlenker wäre?
Fall 1: ich bin eigenverantwortlicher Mittelständler, meine Firma gehört zu 100% mir selbst. Dann kann ich im Rahmen dessen, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, selbst entscheiden. Solange ich die Arbeitsplätze in meiner Firma nicht gefährde, sollten Fremdinteressen für mich eigentlich keine Rolle spielen.
Fall 2: ich bin Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft. Ich leite auch diese Firma in verantwortlicher Stellung, aber die Firma gehört nicht mir, sondern ihren Aktionären (zu denen ich vielleicht auch gehöre). Ich bin nicht nur mir selbst verantwortlich, sondern habe die Interessen der Aktionäre zu vertreten. Wenn ich beides nicht unter einen Hut bringen kann, kann ich nur noch zurücktreten. Fragwürdige, vielleicht 'gerade noch' legale Geschäfte mit eventuell anrüchigen Partnern abzulehnen ist in diesem Fall eventuell deutlich schwieriger.
In beiden Fällen setze ich 100% gesetzeskonformes Handeln einfach mal voraus.
Nachhaltiges und moralisches Verhalten wird von Staaten, Unternehmen, Einzelnen, Familien, nicht unbedingt vorausgesetzt.
Es kann auch nur schlecht durch Gesetzesvorlagen, Empfehlungen, Ratschlägen, Tipps gefordert werden.
Letzten Endes entscheidet das Volk selbst, was es will, wozu es bereit ist.
Das Thema ist hochinteressant - zumindest meiner bescheidenen Meinung nach! Eine grundsätzliche Frage ist doch: Soll man als Firmenlenker:in wirklich jedes Geschäft machen, das sich anbietet und das nach aktuellem Recht legal ist?
Das ist ein sehr interessantes Thema, aber Ihre Ausführungen zu den einzelnen "Fällen" sind nicht stimmig.
Meine persönliche Antwort darauf lautet: Nein! Aber was wäre denn, wenn ich einer dieser Firmenlenker wäre?
Fall 1: ich bin eigenverantwortlicher Mittelständler, meine Firma gehört zu 100% mir selbst. Dann kann ich im Rahmen dessen, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, selbst entscheiden. Solange ich die Arbeitsplätze in meiner Firma nicht gefährde, sollten Fremdinteressen für mich eigentlich keine Rolle spielen.
Fall 2: ich bin Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft. Ich leite auch diese Firma in verantwortlicher Stellung, aber die Firma gehört nicht mir, sondern ihren Aktionären (zu denen ich vielleicht auch gehöre). Ich bin nicht nur mir selbst verantwortlich, sondern habe die Interessen der Aktionäre zu vertreten. Wenn ich beides nicht unter einen Hut bringen kann, kann ich nur noch zurücktreten. Fragwürdige, vielleicht 'gerade noch' legale Geschäfte mit eventuell anrüchigen Partnern abzulehnen ist in diesem Fall eventuell deutlich schwieriger.
In beiden Fällen setze ich 100% gesetzeskonformes Handeln einfach mal voraus.
Es gibt ausser irgendwelchen Ein-Mann/Frau-Firmen sicher keine Unternehmen mehr ,die 100% im Besitz eines Eigentümers sind,der dann auch noch Mitarbeiter beschäftigt. Aufgrund des Fachkräftemangels (wir haben 1.7 Mio freie Stellen in Deutschland) ist das Thema "Erhalt der Arbeitsplätze" nicht mehr vorrangig. Es ist wichtiger, sich auf einem Arbeitnehmermarkt als Firmenlenker zu bewerben, damit geeignete MitarbeiterInnen bereit sind, dort zu arbeiten.
Ausserdem exportieren die meisten in Deutschland tätigen Firmen, weil der einheimische Markt aufgrund des demographischen Faktors und fehlender produktiv tätiger Menschen immer uninteressanter wird.
Und dann kommt bei diesem Beispiel natürlich mit dazu, dass es das sofortige Aus für das Ein-Mann/Frau-Unternehmen bedeuten würde, wenn der InhaberIn verstirbt oder so schwer erkrankt, dass er oder sie dort nicht mehr tätig sein können.
Bei Fall 2 erhalten Vorstandsvorsitzende meist einen 5-JahresVertrag und die Aufsichtsräte bestimmen, ob dieser Vertrag verlängert wird oder nicht. Das führt dann auch dazu, dass bei Trennung eines solchen Mitarbeiters im Vorstand während dieser Laufzeit dieser noch ein Anrecht hat, dass ihm die Restsummen ausbezahlt werden (wobei es sich meist um Millionen Euro handeln kann).
Der Vorstand besteht meist aus mehreren Mitgliedern und kann nicht allein entscheiden, wenn es sich um grosse Geschäfte handelt - da hat immer derAufsichtsrat ein hohes Mitspracherecht; in diesem Gremium sitzen übrigens auch Mitglieder der Arbeitnehmerseite, also von Gewerkschaften usw.
Olga