Wirtschaftsthemen Das Undenkbare

rolf †
rolf †
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Re: Das Undenkbare
geschrieben von rolf †
als Antwort auf carlos1 vom 14.10.2011, 10:29:40
Die Banken haben aber gerne an den Schulden des Staates verdient und tun es noch immer gerne.
Wenn ein Unternehmen oder Privatmann seine Schulden nicht tilgt, hat die Bank Pech, geschieht dies durch den Staat, erhöhen sich die Zinseinnahmen oder es erfolgt, bei Abschreibung der Forderungen, eine steuerliche Entlastung, also Risiko nahe Null.
Warum dann prüfen, ob der Staat wirklich kreditwürdig ist?
Wie soll ein Staat Schulden machen, wenn ihm kein Kredit gewährt wird?
carlos1
carlos1
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Re: Das Undenkbare
geschrieben von carlos1
als Antwort auf rolf † vom 14.10.2011, 11:00:30
„Die Banken haben aber gerne an den Schulden des Staates verdient und tun es noch immer gerne.“ Rolf


Lieber rolf, echte Gründe sich Sorgen zu machen liegen in dem, was verschwiegen, vermieden, verschleiert und hübsch geredet wird. So wie „Europa“ in Form der Eurozone konstruiert worden ist (nur abstrakte Solidarität), liegen seine Probleme darin, dass Anreize zu unsolidarischem Verhalten gesetzt worden sind, kurzfristige Nutzenoptimierung begünstigt wurde und keine Anreize zur Selbstverantwortung gesetzt wurden. Das Beispiel GR ist nur eines von vielen. Griechenlands heutige Finanzierungs- und Schuldenprobleme sind nicht überraschend für einen, der nur ein klein wenig sich mit der Wirtschaft befasst und die Zeitung liest. Ich spreche von politischen Strukturen.

Der Euro war technokratisch gedacht als zusätzliches Bindemittel für den inneren Zusammenhalt und die Handelserleichterung der Eurostaaten. Im Grunde war er unnötig. Der Maastricht-Vertrag mit der „no-bail-out-Klausel“ (keine Transferunion) und dem Stabilitätsversprechen ist mehr Schein als Sein. Alle Schulden, das war schon 1992 absehbar, würden in der Eurozone Euroschulden sein, keine Lira-Schulden mehr … etc. Dafür würde die EZB zuständig werden. Alle Schulden würden damit europäisiert werden. Das ist die Normativität des Faktischen, die sich mit sicherheit von der Normativität des Phraseologischen unterscheidet.

Das Regelwerk von Maastricht (1992) sah keinerlei Sanktionen vor. GR konnte beim Eintritt tricksen, konnte weiter falsche Zahlen ausweisen. Nichts würde geschehen. Reformen werden heute angekündigt, aber nicht durchgeführt. Gestern erfuhr ich per Telefonat von Freunden in GR, dass das eigentlich kein Problem sei. Der Lohn sei gekürzt worden, dafür würde aber weniger gearbeitet. Das sei sogar gut. Aber: Die Produktivität erhöht sich dadurch nicht oder nicht wesentlich. Andere müssen dafür ja gerade stehen.


Im Übrigen war der Eintritt in die Eurozone schon mit unrealistischen Konversionsbedingungen verknüpft, die geradezu zum Schuldenmachen herausforderten. Marginale Südstaaten genossen Kreditbedingungen an Kapitalmärkten, die den solidesten Staaten wie Holland oder Dtld bis dahin offen standen. Wie bereits erwähnt: ideale Verhältnisse für die Mafia. Ein Irrwitz von Solidarität zu sprechen, wo nur unverantwortlich hohe Schulden angehäuft wurden.

Die Banken tragen keine direkte Schuld an diesen ungeeigneten politischen Strukturen, um auf deinen Beitrag zurückzukommen.

Eine Erhöhung der Zinsen aus fälligen Staatsanleihen findet nicht statt, wenn ein Staat insolvent wird und diese Forderunge nicht mehr bedienen kann. Bei einem so gen. haircut, macht der Investor Verlust. Der Investor kann ein Privatmann sein, eine Bank, ein Pensionsfond oder ein stinknormaler Investmentfond. Mir erschließt sich die Logik deines Beitrages im Gesamtzusammenhang nicht.

Zur Erinnerung: Die Bundesrepublik musste im Londoner Schuldenabkommen sämtliche Schulden des Dt. Reiches (u. a. Dawes- und Young-anleihen der 20er Jahre) übernehmen und zurückzahlen. Das war Ende der 80er Jahre der Fall. Dadurch erst waren wir international wieder kreditfähig.

Der deutsche Staat nimmt Kredite auch über Banken auf. Auch Ausländer kaufen dt. Staatsanleihen. Vor allem verkauft der dt. Staat Staatspapiere über seine eigene Finanzagentur. Die frühere Bundesschuldenverwaltung in Bad Homburg v. d. H. verkauft und verwaltet die Kredite des Bundes etc. Banken verkaufen im Normalfall ihre eigenen Produkte. Jeder Bürger kann deutsche oder fremde Staatspapiere kaufen und auf diese Weise Staaten finanzieren. Die Verwaltung der Wertpapiere ist beim Staat kostenlos.


Was ist falsch gelaufen? eines vor allem. Ein dem Zusammenhalt und der Funktion der Eurozone gerecht werdendes Regelwerk müsste als ultimative Sanktion auch den Ausschluss aus der Solidargemeinschaft beinhalten. Die Regularien für den Ausschluss müssten für die Auszuschließenden und alle Mitglieder der Gemeinschaft eindeutig und klar sein. Alles andere erzeugt Ungewissheit und ist für den Kapitalmarkt inakzeptabel. Solange die Regularien so sind wie sie sind, wird diese Unsicherheit bleiben. Es können dann immer weitere Tranchen in Milliardenhöhe nachgeschoben werden. Das Publikum merkt das und wird sauer. Das verstehe ich gut. Aber bitte nicht die Probleme hinter Phrasen verstecken.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bundeswertpapierverwaltung
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Finanzagentur
c.
Marija
Marija
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von Marija
als Antwort auf carlos1 vom 14.10.2011, 23:21:56


Wutbürger gegen das Finanzsystem

Endlich !

Marija

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pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von pschroed
Einige Gebäude in Rom stehen in Flammen, Autos brennen.

Ich glaube nicht daß dies der richtige Weg sein soll.

In der Hoffnung daß dies Agressionen nicht auf andere Länder übergreifen.


Phil.

Marija
Marija
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Re: Das Undenkbare
geschrieben von Marija
als Antwort auf pschroed vom 15.10.2011, 20:54:15
Rom ist eskaliert

Dumm - so etwas ist nicht hilfreich.

Marija
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von silhouette
als Antwort auf Marija vom 15.10.2011, 21:09:29
Wer kein Italienisch kann, soll nicht unwissend bleiben.
Google suchen nach "Rom". Dann auf der Ergebnisseite die Menueleiste "news".

Interessant, wie die deutsche Presse das spontan bewertet!

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Marija
Marija
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von Marija
Das Undenkbare


Werden wir so ganz allmählich darauf eingestimmt?

Stück für Stück werden die Hiobsbotschaften wahr.

Griechenland war bis vor kurzer Zeit auch noch "rettbar". Jetzt plötzlich nicht mehr.

Marija
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Marija vom 17.10.2011, 19:11:58
was soll denn daran so schlimm sein, wenn zwei dutzend europäische großbanken zusammenbrächen? wenn ein paar tausend reiche leute viel geld verlören? wenn euro-land sich auflöste? wenn europa wieder als das angesehen würde, was es tatsächlich ist - ein kontinent, ein geographisches gebilde (nicht etwa eine politische einheit)? - ich meine: lass fahren dahin, sie haben's kein'n gewinn...

--
Wolfgang
Marija
Marija
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von Marija
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.10.2011, 20:30:29
Die Forderungen der Ökonomie-Professoren werden immer radikaler

Simon Johnson
Paul Volcker
Jagdish Bhagwati
Thomas Straubhaar
Hans-Werner Sinn
Dani Rodrik

sehen das neue Regelwerk für die Finanzbranche - namens Basel III - als unzureichend an.

Marija

Quelle ftd
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Das Undenkbare
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Marija vom 17.10.2011, 21:17:06
ich weiß, dass die professoren immer radikaler werden. alle akteure werden immer radikaler. jeden tag überbieten sie sich. das hat damit zu tun, dass ihnen dämmert, dass all ihr bemühen vergebens war und vergebens sein wird. sie werden den alten status quo nicht mehr herstellen. die wirklichkeit läuft ihren fantasmi davon. das ist gut so.

--
Wolfgang

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