Soziales Zerbrechen von Freundschaften, Beziehungen, Kontakten
Liebe Simiya,Aber nein, Waldler, überhaupt nicht. Bei uns waren damals natürlich alle Menschen gleich. Bis auf die, die gleicher waren: hohe Parteigenossen, Vorgesetzte, Leute mit "weißer Weste" (die zwar nicht besser waren als wir Normalos, aber den Führungskräften wunderbar nach dem Munde reden konnten) und noch ein paar solcher Figuren. Deren Kinder hatten es bei uns damals schwer. Also war das eigentlich umgekehrt.
ich stelle mal eine Frage und hoffe, Du bist nicht sauer. Aber vorab: Du kennst mich schon so gut, dass Du weißt, dass ich keinerlei Vorurteile gegenüber der DDR habe. Und wenn ich recht erinnere, bist Du doch aus der DDR und dort aufgewachsen.
Kann es sein, dass das Thema (Arbeiterkinder und höhere Bildung) für Dich einfach auch deshalb "kein Thema" ist, weil es in der DDR kein Thema WAR. Soviel ich weiß, wurden ja gerade die Arbeiterkinder ermutigt und gefördert, sich Bildung anzueignen, es war nichts besonderes, Arbeiterkinder studieren zu lassen.
Zumindest in dem Arbeiterviertel, in dem ich groß geworden bin (und ich weiß es auch von anderen Gegenden), war das fast ein Affront gegen alle, derart, dass ich wohl mit meiner Herkunft "nichts mehr zu tun haben wollte". "Bei uns" war höhere Schulbildung in den 1950er und 60er Jahren nicht Selbstverständliches für Arbeiterfamilien. "Bei Euch" dagegen war das Standard.
Vielleicht liegt da die Ursache des Missverständnisses?
LG
DW
Die neue Schule habe ich ja nun auch einige Jahre erlebt. Da gab es noch mehr Ausgrenzung, allerdings ging es mehr darum, welches Auto wir haben und welches ihr habt, was für Klamotten getragen werden, wohin die Urlaubsreise geht usw.
Im Prinzip ist es egal, warum ausgegrenzt wird. Es ist in jedem Fall schlimm - und bei Kindern ein großes Problem.
Deswegen habe ich wohl den Beitrag von Zwergohreule verstanden, aber nicht die richtigen Worte gefunden.
Simiya
Liebe Werderanerin
Ich tue mich schwer mit dem Begriff Schuld in diesem Zusammenhang.
Schuld ist nach meinem Verständnis ein absichtlich herbeigeführtes schädliches Verhalten. Das kommt zwar auch vor, dann bleibt in der Regel jemand verletzt zurück - nl derjenige, der diesen Bruch nicht wollte. Manchmal kann dann eine Aussprache hilfreich sein.
In dem von mir beschriebenen Fall war es ja so, dass ich von ihrer Problematik wusste. Es war für mich jedoch äußerst schwer nachzuvollziehen, dass sie trotz der guten vertrauensvollen Zeit (10 Jahre) - miteinander in Freud und Leid - letztlich immer noch kein Vertrauen gefasst hatte. Denn ich glaube ihre Eifersucht war vor allem von Verlustangst geprägt.
Ich würde statt von Schuld eher von Anteilen sprechen. Mein Anteil war, dass ich für ihre Ängsten ab einem gewissen Punkt kein Verständnis mehr aufbringen konnte und wollte.
LG
Mareike
Ich möchte mal eine andere Überlegung ins Spiel bringen.
Man kann oder könnte Brüche überbrücken, in dem man sozusagen eine Beziehungs-Rückstufung durchführt. In der Praxis tut man das denk ich ständig, aus Freundschaft kann Bruch werden, oder in Respekt übergehen, in Erwachen gegenüber der Illusion, die man hatte.
Bei Kollegen oder Verwandten ist doch das eine Praxis, die das weitere Zusammen-"wirken" sichert, auf einer reduzierten resp. anderen Basis.
Ich verstehe dich, liebe Mareike...es stellt sich für mich die Frage, warum hatte deine Freundin nicht auch mal angedacht, sich bei "Verlustangst" professionelle Hilfe zu holen. Es hätte ggf. helfen können... Vielleicht wäre dabei sogar noch ganz anderes ans Licht gekommen...oder auch einiges erspart geblieben...
Kristine
Vor meiner Zeit hat sie versucht mit Therapien aus diesen Ängsten herauszufinden - es hat nicht geklappt.
Aus ihrem Bekanntenkreis wurde mir vermittelt, dass sie Josefine noch nie so glücklich und fröhlich erlebt hätten, als in den ersten Jahren unserer Freundschaft, trotz Krebserkrankung ..
Ich sehe gerade Jürgens Beitrag: "Erwachen gegenüber der Illusion, die man hatte."
So ähnlich habe ich im letzten Jahr empfunden: Wir hatten ja wieder Kontakt aber auf Sparflamme. Das hatte wohl auf beiden Seiten mit Selbstschutz zu tun.
" Man schiebt sie einfach weg, ist sicher nicht immer ehrlich, möchte die Freundschaft nicht gefährden, dabei ist sie schon längst nicht mehr die, die sie mal war."Alsooooo..... wenn ich ehrlich bin @Mareike hast du mit dieser Schilderung bei mir - wenn auch nicht ganz ins Schwarze getroffen - dann aber schon stark daran gekratzt.
Ich greife einfach mal diesen Satz auf, er eignet sich für mich zum Weiter-Denken.
Ich schrieb von einer Freundschaft, die in die Brüche ging, weil ich die spürbare Eifersucht der Freundin nicht mehr ertragen konnte. Sie war eifersüchtig auf alles, was mein Leben ausmacht(e): Meine Familie, meine Freunde in der Nachbarschaft und dann ganz extrem: Die Enkelkinder.
(...)
Mein erstes Enkelkind wurde geboren und die junge Familie wohnte gleich nebenan.
Erst da bemerkte ich die Veränderungen bei der Freundin. Sie wurde zunehmend depressiv. Sie konnte die veränderte Situation nicht akzeptieren.
Ich denke nun rückblickend: Wir stecken alle in unserer Haut. Niemand hat Schuld, wenn´s nicht mehr passt.
Entweder man wächst an den Herausforderungen oder man findet sich damit ab, dass keine stabile Basis mehr vorhanden ist ...
Mareike
Ich bin auch kinderlos und habe schon manchmal daran zu kauen, wenn sich bei Freunden, mit denen wir immer viel unternommen haben, plötzlich alles um Kinder und Enkel dreht. Dazu kommt, dass die Themen sich auf einmal total verändern. Berichte über erste Zähne, Bauchweh und den Inhalt der Windeln finde ich eher uninteressant...
Das mögen manche jetzt nicht so recht nachvollziehbar finden, aber ich habe mich bei sich eben anbahnenden "Vielleicht-Freundschaften" dann dünne gemacht, wenn ich merkte, dass sich das Interesse in der Hauptsache um Kinder und Enkel drehte. Und für mich/uns nur noch mit merkbarer Mühe Zeit aufgebracht wurde.
Ich weiss schon, dass da von meiner Seite evtl. mehr Duldsamkeit angebracht wäre, aber ich kann sie nicht aufbringen ohne mich zu verbiegen.
Ja, stimmt, wahrscheinlich ist auch Eifersucht dabei, wenn so eine Entwicklung zum merklichen Abkühlen oder gar Ende einer Freundschaft führt. Muss ich zugeben auch wenn mir dies nicht zur Ehre gereicht.
Ich denke schon, dass es eine tiefe und gewachsene Freundschft auszeichnet, wenn man es klaglos hinnehmen kann, dass der Freund/die Freundin plötzlich und dauerhaft die gemeinsame Zeit kürzt.
Wenn man das kann - toll! - dann beweist man damit sicher ein gutes Maß an Lebensklugheit,
aber - wie du auch schreibst, @Mareike, nicht jedem ist dies gegeben.
Und noch etwas: hast du dir überlegt, ob eure Freundschaft erhalten geblieben wäre, wenn du die
Frau ohne Mann, Kinder etc. gewesen wärst?
Hättest du die Kraft aufgebracht, dich klaglos darüber zu erfreuen, dass deine Freundin auf einmal ganz andere Interessen hat als ihre Zeit mit dir zu verbringen?
Hallo Enya
Sehr gut kann ich nachvollziehen was Du schreibst.
Allerdings war es nicht so, dass ich die Zeiten mit ihr gekürzt hatte.
Wir trafen uns 2mal wöchentlich zum Malen, einmal im Kurs, einmal im Treff. Anschließend kehrten wir irgendwo ein oder verweilten noch bei mir zu Hause, weil sie noch 30 km bis zu ihrem daheim zu fahren hatte.
Die Sonntage verbrachten wir meist zusammen, besuchten Ausstellungen ect, fuhren gemeinsam in Urlaub.
Unsere Gespräche drehten sich um Gott und die Welt. Immer auch angeregt durch Impulse seitens unseres Mallehrers, der ja gleichzeitig gewissermaßen unser "Guru" war 😄 Da gab es viel zu lachen und auch zum Nachdenken, denn die "Zen-Geprägten" schaffen es immer wieder "Anstöße" zu geben.
Aber natürlich ist es so, dass in ihrem Leben nichts passierte außer zB ihre Krankheiten, mein Leben aber prall gefüllt war.
Ich glaube, bei mir war es so, dass ich mit ihrer Depression nicht mehr klar kam ... ich muss das offen lassen..
LG
Mareike
Echte Freundschaft ist die, die auch dann noch Freundschaft gibt, wenn keine mehr zurückkommt.
Liebe Enya,
ich kann Deine Gedanken sehr gut nachempfinden. Ich schrieb ja hier irgendwo, dass es bei der Entfernung von meinem Freund bzw. seiner von mir vielleicht auch damit zusammenhängt, dass das Thema "Kinder" uns einfach nicht verbindet. Dieses Thema füllt ihn aus; für mich ist es ein zwar vorhandenes, aber natürgemäß nicht so großes Interesse wie bei ihm. Ich hatte nie Kinder, kann vieles einfach nicht verstehen oder auch nur nachvollziehen. Meine Themen sind ganz andere (geworden) als die seinen.
LG
DW
Wir stecken alle in unserer Haut. Niemand hat Schuld, wenn´s nicht mehr passt.niemand hat Schuld
Mareike
danke, dass will ich unterstreichen!!!
meistend geht es nicht um Schuld
es geht häufig um veränderte Interessen oder Einstellungen, die gar nicht mehr zusammenpassen
bevor ich mich verbiegen würde,
würde ich lieber ohne den Freund weiterwandern, und die gemeinsame Zeit dankbar mitnehmen
ich wäre traurig, aber ich würde damit keine Schuld verknüpfen - nicht bei ihm/ihr, nicht bei mir
manchmal begegnet man sich sogar unter stark veränderten Vorzeichen wieder und die Freundschaft kann aktiv fortgesetzt werden -
die Türe zu einem Freund bleibt angelehnt, es ist nicht nötig, sie abzuschließen - aber das ist vlt.auch nur für mich so 😊
WurzelFluegel