Soziales Wertezerfall oder Wertewandlung?
Re: Wertezerfall oder Wertewandlung?
Ja, Clara, das sehe ich auch so. Vor allem ist die Auffassung über Ehre variabel, nicht wirklich zu greifen. Was "im Namen der Ehre" schon alles geschehen ist, zeigt doch erst den späteren Wandel - oder soll man Anpassung an unsere Vorstellung sagen. Sogar verletzte Eitelkeit kann man darunter verstecken, von den Auffassungen außerhalb unseres eigenen Kulturkreises ganz zu schweigen.
Luchs
Luchs
Welche Gruppen, Schichten fühlen sich berufen, eben diese Werte-Frage zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen zu machen?
Die Diskussion hat hier doch bereits begonnen. weserstern
Diese periphere Anmerkung - bezogen auf meine Ausführungen - zeigt, dass ich mich mit/in meinen Ausführungen wohl unklar ausgedrückt hatte, zudem den Charakter dieser Diskussion wohl missverstanden habe (ich sah das Ganze mehr wissenschaftlich) ... ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich da eingeschaltet hatte.
(Der Hinweis auf Bollnow lockte mich, da ich meinte, es ginge vielleicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Buch. [Denn damit, mit Buch, Thesen und Autor, hatten wir uns seinerzeit, vor einem halben Jahrhundert, in Tübingen beschäftigt.] Aber da habe ich mich halt geirrt.)
R.
"Diese periphere Anmerkung - bezogen auf meine Ausführungen - zeigt, dass ich mich mit/in meinen Ausführungen wohl unklar ausgedrückt hatte, zudem den Charakter dieser Diskussion wohl missverstanden habe (ich sah das Ganze mehr wissenschaftlich) ... ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich da eingeschaltet hatte.
(Der Hinweis auf Bollnow lockte mich, da ich meinte, es ginge vielleicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Buch. [Denn damit, mit Buch, Thesen und Autor, hatten wir uns seinerzeit, vor einem halben Jahrhundert, in Tübingen beschäftigt.] Aber da habe ich mich halt geirrt.)Robertino
Hallo Rob.
danke für deinen Beitrag. Mir ist Bollnow bekannt. Aber der Name ist verblasst. Die Diskussion hat zwar begonnen, wie wes. vermerkt, aber ich sehe keinerlei Beeinträchtigung der Diskussion darin, dass du auf Bollnow eingegangen bist.
Wer treibt die Wertediskussion und Werteübernahme in der Gesellschaft voiran? Wessen Werte werden übernommen? Die Frage der Deutungshoheit über die Werte. Das sind eine interessante Fragen. Ich erinnere nur an den Einfluss der höfischeN Kultur im Hochmittelalter auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation. Norbert Ekias hat darüber sehr ausführlich gearbeitet. Im deutschen Wortschatz finden sich eine große Zahl von Wörtern und Redewendungen, die auf die Ritterzeit zurückgehen.
Leider bin ich mit der Zeit angespannt und kann nicht ausführlicher darauf eingehen.
(Der Hinweis auf Bollnow lockte mich, da ich meinte, es ginge vielleicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Buch. [Denn damit, mit Buch, Thesen und Autor, hatten wir uns seinerzeit, vor einem halben Jahrhundert, in Tübingen beschäftigt.] Aber da habe ich mich halt geirrt.)Robertino
Hallo Rob.
danke für deinen Beitrag. Mir ist Bollnow bekannt. Aber der Name ist verblasst. Die Diskussion hat zwar begonnen, wie wes. vermerkt, aber ich sehe keinerlei Beeinträchtigung der Diskussion darin, dass du auf Bollnow eingegangen bist.
Wer treibt die Wertediskussion und Werteübernahme in der Gesellschaft voiran? Wessen Werte werden übernommen? Die Frage der Deutungshoheit über die Werte. Das sind eine interessante Fragen. Ich erinnere nur an den Einfluss der höfischeN Kultur im Hochmittelalter auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation. Norbert Ekias hat darüber sehr ausführlich gearbeitet. Im deutschen Wortschatz finden sich eine große Zahl von Wörtern und Redewendungen, die auf die Ritterzeit zurückgehen.
Leider bin ich mit der Zeit angespannt und kann nicht ausführlicher darauf eingehen.
Hallo Robertino,
da Sie sich ja seit vielen Jahren mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigen, ist es doch sehr spannend, wenn Sie uns Ihre Meinung zum Wertezerfall oder Wertewandel in der heutigen Zeit mitteilen.
Gruß weserstern
da Sie sich ja seit vielen Jahren mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigen, ist es doch sehr spannend, wenn Sie uns Ihre Meinung zum Wertezerfall oder Wertewandel in der heutigen Zeit mitteilen.
Gruß weserstern
Ich erinnere nur an den Einfluss der höfischeN Kultur im Hochmittelalter auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation. Norbert Ekias hat darüber sehr ausführlich gearbeitet. Im deutschen Wortschatz finden sich eine große Zahl von Wörtern und Redewendungen, die auf die Ritterzeit zurückgehen.
Dies, Carlos, hat mich zu Wikipedia geführt, wo es heißt (Hervorhebung von mir):
Durch triuwe (Loyalität), milte (Gebefreudigkeit), list (Klugheit), maze (Maßhaltenkönnen), stete (Beständigkeit) und tugent (Tugendhaftigkeit) kann die ere vergrößert werden. Wird die ere verletzt, besteht eine Rache- oder Sühnepflicht für die Angehörigen. Nur Männer können (in mittelalterlichen Romanen) ere erwerben, ihre ere vergrößern oder mindern oder zurückgewinnen. Frauen bleibt als einzige ere-Option die Tugendhaftigkeit, mit dem Verlust ihrer Tugend verlieren sie ihre ere, können sie nicht zurückerwerben und gelten dann als ehrlos. Dieses ere-Verständnis bildet die Grundlage für das heutige Bild von Ehre.
Erstaunlich, wie sich manche Dinge lange Zeit erhalten, wenn sie sich für bestimmte Zwecke als nützlich erweisen!
Clara
@Robertino
Da ich Bollnow hier ins Spiel gebracht habe, noch einige Anmerkungen :
1. Dies ist kein wissenschaftliches Forum
2. Jeder Sprachphilosoph etc ist Kind seiner Zeit - behaftet also mit allem Für und Wider / s. NS-Zeit
3. Nicht alles an Wert-und Wertebegrifflichkeit, was wir heute als überkommen und veraltet bezeichnen, ist es auch.
4. Die Generation, die mit Bollnow groß geworden ist, zeichnet sich noch heute durch Begriffe wie : Zuverlässigkeit, Bescheidenheit, Fleiß, Treue usw aus - auch wenn sich die sprachliche Zuordnung etwas verschoben und amerikanisiert hat.
5. Akademische Überlegenheit ist unangebracht.
Die Ausarbeitungen von Bollnow sind, sprachlich gesehen, immer noch aktuell und haben nichts an Brillianz verloren.
Seine sprachphilosophischen Betrachtungen sind von durchdringender Schärfe und zur Differenzierung sehr nützlich - was jeder Diskussion zuträglich ist.
Marija
Hallo Rob. danke für deinen Beitrag. Mir ist Bollnow bekannt. Aber der Name ist verblasst. Die Diskussion hat zwar begonnen, wie wes. vermerkt, aber ich sehe keinerlei Beeinträchtigung der Diskussion darin, dass du auf Bollnow eingegangen bist. Wer treibt die Wertediskussion und Werteübernahme in der Gesellschaft voran? Wessen Werte werden übernommen? Die Frage der Deutungshoheit über die Werte. Das sind eine interessante Fragen. [Fett-Hervorhebung von mir.]Ich erinnere nur an den Einfluss der höfischen Kultur im Hochmittelalter auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation. Norbert Ekias hat darüber sehr ausführlich gearbeitet. Im deutschen Wortschatz finden sich eine große Zahl von Wörtern und Redewendungen, die auf die Ritterzeit zurückgehen. (...)
Genau so sehe ich das; und genau das ist ja, nach meinen Vorstellungen, das Interessante an der Diskussion: Werte, deren Inhalt und gesamtgesellschaftliche (eben private und öffentliche) Funktion.
Allein die letzten 50-60 Jahre (hier in Deutschland könnte man von der Zeit seit 1945 sprechen) haben ja in vielen Bereichen Veränderungen gebracht.
Allerdings - so meine ich - sind diese vor dem Hintergrund der politischen, gesellschaftlichen und sozioökonomischen Veränderungen zu sehen.
Mehr denn je spielen ja in diesem Zusammenhang die öffentlichen Medien (hier vor allem das Fernsehen!) Häufig konzentriert sich die öffentliche Diskussion in Leserbriefen, Blogs etc. bezüglich Werte, Moral und Tugenden auf private und persönliche Erfahrungen und Meinungen. Der moralische Diskurs zwischen den Generationen verläuft häufig auf der Ebene: „Wir haben noch gelernt, für alte Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln aufzustehen."
Aber "Suum cuique"!
Amüsant finde ich in diesem Zusammenhang die Moral- und Wertvorstellungen, die u.a. in einem weit verbreiteten Werk der 50er Jahre, in dem "Einmaleins des Guten Tons" (von Dr. Getrud Oheim; von der gleichen Autorin auch: Die gute Ehe. Ein Ratgeber für Mann und Frau) und später in "Etikette neu", von Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz, propagiert wurden. (Manchmal muß ich bei der Lektüre schallend lachen!)
Da sich ja hier auch Menschen aus anderen Lebensbereichen, lies: auch aus anderen Gesellschaften/Ländern als der deutschen Gesellschaft, befinden, wäre es ja auch recht interessant, welche Wertvorstellungen etwa im Bereich Familie, Verhältnis der Generationen untereinander etc. existieren.
Robertino
Norbert Elias hat sich ja nicht nur in der "Höfischen Gesellschaft" über Werte, Normen etc. geäußert; obwohl 1939 geschrieben, halte ich das Werk "Über den Prozeß der Zivilisation" nach wie vor für sehr lesenswert.
Vielleicht für den einen oder anderen Menschen hier in diesem Zusammenhang auch interessant; Ein Wandel dessen, was man, was eine Gesellschaft für schön und häßlich empfindet.
Eco, Umberto (Hrsg.): Die Geschichte der Schönheit. (Hanser; 2002/2004)
ders.: Die Geschichte der Häßlichkeit. (Hanser, 2007).
wenn Sie uns Ihre Meinung zum Wertezerfall oder Wertewandel in der heutigen Zeit mitteilen.
Gruß weserstern
Machen viele in unserem Alter Wertezerfall nicht zu einseitig an jungen Menschen fest? Hier eine kleine, wahre Geschichte: ich erlebte in einem Bioladen kürzlich die Mutter der Inhaberin, die ihre sog. Isar-Card für den Münchner Verkehrsverbund (beinhaltet S-Bahnen, U-Bahnen, Busse und Trambahnen) anpreist. Im ersten Durchgang basierte dies auf ökologischen Grunden, im zweiten bot sie dann an, dass sie diese Karte zu Euro 5.-- pro einmaligem Gebrauch vermietet. Jetzt muss man wissen, dass diese Karte durchschnittlich 50.-- Euro monatlich kostet, zwar übertragbar ist, aber nur kostenlos. Wenn diese alte Dame nun 20 "Mietkunden" für diese Karte findet (was nicht schwer ist, da ein vergleichbares Tages- Ticket Euro 11.-- kostet), hat sie unrechtmässig mindestens 50.--Euro pro Monat eingenommen.
Auch das ist ein Wertezerfall - bei älteren Menschen habe ich dann allerdings den Verdacht,dass diese solche Zerfallserscheinungen schon lebenslang praktizieren, stets gute Argumente dafür haben (nach ihrer Meinung) und es ganz normal finden. Bei jungen Menschen be- oder verurteilen sie allerdings schon kleinere Dinge recht negativ. Olga
Gruß weserstern
Machen viele in unserem Alter Wertezerfall nicht zu einseitig an jungen Menschen fest? Hier eine kleine, wahre Geschichte: ich erlebte in einem Bioladen kürzlich die Mutter der Inhaberin, die ihre sog. Isar-Card für den Münchner Verkehrsverbund (beinhaltet S-Bahnen, U-Bahnen, Busse und Trambahnen) anpreist. Im ersten Durchgang basierte dies auf ökologischen Grunden, im zweiten bot sie dann an, dass sie diese Karte zu Euro 5.-- pro einmaligem Gebrauch vermietet. Jetzt muss man wissen, dass diese Karte durchschnittlich 50.-- Euro monatlich kostet, zwar übertragbar ist, aber nur kostenlos. Wenn diese alte Dame nun 20 "Mietkunden" für diese Karte findet (was nicht schwer ist, da ein vergleichbares Tages- Ticket Euro 11.-- kostet), hat sie unrechtmässig mindestens 50.--Euro pro Monat eingenommen.
Auch das ist ein Wertezerfall - bei älteren Menschen habe ich dann allerdings den Verdacht,dass diese solche Zerfallserscheinungen schon lebenslang praktizieren, stets gute Argumente dafür haben (nach ihrer Meinung) und es ganz normal finden. Bei jungen Menschen be- oder verurteilen sie allerdings schon kleinere Dinge recht negativ. Olga
Diese kleinen Tricks und Betrügereien gibt es bei allen Altersschichten, die eine gewisse kriminelle Energie haben, dass kenne ich aus meiner langjährigen Erfahrung bei Gericht.
Ich denke, auch wir als 68er, haben den Wertewandel erlebt und aktiv mit dazu beigetragen, die sozialen und politischen Verhaltensmuster zu verändern. Heute als 61 jährige sehe ich keinen Wertezerfall sondern einen Wertewandel, da bei der jüngeren Generation die Selbstentfaltungswerte stärker ausgeprägt sind, als in unserer Jugendzeit. Auch die sozialen Werte wie Solidarität, Toleranz, Glaubwürdigkeit , Menschlichkeit haben noch immer Bestand.
Wurden wir mit unserer HOT - Musik der Beatles, Rolling Stones… u.s.w. nicht auch oftmals negativ beurteilt. Das ist nun heute bereits wieder Zeitgeschichte.
Gruß weserstern
Ich denke, auch wir als 68er, haben den Wertewandel erlebt und aktiv mit dazu beigetragen, die sozialen und politischen Verhaltensmuster zu verändern. Heute als 61 jährige sehe ich keinen Wertezerfall sondern einen Wertewandel, da bei der jüngeren Generation die Selbstentfaltungswerte stärker ausgeprägt sind, als in unserer Jugendzeit. Auch die sozialen Werte wie Solidarität, Toleranz, Glaubwürdigkeit , Menschlichkeit haben noch immer Bestand.
Wurden wir mit unserer HOT - Musik der Beatles, Rolling Stones… u.s.w. nicht auch oftmals negativ beurteilt. Das ist nun heute bereits wieder Zeitgeschichte.
Gruß weserstern
Ich kann mich gut erinnern an die Zeit meiner Jugend, wo uns erklärt wurde "die Jugend von heute ist schlecht" - da keimte bereits damals bei mir der Gedanke auf, geschichtlich betrachtet waren die Alten viel schlechter als wir es jemals sein können. Deshalb sträube ich mich immer, wenn die Jugend, die sich auf der Suche nach einem geeigneten Weg befindet und Experimente machen muss und soll, verunglimpft werden soll.
Allgemein betrachtet leben wir in einer Gesellschaft, wo auch religiöse Aspekte immer unwichtiger werden: z.B. haben wir keinerlei Versöhnungskultur mehr. Man erinnere sich nur an die letzten "Skandale" z.B. des Herrn Wulff - es wird zumindest verbal noch auf Menschen eingedroschen, wenn diese schon längst am Boden liegen. Dies empfinde ich dann aber nicht mehr als "Wertewandlung", sondern einfach als mangelnde Menschlichkeit. Olga
Allgemein betrachtet leben wir in einer Gesellschaft, wo auch religiöse Aspekte immer unwichtiger werden: z.B. haben wir keinerlei Versöhnungskultur mehr. Man erinnere sich nur an die letzten "Skandale" z.B. des Herrn Wulff - es wird zumindest verbal noch auf Menschen eingedroschen, wenn diese schon längst am Boden liegen. Dies empfinde ich dann aber nicht mehr als "Wertewandlung", sondern einfach als mangelnde Menschlichkeit. Olga