Soziales Wertezerfall oder Wertewandlung?
Olga, ich wollte damit erklären, daß in dieser hoch politischen Situation, sich auch Wertvorstellungen, mit denen wir behaftet waren, geändert wurden, oder sich geändert haben, nämlich auf Grund dieser politischen Gegebenheiten!
Edita
Edita
Das stimmt - aber es waren ja völlig andere Zeiten, Zeiten des Aufbruchs nach der mörderischen Nazi-Zeit und den fehlenden Aussagen unserer Eltern und Verwandten.
Hier hat sich ja vieles geändert: Eltern sind heute anders, die Kinder verlassen die Elternhäuser später, weil sie ein gutes Verhältnis untereinander haben. Durch liberalen Erziehungsstil relativiert sich natürlich eine Weitergabe von Wertekategorien - bezw. existieren diese nicht mehr, da überholt, bzw. nicht mehr in unserer heutigen Zeit anwendbar. Es ist schon alles richtig so, wenn junge Leute ihre Relevanzen für ihre eigene Zukunft selbst definieren und sich nicht unbedingt von denen der alten Generation beeinflussen lassen, die mit dieser Zukunft nicht mehr viel zu tun hat. Olga
Hier hat sich ja vieles geändert: Eltern sind heute anders, die Kinder verlassen die Elternhäuser später, weil sie ein gutes Verhältnis untereinander haben. Durch liberalen Erziehungsstil relativiert sich natürlich eine Weitergabe von Wertekategorien - bezw. existieren diese nicht mehr, da überholt, bzw. nicht mehr in unserer heutigen Zeit anwendbar. Es ist schon alles richtig so, wenn junge Leute ihre Relevanzen für ihre eigene Zukunft selbst definieren und sich nicht unbedingt von denen der alten Generation beeinflussen lassen, die mit dieser Zukunft nicht mehr viel zu tun hat. Olga
Das sehe ich auch so, aber das war halt nicht nur bei uns so, das war vor uns, das war nach uns. Wie ich weiter oben gesagt habe , es ist ein Prozess, der nie enden kann! Und wenn er mal zu Ende ist, dann hatten wir den Weltuntergang, nur merken wir das dann nicht mehr!
Edita
Edita
Durch liberalen Erziehungsstil relativiert sich natürlich eine Weitergabe von Wertekategorien - bezw. existieren diese nicht mehr, da überholt, bzw. nicht mehr in unserer heutigen Zeit anwendbar. Es ist schon alles richtig so, wenn junge Leute ihre Relevanzen für ihre eigene Zukunft selbst definieren und sich nicht unbedingt von denen der alten Generation beeinflussen lassen, die mit dieser Zukunft nicht mehr viel zu tun hat. Olga
aber so schwer in einer etwas verrotteten GEsellschaft, bestehend aus Egoisten und Egomanen, wo auch Kinder schon in diesem Sinne zu Prinzen und Prinzessinnen mit hoher Einzigartigkeit erzogen werden.Wo man die Schuld stets nur bei den anderen sucht (Politiker, Arbeitgeber usw)
Was stimmt denn nun....
Liberal.... oder egoistisch...
gruß weserstern
Beides stimmt - es werden Kinder liberal und pädagogisch wertvoll erzogen (meist in akademischen Familien) und andere egoistischer, bzw. gar nicht - in anderen Familien.Oft mischen sich ja auch in solche Konstrukte noch unausgelastete Grosseltern mit ihren früheren Erziehungsmodellen ein. Olga
Eine Diskussion zwischen Philosophie, Pädagogik und Soziologie/ Ich verweise auf: Otto Friedrich Bollnow: Vom Wesen und Wandel der Tugenden. Marija
Otto Friedrich Bollnow (1903 - 1991; er lehrte u.a. nach dem Kriege in Tübingen)
Wie man u.a. Wikipedia entnehmen kann, gehörte Bollnow (promoviert in Physik, dann auch Pädagoge und Philosoph) "nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten [...] am 11. November 1933 zu den Unterstützern für ein Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. 1940 wurde er Mitglied der NSDAP."
Bollnows Darstellung (hier bezogen auf die Ausgabe von 1958 [sic!], Ffm.) ist vor einem doppelten historischen Hintergrund zu sehen: Einmal vor der Zeit des Nationalsozialismus, wobei diese "Epoche" eben ihre eigenen "Tugenden" (Bollnow spricht von Tugenden, nicht von Werten) und Werte hatte, die eben über den privaten Rahmen hinausgingen und politische und gesellschaftliche Relevanz hatten bzw. beanspruchten.
Dann wiederum aber (nach der Katastrophe und dem Versagen eben des Bürgertums) besann sich das Bürgertum (nach dem eigenen Verständnis und Anspruch als tradioneller Träger der Tugenden) wieder auf den privaten Rahmen und proklamierte für sich als eine bestimmte soziale Schicht (aber auch für die ganze Gesellschaft (da sich das Bürgertum immer als normangebend für die Gesellschaft verstand) eben einen bürgerlichen Tugendkatalog; siehe Kapitel II: Die bürgerlichen Tugenden, wo Bollnow u.a. auflistete und darstellte: Ordnung, Sparsamkeit, Reinlichkeit, Fleiß etc.
Jene Tugenden also, von denen ein Politiker einmal meinte, dass man mit diesen Tugenden auch ein Konzentrationslager führen könne.
Exculpatorischen Charakter hat der Abschnitt "Der geschichtliche Gesichtspunkt" (S. 28f.), wo er sich schwafelnd-verallgemeinernd von der gerade vorausgegangenen Barbarei abgrenzt, indem er von "neuen [auftauchenden] Tugenden aus der Unergründlichkeit der Geschichte" spricht, die dann wieder wechseln.
Ein solches Buch passte in jene Zeit der 50er Jahre, diese Zeit der Restauration des Bürgertums; wo man sich auf die Wohlanständigkeit besann, die jetzt vor allem die Funktion der Verdrängung und Vergessens hatte, aber auch - das muss man konzedieren - eine Neuorientierung diente, indem man die alten "Tugenden" beschwor. (Das dazwischen konnte man dann leicht vergessen.)
Interessant ist auch die kurze Erklärung der "bürgerlichen Tugenden", für die der Adel (S. 32) eben kein Verständnis hatte; dieser, so Bollnow (S. 33) "entwickelte [...] auch eine ganz Welt der sittlichen Wertungen".
Nicht Bollnow: Die bürgerlichen Werte dienten einerseits der Distinktion, der gesellschaftlichen Abgrenzung, etwa gegenüber dem Adel und den sozialen Schichten unter dem Bürgertum; andererseits der Identifikation, gleichsam als Erkennungsmerkmal, als Statusmerkmal. Cicero betonte, dass die [i]homines novi (die sozialen Aufsteiger) immer ihre eigenen Statusmerkmale, ihren eigenen Tugendkatalog hätten, um eben sich abzugrenzen. [/indent]
Bollnows Darstellung sollte der Überwindung des Existentialismus (und damit auch des Nihilismus) dienen:
Aber es scheint, als ob keine Zeit die großen Tugenden der Vergangenheit rein zu bewahren vermag, und der besorgte Moralist sieht im Verblassen der alten Tugenden allgemeinen Verfall der Sitten. Demgegenüber gilt es, den beständigen Wandel im Verständnis der Tugenden als notwendigen Ausdruck des geschichtlichen Lebens zu begreifen und neben dem Absinken der alten zugleich das Aufsteigen neuer Tugenden zu sehen, in denen jede Zeit neu den ewigen Bestand menschlicher Grundhaltungen aus ihrem Geist heraus umprägen muß.[/indent]
(Um diesen Text richtig einzuordnen und zu bewerten, empfiehlt es sich mit der Situation der 50er Jahre - politisch, wirtschaftlich, soziologisch etc. - genau zu beschäftigen, dann kann man diese Schrift besser [i]verstehen und einordnen.)
Bollnows Darstellung (billig über Amazon zu erwerben und auf Flohmärkten zu finden) ist, historisch gesehen, sicher interessant (was auch immer man darunter verstehen kann), aber ob dieses letztlich ahistorische und moralisierende (Euphemismus!) Büchlein der heutigen Situation und damit korrenpondierend der Wert-Frage gerecht wird?
Bevor man in eine Werte-Diskussion einsteigt, sind einige grundlegende Fragen zu klären.
Was versteht man unter Werten? Inhalte, Funktionen - für den einzelnen Menschen, für bestimmte gesellschaftliche Gruppen und Schichten, die ganze Gesellschaft?
Haben Werte deklamatorischen, appellativen, normativen, individuellen, selektiven oder generellen Charakter? Bürgerliche Werte, politische Werte, soziale Werte, religiöse Werte etc.?
Werte in verschiedenen sozialen Schichten, in verschiedenen Gesellschaften, Kulturen, Staaten?
Wer stellt Werte, einen, den Wertekanon auf? Wer hat, beansprucht die "Wertungshoheit"?
Wann immer - in welchen gesellschaftlichen und politischen Rahmen und Situationen - spricht man vom Werteverfall? (Publikationen zu diesem Thema sollte man immer mit dem historischen Kontext sehen!)
Wer spricht vom Werteverfall, abgemildert: vom Wertewandel? Welche Menschen mit welchem Anspruch, mit welchem Ziel? Welche Gruppen, Schichten fühlen sich berufen, eben diese Werte-Frage zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen zu machen?
Wird eine solche Diskussion gesellschaftlich, politisch und staatlich instrumentalisiert?
In welchen innen- und außenpolitischen Situationen werden immer Nationalismus, Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft etc. gefordert? Vielleicht einmal einen Blick nach Ungarn: Da spricht man seit Monaten laufend von neuen und alten Werten. (Siehe die SZ vom 22.02.2012; S.3) Die republikanischen Kandidatenbewerber proklamieren jetzt während des Wahlkampfes laufend us-amerikanische, religiöse und sonstige Werte.
In diesem Zusammenhang ist die Einleitung des Wikipedia-Artikels "Werte" sehr hilfreich, da hier wichtige Unterscheidungsmerkmale dargestellt werden. Dort findet sich auch eine kleine Liste aktueller Werteliteratur.
Robertino
Welche Gruppen, Schichten fühlen sich berufen, eben diese Werte-Frage zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen zu machen?
Die Diskussion hat hier doch bereits begonnen.
weserstern
Bollnow
kann so falsch nicht gelegen haben. Immerhin wurden fast alle gerade pensionierten und derzeitigen
" Leistungserbringer der BRD " in diesem Stile erzogen - auch was die Spracherziehung anbelangte.
Er war Professor mit noch angebräunter Robe, wie viele damals.
Sie wurden 68 demaskiert.
Seine Sprachphilosophie hat immer noch Gültigkeit, m.M.n.
Marija
Ehrenhaft zu sein gehört sicher zu den hier diskuttierten Wertebegriffen.
Luchs
Luchs,
das ist sicher so. Die Ehre selbst sehe ich nicht als eigenständigen Wert, sondern als Folge von Wertvorstellungen.
Ist die Ehre eines Menschen nicht etwas, das er sich erwerben kann, indem er von der Gesellschaft vorbestimmte Werte vertritt? In Folge dessen erlangt er die Wertschätzung der Gesellschaft, ist wertvoll und wird geehrt.
Anders ausgedrückt entsteht ein persönliches Ehrgefühl durch positive Beurteilung Anderer wie auch umgekehrt das Ehrgefühl verletzt werden kann. Verschiedene Epochen und Kulturen leg(t)en ja die Ehre unterschiedlich aus, und Missbrauch ist nie ausgeschlossen, wie Deine Beispiele zeigen.
Clara