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Soziales Radikalisierung von Jugendlichen

olga64
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von olga64
als Antwort auf schorsch vom 07.12.2015, 16:17:33
Als junger Mensch habe ich mich ausgetobt (auf jedem GEbiet). Dies half mir später, ruhiger und auch in Teilbereichen angepasster zu werden. Insbesondere im Zusammenspiel mit Kollegen und Chefs war dies ja sehr notwendig, um beruflich weiterzukommen.
Mir ist nicht ganz klar, was man von eigenen Erfahrungen weitergeben kann - jeder muss seinen eigenen Weg finden und gehen. Meist helfen schlechte Erfahrungen und Fehler mehr als wenn alles immer glatt geht.
Aber die Jugend hat alles Recht der Welt, Fehler zu machen - wann sollte dies sonst möglich sein? Im Alter wohl nicht, da es dann sehr aufwendig wird, diese zu korrigieren. Olga
Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 07.12.2015, 14:42:40
Mane, ich bin mir nicht sicher ob es Eltern in der Hand haben ihre Kinder auf den richtigen Weg zu schicken. Oftmals sind Jugendliche Meister im verbergen. Nach den Attentaten in Paris wurde z.B. eine Mutter mit Migrationshintergrund interviewed. Sie kam aus einem arabischen Land, ich habe leider nicht gehört aus welchem, aber das ist auch nicht wichtig hier. Nach eigener Aussage ist sie alleinerziehende Mutter von 3 Kindern. Sie war normal gekleidet, ohne Kopftuch und fühlte sich zu Hause in Frankreich. Neben ihr saß ihr Sohn, ca. 25 Jahre alt. Er war gekleidet in einer Djellaba und es gab eine rege Kommunikation zwischen Mutter und Sohn. Der Sohn meinte er möchte eine gute arabische Frau die sich der Sitten unterwirft. Nicht eine Frau mit blauen Haaren oder so. Die Mutter meinte, was ist falsch an blauen Haaren? Es ist egal ob die Haare blau oder sonst was sind, ein gutes Herz muss sie haben, sonst nichts. Der Sohn war damit überhaupt nicht einverstanden.
An der Erziehung der Mutter hat es nicht gelegen, dass seine Ansichten "traditionell" geprägt waren, während die Mutter eine weltoffene Frau ist.
Bruny
olga64
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 06.12.2015, 19:39:45
Wachsen die Kinder mit rechtem Gedankengut und z.B. mit fremdenfeindlichen Sprüchen auf, glauben sie in der Regel, dass dieses wahr sei. Wenn überhaupt hinterfragen sie das erst sehr viel später.
Mane
geschrieben von mane


Nicht nur unsere Nachkriegsgeneration wuchs mit diesen rechten Sprüchen auf. Ich erinnere mich gut an die alten Kumpane meines Vaters, die nach dem Krieg zu uns kamen und wo dann alte Hitlerbilder wie Ikonen betrachtet und Soldatenlieder geschmettert wurden.
Mein Bruder und ich befreiten uns später von diesem Gedankengut, weil wir ausserhalb des Elternhauses andere Freunde und Ansprechpartner hatten - auch in der Schule. Allerdings waren wir dann einige Jahre in anderen, extremen (linken) Gruppierungen, bis wir unseren Weg gefunden haben.
Wenn dies heute passiert, hat sich dieses Gedankengut von Generation zu Generation fortgesetzt immer unter dem Tenor "geht es mir schlecht, sind andere Schuld und die Rechnung bezahlen die Ausländer, die sowieso an allem Schuld sind"). Wenn diese Kinder aus solchen Familien ihre Schlichtheit nie ablegen können, vererben sie es wieder weiter - dieser unselige Kreislauf wird dann kein Ende finden. Es liegt an uns allen, hier einzuwirken und zu helfen und sich nicht umzudrehen, weil es uns ja nichts angeht. Olga

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mane
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von mane
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.12.2015, 17:07:46
Hallo Bruny,

meiner Meinung nach entwickeln sich Kinder ganz unterschiedlich, je nachdem unter welchen Umständen sie aufwachsen. Fühlt sich das Kind im Elternhaus sicher und geborgen und kann seinen Eltern vertrauen, wird es selbstsicherer und stabiler durch das Leben gehen, als wenn das nicht der Fall ist. Wichtig finde ich es auch, dass Kinder (altersgemäß) mitbestimmen dürfen, was mit ihnen geschieht und Eltern nicht über sie hinweg entscheiden. Das fördert ihre Selbständigkeit und Selbstsicherheit, so dass sie wahrscheinlich nicht so schnell auf extremistische "Rattenfänger" hereinfallen.

Ich weiß nicht, wie der junge Mann aufgewachsen ist, über den Du berichtest. Ganz wichtig erscheint mir ein Vater zu sein, der sich, neben der Mutter, für die Kinder verantwortlich fühlt. Fehlt er ganz und gibt es keine andere männliche Bezugsperson oder ist die Beziehung zu ihm gestört, wird das Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben. Diese werden in der Regel keine radikale Ausmaße haben. Aber, wenn die Jugendlichen abgleiten, gibt es oft bestimmte, sich ähnelnde Muster in den Biografien. Ich schrieb bereits über Üntersuchungen (von radikalisierten muslimischen Jungen) in dieser Richtung, die zeigen, dass der Dreh- und Angelpunkt die fehlende Vaterfigur war.
Gruß Mane
schorsch
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von schorsch
als Antwort auf olga64 vom 07.12.2015, 17:06:01
............Aber die Jugend hat alles Recht der Welt, Fehler zu machen - wann sollte dies sonst möglich sein? Im Alter wohl nicht, da es dann sehr aufwendig wird, diese zu korrigieren. Olga


Gestern Morgen um etwa 4 Uhr: Ein 19-Jähriger war in unserer Nähe allein auf der Strasse. Da hat er sich wohl darauf besonnen, dass er das Recht habe, alle Fehler dieser Welt zu begehen. Er probierte es mal mit dem einen - seinem letzten: Er fuhr mit über Tempo 120 in einen Baum. Der Baum war der einzige in etwa 1 km Umkreis. Aber er hat ihn getroffen. Ein Zeitungsverträger hat den total demolierten Boliden gesehen. Der junge Mann war tot.
mane
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 07.12.2015, 17:45:50

Wenn dies heute passiert, hat sich dieses Gedankengut von Generation zu Generation fortgesetzt immer unter dem Tenor "geht es mir schlecht, sind andere Schuld und die Rechnung bezahlen die Ausländer, die sowieso an allem Schuld sind"). Wenn diese Kinder aus solchen Familien ihre Schlichtheit nie ablegen können, vererben sie es wieder weiter - dieser unselige Kreislauf wird dann kein Ende finden. Es liegt an uns allen, hier einzuwirken und zu helfen und sich nicht umzudrehen, weil es uns ja nichts angeht. Olga


Zum Glück werden Kinder nicht nur durch das Elternhaus geprägt. Je nachdem wie stark das rechte Gedankengut in den Familien vorherrscht, können Erzieher und Lehrer gegensteuern. Wachsen die Kinder jedoch in einem streng autoritärem Umfeld auf, machen Gewalterfahrungen und bekommen ein rassistisches Weltbild von klein auf beigebracht, wird es schwierig.

Folgendes Video zeigt die große Herausforderung, die rechtsextreme Eltern und ihr Nachwuchs für Erzieher sind.



In den Kitas macht sich der völkische Nachwuchs der deutschen Rechten bemerkbar. Sie malen Hakenkreuze, sprechen abwertend über Ausländer, weigern sich neben türkischstämmigen Kindern zu sitzen. Die Eltern lassen sich in die Elternvertretung wählen und wollen mitreden/ihre Ideologie verbreiten.
Mane

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olga64
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 07.12.2015, 19:33:33
Wie es sich bei den heutigen "männerlosen" Jugendlichen auswirken wird, die ohne Vater der männliche Bezugspersonen bis zur Pubertät aufwachsen, wird man erst in ca 10 - 20 Jahren beurteilen können.
Andererseits finde ich nach wie vor, dass es für Kinder besser ist, ohne Vater (evtl. auch ohne Mutter) aufzuwachsen als in Familien wo nur noch Hass, Krach und Terror,verbunden mit Prügelstrafen bis hin zu massiven Angriffen gegen wehrlose Kinder vorherrscht.
Oder moderater, wenn Kinder als Schmetterball benützt werden, um Scheidungen möglichst lukrativ für einen der Partner durchzuziehen.
Kinder haben Besseres verdient - sie haben es sich ja nicht ausgesucht, geboren zu werden und dann in solchen abartigen Familien zu landen. Olga
mane
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von mane
Heute Nacht kommt auf Arte, leider erst um 0.10 Uhr, der Film "Die Rebellin". Es geht um eine Kindersoldatin in Afrika. Sie ist 12 Jahre alt, als Rebellen ihr Dorf überfallen, sie rekrutieren und zwingen, die eigenen Eltern zu erschießen.
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Der Neuropsychologe Thomas Elbert erklärt in einem Interview, wie Terrormelizen aus Kindern Kampfmaschinen machen - und warum es fast unmöglich ist, die seelischen Verwundungen zu heilen.
"Es ist nun mal so, dass der Mensch erst durch die richtige Sozialisation und Erziehung moralische Werte implementiert bekommt. Biologie ist amoralisch."

Die Kinder werden im Alter zwischen 8 und 17 Jahren für Kampfeinsätze rekrutiert. In diesem Alter lassen sie sich am leichtesten formen und zu Gewalttaten bringen. Wenn Kinder bereits vor der Pubertät misshandelt wurden, sind sie nicht mehr fähig, klar zu erkennen, wann und wo eine echte Gefahr lauert. Sie haben so viele Grausamkeiten erlebt, dass sie derart traumatisiert, für den Rest ihres Lebens verwundbar bleiben.

Kommen die Kinder später wieder zu ihren Familien zurück;
Ein, zwei Wochen lang haben die Angehörigen das durchgehalten; dann mussten sie ihre Söhne mit Tränen in den Augen wieder zurückbringen. Das ganze Dorf hatte Angst vor ihnen. Diese Kinder sind ausgebildet im Nahkampf. Mann gegen Mann. Wenn ein Junge eine Weile in so einer Terrortruppe integriert war, dann hat er auch selber getötet. Er hat gesehen, wie andere sterben. Zurück in seinem Heimatdorf, kann jede emotional aufgeheizte Situation dafür sorgen, dass er sich in den Nahkampf zurückversetzt fühlt und andere Menschen verletzt oder sogar umbringt. Manche Dörfer versuchen, mit kulturellen Ritualen die Seele der Kinder zu reinigen, sie von ihrer Schuld zu befreien. Aber natürlich ist es absurd, in diesem Zusammenhang von Schuld zu sprechen.
geschrieben von Thomas Elbert
Die Lust am Töten bleibt

Mane
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von mane
als Antwort auf mane vom 09.12.2015, 21:01:16
Der in meinen letzten Beitrag genannte Film "Die Rebellin" von Kim Nguyen ist noch einige Tage bei Arte verfügbar.

Die Rebellin

Mane
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Re: Radikalisierung von Jugendlichen
geschrieben von mane
als Antwort auf mane vom 11.12.2015, 17:35:41

Konsequent aus der Perspektive einer Heranwachsenden erzählt, macht der an authentischen Schauplätzen im Kongo gedrehte, vorwiegend mit Laien besetzte Film die Schrecken des Bürgerkriegs, das Leid von Kindern und Zivilisten transparent. Realistische Bilder werden durch Traumszenen gebrochen, die in afrikanischen Legenden wurzeln; eine unendliche Trauer über Not und Elend schwingt in ihnen mit. Trotz aller Gräuel, die ihr begegnen, erweist sich Komona als Hoffnungsträgerin für einen Kontinent, der sich nach Frieden und Humanität sehnt.
geschrieben von Die Rebellin


Ein sehr sehenswerter Film.

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