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Soziales Gewalterfahrungen in der Kindheit

olga64
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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 13.02.2015, 17:14:20
Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit. Da gerade Kinder recht robust sind, gelingt es ihnen besser als wenn z.B. Erwachsene misshandelt werden.
Ausserdem ist bei Kinden aus zerrütteten Familien auch sehr entscheidend, ob sie ausserhalb dieser Strukturen emotionale ERsatzeltern finden. Bei mir war es so - mein Grossvater und meine Lieblingstante halfen mir ebenso wie z.B. Mütter von Schulfreundinnen, wo ich sein durfte und ein friedliches Familienleben erleben konnte.
Der wichtigste Schritt bei mir war jedoch, endlich resilient zu werden, d.h., diese Familie zu verlassen und meine erworbenen Stärken auf positiveren Feldern zu erproben und anzuwenden. DAs dürfte auch meine Rettung gewesen sein.
Es war auch eine wertvolle Übung für später: immer wenn ich merkte, dass mir BEziehungen (zu FreundInnen, zu Männern) nicht mehr gut getan hatten, trennte ich mich, um wieder frei atmen zu können. Olga
schorsch
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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von schorsch
als Antwort auf pschroed vom 13.02.2015, 11:18:48
.......... Für mich ist es heute noch von grosser Wichtigkeit aus jeder negativer Situation oder Erfahrung nur das positive herauszufiltern. .............

............
Phil.


Noch besser ist, dass man versucht, das Negative in Positives umzuwandeln.
olga64
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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von olga64
als Antwort auf schorsch vom 13.02.2015, 17:38:46
Ja, beides ist sehr wichtig. Ist aber Sache der persönlichen Veranlagung: ich war immer Optimistin, was mein Leben sehr oft erleichterte. Will sagen, mein Glas ist immer halb voll und nie halb leer. Deshalb halte ich mich auch von Menschen fern, die hauptsächlich Klagegesänge aus dem schönen Jammertal aussenden - mir persönlich hat es auch in den schlimmsten Phasen mehr geholfen, unter Tränen noch zu versuchen, zu lachen. Olga

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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 13.02.2015, 17:14:20
Ich erinnere mich, dass Du von Deiner Großmutter geschrieben hast, die liebevoll und behütend war. Möglicherweise hast Du es darum geschafft, Deine Vergangenheit hinter Dir zu lassen.
geschrieben von mane
Hallo mane,
ich habe es etwas anders formuliert. Ich schrieb "erstickend behütend und liebevoll" und das ist nicht wesentlich besser als der Rest der Familie. Um es konkreter zu beschreiben: Zwei erwarteten von mir, mich "groß und erwachsen" zu verhalten oder wenigstens still und unauffällig zu sein, sebst als ich noch ein kleines Kind war. Die dritte wollte um keinen Preis den kleinen Dreijährigen verlieren und reagierte darauf, daß ich älter wurde, mit Krokodilstränen, sprich moralischer Erpressung. Das Fatale an meiner Situation war, daß ich überhaupt keine Chance hatte, mich richtig zu verhalten, denn die Anforderungen an mich schlossen sich gegenseitig aus. Irgendjemand mußte ich enttäuschen, egal was ich tat. Auch wenn es ohne Schläge, sondern nur mit leidvollen Vorwürfen, totalem ignorieren oder Anschnauzen von sich ging, kein Mensch kommt als kleines oder auch größeres Kind ohne Dachschaden aus dieser Zwickmühle heraus. Die Lehre für's Leben lautet nämlich: egal was Du tust, es ist verkehrt.

det

Nachtrag: ich habe schon einmal geschrieben, daß es ironischerweise die Suchterkrankung war, die mir aus allem heraus half. Mitte 20 war ich an dem Punkt, daß ich entweder über kurz oder lang jämmerlich krepiert wäre oder mich mit all dem auseinandersetzen mußte. Zu meinem Glück war mein Lebenswille groß genug, sodaß ich nicht davor zurückschreckte das alles in der Aufarbeitung noch einmal durchzugehen. Von meiner Famile kam dabei keine Hilfe. Die Vorwürfe hörten nie auf und ich blieb auf immer der Außenseiter, der ich für sie vorher schon war. Als ich später das Sorgerecht für meine Tochter bekam, da tat meine Mutter alles ihr mögliche, um meine Tochter von mir zu entfremden. Da sie dann wegen meiner unregelmäßigen Arbeitszeiten bei ihr wohnte, hatte sie die besten Chancen dazu.
mane
mane
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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von mane
als Antwort auf adam vom 12.02.2015, 10:35:35

muß man als Betroffener Erklärungen suchen? Dabei ist man doch nur wieder auf die Schinder angewiesen und begibt sich erneut in die passive Rolle. Was bleibt, ist die Erinnerung an den geschundenen Körper und die geschundene Seele.

Hinter jeder derartigen Kindheit steckt eine andere Geschichte, mit anderen Hintergründen. Bei mir war mein Vater weder Säufer, noch hat er meine Mutter oder meine Schwester geprügelt.

Wichtig ist, wie der Betroffene die Ereignisse verarbeitet, um ein normales Leben führen zu können. Wie bei det war es bei mir die Distanz. Nachdem ich mich, kurz nach meinem 18. Geburtstag, aus der Gewaltspirale befreit hatte, war mein Vater nicht mehr an meinem Leben beteiligt. Wir haben die folgenden 45 Jahre so gut wie nicht mehr miteinander gesprochen, schon gar nichts Persönliches mehr.

Wichtig bei meiner Entwicklung war, daß ich lernte über den Dingen zu stehen, Wie man es auch mit anderen Ereignissen aus Kindheit und Jugend macht. Da gab es ja auch andere unerfreuliche Vorkommnisse, die man als Erwachsener abhakt, sie Zeiten und Umständen zuordnet, die unbeeinflussbar anders waren.

Mir hat in den ersten Jahren sehr geholfen, daß ich meinem Vater aus der Entfernung beweisen konnte, daß und wie ich ohne ihn unvergleichlich besser dran war und zurecht kam. Führerschein, Abitur und Studium selber finanziert, dann gutes Geld verdient, denn ich war bald verheiratet. Das alles, mit Zeit und Distanz hat geholfen, über den Dingen zu stehen, wobei das natürlich kein Vergessen beinhaltet. Das merke ich daran, daß ich schon lange keine Angst mehr vor meinem Vater habe, er mich höchstens noch nervt.

Vor etwa acht Wochen hatte ich ihn auf meinem Anrufbeantworter. Er bat um Rückruf. Ich ließ ihn erst mal vier Tage hängen und rief ihn dann an, in der Erwartung, es ginge um seine Steuererklärung, wie meistens.

Aber oh Wunder, er wollte über vergangene Zeiten reden und brachte so etwas zustande wie eine Entschuldigung. Allerdings hatte er die durchprügelte Kindheit und Jungend auf eine einzige Ohrfeige zurecht gestutzt und relativiert. Was sollte ich sagen? Der Mann ist jetzt 87, hat schwer Krebs, kann kaum noch krabbeln und wird nur noch zusammengehalten vom Herzschrittmacher und nach wie vor von seiner Überzeugung, er sei der Größte ansich. Soll ich jetzt nochmal alles aufrollen, mich nochmal mit dem ganzen Elend beschäftigen, nur um ihn zu korregieren und ihm nach fast 50 Jahren die Meinung zu geigen? Endlich die späte Rache? Nein, denn dazu stehe ich heute viel zu fest und bequem über den Dingen. Als er die Prügel von 18 Jahren zu einer Ohrfeige reduzierte, konnte ich nur still in mich rein lächeln. Soll er seinen Frieden mit sich selbst machen. Mir ist es egal. Das und er bedeuten mir etwa so viel wie der berühmte Sack Reis, der in China umfällt. Schlimm? Mag sein. Aber so über den Dingen zu stehen, hat mir ein gutes Leben ermöglicht.
geschrieben von adam


Lieber Adam,

ich habe die Schilderung Deines Martyriums während Deiner Kinder- und Jugendzeit im "Franziskus-Thread" gelesen. Die Gefühle der Hilflosigkeit haben Dich solange begleitet, bis Du Dich "handfest" daraus befreien konntest.

Dein Vater kann nicht von Dir verlangen, dass Du eine Entschuldigung annimmst und ihm die Last seiner Verfehlungen von den Schultern nimmst, die er noch nicht einmal zugeben kann. Dann würdest Du Dich wieder dort wähnen, wo Du einst die Schuld für Dinge zugeschoben bekommen hast, die Du gar nicht "ausgefressen" hattest. Das verstehe ich vollkommen.

Was für mich richtig ist, muss nicht für andere gelten. Wahrscheinlich waren meine Kindheitserfahrungen nicht vergleichbar mit Deinen und vielen anderen, die hier geschildert wurden. Mir geht es besser, seit ich mit meiner Mutter über die Vergangenheit gesprochen habe und ihr aufrichtiges Bedauern erlebt habe.

Das ist bei Dir und Deinem Vater so nicht gegeben. Nach so einer qualvollen Beziehung, hilft manchmal nur der Kontaktabbruch und neue positive Beziehungserfahrungen zu machen und somit zu der Erkenntnis zu kommen, ein liebenswerter Mensch zu sein.

Kennst Du die 2010 verstorbene Alice Miller? Sie beschäftigte sich mit den Folgen von Misshandlungen in der Kindheit und sah sich als Anwalt der Kinder. Sie war dagegen, dass Kinder ihren Misshandlern vergeben. Vergeben heilt nicht die Wunden, diese können nur durch Zulassen der schmerzhaften Wahrheit geheilt werden: "Suche nach der frühkindlichen Realität ohne Schonung der Eltern".

Gruß Mane
anjeli
anjeli
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von anjeli
als Antwort auf mane vom 13.02.2015, 21:52:09
Mane,
ich habe gestern mit meiner Freundin lange diskutiert, denn sie ist ja auch betroffen... (ich hatte es erwähnt) in ihrer Familie war die Mutter die treibende Kraft, verhängte und führte die Prügelstrafen aus...
meine Freundin war die kleinste und die letzte in der Reihe, sie bekam die wenigsten Prügel ab... bei sieben Kindern waren die Schläge mit dem Teppichklopfer nicht mehr so stark... (meinte sie)

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass das Verhalten der Mutter( Eltern) nicht zu rechtfertigen ist...
auch nicht, wenn sie selbst geprügelt wurde(n), in der Ehe sexuellen Missbrauch erlebten, die Zeiten schlecht waren und nicht immer alle Kinder satt wurden und wenn der Vater auch noch dem Alkohol zugetan war... und..... ...

Die Mutter meiner Freundin war auch noch gläubig, sie las viel in der Bibel und meine Freundin meint nach ihrer heutigen Erkenntnis, dass sie nach den Gesetzen Moses lebte und das Gebot wegen der Züchtigung der Kinder ernst nahm und umsetzte, sie hatte wohl nicht dabei bedacht, dass das "Mosaische Gesetz" mit dem Neuen Testament nicht mehr gültig war...

Meine Freundin hat ihren Eltern vergeben und das finde ich gut...

anjeli

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mane
mane
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von mane
als Antwort auf anjeli vom 13.02.2015, 22:18:08
Liebe Anjeli,

ich habe hier im Thread noch einmal zurückgeblättert und auch in Deinen Beiträgen gelesen. Du schreibst, wie u.a. auch Gudrun und Dutchweepee, von einer Kindheit, die ohne Gewalt verlaufen ist. Da habt Ihr Glück gehabt, anders kann man es wohl nicht nennen. Denn üblich war es zur damaligen Zeit nicht, wie in vielen Beiträgen zu lesen ist.

Deine Freundin wurde eher psychisch als durch Prügel verletzt und hat ihre Kindheit mit Hilfe von Psychologen aufgearbeitet.
Sie ist der Meinung, dass gewalttätiges Verhalten der Eltern in keinem Fall zu rechtfertigen ist, auch wenn sie selbst Schlimmes erlebt haben.

Wie ist es ihr dann gelungen, ihren Eltern zu vergeben?

Ich glaube, dass Vergebung nicht immer möglich ist - es lässt sich nicht willentlich steuern. Ein sich selbst unter Druck zu setzen, in dieser Richtung, bringt nichts oder man macht sich selbst was vor.
Man kann sich klar machen, dass das Verhalten der missbrauchenden Person in seiner Geschichte begründet ist und wenig mit einem selbst und den eigenen "Sünden" zu tun hatte,weil die Ursachen ganz woanders liegen. Vielleicht gelingt es dann mit der Vergangenheit abzuschließen. Auch ohne Versöhnung.

Gruß Mane
mane
mane
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Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von mane
als Antwort auf pschroed vom 11.02.2015, 12:53:32
Hallo Mane.

Das schwierigste ist mit dem Hass fertig zu werden, im voraus geht die Aufgabe des Selbstmitleides, was enorme Kräfte sowie Geduld verlangt. Verglichen mit einem Reset wo sämtliche Gedankenparameter im besten Fall auf Null gesetzt werden. Es kann Jahre, Jahrzehnte dauern bis man soweit ist, es ist eine Wandlung seiner eigener Person, wo alle negativen Erfahrungen keine Gültigkeit oder kein Platz haben sollte.

Es ist vergleichbar mit kleinen Dämonen die im Unterbewußtsein nur schlafen. Vor Jahren, Jahrzehnte wo das ganze noch aktueller war und man sich wieder in die Zermürbung hineinsteigerte, suchte man den Ausgleich mit noch grösseren Herausforderungen, was wieder einem enormen Selbstwertkick vergleichbar war.

Im Rentenalter wo diese Möglichkeiten nicht mehr gegeben sind, sowie auch das drüber stehen weiter entwickelt ist, ist Vorsicht noch immer angesagt, indem man seine graue Zellen immer wieder mit neuem interessanten Aufgaben bzw. positive Gedanken trainiert und in Gang hält.
Phil.


Lieber Philippe,

ich kann mit dem Wort "Hass" nicht viel anfangen. Ich kenne Wut und denke, Hass ist noch eine Steigerung davon. Wie würdest Du diesen Begriff, der hier schon oft in Verbindung mit den einst gewalttätigen Eltern gefallen ist, für Dich definieren?

Diese "Dämonen", die einst ins Unbewusste geschoben wurden, weil wir sie als Kinder nicht aushalten konnten, haben immer noch eine große Macht über uns. Sie kommen nach oben, wenn wir z.B. Menschen begegnen, die uns an die ehemals gewalttätigen Eltern erinnern und lassen uns heftiger reagieren, als die Situation es erfordert.

Du hast in einem anderen Beitrag geschrieben, dass Dir die Bücher von Joseph Murphy, neben beruflichen Erfolgen (die Dein Selbstbewusstsein steigerten), geholfen haben, "über die Zeit der Verdrängung" hinweg zu kommen.
Hast Du durch positive Gedanken (Affimationen) Einfluss auf Dein Unbewusstes nehmen, Dein Leben dadurch "alle negativen Erfahrungen" und eine "Wandlung Deiner Person" erreichen können?

Ich habe vor Jahren von Murphy "Die Macht des Unterbewusstseins" gelesen und meinte, diese Methode blende die Wirklichkeit aus, anstatt den Menschen davon zu befreien. Magst Du ewas davon berichen, wie Du damit vorgegangen bist und wie es Dir geholfen hat?

Gruß Mane
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von schorsch
als Antwort auf mane vom 14.02.2015, 15:17:31
Hass ist das Ergebnis gesteigerter Wut, deren Besitzer den Reset-Knopf nicht findet.
anjeli
anjeli
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von anjeli
als Antwort auf mane vom 14.02.2015, 10:24:08
Liebe Mane,

meine Freundin ist mit 17 Jahren von zu Hause fort gegangen und zu ihrer älteren Schwester gezogen...

sie hatte jahrelang Abstand zu ihren Eltern... weil sie 500 Kilometer weg war...

sie hat es geschafft, weil sie sehr gläubig ist... denn Jesus hat ja seinen Peinigern auch vergeben...

Wenn sie von ihren Eltern spricht, dann sagt sie nicht Erzeuger, sondern Mutti und Vati...

Ich hatte eine gute Kindheit und ich denke, dass meine Eltern mich so stark gemacht haben, sie haben mich nicht konserativ erzogen, liebevoll und sie hatten Zeit für mich... ich hatte keine Angst vor meinem Vater, so wie Nachbarskinder mit denen ich gespielt habe... sei haben regelrecht gezittert, wenn der Vater von der Arbeit kam...
diese Kinder haben zu meiner Mutter gesagt: "Wir möchten sie auch als Mutti haben".
Die Spielkameraden von meiner Schwester und mir, sie mussten sehr viel Hausarbeit erledigen, wenn wir sie zum Spielen abgeholt haben, dann konnten sie nicht, weil sie noch putzen, spülen mussten... (Eltern waren nicht anwesend) meine Schwester und ich, wir haben ihnen geholfen, damit sie schneller fertig waren...
Meine Schwester und ich, wir brauchten nur sonntags das Geschirr abtrocknen, mehr nicht...

Für mich war alles selbstverständlich und ich habe auch gar nicht darüber nachgedacht, dass ich so gute Eltern hatte... und ohne irgendwelche Zwänge aufgewachsen bin...

Grüßle anjeli

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