Forum Soziales und Lebenshilfe Soziales Gewalterfahrungen in der Kindheit

Soziales Gewalterfahrungen in der Kindheit

schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von schorsch
Wir (30er-Generation) wurden von den Eltern eigentlich selten stark misshandelt. Aber wenn sie ausrasteten, dann konnte schon mal Blut fliessen. Und meine Mutter hat mich mal auf den Boden geknüppelt und ist mir dann noch auf die Gurgel gestanden. Ich glaube, da stand ich kurz vor dem Tod. Dann aber realisierte sie wohl plötzlich, was da abging; sie liess mich liegen und verzog sich heulend ins Schlafzimmer.

Und trotzdem hatte ich nie einen Hass auf die Eltern. Denn schon als Bub realisierte ich, wie sie sich abrackerten ohne aus den Schulden heraus zu kommen. Darum gab ich dann auch bis zu meiner Hochzeit den ganzen Lohn der Mutter und begnügte mich mit einem Sackgeld. Klar, dass auch ich dann mit einem finanziellen Minus in die Ehe trat. Aber der Wille, "es zu etwas zu bringen", war übermächtig. Heute aber leiste ich mir Dinge, die ich eigentlich gar nicht nötig hätte. Wohl einfach eine Reaktion auf damals, als alles Umdrehen des letzten Fünfers nichts nützte.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von olga64
als Antwort auf Edita vom 09.02.2015, 16:53:01
Edita - meine Mutter wuchs in der Nazizeit auf - mein Vater war glühender Nazi-Anhänger - mit dem alten Fritz hatten die in Bayern und Österreich eher weniger zu tun. Unsere Familie geht weit zurück in die Vergangenheit immer nach Bayern und Österreich.
Ist mir aber auch egal - ich litt als Kind unter diesen Prügelstrafen und auch von den Schuldgefühlen, weil ich ja nie das Kind war, das ohne hätte aufwachsen können.
Aber wie schon gesagt - die wenigste Zeit meines Lebens musste ich mich diesen Sadismen aussetzen - auch ich wurde später nie gewalttätig (wenn dann nur verbal!). Da kann ich froh darüber sein,da es ja meist anders ist und Kinder, die viel geschlagen werden, später selbst schlagen. Olga
beresina
beresina
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von beresina
als Antwort auf schorsch vom 09.02.2015, 17:09:03
"Wir (30er-Generation) wurden von den Eltern eigentlich selten stark misshandelt. Aber wenn sie ausrasteten, dann konnte schon mal Blut fliessen. Und meine Mutter hat mich mal auf den Boden geknüppelt und ist mir dann noch auf die Gurgel gestanden. Ich glaube, da stand ich kurz vor dem Tod. Dann aber realisierte sie wohl plötzlich, was da abging; sie liess mich liegen und verzog sich heulend ins Schlafzimmer."

und das hast du ihr verziehen? unglaublich!

wenn unsere eltern auch viel schlimmes erlebt haben - sie mussten ja bei widrigsten bedingungen schauen, dass die "mäuler zuhause" gestopft wurden, gingen hamstern, trieben sich auf dem "schwarzen markt" rum. um essbares für uns kinder zu ergattern.
das aber gibt ihnen noch lange kein recht, ihren frust auf die eigenen kinder zu entladen, denn die konnten am wenigsten etwas dafür.
man hat sie einfach kaum in den arm genommen - ich kann mich nicht daran erinnern, jemals von meiner mutter in den arm genommen zu werden.
und daraus entsteht dieser unsägliche hass.

man sieht es hier an den beiträgen, dass viel ungutes von den "erzeugern" vermittelt wurde - und das beschäftigt viele ein leben lang.

beresina

Anzeige

pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von pschroed
als Antwort auf beresina vom 09.02.2015, 13:37:04


jetzt, im alter, habe ich das anlässlich eines streits meiner mutter vorgeworfen, habe sie wegen ihres erziehungsstils verurteilt. die konsequenz ist, dass meine mutter (96) keinen kontakt mehr zu mir wünscht. so hart es klingt, aber es ist mir egal. ich habe mich befreit.....

beresina


Leider stehst du mit deiner Entscheidung nicht alleine da, vor einigen Jahren versuchte ich auch ein Gespräch, aber leider Null Einsicht.
Meine beiden sind jetzt verstorben, mein Stiefvater vor 10 Jahre am Alkohol , die Mutter jetzt vor circa 3 Monaten.Wir lebten jahrzehntelang einander vorbei, nach der Masche, Tag geht´s gut, auf Wiedersehen. Hass hatte ich nie aber die Bindungsemotionen waren eiskalt, sowie wenn Eltern zu Fremde werden. Offen sagte sie, wäre in dieser Zeit die Pille gewesen, wäret ihr alle drei nicht geboren.

Die Bücher von Joseph Murphy haben mir in dieser Zeit zur Verdrängung sehr viel geholfen, obschon es Esoterik ist. Positiv Denken sowie Selbsstudium geknüpft an beruflichem Erfolg taten ihr Übriges.

Phil.
beresina
beresina
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von beresina
als Antwort auf pschroed vom 09.02.2015, 18:13:16
ich brauche kein bücher, esotherik oder anderes. ich versuche, mich selber aus dem erlebten zu befreien. ich glaube, es gelingt mir ganz gut, jedenfalls teilweise

was ich aber jetzt neuerdings feststelle ist, dass meine kinder auch sehr emotionslos reagieren. ich bin ihnen zunehmend egal, so mein eindruck. sie halten verabredungen nicht ein, rufen kaum an, schreiben wenig.
natürlich weiss ich, dass sie alle viel "beschäftigt" sind. sie haben ihre eigenen interessen und wollen mit den "alten" nicht viel zu tun haben. das ist ein neuer lernprozeß für mich.
vielleicht war ich zu sehr "übermutter", habe sie nicht geng gefordert, ihnen alles abgenommen????

nun ja, wir "alten" haben sicher alles mögliche getan, unsere kinder auf den rechten weg zu bringen. und wenn sie irgendwann nicht mehr so oft - wie früher - mit der verwandtschft wollen, ist das wohl ok.
ich frage mich, ob wir anders waren, als wir jung waren?
was hat mich eine alte tante mit 86 interessiert?

ich denke, so ist das leben. und das ist eines der schwersten überhaupt.

beresina
Karl
Karl
Administrator

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von Karl
Es ist erschütternd, was ihr hier an persönlichen Erlebnissen schreibt. Ich bin dann alles im allem ja noch gut weggekommen. Wie ich im Franziskus-Thread schon schrieb, hat mein Vater abends eher widerwillig die Urteile vollstreckt, die meine Mutter Mutter tagsüber gefällt hatte. Sobald dazu fähig, habe ich vorsorglich den Rohrstock immer zerbrochen oder verschwinden lassen.

Olga hat m. E. Recht. Entschuldigen ist eher unangebracht, aber man muss versuchen zu verstehen, wie es dazu kommen kann. Ich habe meinen Eltern noch beizeiten vergeben, mein Vater war sowieso eher selber Opfer. Edita ist auch zuzustimmen, wenn sie schreibt, dass die autoritäre Erziehung historisch weit zurückreicht. Die brutale Erziehung mit Rohrstock oder Gürtelschnalle war im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die Regel und sie hat ganz entscheidend die Generationen geprägt, die dann anfällig waren, einem Führer zuzujubeln.

Es ist eine große Errungenschaft unserer Nachkriegskultur, dass heute die weitgehend gewaltfreie Erziehung zur Regel geworden ist und sogar durch das Gesetz geschützt wird. Vor diesem Hintergrund sind so fahrlässige Äußerungen wie von Papst Franziskus unverzeihlich, haben doch gerade die Kirchen eine ganz böse Rolle bei der Rechtfertigung und beim Praktizieren von Gewalt gegen Kinder gespielt.

Karl

Anzeige

Locomotivedriver
Locomotivedriver
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von Locomotivedriver
als Antwort auf Drachenmutter vom 09.02.2015, 15:16:17
Du sprichst mir mit Deinen Ausführungen aus der Seele und auch ich hasse meine Erzeuger mit ihrem Familienclan und bin leider nicht mehr in der Lage, auch mit professioneller Hilfe wenigstens mit mir selbst einen Frieden zu machen.

Vergessen kann ich niemals, genauso wenig wie ich während meines beruflichen Lebensweges in jungen Jahren, auch etliche Situationen bewältigen musste, von welchen die meisten User hier keine Ahnung haben.

Psychotherapeutische Hilfe war zu dieser Zeit noch gar nicht in Mode gekommen und nicht zu bekommen.
Da hieß es lapidar "Halt die Klappe und nimm ein paar Wochen Urlaub und vergiss das Ganze", wobei sogar einige Monate Sonderurlaub gewährt wurde, bis man einigermaßen wieder zur Ruhe kam.

Die Ruhe war jedoch sehr trügerisch.

Ich wundere mich nicht, wenn wir uns in ein paar Jahren vielleicht, etliche tickende, menschliche und psychische Zeitbomben hochholen.
Ich habe einige Afghanistan-Veteranen in einer psychologischen Maßnahme erlebt, die sind ganz übel drauf.
Speziell unsere Soldaten im Auslandsdienst und den Kommandoeinheiten, zu denen ich zu meiner Zeit ja auch gezählt habe.

So, das musste ich noch loswerden, vielleicht geht es mir dann besser.
Edita
Edita
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von Edita
als Antwort auf Karl vom 09.02.2015, 19:58:22

Entschuldigen ist eher unangebracht, aber man muss versuchen zu verstehen, wie es dazu kommen kann.
Karl
geschrieben von karl


Eben Karl, das versuche ich, denn was ich so weiß, aus der Geschichte und ein bißchen aus eigenem Leben mit meiner Erinnerung, was war ein Mensch früher wert!? Nichts ! Was waren Kinder wert ? Ich meine das jetzt menschlich gesehen, auch nichts ! Kinder und Erwachsene waren da, nicht um glücklich zu sein, sondern um zu funktionieren und die Gesellschaft zusammenzuhalten! Ehen wurden arrangiert, Kinder kamen zur Welt, sie waren selten ein Glück, viel öfter waren sie schnellstmögliche Miternährer oder Alterssicherung der Familien! Gefühle kannte man nicht, oder wenn man sie kannte, hat man sie nicht zugelassen und unterdrückt, wozu auch, es gab ja kein Entrinnen, weil die gesamte Gesellschaft so geprägt war!
Bei strenger Zucht und Ordnung ist auch kein Platz für Gefühle, und Sehnsüchte! Routinierter Ablauf des Lebens, möglichst " anständig " und wenn möglich auch in der Sozialhierarchie aufsteigend, das war das Lebensziel!
Ich hatte bestimmt keine schlechte Kindheit, meine zwei Brüder wurden von meinem Vater geprügelt und ich kassierte, wenn es meine Mutter für nötig befand Gesichtsklatschen, aber.........sie haben trotzdem auf viele schöne Dinge in ihrem Leben wegen uns verzichtet, haben uns viele schöne Dinge ermöglicht, und haben uns Dreien eine sehr gute Ausbildung ermöglicht! Selber haben sie, sie sind beide schon tot, nur 3X in ihrem Leben Urlaub gemacht, als sie es endlich konnten, weil wir alle drei bestens versorgt waren , wurde mein Vater krank!
Zärtlichkeiten von meiner Mutter kenne ich nicht, meine Brüder von unserem Vater auch nicht, ich durfte als kleines Mädchen immer auf dem Schoß von meinem Vater sitzen und mit ihm schmusen, aber am nächsten Tag habe ich garantiert wieder eine Gesichtsklatsche von meiner Mutter eingefangen!
Ich habe meine Mutter mal vor ca. 30 jahren danach gefragt, warum sie bei mir so kalt war, sie konnte mir keine Antwort geben, außer der, daß sie das nicht so gesehen hat, und sie keine großartige Gefühlsduslerin sei1
Aber........meine Kinder waren die ersten Enkelkinder die sie bekamen, und in die haben sie all die zugeschüttete Liebe, die sie in sich trugen ausgebuddelt und die Enkelkinder damit, ich kann nicht sagen überschüttet, aber ganz lieb und auch aufopfernd umfangen, und ganz dolle bei Mausi
Und jetzt kommen mir auch die Tränen.....und tschüß!

Edita
Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Edita vom 09.02.2015, 21:55:37
Ja, erschütternde Berichte!

Ich möchte eine sehr einflussreiche schröckliche Autorin hinweisen, deren eines Buch in weit über eine Million Exemplare verkauft wurde, bis in die 80 err Jahre in "gesäuberter" Version ....Johanna Haarer
Edita
Edita
Mitglied

Re: Gewalterfahrungen in der Kindheit
geschrieben von Edita
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.02.2015, 22:23:29
Ja Mart, das ist es, die Gefühlskälte und die Härte, meine Eltern hatten als Kinder auch kein Nest , als Kind habe ich schon gefühlt, daß die Bindung zwischen meiner Mutter und ihrer Mutter keine herzliche und zärtliche war, sondern auch da noch von einer inneren Distanz geprägt war, aber zu uns Enkelkindern war sie warm, herzlich und verständnisvoll, es gab keine Schläge und fast keine Verbote, nur " Ehrenversprechen ", aber Schmusestündchen gab es auch keine, länger als eine Woche hat es meine Mutter mit ihrer Mutter nicht ausgehalten, dann ist sie wieder abgedüst nach Dortmund, und hat uns 3 Kinder immer in den Schulferien bei der Omi in Österreich gelassen!
Meine beiden Großeltern sind vor dem 1.Weltkrieg geboren, also so 1895 rum, da gab es auch kein inneres Band zwischen ihnen und den Eltern, es gab die Pflicht, die Achtung und den Respekt! Ich frage mich, wie die Menschen das nur geschafft haben, sich selber so zu unterdrücken, grausame Zeiten, und natürlich ist es so, daß man keine Liebe ernten kann, wenn man keine Liebe aussäht, auch die " Gefühlswelt " will und muß entdeckt und erkundschaftet werden, das merke ich z.B. ganz intensiv bei meiner Mausi! Mein inneres Band zu meiner Großmutter war viele, viele Jahre stärker als zu meiner Mutter!
Erst als ich in der Lage war zu analysieren, warum weshalb wieso, da hat sich meine Einstellung zu meinen Eltern geändert, denn obwohl sie uns oft erniedrigt und gedemütigt haben, sie haben selber auf viele Dinge verzichtet um uns, ihren Kindern, ein besseres Erwachsenenleben zu ermöglichen, und das ist meine persönliche Versöhnungsebene!

Edita

Anzeige