Soziales Der Kaffee, der Guru, das Gott und ich...
Dieser Guru war anders. Er zeigte nicht dieses widerliche, vor Weisheit triefende Lächeln. Er saß bequem auf einem Sessel und seine Beine waren keineswegs irgendwie spirituell verknotet. Seine Kleidung war nicht esoterisch koloriert, sondern eher sehr brauchbar für den Alltag geeignet. Das einzige Orange an ihm war das linke Schuhband. Vielleicht hätte ich seinetwegen stutzig werden sollen, aber ich wurde es nicht. Er war einfach um und um gewöhnlich. Seine Augen stachen nicht und sogen mich kein bisschen in irgendein Unergründliches.
Und so war ich auch keineswegs befangen, ihm diese eine Frage zu stellen:
„Wer bin ich ?“
Er fragte mich weder nach einem Ausweis noch nach meiner Herkunft oder langjährigen Berufserfahrung, er antwortete schlicht:
„Du bist Gott“
Wow! Ich war erstaunt und er hatte die Antwort zu deutlich gesprochen, als dass ich guten Gewissens hätte nachfragen können: Wie bitte ? - Nein, ich blieb einfach verdutzt sprachlos.
„ Du möchtest nicht Gott sein ?“ – Schwang Besorgnis in seiner Stimme ? Ich konnte darin keine Gewissheit finden. Und so versuchte ich es doch mit Befangenheit:
„Habe ich Sie richtig verstanden ?“
Er fragte nicht nach. Er sah auf seine Hände und dann kam es mir vor, als würde er meine Nase fixieren und ich erinnerte mich daran, dass meine Nase wirklich sehr groß ist…- wirklich ein sehr ambivalentes Organ, - -meinem Empfinden nach.
Und endlich fiel mir eine authentische Antwort ein: „ Ich kannte vor Jahren ein Frau, die ganz sicher war, Napoleon zu sein.“… - „Ich meine war“.
Er zeigte keine Miene von Verständnis oder Missverständnis, eigentlich wirkte er bloß zufrieden und vielleicht eine Spur nachdenklich.
„Wärst Du lieber Napoleon ?“
„ Lieber als Gott ?“
„Ja“.
Schwierig, - ich wollte es mir nicht leicht machen. Andrerseits mit Napoleon wäre der Ausgang doch eher negativ geworden: Verbannung…, Insel ? – Nein. - Aber Gott ?
„Ich fühle mich nicht wie Gott.“
„Wie fühlt sich Gott ?“
Starke Frage. - Allmächtig ? Ziemlich verherrlicht ? Allwissend ? Vielleicht belästigt, wegen dieser Millionen Anfragen um ein höheres Gehalt und gnadenlose Bestrafung der nervigen Nachbarn ? – Ich wusste es nicht. – Wahrscheinlich durchschaute er mich. Denn seine nächste Frage war:
„Meinst Du, Gott hat Gefühle ?“ – Ich antwortete sehr spontan:
„Er ist ein Mann, ein Vater, - ich weiß nicht…-vielleicht nicht sehr viele ?“
_
„ Hat er eine Schwanz ?“
Das war hart, - das saß. Ich nahm all meinen Mut zusammen und erwiderte etwas beklommen:
„Dann würde ich doch lieber `DAS GOTT´ sagen“
„ Gut: Das Gott. – Kannst Du Dich damit anfreunden ?“
„Sprechen Sie mit Gott ?“
„Eigentlich spreche ich mit mir“, erwiderte er.
„Sind Sie Gott ?“, war meine hoffnungsvolle Frage.
„Mal nachdenken. Wenn Du Gott bist, müsste ich eigentlich auch Gott sein“.
„O !“ – Und ich wagte es: „ Dann gibt es also mehrere ? – Das könnten dann ziemlich viele werden.“
Er lächelte noch immer nicht und dabei wäre es mir jetzt schon sehr recht gewesen, wenigstens ein kleines Lächeln der Auflockerung zu entdecken.
„Ne. – Es gibt keine zwei und auch keine mehreren.“
„Keine mehreren ?“
„Keine“.
„Dann…. – Wer bin ich ?“
Und nun kam dieses kleine, kaum merkbare doch erlösende Lächeln, zart und nichts weiter als heiter.
„Die zweite Frage erfordert ein zweite Antwort: Du bist ein Illusion“.
„Nein !“
„Doch. – Die Illusion einer Illusion, einer Illusion“
„Wie jetzt ? Alle zusammen ?"
„Nach und nach, ja.“
„Und Gott ?“
„Für die Illusion ist es eine Illusion. Für `Ich´ ist es Gott.“
„Ich bin erstaunt !“
„Das kann ich nachvollziehen…. (es entstand eine sehr merkwürdige Pause. In mir war eine völlige Stille an der sich Gedankenfetzen wie Wellen an einem hohen Felsen brachen.) ….. Trinkst Du Kaffee ?“, kam seine Frage.
Er war kein Teetrinker, wie außergewöhnlich. Diese Leute trinken doch alle Tee.
„Die Maschine steht auf der Kommode. Der Kaffee steht daneben.“
Ich stand auf und ging zur Kommode. Trotz aller Verwirrung war die Stimmung sehr friedlich. Ich fühlte mich wohl.
Welch ein seltsamer Nachmittag und auch der Kaffee war ausgezeichnet.
(Hottentott)
...und weiter.....
...es könnte der anfang eines buches sein, welches ich gern lesen würde...
chris33
Danke für Deinen Zuspruch. Es ist der Anfang eines schönen Abends
Liebe Grüße von Gerhard
Entwurf einer Fortsetzung:
Mit zwei Bechern heißen, duftenden Kaffees kehrte ich zurück, reichte ihm einen davon und setzte mich ihm gegenüber auf den zweiten Sessel in diesem Raum. Ich fixierte sein oranges Schuhband, nahm all meinen Mut zusammen und fragte ihn:
„Wenn ich eine Illusion bin, ist Gott also eine Illusion?“
Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seines karierten Hemds und bot mir eine an. Auch das noch, er rauchte! Misstrauisch beäugte ich die Schachtel, aber es war eine bekannte Marke, also nahm ich dankend an.
Er ging zum Fenster, kippte es auf und blieb mit dem Rücken zu mir stehen.
„Was denkst du, bist du real?“
„Meine Zahnschmerzen sind sehr real“.
„Bist du dein Zahnschmerz?“
„Natürlich nicht nur!“
Darauf wandte er sich mir wieder zu. Diesmal lächelte er verschmitzt und sah mich direkt an, wahrscheinlich fixierte er wieder meine Nase. Er bohrte weiter:
„Wer bin ich, deiner Meinung nach?“
Beunruhigt rutschte ich bis zur Vorderkante des Sessels, sank in mich zusammen und stieß verzweifelt aus:
„Das versuche ich doch gerade herauszufinden. Wenn ich wüsste, wer ich bin, könnte ich dir auch sagen, wer du bist.“
„Kannst du mich sehen und hören?“
„Ja klar“.
„Dann bin ich für dich also real“.
Worauf wollte er hinaus? Ich spürte nun tatsächlich ein Pochen in meinem rechten unteren Backenzahn, das fehlte noch! Um mir Bewegung zu verschaffen, stand ich auf und ging in dem ziemlich kleinen Zimmer auf und ab.
„Kennst du mein ICH?“, fragte dieser rätselhafte Guru.
„Nein, jeder lebt in seinem eigenen Universum. Dein ICH ist so einzigartig wie deine Fingerabdrücke oder deine DNA.“
So kamen wir nicht weiter! Ich verabschiedete mich für heute und versprach, morgen wiederzukommen. Was für eine Nacht stand mir da bevor! Ich wusste jetzt schon, dass mir dieses Gespräch den Schlaf rauben würde.
Fortsetzung folgt - vielleicht
Als ich am nächsten Tag in den kleine Raum trat, war ich um nichts mutiger geworden. Das einzige was ich mir fix vorgenommen hatte war, diesmal nicht wieder eine von diesen geleckten Zigaretten zu nehmen, sondern so wie er sie rauchte, um eine Beedie zu bitten.
Er saß sehr entspannt auf seinem Sessel; - eine freundliche Ernsthaftigkeit ging von ihm aus, die mich dennoch ein wenig …., nein, nicht verunsicherte, aber wie fordernd berührte. - Und dem Himmel sei Dank, er brach diese vor Schweigen fast vibrierende Stimmung im Raum.
„ Du bist also ein einzigartiges ICH ? Und ich bin auch ein einzigartiges ICH?“
„Ja“, war ich mir sicher, wenngleich in etwas nervöser Form. „Ja, wir sind alle einzigartige ICHs“.
Er schien erstaunt, ließ ein wenig mehr Augapfel sehen und antwortete: „Das sind dann aber eine Mengte ICHs auf dieser Welt, - oder ?“
„Naja, so an die Achtmilliarden…“
„Du sagtest gestern, mein ICH wäre ebenso einzigartig wie Dein ICH, erinnerst Du Dich ? - Ich erinnerte mich.
„Mein und Dein .- Wem gehört denn Dein ICH, wenn es Dein ICH ist ? Gibt es zwei ICHs, von denen das eine das andere besitzt ?“
Ja, das war Grund genug, um zu grübeln :-))
Mein ICH, Dein IcCH ...
Bei einer Schale Grüntee denke ich an Wassertröpfchen und Ozean.
Nun, beim frisch gebrühten Kaffee, scheint mir so´n Unterscheidungszeichen wie dieses farbige Schuhband doch sehr sympathisch.
Aber Schuhband und Wassertropfen???
Na dann, weiter geht's:
Plötzlich erwachte ich aus meiner Erstarrung. So leicht ließ ich mich nicht hinter’s Licht führen:
„Nein, das ist totaler Unsinn! Ein ICH kann kein anderes ICH besitzen. MENSCHEN bilden sich oft ein, andere Menschen zu besitzen: Eltern ihre Kinder, Paare sich gegenseitig oder nur einer den anderen, was schlimm genug ist.“
„Aha, dann ist dein ICH kein Mensch?“
„Ich BIN ein MENSCH und ich BESITZE mein höchsteigenes ICH!“
Langsam stiegen kleine rote Flecken meinen Hals herauf. Das geschah immer, wenn ich mich herausgefordert fühlte. Und dieser mehr als merkwürdige Guru forderte mich heraus. Schlimm wurde es erst, wenn die roten Flecken auch im Gesicht erschienen und meine Nase zum Leuchten brachten. Dann konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen, weil ich ständig auf dieses lästige Riechorgan schielen musste.
Um mich abzulenken, stand ich auf: „Wie wär’s mit Kaffee?“ Und begab mich schnurstracks zur Kommode, um die Kaffeemaschine zu bestücken.
Hinter mir erklang seine zugegebenermaßen angenehme Stimme:
„Kaffee ist immer eine gute Idee, und dazu eine Zigarette, oder?“
Ich entspannte mich und musste sogar lächeln. Er schaffte es tatsächlich, von einem Moment auf den anderen die Stimmung wieder zu erhellen.
Mein leichtes Zittern ließ nach, und mein Kopf wurde klarer:
„Meine Eingangsfrage lautete doch: Wer bin ich? Gelandet sind wir jetzt beim ICH. Wenn es mir gelingt, mein ICH zu erfassen und zu beschreiben, werde ich wissen, wer ich bin, richtig?“
„Kannst du denn dein ICH beschreiben?“
Die Frage flatterte durch den kleinen Raum wie ein Kohlweißling, der sich verirrt hatte. Ohne darauf einzugehen, widmete ich mich zunächst dem zu stark geratenen Kaffee und bat ihn um eine Beedie. Verblüfft schaute er mich an:
„Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen. Ich kann dir nur eine ganz normale Filterzigarette anbieten.“
Das hatte ich nicht erwartet. Gegen meine Entzugserscheinungen half keine „normale“ Zigarette, schon gar nicht mit Filter.
Für heute reichte es mir. Ich trank meinen Kaffee nicht ohne leisen Widerwillen aus, stellte den albernen Blümchenbecher, der so gar nicht in diese eher puristische Umgebung passte, ins Waschbecken und verabschiedete mich.
Fortsetzung folgt ?!
Ein Wassertropfen traf auf einen Menschen und fragte gut gelaunt:
„Soll ich Dir vom Meer erzählen ?“
Der ungestüme junge Mensch, schluckte den Wassertropfen und rief ihm nach: „ Erst wirst Du Dich mit Ammoniak auseinandersetzen. Sei froh, dass ich keine Diabetes habe. Die Ketos sind grausame Halunken.“
Und als der Mensch alleine war, denn ohne dieses kettenrauchende Mädchen, war er nicht einmal ein Mann, schon gar kein Guru, sondern einfach bloß ein Mensch, was ihm wohl am liebsten war.
Als er also alleine war, dachte er bei sich: Sie will nicht dahinterkommen, wer das eigentlich sein soll, der sein ICH erfassen will. Und wie sich der Erfassende vom ICH unterscheidet.
Und da fragt sie mich, ob ich mein ICH beschreiben kann :-)) - Wer sollte da was beschreiben ? – Sie wollte wissen, wer sie ist. – ICH bin ICH, da gibt’s nichts zu beschreiben.
Bleibt nur noch dieser kleine Unterschied: Wörter und Wirklichkeit, - Konzept und Wahrheit. Da durchzufinden benötigt noch so manche Zigarette…. :-))
Das Konzept zur Wahrheit besteht aus Wörtern und verhält sich zur Wirklichkeit wie Kaffee zum Mineralwasser ...
Einen entspannten Abend wünscht
Via