Religionen-Weltanschauungen Islamismus vs. Islam

sysiphus
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Re: Islamismus vs. Islam
geschrieben von sysiphus
als Antwort auf Karl vom 08.03.2010, 21:38:18

Ich finde übrigens die Sprache von Gernot Rotter entlarvend und wenig differenzierend. Karl
geschrieben von karl


Das verstehe ich nun ganz und gar nicht, Karl. Die von Gernot Rotter benutzte "Sprache" ist doch weitgehend mit deiner übereinstmmend.

Ein kleines Beispiel von Gernot Rottters "Sprache":

Der Westen und Israel müssen die Hände ergreifen, die ihnen Arafat in Palästina und Chatami in Iran entgegenstrecken.

Ein letzter Szenenwechsel: Am 15. Mai 1998 saß ich im Foyer des Hotels "King David" in Jerusalem und wartete auf eine ältere, dem Holocaust mit knapper Not entgangene israelische Dame, zu der ich eine Freundschaft entwickelt habe, obwohl wir in der politischen Bewertung des Nahost-Konflikts meist konträrer Ansicht waren. Sie hatte mich bei unserer ersten Begegnung damit schockiert, dass sie auf meine Frage, wie viele Palästinenser sie seit ihrer Ankunft in Israel 1948 kennen gelernt habe, entrüstet antwortete: "Natürlich keinen."

Nun hatte sie mir nach langem Zureden versprochen, mich zu einer palästinensischen Familie in der Altstadt von Jerusalem zu begleiten. Als sie kam, eröffnete sie mir als Erstes, dass sie doch viel zu große Angst habe, "diese Terroristen" könnten sie umbringen.

Doch genau dies ist die Schwelle, über die nicht nur die Israelis (und natürlich auch die Palästinenser), sondern auch wir im Westen gehen müssen. Es gilt, die Barriere des in den Köpfen auf beiden Seiten längst gefestigten Bildes vom Clash of Civilizations niederzureißen und anstelle blinden Hasses ein Klima des Vertrauens wiederzuerwecken.

Gernot Rotter im SPIEGEL-ONLINE vom 24.09.2001

Gruss von sysiphus...
sysiphus
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Re: Islamismus vs. Islam
geschrieben von sysiphus
als Antwort auf sysiphus vom 09.03.2010, 10:50:57
Nachtrag zu meinem vorhergehendem Beitrag:

SPIEGEL-ONLINE vom 24.09.2001
carlos1
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Re: Islamismus vs. Islam
geschrieben von carlos1
als Antwort auf sysiphus vom 09.03.2010, 11:09:43
„Und 1994, als die Serben die Stadt Sarajevo belagern, ist in "Al-Ahram", der bedeutendsten ägyptischen und keines islamistischen Extremismus verdächtigen Tageszeitung, die Headline zu lesen: "Sarajevo, das neue Granada?"“ G. Rotter Spiegel Online 2001 s. Link


"Als Ursachen sehen viele „eine Verschwörung des Westens mit dem Ziel, die islamische Welt zu vernichten; andererseits den eigenen Verrat an den ursprünglichen islamischen Werten, ….“ s. Link

„Die in der erwähnten Schlagzeile vollzogene Gleichsetzung von Granada und Sarajevo (1994) sollte suggerieren, dass die Eroberung Sarajevos auch die Ausmerzung der Muslime auf dem Balkan bedeuten werde - so wie die christliche Eroberung Granadas die endgültige Verdrängung der Muslime aus Spanien einleitete.“ S. Link Rotter


„…. zeigt sich eine im Denken gläubiger Muslime verankerte ungebrochene Geschichtswahrnehmung, eine Heilsgeschichte, die mit Mohammed begann, bis heute andauert und gegen westliche Hegemonialbestrebungen verteidigt werden muss.“ S. Link


@sisyphus
Die Tatsache, das es ein unabhängiges Bosnien- Herzegowina gibt, ist letztlich dem Eingreifen der USA zu danken. Die Empfindungen der Massen wieder zu geben ist durchaus angebracht, nur sollte nach Abschluss des Jugoslawienkrieges im Jahre 2001 nicht nur die nicht mehr aktuellen Stimmungen aus den 90ern betont werden.


Die irrigen Geschichtsvorstellungen bei Islamisten sind eine Stütze ihres Weltbildes. Deshalb ist Kenntnis der Geschichte notwendig für alle, die in einen Dialog führen wollen. Die heute stärkste Terrorgruppe, wenn auch noch nicht in Europa hervorgetreten (was bald der Fall sein könnte), ist LeT (Lashkar e Taiba). Wie die Taliban ist diese islamistische Gruppe eine Schöpfung des pakistanischen Geheimdienstes, von diesem intensiv gefördert und als Reservegruppe für eine mögliche Auseinandersetzung mit Indien um Kaschmir gedacht. Wie Ql Quaeda entstand LeT während des sowjetischen Afganistankrieges und arbeitet heute eng mit Al Quaeda zusammen. Die von LeT durchgeführten Anschlage in Mumbai gehören logistisch und technisch zu den technisch ausgefeiltesten und denkbar bestgeplanten Operationen, die je vorgekommen sind. In der Terror-Philosophie steht LeT der Al Quaeda sehr nahe, mit einem einzigartigem pakistanischen Touch. In Südasien soll nämlich ein Kalifat errichtet werden, in dem das Mogulreich in Indien aus dem 17. Jahrhundert wieder auferstehen soll. Antiisraelischsein ist zu erwarten. Darüber hinaus richtet sich der Hass aber besonders gegen die Hindus. Die Schwäche Pakistans sei Ergebnis der britischen Herrschaft über den indischen Subkontinent und der Politik des Westens (Verschwörungstheorie). In ihren Schriften und Pamphleten fordert LeT die Rückeroberung Europas (kein Tippfehler!), das nach der Meinung der LeT-Ideologen einst in der Hand der Muslime gewesen sei und von Kreuzfahrern den Muslimen entrissen wurde. Europa wird genannt, nicht Spanien. Das Trio des Bösen bestehe gegenwärtig aus den USA, Israel und Indien. Damit der Terror gegen Muslime aufhöre, müsse der Muslim im Djihad gegen die Feinde kämpfen, vor allem gegen Juden und Christen, wo immer sie auch seien. In Mumbai wurden deshalb nicht nur westliche Ausländer in Luxushotels angegriffen, sondern auch ein jüdisches Zentrum.


Einen Kulturdialog zu führen wird in der Zukunft auf unabsehbare Zeit nötig sein. Dieser Dialog bezieht sich auf den Islam als Kultur und Zivilisation. Der Umgang in einem Dialog mit muslimischen Migranten in Europa wird zum Ziel haben müssen Einflüssen von extremistischer Seite entgegen zu wirken. Wie kämen wir dazu die Feinde unserer Demokratie im Staat einen Freiraum zu gewähren. Eine Ausbildung von Imamen in Deutschland ist notwendig. Der Staat darf die bisher geübte permissive Praxis gegenüber Readikalen nicht weiter praktizieren.

@ adam

Deine Auffassung, „die Sicherheitspolitik sei immer ein Aspekt, wenn das Thema Islam und Islamismus diskutiert werden“, wertet eigentlich doch die Islamisten auf. Diese identifizieren sich bevorzugt mit dem Islam, obwohl sie in bestimmten Aussagen im Widerspruch zu dessen Aussagen stehen. Wir dagegen sollten hingegen beachten, dass es Unterschiede gibt zwischen gemäßigten Gläubigen und radikalen Muslimen und verbal eher im Blick auf die Gemäßigten agieren. Ein Dialog mitihnen ist unter Sicherheitsapekten (Misstrauen) nur schwer möglich, nur in Offenheit auf beiden Seiten.


Europa ist Rückzugs-, Ruhe- und Logistikraum für radikale Islamisten für ihre Planungen geworden. In ihren Heimatstaaten würden sie verfolgt werden, deshalb sind sie in Europa und werben hier Anhänger. Der Kampf der Kulturen, von dem Huntington sprach wird nicht stattfinden. Es wird eher ein Bemühen und ringen geben, die eigenen Wertvorstellungen für das Leben in der Gemeinschaft als Ordnungsfaktor weltweit durchzusetzen. Das zu erkennen scheint mir wichtig zu sein. Der Westen sollte sich bemühen bei gemäßigten Muslimen für sein Anliegen zu werben. Das erfordert in manchen Bereichen eine andere Politik.

c.

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