Religionen-Weltanschauungen Gott ist tot?
Der liebe Gott erhalte dir deine selbstzufriedene Genügsamkeit.Glaubst du nicht auch (wie ich), dass es sinnvoller ist, sich mit dem zufrieden zu geben, das man hat, als nach dem zu streben, was andere haben - oder du glaubst, dass sie es haben?
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[...]Ich habe das genauso verstanden wie Clematis, doch ich finde die Aussage nicht richtig. Nicht der Hohlraum macht den Krug aus, sondern die Form, die der Ton hat. Das Wesentliche liegt nach meinem Verständnis nicht außerhalb der Materie, sondern wird durch die Materie erst gebildet, es ist so eine Art von Emergenz-Effekt.
Zwischen den Spaichen eines Rades entsteht das Rad, (Spaichen alleine ergeben kein Rad)
in dem Hohlraum des Kruges entsteht der Krug, (Ton ohne Form kann nicht gefüllt werden)
d. h. ausserhalb der Materie entsteht das Wesentliche, das, was die Wirklichkeit ausmacht. In diesem Sinn ist Materie nur die Stütze, die Möglichkeit, dass etwas Brauchbares entstehen kann.
Ein Dirigent sagte mal, das, was zwischen den Noten ist, ist die Musik!
[...]
teri konstruiert aus diesen Sätzen von Laotse eine Verbindung zur buddhistischen Philosophie und das halte halte ich für sehr gewagt. Die Anatta-Lehre zielt auf etwas völlig anderes ab. Dabei geht es um die Tatsache, daß nichts einen festen, unveränderlichen Wesenkern hat, also alles, Materie wie Geist, der Vergänglichkeit unterworfen ist.
det
Für mich liegt ein hoher Genuss darin, gute Texte von anderen zu lesen und auch zu verstehen. Und dieser Text von Laotse spricht mich sogar an, ich finde ihn eigentlich sehr schön. Nur schade, dass eine Laotse-Kennerin unter uns ist, die trotzdem nicht bereit ist, meine Bitte zu erfüllen, mir ihn so verständlich zu erläutern, dass ich zufrieden bin.
Hallo Marina,
auch eine Laotse-Kennerin wird diesen Text wahrscheinlich anders verstehen, als wie ihn der Autor gemeint hat. Allein die ersten beiden Zeilen sind unterschiedlich übersetzt worden.
Heißt es noch in dem von teri eingestellten Text:
In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
Dreißig Speichen gehören zu einer Nabe,
doch erst durch das Nichts in der Mitte kann man sie verwenden;
Gemäß ihrem Nicht-sein ist des Wagens Gebrauch.
Wenn dich nun dieser Text (diese Übersetzung) „anspricht“ und du daraus einen Gewinn ziehst, ist das schön. Ein anderer mag ihn auf seine eigene Weise, die viel mit seiner Persönlichkeit, seinen Werten usw. zu tun hat, verstehen, und auch das ist in Ordnung. Meiner Meinung nach, dürfen philosophische Texte zu einer Vielzahl von Interpretationen einladen.
Gruß Mane
Du macht es und das ist gut so.
Wie oft zitieren wir den Kleinen Prinzen: "man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Und wir freuen uns und nicken und sind einverstanden.
Aber, was ist jetzt wirklich "das Wesentliche"?
Genau das "zwischen den Spaichen" - ein Philosoph muss ja in Bildern reden, damit wir es überhaupt verstehen können. Also - es sind alles nur Bilder.
Wir finden diese und ähnliche Aussagen überall, man muss nicht zu irgend einem festgelegten Philosophen gehen. Gute Dichter habens auch gewusst.
Clematis
Ich will wirklich in diesem Wust hier nicht schreiben, doch der Laotse-Text ist einfach ganz grosse Klasse. Ich hab ihn mir kopiert.Danke Clemantis, du sprichst mir aus der Seele. Genauso würde ich das interpretieren.
Ich versteh ihn und will versuchen, eine Erklärung abzugeben:
Zwischen den Spaichen eines Rades entsteht das Rad, (Spaichen alleine ergeben kein Rad)
in dem Hohlraum des Kruges entsteht der Krug, (Ton ohne Form kann nicht gefüllt werden)
d. h. ausserhalb der Materie entsteht das Wesentliche, das, was die Wirklichkeit ausmacht. In diesem Sinn ist Materie nur die Stütze, die Möglichkeit, dass etwas Brauchbares entstehen kann.
Ein Dirigent sagte mal, das, was zwischen den Noten ist, ist die Musik!
Vielleicht ist es für jemanden eine Stütze zum Weiterdenken.
Wenn nicht, lasst es so bewenden, bitte.
Clematis
Laotses Worte sollten nur eine Anregung zum eigenen Denken sein.
Eine Gruppen-Diskussion hier im Forum darüber würde überhaupt nichts bringen, denn entweder man denkt selber darüber nach und hat eine "Aha"-Erkenntnis oder man ignoriert diese Sichtweise....
Hallo Clematis
und Danke für die Antwort. Im Prinzip sehen wir das ähnlich, deshalb mein Hinweis auf den Emergenz-Effekt. Einfacher gesagt: das Ganze ist größer als die Summe der Teile, oder: der Krug ist mehr als der Klumpen Ton.
Doch ich halte es für verkehrt, den Hohlraum des Krugs als etwas Eigenständiges zu sehen. Das wäre reiner Mystizismus, dem Hohlraum des Kruges quasi eine eigene Wesenheit zuzuschreiben "das Immaterielle". Die Wesenheit hat er aber nicht, denn er ist nicht nur durch den Ton bedingt, sondern auch noch durch die Form des Tons. Der Hohlraum ist etwas Beliebiges, das durch kleine Änderungen an der Form, nicht einmal am Ton selbst, zu etwas völlig anderem wird. Das könnte man jetzt genauso für Noten und Musik fortsetzen, aber ich denke, es ist klar geworden, was ich aussagen möchte.
Am deutlichsten wird die Gefahr dieser mystischen Sichtweise am menschlichen Geist. Es gibt nicht wenige, die den Geist als etwas vom Gehirn getrenntes verstehen. Dabei kann das nicht funktionieren. Nicht nur, daß der Geist erlischt wenn das Gehirn nicht mehr arbeitet, kleine Änderungen am Gehirn, also an der Form, bringen unter Umständen einen völlig veränderten Geist, eine neue Persönlichkeit hervor. Sicherlich sind Gedanken mehr als die Summe der beteiligten Nervenzellen. Doch sind die Gedanken nur das Ergebnis von Nervenzellen plus elektrischer und chemischer Aktivität. Sie sind ein Produkt. Das ist nur begrenzt mit dem Krug vergleichbar, weil bei den Gedanken eine Rückkoppelungseffekt vorhanden sein muß ohne den wir keinen freien Willen hätten. Doch auch hier wird der Gefahr des Mysizismus deutlich.
det
Materielles kann nicht ohne das Immaterielle existieren.ja Britta, sehe ich genau so. Ich denke mal, Laotse wollte damit nur deutlich machen, ohne das Immaterielle, wie Ideen, Kreativität, Motivation, Innovation usw. wäre das Rad doch nie entstanden. Womit man dann den Wert des Immateriellen, zumindest mit dem Wert des Materiellen gleichsetzen muss. Oftmals wird das Immaterielle ja auch als viel wertvoller betrachtet als das Materielle, z.B. an der Börse liegt der Marktwert von Unternehmen doch sehr häufig um ein vielfaches über dem Buchwert, eben weil das Immaterielle die Zukunft bestimmt.
Man kann das Immaterielle nicht nach den Regeln des Materiellen beweisen , weil es im Immateriellen
keine scharfen Regeln gibt wie im Materiellen, deshalb sind sie ja Gegensätze.
Für mich sind beide gleich wichtig. Das Eine formt das Andere und umgekehrt, weiter kann ich noch
nicht denken.
Damit kann man natürlich nicht die Entstehung des Universums erklären, aber man sollte die Bedeutung des Immateriellen, nicht einfach so beiseite schieben.
Pat
Bleib mir weg, hier auch noch vom Hirn anzufangen!
Da werde ich zutiefst schweigen, hier, ach Gott, in diesem materialistischen Denken.
Ausserdem will ich gar nicht schreiben, was ich weiss. Ich hab genug Prügel hier bekommen, wegen harmloseren Posts. Wenn ich nur an den 3. Oktobr denke.
Wer bin ich denn?
Also: ich wiederhole: Es sind alles nur Bilder (auch das Hirn) für ein grösseres Geschehen. Das wir evtl.durch diese Bilder verstehen lernen. Wer will und wer sein Hirn zur Gymnastik schickt....
Grüsse zu Dir
Clematis
@Mane
Danke für deine Anregung bez. der möglichen Interpretationen. Dem kann in vollhinhaltlich zustimmen.
Ich habe diesen Laotse Spruch im Zusammenhang mit der Entstehung der Welt und unserer menschlichen Sichtweise im Kreislauf des Lebens zu beschreiben versucht.
Ich schrieb, das Nichts ist Etwas - es zeigt uns die Bildhaftigkeit und den materiellen Nutzen erst in der Umwandlung.
Dreißig Speichen gehören zu einer Nabe,
doch erst durch das Nichts in der Mitte kann man sie verwenden; (Laotse)
Es ist demnach nicht nur das Sichtbare (Materie) wichtig, sondern auch das Unsichtbare (Geist und Wille), das ich als Ursprung der Natur sehe. Mit den Kräften dieser "Natur" entsteht dann der ewige Kreislauf des Lebens. Und dieser pulsiert - (ewig?) um die Schöpfung am Leben zu erhalten.
Dazu möchte ich Goethe aus der "Weltseele" zitieren:
Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar stehts Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allem:
Denn alles muß in Nichts verfallen,
Wenn es im Sein beharren will
@Marina
Ich habe mich aus der Diskussion in diesem Thread für eine Weile zurückgezogen, weil ich das Gefühl hatte, nur mißverständlich zu schreiben.
Doch ich freue mich sehr über dein Interesse. Vielleicht helfen dir meine versuchten Erklärungen ein wenig weiter. Viele meiner Gedankengänge wurde ja bereits von anderen Userinnen gut interpretiert.
Laotse läßt sich leider nicht einseitig beurteilen, man braucht schon sehr viel Geduld und Einsicht mit sich selbst, um daraus Impulse für´s eigene Leben zu finden.
Man weiß auch bis heute nicht, ob Laotse alles selbst verfaßt hat oder vieles später hinzukam. Es ist ähnlich wie bei der Person Jesus von Nazareth.
Doch bestimmte Impulse solcher Menschen können das eigene innere Leben sinnhaft erfüllen.
lg
teri
Jetzt hat sich ja eine interessante Diskussion entwickelt, die ich erst einmal in Ruhe lesen muss.
Ich bedanke mich bei allen für die interessanten Beiträge, besonders bedanken möchte ich mich bei Mane, denn durch die Nebeneinanderstellung von mehreren Übersetzungen ist mir einiges klarer geworden: nämlich wie verschieden man diesen schönen Text, der mich sehr anspricht, interpretieren kann und dass er eigentlich sehr anregend ist, weil er so viele Spielarten zulässt und die Gedanken in Schwingung bringen kann. Bei mir zumindest war das beim Lesen dieser verschiedenen Texte so. Und bei Brecht war das wohl auch so, denn er hat ja Laotse mit seinem schönen Gedicht, das ich verlinkt hatte, eine sehr respektvolle Reverenz erwiesen. Ich stell noch einen Link ein mit Erklärungen dazu: Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration
Ich melde mich später nochmal, hatte noch nicht die Zeit, alles genau zu lesen, aber ich freue mich sehr über diese interessante Diskussion.