Religionen-Weltanschauungen Absetzbewegungen aus der katholischen Kirche
ich stimme Dir da in fast allem zu (außer dass ich von der pessimistischen Seite her hoffe, dass die Katastrophe(n) NICHT eintreten), aber darüber hinausgehend glaube ich NICHT, dass die Mehrheit der Menschen ohne Glauben ("Fiktion") auskommt. Allein mit Einsicht und Rationalität erscheint mir keine humane Gesellschaft möglich. Vielleicht leben wir beide ja so lange, dass wir erleben werden, wie es sich entwickelt.Bei der Gelegenheit:
Wenn Menschen aufhören, an Gott zu glauben, glauben sie nicht an nichts – sie glauben an alles Mögliche,
soll Gilbert Keith Chesterton erklärt haben.
Nun ja - beim Schreiben von Pater Brown Geschichten kann man natürlich schon mal auf solche Ideen kommen
Der Unterschied: der Nichtgläubige muss genau mitteilen, woran er nicht glaubt,
er tut es meist verbissen.
Von Dir, Jürgen?
Dann kommts zu meiner Aphorismensammlung.
Was sag ich - dort landets so oder so.
Komm gut durch den Tag
Meiner Meinung nach ist mit Herrn Marx der Falsche zurückgetreten.
Er gehört zu den Anständigen, die ihren christlichen Glauben ernst genommen und auch gelebt haben. Er ist für mehr Demokratie in der Kath. Kirche eingetreten und hat auch gewagt, eine andere Meinung als der Papst zu vertreten. Er hat sich zu seiner Verantwortung bzw. zu seinen falschen Entscheidungen bekannt und sie nicht unter den Teppich gekehrt wie andere. Und er hat für Opfer von sexuellem Missbrauch 500.000 Euro aus seinem Privatvermögen gespendet. Hier sollte sich Herr Woelki mal ein Beispiel nehmen, der denkt gar nicht daran zurückzutreten.
Ich bin zwar evangelisch, aber dieser Rücktritt tut mir leid. Herr Marx hätte das nicht zu tun brauchen, da wären ganz andere in der Kirche gefragt, die mehr Schuld auf sich geladen haben.
Aber mich schreckt es vor dem Zeitpunkt, wenn das Korrektiv eines stabilen Glaubens in sich zusammenfälltWenn Du unter 'Glauben' etwas verstehst, was man im weitesten Sinne mit dem Neo- Wort des Narrativs beschreiben könnte. Der Mensch braucht - so sehe ich das - aufgrund seines Verstands und der damit verbundenen Fähigkeit, sein Überleben durch Vorhersehen und Planen (was wird morgen, was wird am Ende des Lebens sein), so etwas wie eine Vision, Hoffnung, eine Sinngebung, ein Wissen(wollen = Glauben) , ein Ziel, dem er und seine Zeitgenossen sich unterordnen (in 'Ordnung' leben) können.
So wie Du das ja auch siehst.
Hat er das (einen Gewissheit gebenen Glauben) nicht, dann kommt Angst, Unsicherheit auf und er wird immer zunächst nach einem solchen 'tragenden' Rahmengerüst suchen bevor er sich den 'Luxus der persönlichen Freiheit' gönnt. Brutal gesagt, lieber in einer Diktatur (überl-)leben als ein Einzelkämpfer unterzugehen.
Dieses Gerüst können -, wenn eine transzendente Dimension dazukommt - Religionen sein, aber auch sonstige "Staats"-Formen (Stammesstrukturen, Diktaturen). Dazu gehört immer eine starke Führung und dessen Macht sie auszuüben.
Wenn die kirchlichen Machtstrukturen zerbröseln, der Glauben an die Gültigkeits ihres Narrativs (ein Gott- viele Götter - übersinnliche Kräfte), dann muss das aber nicht bedeuten, dass es kein Korrektiv mehr gibt, es sei denn wir liefen alle wie die Eremiten herum, keiner braucht den Anderen und keiner stört keinen.
Es wird immer irgendeinen einen gemeinschaftlichen, von der Mehrheit geteilten Konsens geben (nenn es auch die zusammen praktizierte 'Religion' durch die communio sanctorum) und die dazugehörenden Korrektionsmechanismen , um 'Abweichler' wieder in den "Gleichtritt" zu bringen (zwingen).
Ohne "katholische" Kirche (die ja immer noch im anmassenden Versändnis agiert DIE eigentliche = richtige Kirche der Christen zu sein), wird einiges den Bach runter gehen, aber es ist nicht der Zusammenbruch der Gesellschaft, so völlig ohne Moral, Gewissen, Verhaltenskorrekturen.
2/3 der Bevölkerung halten sich für christlich, gut 1/4 sind Katholiken - wenn dieses Viertel ihren 'stabilen Glauben' woanders finden wollte, würde es wirklich unsere Gesellschaft ernsthaft gefährden ?
Persönlich finde ich die 'Glaubensungewissheit' immer noch - rational wie emotional - herausfordernd/faszinierend: den 4 1/2 Milliarden Jahre alten Urknall und die damit verbundene Vorstellung, dass alle Atome, die es heute gibt, und die jeden Menschen ausmachen, gleich alt sind, und dass ich ein oder mehrere Atome in meinem Körper habe, die vielleicht mal Magma waren oder Teil der Kniescheibe von Karl dem Grossen oder in einer Holzplanke der Arche Noah oder eines Wikingerschiffs ... die kleinen Dinger sind alle immer noch (fast) vollzählig da , werden ständig freigesetzt und woanders wieder eingebaut (das meint ja wohl das Liturgische "Staub zu Staube" oder die Reinkarnation ).😨🐙
Selbst ein Atom ist aus 'unendlich' kleinen Teilchen zusammengesetzt so wie das 'All' auch keine unserem Verstand erkennbaren = endlichen Grenzen hat.
Ich kann die Frage offen lassen - und mich immer wieder daran begeistern (ohne Atome keine Evolution, ohne Evolution gibt es trotzdem immer noch die ursprüngliche Zahl der Atome) - oder mit Glauben beantworten. Eine katholische (oder sonst eine) Kirche braucht es dazu nicht, auch nicht um moralsetzendes, wertekonformes Verhalten zu erzeugen.
Auch Nicht-Christen (selbst 'hard-core Atheisten) müssen, ganz ohne Glaubenskorrektiv, sich anständig benehmen.
Lieber @aixois,
danke für Deinen schönen Beitrag, dessen zweiten Teil man FAST (!) naturreligiös nennen könnte ;-)
Ich habe aber keinesfalls die Meinung vertreten, dass alles den Bach runter ginge, wenn die katholische Kirche implodieren würde. Wenn das so rüberkam, habe ich mich wohl falsch ausgedrückt.
Ich bin aber tatsächlich der Meinung, dass ein großer Teil der Menschheit (ob es die Mehrheit ist, sei dahingestellt) es nicht aushalten würde, plötzlich ohne jede Religion und/oder ohne den Halt einer Gruppen(!)-Spiritualität zu sein. Denn wie Karl ja schrieb, religiöses Suchen ist evolutionär angelegt, und nicht jeder ist in der Lage, dafür auch rationale oder gar materielle Ideen oder Tatsachen zu nutzen. Das wäre vielleicht möglich, wenn das institutionelle Religiöse/Spirituelle über viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte langsam verschwände. Aber der Zerfall (nicht nur der Kirchen!) geht so rasend voran, dass ich da wirklich meine Zweifel habe, ob das für uns alle gut geht.
Ich bin gespannt, was noch auf uns zukommen wird.
Lieben Gruß
DW
Es geht nicht nur darum sich anständig zu verhalten, sondern auch sich einen Leitfaden zu schaffen, um das Leben nicht als etwas von allem als los gelöst sein zu betrachten und damit den Sinn zu verlieren. Hinter dem Begriff "Gott" steckt immer auch eine Drohung, also wichtig genug, um sich darüber Gedanken zu machen.
Es ist doch einfach, einer Religion anzugehören, die auch gleichzeitig mit ihren Geboten das eigenen Gewissen befreit, vielleicht indem man beichtet und losgesprochen wird.
Es bleibt also kaum etwas anderes übrig, als sich eigene Gedanken zu machen- frei von religiösen Vorschriften, die dann das Gegenteil erreichen. Diesen Weg aber muss jeder für sich finden und nicht einfach an eine von Menschen gemachte Überlegung, die dann womöglich in einen Irrweg führt.
Luchs35
Liebe @Rispe,
das alles ist richtig. Aber ich finde GERADE, weil er der Falsche ist, der zurücktrat, ist sein Rücktritt ein unheimlich starkes Signal.
Im Wochenbrief von Prantl (SZ) von heute steht, dass das auch nicht ungeschickt ist: Wenn Franziskus (dem Marx nahe steht und er ihm) den Rücktritt ablehnt, ist das eine Bestätigung des synodalen Weges, für den Marx ja steht, er kann ihn also weitergehen. Wenn Franziskus den Rücktritt annimmt, können sich andere Bischöfe, die "mehr auf dem Kerbholz" haben als Marx, nicht mehr damit rausreden, man gehorche ja nur dem Papst, indem man weitermache. Marx erzwingt (oder auch: ermöglicht) dem Papst nun, zu handeln. Nichtstun kann der Papst nun nicht mehr.
Diese "Logik" mag verquer klingen. Aber als ehemaliger und sehr engagierter Katholik (Mitte der 1970er Jahre trat ich mit 25 Jahren aus der Kirche aus, bis dahin war ich im politischen Katholizismus (Böll und Co.) quasi "zuhause!")) kenne ich dieses Denken, und ich glaube, Prantl hat Recht.
Lieben Gruß
DW
Liebe @Rispe,Ich befürchte, dass das dem Rom-Klerus nicht nur egal ist, sondern er sogar froh ist um jeden kritischen katholischen Würdenträger, der ihnen nicht mehr in die Quere kommt.
das alles ist richtig. Aber ich finde GERADE, weil er der Falsche ist, der zurücktrat, ist sein Rücktritt ein unheimlich starkes Signal.
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DW
Dann wäre ja der Begriff "Gottesbeweis" hinfällig.