Reisen Gesteigertes Fernweh

Guten morgen,
ich wende mich, wieder mal in Form einer Frage, vor allem an die Älteren von uns Älteren, wie mich:

Als ich ein Kind war, war überhaupt nicht daran zu denken, dass ich in meinem Leben wesentlich über mein Umfeld hinauskomme, obwohl man mir erzählte, ich hätte diesen ominösen Onkel in Amerika, was ja auch stimmte.
In späteren Jahren kam man dann sogar ins Ausland, manche Jahrzehnte an die gleiche Stelle, wegen Zufriedenheit.
Was sich dann jedoch entwickelte, war im Rückspiegel gesehen, unglaublich.
Obwohl ich beruflich eher selten irgendwo anders war als hier, muß ich feststellen, dass ich ganz schön rumkam, gemessen an meiner Kindheits-Situation.
Es entwickelte sich fast eine Leidenschaft für Kunstgeschichte und Archäologie, für fremde Kulturen, Tiere, Religionen etc.
Ich stelle aber nun fest, dass ich eher nicht zufrieden bin, was die "Bilanz" meiner Reisen anbetrifft, mein ERlebnisse im Ausland haben meinen Reisehunger verstärkt, enorm.
Heute muß ich allerdings feststellen, dass es sehr beschwerlich geworden ist, also real geht es eher in die Gegenrichtung, ich hab ja auch einen Ehepartner, der nie so gerne rumreiste wie ich es getan haben sollte, so mein Fazit.
Aber so hat mir Reisen zwar ungeheure Erbauung und Freude gemacht, aber die Zufriedenheit ist es nicht so richtig, wenn ich bedenke, was noch sein hätte können.
Ihr seht, ich hab nicht einen einzigen Ort genannt, wo ich war, egal hier, aber es gäbe noch so vieles. Ich finde sogar, heute, dass ich damals eine Berufswahl treffen liess, in Unkenntnis meiner später eintretenden Reiselust, die mich zu wenig in andere Länder geführt hat. Hätte, würde, könnte...
Wie geht es euch bei dieser Überlegung?

Lass Dir mal von einem Reisemuffel sagen, wie ich die Sache sehe! Da ich nicht überall hinreisen kann auf der Welt, noch nicht einmal in Deutschland, um alles gesehen zu haben, reicht es mir, irgendwann irgendwo gewesen zu sein. So war ich mehrmals mit der Familie bei einer Freundin in Reims, aber noch nie 130 km weiter in Paris - musste ich nicht haben. Die Kathedralen aus jener Zeit sehen sowieso fast alle gleich aus...

Allerdings kam ich mit 9 Jahren durch Umzug schon in ein neues Bundesland und mit 56 sogar 600 km weiter nach Sachsen-Anhalt. So gab es immer neue Gegenden zu erkunden, ohne direkt zu verreisen.

Ich werde nie verstehen, dass man alle möglichen Strapazen auf sich nimmt, nur um etwas gesehen zu haben oder - schlimmer noch! - sagen zu können, da war ich schon!

Also sei zufrieden und genieße jeden Tag, es gibt im schönen Bayern sicher auch noch so einiges zu entdecken!!!

LG barbarakary

danke, ein toller Beitrag.
Ich beneide dich, irgendwie, weil du "das" nicht brauchst.

Ich war früher oft alleine im Ausland, später auch mit meinem Mann zusammen.
Mit nachlassender Gesundheit hat sich das rapide geändert, jedenfalls was das Ausland angeht.
Ich wäre z.B. noch gerne mal nach Kanada gereist, das habe ich mir aber abgeschminkt. Wir dürfen beide nicht mehr fliegen.
Was mir noch in der Nase steckt, ist eine Fahrt mit dem Schiff durch die Fjorde, das möchte mein Mann aber nicht, und alleine macht es mir keinen Spaß.
So habe ich das Ausland für mich ad acta gelegt, wir reisen lediglich im Urlaub noch zu deutschen Zielen.
Meine Sehnsucht ist aber nicht so groß, dass dieses Reisen auf dem Sterbebett zu den verpassten Gelegenheiten gehören würde.
Ich bin zufrieden mit dem, was war, alles andere nehme ich als Zugabe.

LG, ff

Diese Problematik ist nicht aufs Thema Reisen beschränkt. Auch auf anderen Gebieten kommt es vor, dass Menschen an Erlebnishunger leiden. Mir ging es ähnlich, als ich in Rente ging, die Lebensphase, auf die ich soviel weitergeschoben hatte, wofür ich in der Erwerbsphase keine Zeit hatte. Mir half da eine psychologische Übung, sich selbst von außen zu betrachten und beraten.
Mein Brief an mich.
Die letzten 3 Zeilen könnten auch für Dich passen:
Du hast viel erreicht,
was noch kommt, sind nur Sahnehäubchen.
Egal, wieviel Du noch tust, es ist gut genug.

Interessante, weil ganz anders gelagerte Beiträge.

Übrigens stört es mich gewaltig, wenn manche angeben, wo sie überall waren und sich sogar als Kenner eines Landes oder einer Region verkaufen wollen, meist ungefragt. Ich hab auch schon erlebt, dass manche in einem für mich völlig neuen Land ignorieren können, wo sie gerade sind und von woanders schwärmen.Absurd.

Ich weiss ja, dass auch ich haushalten muß mit meinen mir noch verbliebenen Möglichkeiten, und schön, wenn so ein Brief an sich selbst helfen kann.

Wir hatten durch den Job meiner Ex-Frau die Möglichkeit, überallhin für "'nen Appel und ein Ei" zu fliegen und ich habe es nur zweimal ausgenutzt. Allein bei der Vorstellung, stundenlang in einer Blechröhre eingesperrt zu sein, ist für mich der Urlaub schon im Eimer. Ich habe viel mehr Freude daran gehabt, mit dem Motorrad in Nordeutschland, Dänemark oder Schweden herumzufahren, statt in der Welt herumzufliegen.

Auch heute noch stelle ich gern, die Gegenfrage, ob mein Gesprächspartner denn schon einmal in Ratzeburg, Sankt Peter-Ording oder gar Niederhaverbeck war, wenn mir jemand von weiß-der-Geier-wo in der Karibik vorschwärmt. Warum sollte ich nach irgendwo, wenn ich noch nicht einmal alle Ecken der Lüneburger Heide kenne?

Beruflich war ich einige Male im Ausland und das hat Spaß gemacht, weil durch die ausländischen Kollegen oder gastgebenden Firmen gleich ein besserer Zugang zum Land entstand. So kam ich auch in Städte, in die ich sonst wohl nicht gereist wäre.

Aber wenn ich es mir aussuchen kann, dann die Nordsee.

det

Interessante unterschiedliche, nein völlig verschiedene Sichtweisen.

mehr davon!

Ich verstehe Dich sehr gut, heigl.

Als ich noch berufstätig war, bin ich immer ein paar Wochen an denselben Ort gefahren, weil ich dachte, so könne ich die kostbare Zeit am besten ausnutzen.

Als ich dann (sehr früh) verrentet wurde, erfüllte ich mir zunächst den Wunsch nach einem Hund.
Da ich meine Tiere nie in fremde Hände geben wollte, war das Thema „Reisen“ dann sowieso für mich erledigt. Mein Mann machte jährlich seine Hochgebirgswanderungen und war damit zufrieden.

Nachdem der dritte Hund verstarb und ich mir diesen Abschiedsschmerz nicht mehr antun wollte, fing auch ich das Reisen an.

Ich muss Dir sagen, je mehr ich verreiste, desto mehr Reiselust entstand.
Zum Glück habe ich nicht das Bedürfnis nach Fernreisen, aber auch Kurzreisen können ganz schön anstrengend und aufregend sein. Und sie erwecken das Bedürfnis nach immer mehr.

@Femmfatale
Du solltest Deinen Mann unbedingt überreden. Da die meisten Fjordreisen in Hamburg beginnen und auch dort enden, ist so eine Reise sehr bequem. Durch den Geiranger Fjord zu fahren ist ein unvergessliches Erlebnis.
Pippa

Du hast Recht, det. Mir sind mehrere Leute bekannt, die sich rühmen, die ganze Welt zu kennen, aber sie waren weder im Harz noch in einem anderen Mittelgebirge und unsere wunderschönen Inseln kennen sie auch nur vom „Hörensagen“.

Immer, wenn ich wieder ein „neues“ Stück Deutschland für mich entdecke, frage ich mich, weshalb ich so schrecklich lange Anfahrten Ankauf nehmen soll.

So ist es mir jetzt gerade über Weihnachten ergangen, was ich in St. Peter - Ording verlebte, welches ich - muss ich zu meiner Schande gestehen - tatsächlich auch noch nicht kannte, obwohl ich Norddeutsche bin.
Pippa