Plaudereien Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
Liebe Mane, Du hättest Deinen Enkel ruhig fragen lassen sollen, warum die Hexe verbrennen musste. und Antworten darauf hättest Du bestimmt auch geben können. Ob die beiden Kinder, Hänsel und Gretel, dabei zugesehen haben, wie sie im Feuer verbrennen musste, ist nicht so direkt überliefert.
In dem Märchen wird berichtet, welch schlimme Dinge die beiden Kinder erleben mussten. Wie alt mögen die beiden gewesen sein? Vielleicht zehn oder zwölf. Die Eltern waren so arm, dass sie nicht genügend Essen für alle hatten. (Vielleicht gab es ja noch jede Menge weitere Geschwister. Die Schwangerschaftsverhütung gab es damals wohl noch nicht.) Also haben sie sich entschlossen, die Kinder in den Wald oder sonstwo hinzubringen, um sie loszuwerden. Vielleicht in der Hoffnung, dass sie schon einen Weg finden würden, für sich selber zu sorgen. Die Eltern haben es sogar zweimal versucht, die beiden loszuwerden. Aber Hänsel - Es hätte genauso gut auch Gretel sein können - war gewarnt und hat nach einer Möglichkeit gesucht, zurück zum elterlichen Heim zu finden. Das funktionierte leider nur beim ersten Mal. Hänsel und Gretel irrten dann umher, bis sie an das Haus der Hexe gelangten, das über und über mit leckeren Lebensmitteln gedeckt war. Die beiden Kinder hatten Hunger und brachen sich etwas zu essen ab,.Das merkte die Hexe, die sofort einen recht perfiden Plan hatte. Sie holte die Kinder ins Haus und sperrte sie in einen Verschlag oder Käfig, aus dem sie nicht wieder herauskamen, Wochen lang. Vielleicht auch Monate lang. Was für ein Albtraum. Die Hexe wollte die Kinder mästen und dann im Ofen braten. Wie furchtbar! Endlich glaubte sie, dass die Kinder allmählich fett genug sein müssten und freute sich schon unheimlich auf den leckeren, saftigen Braten von Menschenfleisch. Das war die Gelegenheit, für die Kinder, dem sicheren Tod zu entgehen. Wie das gelang, wird ja im Märchen berichtet. Ich meine, das war Notwehr. Mitleid für die Hexe ist deswegen nur bedingt angebracht. (War die Hexe überhaupt ein Mensch, oder nur das Böse in Menschengestalt?) Wie anders hätten die Kinder entkommen können? Obendrein wären die Kinder, nach heutigem Rechtsempfinden nicht strafmündig.
Anschließend sind sie sicher, voller Freude und schwer beladen mit Lebensmitteln, wieder zu ihrem Elternhaus zurückgekehrt.
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Hast Du gestern im ZDF die Weihnachtssendung mit Carmen Nebel gesehen? Da wurden Spenden gesammelt für Kinder in Afrika und Indien, die in ganz ganz schlimmen Umständen aufwachsen müssen. Unglaublich aber wahr. Für die wäre es wahrscheinlich toll, wenn sie bloß die böse Hexe ins Feuer schubsen müssten, um aus ihrem Elend herauszukommen.
jacare4
Na ja - das "Hexenverbrennen" hat eine biblische Dimension
(2. Mose 22,17: "Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen.)
wie überhaupt die Bibel an vielen Stellen - ob neues
oder altes Testament - ziemlich sexistisch ist.
Fängt schon bei der Erschaffung von Eva an:
1.Mose 2,18 - "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm
eine Gehilfin machen."
LG
Sam
Als ich mal mit der Jugendmusik (beim 1. öffentlichen Auftritt, den ich ihnen ermöglichte) einen "Einackter" (Kurzfassung von Hänsel und Gretel) aufführte, rief mein damals etwa 4-jähriger Sohnemann im Saal, als ich als Hexe verkleidet den Hänsel in den Ofen schubsen wollte: "Du verdammte Sauhexe". Er hatte mehr Applaus als wir "Schauspieler"!
Hallo Sam, ich bin wirklich sehr froh darüber, dass Gott dem Adam eine Gehilfin gemacht hat. Wäre doch schrecklich, eine Welt, in der es nur Männer gibt. Gut, dass ich eine solche "Gehilfin" nun schon seit fast 60 Jahren an meiner Seite habe, allerdings hat sich über die Jahre herausgestellt, dass ich wohl eher ihr "Gehilfe" bin, bzw. wir helfen uns gegenseitig, wenn´s erforderlich ist.
Auf die Hexenprozesse und -verbrennungen wollte ich voller Absicht nicht eingehen. Das ist ein anderes "böses" Kapitel unserer geschichtlichen Vergangenheit, hat meiner Meinung nach mit dem Geschehen in dem Märchen von Hänsel und Gretel nichts zu tun. In Buxtehude - ich meine, es war dort -- hat man vor Kurzem eine Tafel mit Namen von Frauen und Männern enthüllt, die man in den vergangenen Jahrhunderten der Hexerei beschuldigt und ermordet hat. Diese Tafel soll öffentlich und nachträglich um Vergebung bitten.
Menschen haben schon seltsame Vorstellungen. Psychologen werden dafür wohl Erklärungen finden.
LG. jacare4
Lieber Jacare,
ich könnte meinem Enkel sagen, dass es der „bösen Hexe“ recht geschah, weil sie die Kinder angedroht hatte, sie zu fressen und Gretel keine andere Möglichkeit sah, sich und ihren Bruder zu retten, als die Hexe in den Backofen zu stoßen. Ich finde jedoch, sobald wir darüber sprechen und nach Erklärungen suchen, heben wir die Geschichte auf eine andere, eine realere Ebene. Die Kinder könnten sie auf ihr Leben beziehen.
Viele Märchen haben ihren Ursprung im Mittelalter und die Geschichten sind ein Abbild der damaligen Zustände. Kinder wurden wie Hänsel und Gretel oft sich selbst überlassen. Wenn Frauen sich ungewöhnlich benahmen, konnte es passieren, dass sie als Hexen denunziert wurden und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. So ist die Grausamkeit der Märchen nur eine Darstellung von vergangenen Gegebenheiten, gedacht als Unterhaltung für Erwachsene.
Die geschilderten Grausamkeiten sind meist tatsächliche und real praktizierte Bestrafungen oder Todesurteile gewesen. Da gilt es bei Nachfragen der Kinder zu erklären, dass sich das Menschenbild inzwischen gewandelt hat.
Seit dem 20. Jahrhundert wurden Märchen wissenschaftlich erforscht und Psychologen Märchenpädagogen kamen zu der Überzeugung, dass sie die Entwicklung von Kindern fördern würden. Märchen gelten aufgrund ihrer Kürze und Einfachheit, dem oft glücklichen Ende, bei dem die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden, als eine besonders kindgerechte Gattung. Das Kind könne sich in der Auseinandersetzung mit dem Märchenstoff entwickeln und daran wachsen. Es könne stellvertretend Konflikte durchleben und zugleich würden Märchen die Fantasie anregen.
Ich bin da zwiegespalten.
Die Weihnachtssendung mit Karin Nebel habe ich nicht gesehen.
Bruno Bettelheim sagte: „Wenn unsere Furcht, gefressen zu werden, die greifbare Gestalt einer Hexe annimmt, können wir uns von ihr befreien, indem wir die Hexe im Backofen verbrennen.Da wurden Spenden gesammelt für Kinder in Afrika und Indien, die in ganz ganz schlimmen Umständen aufwachsen müssen. Unglaublich aber wahr. Für die wäre es wahrscheinlich toll, wenn sie bloß die böse Hexe ins Feuer schubsen müssten, um aus ihrem Elend herauszukommen. Jacare
Die Bilderwelt der Märchen vermag den Ängsten des Kindes Gestalt verleihen und ihm Wege aufzeigen, wie sie besiegt werden können.
Leider ist es nicht möglich, reales Leid auf diese Weise zu beseitigen.
Gruß Mane
Ich finde es macht einen großen Unterschied, ob kleine Kinder ein Märchen aus einem Buch vorgelesen bekommen oder es im Fernsehen ansehen. Denn letzteres gibt dem Kind visuelle Szenen von außen vor, während beim Vorlesen die eigene Kreativität des Kindes gefragt ist. Dabei stellt es sich Gesichter und Darsteller auf seine Weise vor, mit der es klar kommt. Im TV hingegen sehen die Gesichter und Masken der Märchendarsteller teilweise sehr bizarr aus, wodurch ich absolut nachvollziehen kann wenn ein Kind davon Angstzustände bekommt.
Daher rate ich grundsätzlich dazu Märchen vorzulesen statt sie im Fernsehen zu zeigen. Auch ich kann mich erinnern wie toll ich es fand, wenn man mir Märchen vorgelesen hat. Bleibende Schäden hat es jedenfalls nicht hinterlassen.
Es ist sogar sehr wichtig, dass man aus einem Buch vorliest, weil Kinder dadurch vor allem auch an Bücher heran geführt werden, eigene Bezüge zu Märchen/Geschichten entwickeln und sich sicherlich auch vieles in ihrer kleinen Welt vorstellen. Da man ja dabei ist, kann man auch immer Fragen gleich beantworten.
Kristine
Hallo Kristine, hallo Sonar,
ich finde auch, dass Kinder mit dem oft brutalen Inhalt von Märchen besser umgehen können, wenn sie sie vorgelesen oder erzählt bekommen. Dann werden Kinder aber meist darauf bestehen, dass diese immer mit den gleichen Worten erzählt werden, sonst wird man schnell korrigiert.
Zitat vonSonar:In diesem Thread wurde schon mehrmals geschrieben: "mir haben Märchen auch nicht geschadet" und darum davon ausgegangen werden könne, dass sie auch den Kindern oder Enkeln nicht schaden würden. Woher wissen wir das so genau? Diesen Satz empfinde ich als Phrase - habe ich ihn doch schon oft bei anderen Gelegenheiten von Menschen gehört, die ihn einfach so daher sagten ohne, meiner Meinung nach, wirklich darüber nachgedacht zu haben. Wenn es die Erziehung von Kindern geht, haben z.B. Ältere oft ganz andere Vorstellung davon, weil sie es selbst anders erlebt haben. Da bekam ich zu hören, dass man Babys schreien lassen solle, weil das die Lungen kräftige oder, dass man sich sonst kleine Tyrannen heranziehe oder, dass ein Klaps auf den Po (oder mehr) den Älteren selbst auch nicht geschadet hätte u.a. Da habe ich so meine Zweifel ob das stimmt. Ich gehe allerdings davon aus, dass die meisten Eltern nichts tun, womit sie ihren Kindern wissentlich schaden könnten. Wir können jedoch auch nicht davon ausgehen, dass das, was uns möglicherweise nicht geschadet hat, auch unseren Kindern oder Enkeln nicht doch schaden würde.
Bleibende Schäden hat es jedenfalls nicht hinterlassen.
Auf Märchen bezogen, deren oft brutale Inhalte und deren Auswirkungen, finde ich, dass sich nicht alle Märchen der Brüder Grimm für kleinere Kinder eignen, besonders die sog. Dunkelgrimm-Märchen. Dort sind die 30 dunkelsten Märchen der Gebrüder Grimm gesammelt, zu denen z.B. Jorinde und Joringel, Blaubart und auch Hänsel und Gretel gehören.
Auch die Struwwelpeter-Geschichten halte ich weder für zeitgemäß noch für pädagogisch wertvoll.
Diese fantastischen, teils absonderlichen und manchmal sogar absurden Storys handeln von rollenden Gebeinen, wiederkehrenden Toten und Begegnungen mit dem Teufel. Für kleinere Kinder sind diese Märchen nicht geeignet - aber Ältere können dabei das Fürchten lernen! Siehe LinkAußerdem reagieren Kinder, je nach Sensibilität, unterschiedlich auf Märchen. Was wir dem einen ohne Bedenken vorlesen können, beschert einem anderen Kind Albträume.
Gruß Mane
Es ist sogar sehr wichtig, dass man aus einem Buch vorliest, weil Kinder dadurch vor allem auch an Bücher heran geführt werden, eigene Bezüge zu Märchen/Geschichten entwickeln und sich sicherlich auch vieles in ihrer kleinen Welt vorstellen. Da man ja dabei ist, kann man auch immer Fragen gleich beantworten.
Ich habe es ja schon mal erzählt ,dass ich in einer Gruppe von älteren Vorleserinnen in unserer Gemeindebücherei bin und die Stunde immer sehr geniesse, wo die neugierigen, kleinen Buben und Mädchen an unseren Lippen hängen und uns zuhören. Sie stellen auch Fragen, die wir natürlich "kindgerecht" auch beantworten. Aber viele Fragen werden sie nach dem Denkprozess auch später ihren Eltern stellen und man darf nur hoffen, dass die sich dann auch die Zeit nehmen, um mit ihren lieben Kleinen darüber zu sprechen.
Kristine
Hier kommt es natürlich dann auch darauf an, ob die Eltern auch lesen oder eine Liebe zum Buch haben. Wie sollten sie sonst Fragen beantworten, wenn ihnen diese Materie völlig unbekannt ist?
Alles in allem ist das ja nur eine sehr kurze Zeitspanne, wo Kindern vorgelesen werden soll und wird. Beginnen sollte man, wenn die ca 3 - 4 Jahre alt sind und zu Ende dürfte es dann nach den ersten Schuljahren sein und insbesondere dann ,wenn sie mit 10 Jahren ihr erstes Smartphone bekommen und sich ihre Interesssenkreise ins Netz verlagern. Olga
Hallo Olga,
welche Märchen lesen Sie den Kindern vor?