Plaudereien Man bereut im Leben nur das, was man nicht getan hat
Liebe Community,
an dieser Stelle möchte ich mich von Herzen für die vielen Beiträge bedanken. Ich war hocherfreut zu sehen, wie viele von Euch bereit waren, etwas oder sogar vieles von sich preis zu geben. Es war bestimmt mutig, solche persoenlichen Geschichten zu teilen und dafuer bedanke ich mich besonders bei den Beteiligten...
Es hat sich gezeigt, daß das Thema tatsächlich viele von uns anspricht und auch zu bewegenden und inspirierenden Diskussionen/Unterhaltung geführt hat.
Nochmals ganz lieben Dank für eure Kooperation und eure Offenheit.
Ich wuensche euch allen ein schoenen Sonntag und freue mich auf weitere bereichernde Gespräche mit euch. 😊❤️
Chris33
ich danke dir für deine klaren worte. ja es ist so, nicht jeder kann sich ganz frei machen von der vergangenheit, vor allem, wenn man immer wieder getriggert wird und der körper, als folge der schlimmen jahre, wieder und wieder sich aufbäumt.
traurig macht mich, dass ich seit einem halben jahr einen antrag auf einen neuen elektrorollstuhl laufen habe, weil der alte nicht mehr geht. und nichts passiert. dass ich heute nicht mehr laufen kann ist auch eine folge von meiner vergangenheit. ich werde tagtäglich daran erinnert.
ich habe viel getan, um endlich frieden zu finden und das wichtigste ist das malen und die bücher, die ich schreibe. aber noch wichtiger sind menschen, die für mich da sind und die mich zum teil schon viele jahre begleiten.
taralenja und co
Da muss ich @Klaro recht geben, lieber schorsch!hallo schorsch,Einfach denken: Das war einmal. Das Jetzt ist jetzt - und das Früher ist erledigt und abgehakt. So mache ich das auch.
so ganz verstehe wir nicht, was wir als abgehakt betrachten sollen. kannst du das genauer beschreiben?
taralenja und co
Solch traumatische Verletzungen hinterlassen zum Teil grosse Narben und je nach Situation, die im späteren Leben passieren kann, gibt es sog. Narbenschmerzen, die sehr weh tun und wieder "gesalbt" werden müssen. Solche Narben können nicht einfach erledigt und abgehakt werden, sondern die zu Narben geführten Ereignisse prägten uns und lassen uns sein wie wir eben sind und hat nichts Negatives!
Jutta
Ich lese diese vielen berührenden Beiträge und bin davon ganz gefangen. Es ist schön, euch so zu erleben.
Ich stelle auch fest, dass meine Annahme, dass mein Elternhaus eine Ausnahme im Miteinander war völlig unberechtigt war. Es sprach wohl nur niemand darüber, so wie auch ich viele Jahre lang nicht über das was ich erlebt habe gesprochen habe.
Jemand von euch, ich glaube es war Schorsch, der stellte fest, dass die Leute "es" wohl gewusst haben. Ich habe das viele Jahre später, als ich die Wohnung meines Vaters nach seinem Tod auflöste, ebenfalls festgestellt. Um uns herum bekamen sie die Gewalt und den Streit mit, aber alle taten so, als ob da nichts wäre. Und als sich meine Mutter ENDLICH 1972 (also noch nach dem alten Recht) scheiden lies, da zerriss man sich noch das Maul darüber.
Ich habe schon im Grundschulalter gelernt, dass ich dafür verantwortlich bin, dass sich meine Eltern nichts gegenseitig antun. Dieses Verantwortungsgefühl wird man nicht los und ist manchmal eine Last - aber es hat mich auch weit getragen, gehört zu mir und ich möchte es inzwischen auch gar nicht mehr anders haben.
Aber zurück zu euch - Ich finde es erschütternd wieviele der Älteren in lieblose, ungeregelte, herzlose Verhältnisse hinein geboren wurden und ... ich finde es berührend zu lesen, was für Menschen aus euch geworden sind.
Ich mag eure Beiträge zu diesem Thema - alle. Jede zeigt so viel Persönlichkeit, dass ich mich frage, ob der Mensch möglicher Weise diese schweren Zeiten braucht um über sich hinaus wachsen zu können und im Erleben Tiefe zu erfahren..
Es kommt selten vor, dass mir m.M. nach die richtigen Worte fehlen. Heute ist das der Fall.
Mich lässt dieses Thema nicht so richtig los.
Nein, ich bereue immer noch nichts. Aber bedauern .. ja, das Bedauern kenne ich.
Ich bedauere, dass ich meinen Mann so spät kennengelernt habe. Mein Mann war da 56 Jahre alt, ich 49 und eigentlich hatte ich erst kurz davor beschlossen alleine in Richtung Alter zu schippern.
Mein Mann war und ist auch heute noch, auch mit seinen Einschränkungen die in Bereichen sind die mir an ihm besonders wertvoll erschienen, der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ohne ihn bin ich nur halb und das obwohl ich ohne ihn sehr gut klar komme. Nein, das ist kein Widerspruch.
Ich bedauere, dass wir nur so kurze Zeit eine gemeinsame Zeit hatten in der wir uns austauschen konnten. Es schmerzt mich, wenn ich darüber nachdenke, also tue ich es möglichst selten.
Aber ich bin auch dankbar darüber, dass er noch da ist, dass er mit jedem Jahr wieder präsenter wurde, dass wir wieder zusammen lachen können und dass wir einander vermissen wenn der andere nicht da ist.
So hängt die Dankbarkeit am Bedauern und umgekehrt. Möglicher Weise nennt man das Glück.
Liebe Zaunkoenigin!
Ich bin ganz gerührt, deine Offenheit erweckt in mir das Bedürfnis, dich zu umarmen. (darf ich das sagen?)
Du hast vieles angesprochen, was mich auch bewegt. Mit den "richtigen Worten" ist das manchmal bei mir nicht so einfach.....
Aber auch deine Geschichte, dass du bedauerst, deinen Mann erst spaet im Leben kennengelernt zu haben und ihr nur eine kurze gemeinsame Zeit hattet, ist traurig.
Dennoch ist es schoen, dass ihr die Zeit, die ihr habt, dankbar miteinander verbringt.
Es ist nicht die Dauer der Zeit, die zählt, sondern die Tiefe und Qualität der Momente, die man teilt und geteilt hat..
Das sind Schätze, die eure Verbindung besonders machen.
Ganz liebe Grüsse
Chris33
Liebe @Jutta,Liebe Rispe,
deine Geschichte ist erschütternd. Wenn ich so sehe, was manche Menschen mitmachen mussten als kleine Kinder, ohne sich wehren zu können (auch @Taralenja1.11), dann werde ich immer besonders dankbar, dass ich eine so relativ behütete Kindheit hatte. Es gab zwar auch Probleme, weil meine Mutter jahrelang krank und ständig in wechselnden Kliniken war, so dass wir Kinder vor allem von Hausangestellten betreut wurden, aber wir wurden gut behandelt, auch von ihnen, mit denen wir großes Glück hatten. Und dass du trotz dieser ausgestandenen Schrecknisse, die sicher Traumatisierungen hinterlassen haben, auf ein gelungenes Leben danach zurückblicken kannst und dann auch noch für deine mitschuldige Mutter gesorgt hast - alle Achtung!
Ich weiß nicht, ob ich dazu fähig gewesen wäre, und ich glaube, eher nicht, ehrlich gesagt.
Danke für deine Worte und Mitgefühl.
Ich habe meine Mutter gerne betreut, denn irgendwie mochte ich sie ja auch. Hätte ich es nicht getan, sondern sie sich selbst überlassen, dann wäre ich ja kein Deut besser gewesen als sie - und ich war/bin anders als sie.
Gruss
Jutta
Es ist nicht die Dauer der Zeit, die zählt, sondern die Tiefe und Qualität der Momente, die man teilt und geteilt hat..
Das sind Schätze, die eure Verbindung besonders machen.
Chris33
Liebe Chris33,
ich denke, wir sollten hier alles sagen können was wertschätzend gemeint ist und ich nehmen diesen Gedanken von Dir sehr gerne an.
Das mit den richtigen Worten Gefühle erklären, das haben wir alle nicht gelernt. Und emotional sollten wir auch nicht sein. Zumindest nicht zu sehr. Woher soll dann diese Fähigkeit auch kommen?
Eine Zeitlang war ich stolz darauf Gefühle hinten an stellen zu können und überwiegend rational zu entscheiden. Zum Glück habe ich recht schnell gemerkt, dass die Symbiose aus Beidem deutlich weiter bringt und Entscheidungen die auf rein rationaler Ebene getroffen wurden ganz schön daneben gehen können. Heute treffe ich keine wichtige Entscheidungen mehr allein aufgrund logischer Überlegungen. Wenn mein Bauch sagt: "da stimmt etwas nicht", dann lasse ich die Finger davon - gleichgültig wie fassungslos mein Gegenüber sein mag.
Durch diese Erfahrung und meinem Versuch rein rational zu agieren habe ich gelernt einiges an Gefühl leichter beschreiben zu können. Aber alles hat seine Grenzen - so wie hier.
Aber wer weiss? Möglicher Weise sind wir nach diesem Strang alle ein klein wenig klüger.
Ich habe bereits vor dem Schlaganfall meines Mannes bedauert ihn nicht schon früher kennengelernt zu haben weil er ein so vielfältiger und warmherziger Mensch war. Aber dann habe ich mich immer mit den Argumenten die Du gerade für mich parat hattest ebenfalls getröstet.
Wir haben ja immer noch Zeit gemeinsam - aber eben lange Zeit ohne einen Ansatz von Sprache. Mein Mann hat eine globale Aphasie und anfangs auch kognitive Einschränkungen mit Erinnerungslücken. Was das bedeutet würde hier den Rahmen sprengen.
Allerdings war ich überrascht und auch erfreut, als ich feststellte, dass sich trotz alledem meine Gefühle für ihn nicht verändert haben. Feststellen zu dürfen, dass man jemand liebt jenseits von jeglichen "vernünftigen/rationalen" Gründen, das ist im Grunde ein großes Geschenk .... denke ich zumindest.
Bis zu unserem Schicksalsschlag habe ich immer die Meinung vertreten, und auch bisher die Erfahrung gemacht, dass jeder "Mist" den ich irgendwann im Leben durchwaten musste für irgend etwas gut war. Manchmal habe ich das erst Jahre später erfahren wozu, aber ich kann mich an keine große Schläge des Lebens erinnern die nichts Positives im Nachhinein mit sich brachten (auch wenn sie manchmal in der Tendenz negativ blieben). Aber jetzt, verflixt und zugenäht, nach 5 Jahren, weiß ich immer noch nicht für was das gut sein soll, dass wir alle unsere Pläne fürs Alter über Bord werfen mussten und noch nicht einmal mehr ordentlich miteinander sprechen können.
Jedenfalls bin ich auf DIESE Erkenntnis gespannt wie ein Flitzbogen. 😶
Und noch eines zum fett markierten: Wer so viele schöne und intensive Momente erleben durfte, der möchte sie nicht mehr hergeben und es bleibt einfach immer ... zu kurz. Man ist halt dann doch ein wenig gierig.
Ein Hoch auf deine Empfindungen.