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Plaudereien Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Der-Waldler

Ja, ich habe mich schon verändert. Der Grundcharakter ist vermutlich geblieben, das, was man "Selbst" nennt. Aber das "Ich", das "Ego" wurde vielen Veränderungen unterzogen; durch mich selbst (lernen!), aber auch durch Erfahrungen mit anderen.

So war ich früher, als Jugendlicher, viel optimistischer als heute. Heute tendiere ich oft zum Pessimismus, versuche, die aber "fröhlich" zu sein ;-)

Früher hatte ich sehr schnell sehr tiefes Vertrauen zu Anderen. Ich bin vorsichtiger geworden, durchaus offen, aber was mein "Tiefstes" betrifft, das kennt nur noch meine Frau, und selbst gute Freunde lasse ich da nicht mehr "ran".

Früher war ich geduldiger, mit anderen, und mit mir selbst. Das ist heute (leider) anders.

Früher war eigentlich alles geprägt von Hoffnung. Ich hatte keine Lebensangst, immer das Gefühl, alles zu schaffen, nie aufzugeben, wenn ich ein Ziel hatte. Heute tendiere ich zur Resignation, bei einzelnen  Projekten, aber auch generell.

Aber das klingt so, als habe ich nur negative Veränderungen an mir wahrgenommen. Es gibt auch Positives. Ich bin gelassener geworden, vermutlich durch sehr lange buddh. Meditation. Ich bin auch achtsamer im Umgang mit anderen, gestehe mir zu, mich in Menschen getäuscht zu haben, im Positiven als auch im Negativen. Was ich heute viel besser und leichter kann, ist, mich entschuldigen! Das fiel mir früher schwer. Heute habe ich keine Probleme damit, jemandem zu sagen, dass ich falsch lag und dass es mir leid tut, ihn oder sie z.B. missverstanden zu haben oder durch Äußerungen verletzt zu haben.

Unverändert  blieb meine wirklich starke Aversion gegen Besserwisser, Klug***eißer, arrogante und intolerante Menschen und vor allem gegen Menschen, die meinen, die Wahrheit mit Schaulöffeln gefuttert zu haben, und nur sie haben recht. Das kann mich wirklich auch heute noch auf die Barrikaden bringen. Alles hat ZWEI Seiten (mindestens), das habe ich schon vor 60 Jahren gedacht und denke es nach wie vor.

Unverändert ist weiterhin, dass ich ein alter "Linksliberaler" bin (in Sinne der Brandt-SPD), dass meine Ideale mit 20, 30 auch heute noch Bestand haben, selbst wenn ich manchmal resigniere oder zu resignieren drohe. Ich war 1983 in Bonn bei der Großdemo dabei, und hätte ich Kraft und Herzgesundheit, stünde ich auch heute in manch einer Demo.

Schönes Thema...

DW

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.04.2022, 09:13:11
freut mich, dass sich bei dir persönlich offensichtlich nichts verändert hat, oder hab ich das falsch zwischen den Zeilen gelesen.
Es ist ja auch ein Unterschied, kleine Anpassungschrittchen zu betrachten oder Weichenstellungen, Prinzipientreue oder Umlernverweigerung.
Ich habe keine Ahnung, wie du das aus meinem Beitrag herauslesen konntest. Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die sich im Laufe ihres Lebens kaum verändern, denke aber nicht, dass das der Normalfall ist. Mein Beitrag war eine Reaktion auf einen anderen, in dem gesagt wurde:
Ich glaube nicht, Jürgen, dass man sich im Laufe seines Lebens wesentlich verändern kann. Wer sich selbst gut reflektieren kann und einen Selbsterfahrungsweg geht, lernt möglicherweise mit seinen Mustern und Prägungen besser umzugehen. Aber der Charakter und die Wesensart bzw. das Temperament werden sich nicht ändern, höchstens zügeln lassen. […]
Ich denke, dass ich nachvollziehbar begründet habe, warum das falsch ist. Allerdings glaube ich auch, dass jemand, der die Möglichkeiten zur Veränderung so schlecht einschätzt, sich selbst auch nicht ändern kann.
geschrieben von det

Hallo, det,

ich glaube, Du und Roanna redet von zwei verschiedenen Dingen. Die STRUKTUR des Individuums, das, was sein "Wesen" (Selbst) ausmacht, das ist meiner Meinung, Erfahrung und meiner Ausbildung und Berufspraxis nach tatsächlich kaum veränderbar.

Wenn man aber "wesentlich" als "wichtig", "gravierend" versteht, dann ist auch Wichtiges, Gravierendes veränderbar.

Aber ich glaube, so wie ich Roxanna zu kennen meine, dass es ihr um das "Tiefste", um das das Selbst, man könnte es auch sagen: um die "Basis" geht, der sich aus der Erfahrungen der ersten 1-2 Lebensjahre speist UND aus der Genetik, die man nicht vernachlässigen sollte.

LG

DW
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Der-Waldler vom 12.04.2022, 11:00:52

Hallo DW

Das Thema sagt mir ebenfalls zu, wenn ich auch aus guten Gründen wesentlichlich zurückhaltender geworden bin hier im Forum von mir zu berichten.

Die Eingangsfrage von Jürgen ist auch spannend hinsichtlich Moralvorstellungen: Warum wird mancher Saulus zum Paulus oder umgekehrt?

Kohlberg sieht da auch Entwicklungsstufen.
Die Stufen des Moralbewusstseins entsprechen dabei verschiedenen Stufen einer Entwicklung der kognitiven Prozesse, mit denen ein Mensch moralische Konfliktfälle und Fragen beantwortet. Der wesentliche Bereich, in dem sich die Entwicklung dabei vollzieht, liegt in der Fähigkeit des Menschen, sich in die Lage anderer Menschen hinein zu versetzen (Perspektivenübernahme).

Dets Ausführungen sind durchaus auch angebracht in diesem Thread. Da spielen dann allerdings Persönlichkeitsveränderungen eine Rolle, die häufig organische Ursachen haben wie z B Demenz..

Gruss
Mareike

 


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RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 12.04.2022, 11:06:15
[...]

Hallo, det,

ich glaube, Du und Roanna redet von zwei verschiedenen Dingen. Die STRUKTUR des Individuums, das, was sein "Wesen" (Selbst) ausmacht, das ist meiner Meinung, Erfahrung und meiner Ausbildung und Berufspraxis nach tatsächlich kaum veränderbar.

Wenn man aber "wesentlich" als "wichtig", "gravierend" versteht, dann ist auch Wichtiges, Gravierendes veränderbar.

Aber ich glaube, so wie ich Roxanna zu kennen meine, dass es ihr um das "Tiefste", um das das Selbst, man könnte es auch sagen: um die "Basis" geht, der sich aus der Erfahrungen der ersten 1-2 Lebensjahre speist UND aus der Genetik, die man nicht vernachlässigen sollte.

LG

DW
Hi DW,

leider sind "Struktur" oder "Selbst" recht schwammige Begriffe und wir müssten erst einmal genau klären, was du darunter verstehst. Zum "Selbst" kann ich nur sagen, dass meines Wissens nach die Bewusstseinsforschung keine genaue Vorstellung davon hat und dass die verschiedenen Ansätze recht unterschiedlich sind.

Was nun die Veränderbarkeit angeht möchte ich noch einmal auf meine Beispiele verweisen. Wenn eine chron. Depression einen vorher lebenslustigen Menschen in einen Einsiedler verwandelt, der mit dem Treiben "draußen" nicht mehr zu Rande kommt, was ist dann seine wahre Struktur? Ist er eigentlich lebenslustig und wird das nur von der Krankheit verdeckt? Oder ist er jetzt nicht mehr lebenslustig und hat sich grundlegend verändert, weil "chron. Krankheit" leicht auch "irreversibel" bedeuten kann? 

Zweites Beispiel ist die Sucht, sei sie stofflich und oder nicht. Ein Mensch, der sich daraus lösen will, muss in der Lage sein, seine gesamte Persönlichkeit, sein Denken, selbst seine intuitiven Reaktionen zu verändern. Die geringe Erfolgsquote beweist, wie schwer das ist, aber die Erfolgsquote beweist auch, dass es möglich ist. Das würde auch dem Hinweis auf die Genetik deutlich widersprechen.

Ich bin überzeugt, dass einschneidende Erlebnisse einen Menschen von Grund auf verändern können.
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.04.2022, 12:08:53

Hallo, det,

solche Erfahrungen wie Krankheit (Depression) und Sucht verändern. Aber ob sie die "Basis", die ich ja definierte, verändern, das wage ich zu bezweifeln. Ich bin ziemlich sicher, dass der Mensch nach Depressions-, schweren Missbrauchs- und Suchterfahrungen zwar als ein "Anderer" aus dieser Erfahrung hervorgeht, aber auch dann eine Basis hat, die in der ganz frühen Kindheit und durch genetische Bedingungen gelegt wurde.

Aber darum geht es ja m.M.n. auch gar nicht. Wir könnten natürlich hier auch das "Anattâ-Problem" des Buddhismus durchkauen, aber auch darum geht es nicht. Es geht um die für uns individuell maßgeblichen Veränderungen, die im Laufe unseres Lebens sich vollziehen. Ich glaube, darauf wollte @JuergenS hinaus, wenn ich ihn nicht ganz falsch verstanden habe, und nicht auf Extreme.

Ich möchte (und werde) aber nun Jürgens Wunsch respektieren, der ja hier keine inhaltliche und schon gar keine wertende Diskussion wollte, sondern einfach mal erfahren, wie das "bei uns alles so war".

Gruss

vom Waldler

JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.04.2022, 12:08:53

Wissenschaftlich zu reagieren ist ja ganz schön und recht, aber da muss ich passen, denn in Geisteswissenschaften bin ich ganz schlecht.
Das hat sich in meinem Leben auch nicht "verändert", liegt wohl daran, dass ich zeitlebens technisch tätig war, begonnen mit Basteln als Kind, Reparaturen an Geräten gelernt, später welche entwickelt, resp. modifiziert, verbessert, verbilligt etc., sogar "Leiten" gelernt.


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RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 12.04.2022, 12:25:41
Hallo, det,

solche Erfahrungen wie Krankheit (Depression) und Sucht verändern. Aber ob sie die "Basis", die ich ja definierte, verändern, das wage ich zu bezweifeln. Ich bin ziemlich sicher, dass der Mensch nach Depressions-, schweren Missbrauchs- und Suchterfahrungen zwar als ein "Anderer" aus dieser Erfahrung hervorgeht, aber auch dann eine Basis hat, die in der ganz frühen Kindheit und durch genetische Bedingungen gelegt wurde.

Aber darum geht es ja m.M.n. auch gar nicht. Wir könnten natürlich hier auch das "Anattâ-Problem" des Buddhismus durchkauen, aber auch darum geht es nicht. Es geht um die für uns individuell maßgeblichen Veränderungen, die im Laufe unseres Lebens sich vollziehen. Ich glaube, darauf wollte @JuergenS hinaus, wenn ich ihn nicht ganz falsch verstanden habe, und nicht auf Extreme.

Ich möchte (und werde) aber nun Jürgens Wunsch respektieren, der ja hier keine inhaltliche und schon gar keine wertende Diskussion wollte, sondern einfach mal erfahren, wie das "bei uns alles so war".

Gruss

vom Waldler
Hi,

ich sehe ehrlich gesagt keine Definition, denn ich bin immer noch nicht sicher, was du mit der „Basis“ meinst. Meiner Ansicht nach dürfen wir die Extreme nicht ausklammern. Ein Mensch, der keinen großen Druck zu einschneidender Veränderung hat, der wird das vermutlich auch nicht tun. Warum auch? Es gibt aber sehr viele Menschen, die unter diesem Druck stehen und ich verstehe nicht, warum man das ignorieren sollte. Schließlich sind sie der lebende Beweis dafür, was alles möglich ist.

Müsste es nach deiner Definition dann nicht heißen: "Eine Veränderung ist nicht möglich - wenn wir dies, das und jenes nicht berücksichtigen"?
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Der-Waldler vom 12.04.2022, 12:25:41

"Wie das bei uns alles so war?"

Es fällt mir schwer abzurufen, wie ich in meinen ersten Lebensjahren so war.
Ich weiß aus Erzählungen der Eltern und Geschwistern von einigen prägenden Umständen.
Und Mutters Beschreibung: Meine ältere Schwester wurde als spontan beschrieben, ich als einfühlsam ...

Besser kann ich beschreiben, wie das bei den eigenen Kindern so war.
Da würde ich schon sagen, dass da von Anfang an WESENTLICHES spürbar war.
Ich habe mich in der Er- besser Be-ziehung nach Kräften bemüht dieses Wesentliche anzuerkennen und Raum zu geben.
Sie haben sich tatsächlich als sehr eigenständige und total unterschiedliche Persönlichkeiten entwickelt.

RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Um eine wenig die Dramatik aus der Diskussion zu nehmen, möchte ich einen wichtigen Hinweis anfügen. Egal wie weitgehend man sich im Leben verändert hat, es kann ganz leicht wieder rückgängig gemacht werden. 

Wattestäbchen zu tief ins Ohr gesteckt: Mann setzt sich versehentlich auf Werkseinstellung zurück

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Haben wir uns im Laufe des Lebens wesentlich verändert
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.04.2022, 12:38:23

Hallo, det,

ich habe doch nun über meine eigenen Veränderungen genug geschrieben.

Ich habe geschrieben, was ich unter Basis verstehe, nämlich frühkindliche Erfahrungen und genetische Prädispositionen.

Es ist hier im Forum bekannt, dass ich als Therapeut mit Menschen mit schweren seelischen Erkrankungen gearbeitet habe, was meine Sicht darauf natürlich mitgeprägt hat.

Ich habe irgendwo irgendwann hier auch mal erwähnt, dass ich selbst mal eine schwere (!) depressive Episode durchleben musste, auch das beeinflusste mein Leben und meine Lebenseinstellung.

Ich schreibe aufgrund MEINER Erfahrungen.

Ich verstehe aber langsam nicht mehr, worauf Du hinaus willst. Meine Erfahrungen sind andere als die Deinen. Gerade was dieses Thema angeht, gibt es keine allgemeine Wahrheiten, sondern so viele Wahrheiten wie es Menschen gibt.

DW


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