Plaudereien Das Aufschreiben von Lebensgeschichten als Hilfe für sich und andere
Aber sicher, liebe Gillian, verstehe ich, dass Sie dies für Ihre Familie schriftlich niederlegen wollen. Aber oft habe ich halt auch den Verdacht, dass es Menschen gibt, die ihre eigene Familiengeschichte in Buch "pressen" möchten und dann auch noch hoffen, einen Bestseller daraus zu machen. Diese Leute sollte man schon im Vorfeld vor sicher eintretenden Enttäuschungen bewahren. Es gibt zu viele Bücher in diesem Genre, die dann als Billigsbuch bei Amazon landen oder am Wühltisch von Kaufhof. Auch mein Bruder und ich haben unsere Mutter bis zum Schluss "ausgefragt", dann aber auch festgestellt, dass im hohen Alter die Erinnerungen trügerisch wurden. In einem Menschenleben (meine Mutter wurde 92 Jahre alt) passiert halt viel; insbesondere in dieser Generation meiner Mutter, die ja Jahrzehnte hart daran arbeitete, zu verdrängen, was der Einzelne in der Nazi-Zeit so machte, bzw. nicht machte. Olga
Heutige Senioren, die vor oder in der Kriegszeit geboren wurden, haben soviel zu erzählen! Ich durfte heute einen solche Bericht lesen, in dem der Überlebenskampf von "streunenden", elternlosen Kindern in Ostpreußen geschildert wird. Die Überlieferung solcher Schilderungen ist von ungeheurem Wert für die nachwachsenden Generationen, die solche Kriegsfolgen kennen müssen, um zu verstehen, warum Kriege zu verhindern sind. Ich ermutige alle, die aus dieser Zeit berichten können, dies zu tun!
Karl
Karl
Re: Das Aufschreiben von Lebensgeschichten als Hilfe für sich und andere
An diesem Thema haben einige Leute ihre Traumata verarbeitet - oder ganz einfach ihre Sehnsüchte wachgehalten:
Arno Sruminski: Jokehnen
Marion Gräfin Dönhoff: Namen, die keiner mehr nennt.
Arno Sruminski: Jokehnen
Marion Gräfin Dönhoff: Namen, die keiner mehr nennt.
hier wird meistens nur von den mangelnden Fragen der "Jugend" an die Eltern geschrieben. Bei mir war es leider umgekehrt....da hiess es, wenn ich Fragen stellte:"Das verstehst Du nicht" oder "dafür bist Du noch zu jung" und dergleichen mehr. Obendrein hatte und hat meine Mutter das Naturell, dass sie alles verdrängt, was sie nicht wahr haben möchte. Egal ob es in der Vergangenheit war oder ob es jetzige Vorfälle sind. Trotzdem hatte ich als Kind "lange Ohren" und habe oftmals den Gesprächen der Erwachsenen gelauscht, heimlich....und so habe ich einige Situationen, Gefühle, bestimmte Ereignisse erfahren.
Meine Nachbarin - jetzt 84 Jahre - bekam von ihrer Enkelin ein Buch "Oma, erzähl mal" und sie ist begeistert dabei dieses Buch zu füllen.
Meine Nachbarin - jetzt 84 Jahre - bekam von ihrer Enkelin ein Buch "Oma, erzähl mal" und sie ist begeistert dabei dieses Buch zu füllen.
Re: Das Aufschreiben von Lebensgeschichten als Hilfe für sich und andere
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Tatsächlich ein Buch daraus zu machen ist aufwändig - vor allem, wenn man damit keine Erfahrung hat.
Dies gilt auch für PoD-Verfahren, bei denen man Unterstützung von einschlägigen Druckereien bekommen kann.
Niemand sollte sich aber hindern lassen, seine Geschichte(n) aufzuschreiben.
Auch für den familiären Privatgebrauch als Loseblattsammlung hat das seinen Wert.
Vielen Menschen ist das Aufschreiben jedoch zu mühevoll (auch weil sie sich unter
literarischem Leistungsdruck fühlen).
Wir haben mit dem Aufzeichnen von Erzählungen als Tondokument sehr gute Erfahrungen gemacht.
Meist wird das Mikro schnell vergessen und die Geschichte wird so lebendig erzählt,
als wäre es keine Aufnahme. Es hilft, wenn ein Gegenüber am Tisch sitzt, dem erzählt wird.
Ob dann hinterher weiterbearbeitet wird, oder alles im Original erhalten bleibt,
kann jeder selbst entscheiden.
Noch 2 Beispiele aus meinem eigenen Umfeld:
Als meine Freundin vor 20 Jahren als Schreinerin nach Australien auswanderte, haben wir uns besprochene Kassetten geschickt, weil uns beiden lange Briefe zu mühevoll waren. Leider ist das eingeschlafen, seit es Emails gibt und wir uns täglich schnell unsere Gedanken zufunken können. Viele Bänder sind aber noch erhalten und wir konvertieren diese gerade zu mp3.
Dabei hören wir uns natürlich auch alte Kassettenbriefe von damals an und es kommen so viele vergessene Details der Auswanderei zum Vorschein - spannend!
Meine Tante hat 1965 in die DDR hinübergeheiratet - was tatsächlich etwas ungewöhnlich war - und nach einer Weile angefangen, kleine Alltagsgeschichten aus dem Leben in der DDR aufzuschreiben. Jede Geschichte höchstens 1 Schreibmaschinenseite lang. Sie hat das vor ihrem Mann und ihrer Familie dort verborgen, weil sie fürchtete, dass sie ausgelacht wird mit ihren "banalen" Geschichten. Jetzt haben wir Anfragen von 2 namhaften Archiven, denn es sind natürlich wertvolle kleine Zeitzeugenberichte.
Sorella
Re: Das Aufschreiben von Lebensgeschichten als Hilfe für sich und andere
Ich danke Euch allen für Eure Beiträge. Ihr habt mir und meinen Mitstreitern
in unserer Geschichtsgruppe Mut gemacht, in der bisherigen Weise wie in den letzten Jahren weiterzumachen. Es lohnt sich selbst im Verhältnis zu den jüngeren Leuten, denn irgendwann kommen die auch dahin, sich für die Vergangenheit zu interessieren, in der Krieg und die Zeit des Mangels danach eine so lebenswichtige Rolle gespielt haben. Und wenn man dann das Glück hat wie wir, eine von einem nicht mehr lebenden Zeitgenossen geschriebene Familienchronik in die Hände zu bekommen, dann ist das ein höchst seltener Zufall. Ein Oberstudienrat hatte auf 500 Seiten all das aufgeschrieben, was in seiner Familie und in unserem Dorf von 1915 bis 1988 passiert ist. Da fehlt insbesondere auch nicht die detaillierte und gut begründete Darstellung, weshalb damals alle dem Hitler hinterhergelaufen sind. Authentischer kann selbst eine mündliche Zeitzeugenaussage nicht sein.
Ich ermutige vor allem die Jüngeren, ihre älteren Familienangehörigen dabei zu unterstützen, sie zu befragen, Euren iPod mitlaufen zu lassen, alte Familienfotos einzuscannen und möglichst auch noch die Erzählungen von Oma und Opa im PC festzuhalten. Wenn Ihr selbst älter geworden seid, könnt Ihr das ja alles ins richtige Format bringen. Nur Mut.
Grüße vom Silberfuchs aus Bremen.
in unserer Geschichtsgruppe Mut gemacht, in der bisherigen Weise wie in den letzten Jahren weiterzumachen. Es lohnt sich selbst im Verhältnis zu den jüngeren Leuten, denn irgendwann kommen die auch dahin, sich für die Vergangenheit zu interessieren, in der Krieg und die Zeit des Mangels danach eine so lebenswichtige Rolle gespielt haben. Und wenn man dann das Glück hat wie wir, eine von einem nicht mehr lebenden Zeitgenossen geschriebene Familienchronik in die Hände zu bekommen, dann ist das ein höchst seltener Zufall. Ein Oberstudienrat hatte auf 500 Seiten all das aufgeschrieben, was in seiner Familie und in unserem Dorf von 1915 bis 1988 passiert ist. Da fehlt insbesondere auch nicht die detaillierte und gut begründete Darstellung, weshalb damals alle dem Hitler hinterhergelaufen sind. Authentischer kann selbst eine mündliche Zeitzeugenaussage nicht sein.
Ich ermutige vor allem die Jüngeren, ihre älteren Familienangehörigen dabei zu unterstützen, sie zu befragen, Euren iPod mitlaufen zu lassen, alte Familienfotos einzuscannen und möglichst auch noch die Erzählungen von Oma und Opa im PC festzuhalten. Wenn Ihr selbst älter geworden seid, könnt Ihr das ja alles ins richtige Format bringen. Nur Mut.
Grüße vom Silberfuchs aus Bremen.
Das habe ich im Laufe eines Jahres so gemacht: Alle Familienfotos, Familienbüchlein, Briefe, selber geknipste und gefilmte Familienfeste, die Orte unserer Zuhauses gefilmt und kommentiert, meine eigenen Auftritte in TV/Presse, usw. Und das hat alles auf 2 DVDs Platz gefunden - inklusive meines eigenen Nachrufes - damit meine Hinterlassenen nicht mal hektisch etwas basteln müssen.