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Plaudereien alt werden macht spaß? alles lüge

loretta
loretta
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von loretta
als Antwort auf Mary-Lou vom 19.01.2011, 19:11:33
Wenn man mit einer kleinen Rente auskommen muss, sieht es mit dem Spaß gleich ganz anders aus. Oder wenn der Kopf nicht mehr so richtig mitmacht. Da ist es mit dem Spaß schnell vorbei.

Mary-Lou


Genau das, nur etwas ausführlicher, hatte ich heute um 10:07 h in meinem Beitrag geschrieben.

Die einzige ... und wirklich die einzige, die darauf eingegangen ist, war meli.
Warum eigentlich?

Niemand hat auch nur den Hauch eines Versuches gemacht, dieses Problem anzupacken.
Angst oder Ignoranz?

Redet ihr euch das Alter schön und habt ihr Angst der Realität ins Auge zu sehen?

loretta
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von lalelu
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 19:34:11
Ich habe die Sendung nicht gesehen, mir aber alle Beiträge dieses Threads durchgelesen.

Ich gehöre zu denen, die es weder besonders spaßig finden, alt zu werden, die aber andererseits auch keine Angst davor haben. Da ich es sowieso nicht ändern kann, versuche ich, die positiven Aspekte zu sehen.

Morgens im Bad schaut mir zwar kein jugendliches Gesicht aus dem Spiegel entgegen, sondern eins mit Falten - so what? Manchmal bin ich versucht zu sagen: Nice to meet you, weil ich mich anders in Erinnerung habe. Dafür kann ich meistens schlafen, bis ich von alleine wach werde und in aller Ruhe gemütlich frühstücken - wenn mir gerade danach ist, auch im Bademantel.

Es gibt freie Stellen auf meinem Terminkalender; in diesen freien Zeiten kann ich tun und lassen, was ich möchte, ohne dauernd auf die Uhr zu schauen.

Ich bin froh und dankbar, dass ich bis jetzt ziemlich gesund bin, dass mein Verstand noch funktioniert (denke ich zumindest) und dass ich mein Leben selbstbestimmt genießen kann. Solange mich nur ab und zu ein Zipperlein plagt, sehe ich keinen Grund zu jammern. Es gibt sogar sehr junge Menschen, die sehr viel schlechter dran sind.

Der Gedanke, dass ich eines Tages schlimm krank werden könnte, dass ich dement werde und vielleicht nicht mehr selbst für mich sorgen kann, beschleicht mich auch hin und wieder – Loretta, ich weiß, wie schlimm das werden kann, weil meine Schwiegermutter hochgradig dement war. Trotzdem lebe ich nach dem Motto: Carpe diem! Grübeln darüber, wie schlimm es kommen könnte und die Angst davor hilft doch nicht weiter und verbessert nichts. Ich habe für einen solchen Fall vorsorglich alles geregelt, hoffe aber, dass die Vorsorge unnötig war, weil ich irgendwann lachend umfalle und mich von dieser Welt verabschiede.

Das Einzige, was mich wirklich betrübt, ist die Tatsache, dass ich in diesem Leben unmöglich noch alles tun und sehen kann, was ich gerne möchte. Die verbleibende Zeit wird immer knapper und kostbarer, je älter man wird – und schließlich merkt man, dass man nicht alle seine Vorsätze in die Tat umsetzen konnte. Werner Bergengruen hat es treffend in einem Gedicht beschrieben: Leben eines Mannes. Wer will, kann es lesen.

Lalelu
nasti
nasti
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von nasti
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 19:34:11
Hi Loretta

ich beschäftige mich auch nicht mir solche unangenehme Themen so lange, wie ich am ende ein Hinweis bekomme---jaaa, jetzt muss du....

Ob das hilft???? Ich habe mir vorgestellt, wie ich mit Demenz nach ein Heim werde abgeliefert....mein Körper friert einfach ein von Schreck.....
Ich habe gegen Tod keine Angst----das ist schon bewiesen, das stimmt, das weiss ich 100%.....
Tod ist eine natürliche Sache, alle unsere Vorfahren sind gegangen, etc...

Aber Demenz-------das ist das unmenschlichste Krankheit ---lieber Krebs, Cholera oder egal was.....nur NICHT Demenz.
Ob wir genügend Geld besitzen dafür menschlich behandelt werden? Es ist TOTAL egal, der demente kriegt garnichts mit--ob in Zimmer mit 10 Leute oder allein....da spielt das liebe Geld keine Rolle.
Nur in Augen der Familie....nicht in Augen der Dementen.....

Die größte Belastung für die Familie ist ein demente Mensch.....das gönne ich nicht für meine Kinder.....

Ich habe so ein Angst gegen Demenz, das von Angst von Angst kann ich wirklich so enden.....

Auch die Gedanke für ein normalen Heim macht mir Angst.....lieber eine Apokalypse---aber nur für mich, nicht für die Welt

Nasti

Einfach das Kopf in Sand stecken wie ein Pelikan........






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loretta
loretta
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von loretta
als Antwort auf nasti vom 19.01.2011, 20:04:44
lalelu, danke für deine Gedanken, ich habe dich lange nicht gelesen. Ich beschäftige mich übrigens nicht länger als nötig mit derlei Gedanken. Allerdings hat sich mein Denken nach der Demenz meiner verstorbenen Muter stark verändert. Und wahrscheinlich hat mich gestern Frontal21 wieder in die Realtiät, was das Alter anbelangt, zurückgeholt.

liebe nasti, du musst nicht diese Angst haben, wie du sie äußerst - in erster Linie deine Kinder betreffend. Sie werden es psychisch packen, genau wie ich es gepackt habe und viele tausend Menschen auch, die trotz der Demenz ihre Eltern in lieber Erinnerung behalten, denn sie waren ja mal anders. Jung, taff und sie haben ihre Kinder liebevoll groß gezogen, das vergisst man nicht.

Das Gute ist, man selbst empfindet das alles gar nicht so krass.
Ein Brief einer Dementen an ihr Pflegepersonal:

Guten Tag,
ich glaube ich bin die Frau Meier-Müller-Schulze, oder jetzt gerade doch lieber Anna.
Momentan fühle ich mich richtig wohl, wenn du mich duzt. Dann fühle ich mich dir sehr nahe stehend. Manchmal finde ich es aber sehr unhöflich, dass Sie mich duzen.

Sicherlich ist es nicht gerade einfach für dich herauszufinden, was mir gerade ganz gut tut. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich dir sage, dass dies eigentlich ganz einfach ist:

Wechseln Sie die Perspektive, versuch die Welt durch meine Augen zu sehen.
Sicher – ich bin wohl häufig sehr eigenartig. Finde nicht die richtigen Worte, erzähle für Sie unsinnige Dinge, matsche mit meinem Essen, fülle Getränke um, streichle tote Gegenstände.

Du weißt schon- all die vielen Dinge von denen Sie mich intuitiv abhalten wollen “weil man doch so etwas nicht tut.

Aber in meinem Kopf ergibt dies alles einen Sinn. Es ist so schade, dass dieser dir meistens verborgen bleibt.

Nehmen Sie sich Zeit mich zu beobachten und du wirst feststellen, dass ich nicht das Gefühl habe, etwas Unsinniges und Dummes zu tun. Dieses Gefühl stellt sich immer dann ein, wenn Sie mir zeigen oder sagen, dass ich etwas nicht Richtiges tue, sage oder fühle.

Du möchtest doch auch nicht ständig in Frage gestellt werden.
Ich gebe ja zu, dass ich über 7 Jahrzehnte gedacht und gehandelt habe wie Sie.
Doch dies ist nun vorbei und ich fühle mich gar nicht so schlecht damit.
All die vergangenen Jahre war es kein Problem mich „normal“ zu benehmen, heute finde ich aber auch alles normal, nur Sie und die anderen sagen mir es sei nicht richtig was ich tue.

Die Zeit in der mir Bewusst war, dass etwas nicht stimmt mit mir, war sehr schwer. Für meine Angehörigen und auch für mich.

Meine Familie konnte nicht verstehen, wenn ich stur auf meine Aussage beharrt habe. Wie sollte sie auch verstehen? Vielleicht fällt dies einfacher, wenn man die Perspektive wechselt.

Stell dir vor man erzählt ihnen, dass gestern Besuch zum Kaffee da war, du kannst dich aber beim besten Willen nicht daran erinnern. Sagen sie ihren Angehörigen dies, werden diese aber auf der Tatsache bestehen, dass der Besuch anwesend war. Wie würden sie denn nun reagieren? Vermutlich ziemlich aufgebracht. Da versucht ihnen doch jeder irgendetwas einzureden.

Doch eins hat sich zu früher nicht verändert: alles was ich tue, denke, sage, fühle hat für mich einen Sinn. Nur deine Reaktion darauf verunsichert mich meistens.
Ich verstehe nicht, was ich falsch mache, auch wenn Sie es mir erklären.
Man sagt Alte werden wie Kinder.

Ich bin aber kein Kind, ich bin eine gestandene, demenziell veränderte Persönlichkeit mit zugegeben häufig eigenartigen Verhaltensweisen. Bitte nimm mich ernst.
Sprechen Sie nicht so von oben herab mit mir, komm hinunter, schauen Sie mir in die Augen.

Lass mir Zeit Ihre Ansagen in mein Tempo umzusetzen. Wenn du mir sagst ich soll essen, weiß ich vielleicht, dass die Gabel in den Mund gehört. Aber ich habe vergessen wie das geht.

Geben Sie mir Hilfestellung, führe langsam meine Hand.
Lassen Sie es mich aber auf alle Fälle immer wieder alleine versuchen.
Respektiere aber auch einmal ein Nein, ich möchte nicht so fremd bestimmt sein.
Mein ganzes Leben war ich eine taffe, selbstständige Frau. Versuchen Sie nicht mich dauernd in „Deine“ Welt zurückzuholen.

Für mich ist es heute leichter zu ertragen meinen Mann im Garten zu vermuten und vergessen zu haben, dass ich doch schon so lange Witwe bin.
Ich kann meine Müdigkeit auch eher verstehen, wenn ich glaube die ganze Nacht am Herd gestandenstanden zu sein, als wenn Sie mir erklären ich hätte dies nur geträumt, da ich die ganze Nacht geschlafen haben soll.

Hast du noch nie so real geträumt, dass Sie den ganzen nächsten Tag unter dem Einfluss dieses Traumes gestanden hast?

Manches Mal verstehe ich auch nicht, warum ich nicht nach Hause darf. Vielleicht hat ja jemand von Ihnen nach meiner Wohnung geschaut, oder du fährst nach Feierabend dort mal vorbei. Das würde mich meistens beruhigen. Vielleicht fiele es mir leichter, wenn Sie mir nicht dauernd erklären, dass hier mein zu Hause ist. Bestimmt gibt es Tage an denen ich dir glauben würde.

Sie haben es wirklich nicht leicht mit mir, dauernd musst du dich neu auf mich einlassen.

Meine Biografie hilft Ihnen sicherlich.

Wenn du es schaffst dich auf meine Welt einzulassen, verspreche ich Ihnen, dass wir ganz viel von-, über-, und miteinander lernen und erleben werden.
Wenn ich glaube der Himmel ist rosarot und du behauptest er sei blau- wer hat denn recht?

Sie oder ich?

Bitte hilf mir nicht das Gefühl zuhaben, ich sei vollkommen verrückt.
Ihre Anna oder lieber Deine Frau Meier-Müller-Schulze


Gruß für heute Abend
loretta
heijes
heijes
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von heijes
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 20:21:42
Sie werden es psychisch packen, genau wie ich es gepackt habe und viele tausend Menschen auch, die trotz der Demenz ihre Eltern in lieber Erinnerung behalten, denn sie waren ja mal anders. Jung, taff und sie haben ihre Kinder liebevoll groß gezogen, das vergisst man nicht.


genauso ist es Loretta und vielen dank für den Brief den du eingestellt hast.

Liebe Grüße von heijes, die heute den ganzen Tag an ihren Vater denken muss. Er wäre heute 98 Jahre geworden und war ein schwerst körperlich behinderter Mensch (Parkinson), geistig fit und hat seinen körperlichen Verfall voll mitbekommen.
nasti
nasti
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von nasti
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 20:21:42
Hi Loretta,

sehr schönes Brief, bestimmt hatte die Frau nur ein leichtes Demenz.
Ich habe gesehen Menschen mit ganz schweren Demenz, Sie waren nicht fähig Briefe schreiben, und alles vergessen. Tag mich Nacht verwechselt...


Nasti





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Marian Kamensky

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heide †
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Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von heide †
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 20:21:42
Loretta, mich hat der Brief auch sehr beeindruckt, nachdenklich gemacht. Vielen Dank dafür.

LG Heide
heijes
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Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von heijes
als Antwort auf nasti vom 19.01.2011, 21:14:29
Nasti, dieser Brief will doch nur aufzeigen, wie demente Menschen behandelt werden möchten.
Demenz ist eine schleichende Erkrankung, bis die Demenz so weit fortgeschritten ist, das sie keine "Erinnerung" mehr haben dauert es und es kommt auch auf die Bindung zu den Personen an. Mein Schwager hat bis zum Schluß immer wieder Momente gehabt wo er sogar meinen Bruder und mich erkannt hat und mit uns gesprochen hat, allerdings konnte er sich am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern.

Lieben Gruss heijes
loretta
loretta
Mitglied

Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von loretta
als Antwort auf heijes vom 19.01.2011, 21:27:50
Ja, heijes, ich fühle mit dir. Ich kann mir vorstellen, wie es dir dabei ergangen ist, den Verfall deines Vaters mit zu erleben.

Nasti, meine Mutter konnte das letzte Jahr nicht mal mehr sprechen. Sie war verstummt wie viele Demenzkranke im Endstadium – alles vergessen – selbst die Sprache, die sie mal beherrschte. Nicken oder mit den Augen sprechen, das konnte sie noch ......

Heide, schön, dass du den Brief gelesen hast. Das Thema wird einfach immer zu weit weg geschoben. Man sieht es an der Beteiligung.

loretta
lalelu
lalelu
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Re: Mach Alt werden wirklich Spaß?
geschrieben von lalelu
als Antwort auf loretta vom 19.01.2011, 21:33:22
@ loretta

Der Brief gefällt mir gut, auch wenn ich nicht glaube, dass er von einer Demenzkranken geschrieben wurde. Ich nehme an, dass sich jemand einfühlsam in die Gefühlswelt demenzkranker Menschen versetzt hat und zu Papier gebracht hat, was diese sagen und schreiben würden, wenn sie ihre Empfindungen noch in Worte fassen könnten. Der Schreiber muss ein sensibler Mensch gewesen sein.

Dennoch – bitte nimm es mir nicht übel – sollten wir Alter nicht auf die Angst vor Krankheit und Demenz reduzieren. Zum Glück (das sage ich nicht zynisch) gibt es auch viele Menschen, die bis zu ihrem Tod geistig und körperlich ein lebenswertes Leben führen können. Das wünschen wir uns doch alle.

LG Lalelu

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