Forum Kunst und Literatur Literatur zeitkritische texte...gestern & heute

Literatur zeitkritische texte...gestern & heute

pippa
pippa
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von pippa
als Antwort auf pilli vom 04.04.2010, 15:11:57
PHANTASIE VON ÜBERMORGEN

Und als der nächste Krieg begann,
da sagten die Frauen: Nein!
und schlossen Bruder, Sohn und Mann
fest in der Wohnung ein.

Dann zogen sie , in jedem Land,
wohl vor des Hauptmanns Haus
und hielten Stöcke in der Hand
und holten die Kerls heraus.

Sie legten jeden übers Knie,
der diesen Krieg befahl:
die Herren der Bank und Industrie,
den Minister und General.

Da brach so mancher Stock entzwei.
Und manches Großmaul schwieg.
In allen Ländern gab's Geschrei,
und nirgends gab es Krieg.

Die Frauen gingen dann wieder nach Haus,
zum Bruder und Sohn und Mann,
und sagten ihnen, der Krieg sei aus!
Die Männer starrten zum Fenster hinaus
und sahn die Frauen nicht an........


von meinem heiß geliebten, ewig zeitlosen Erich Kästner
enigma
enigma
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von enigma
als Antwort auf pilli vom 04.04.2010, 15:11:57
Ja, Pilli, da haben wir dann wohl ähnlich gedacht bzw. empfunden, denn gestern wollte ich zuerst ein Gedicht von Hoffmann von Fallersleben einstellen, habe mich dann aber doch für das von Herwegh entschieden.
Hier aber auch noch das von HvF, das ich ausgesucht hatte:

Der deutsche Philister
Der deutsche Philister, das bleibet der Mann
auf den die Regierung vertrauen noch kann
der passet zu ihren Beglückungsideen
der läßt mit sich alles gutwillig geschehn

Befohlenermaßen ist er stets bereit
zu stören, zu hemmen den Fortschritt der Zeit
zu hassen ein jegliches freies Gemüt
und alles, was lebet, was grünet und blüht

Sprich, deutsche Geschichte, bericht es der Welt
wer war doch dein größter berühmtester Held
Der Deutsche Philister, der Deutscheste Mann
der alles verdirbt was man Gutes begann

Was schön und erhaben, was wahr ist und recht
das kann er nicht leiden, das findet er schlecht
so ganz, wie er selbst ist, so kläglich, gemein
hausbacken und ledern soll alles auch sein

Solange der Philister regieret das Land
ist jeglicher Fortschritt daraus wie verbannt
denn dieses erbärmliche feige Geschlecht
das kennet nicht Ehre, nicht Tugend und Recht

Du Sklav der Gewohnheit, du Knecht der Gewalt
käme dein Simson, o käm er doch bald
Du Deutscher Philister, du gräßlichste Qual
o holte der Teufel dich endlich einmal

Doch leider hat Beelzebub keinen Geschmack
an unsern Philistern, dem lumpigen Pack
und wollten sie selber hinein in sein Haus
so schmiß der die Kerle zum Tempel hinaus
Hoffmann von Fallersleben



Berührt hat mich immer auch das Schicksal eines „Zeitkritikers“, der 60 bzw. 80 Jahre jünger war als die „Vormärzler“.
Es geht um Erich Mühsam, geboren am 6. April 1878.
Mühsam, über den wir schon verschiedentlich hier im ST gesprochen haben, war bekannt als politischer Aktivist, Publizist und Schriftsteller, der durch seine Publikationen und Aktionen auch auf die Politik und das Zeitgeschehen Einfluss nahm.

Bereits 1896 wurde er vom Gymnasium wegen „sozialistischer Umtriebe“ relegiert.

Er war jüdischer Abstammung und wurde von den Nationalsozialisten 1934 im KZ Oranienburg ermordet.
Bereits vorher war er in seinem wechselvollen Leben zu Haftstrafen verurteilt worden.
Aber trotz dieser Verhaftungen ließ er sich den Mund nicht verbieten und kämpfte weiter, vor allem gegen Unterdrückung und autoritäre Strukturen.
Seine frühen Mahnungen vor dem Nationalsozialismus erwiesen sich als sehr hellsichtig.

Mehr über Erich Mühsam - she. Linktipp!

Von ihm möchte ich jetzt ein Gedicht einstellen:

Der Revoluzzer
Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt! -
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
Erich Mühsam

Enigma






Milan
Milan
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von Milan
als Antwort auf enigma vom 04.04.2010, 19:56:09
Konstantin Wecker

Sage nein !

Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
wieder Nazi-Lieder johlen,
über Juden Witze machen,
über Menschenrechte lachen,
wenn sie dann in lauten Tönen
saufend ihrer Dummheit frönen,
denn am Deutschen hinterm Tresen
muß nun mal die Welt genesen,
dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!

Meistens rückt dann ein Herr Wichtig
die Geschichte wieder richtig,
faselt von der Auschwitzlüge,
leider kennt man´s zur Genüge -
mach dich stark und bring dich ein,
zeig es diesem dummen Schwein:
Sage nein!

Ob als Penner oder Sänger,
Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer,
Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert,
sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, bring dich ein:
Sage nein!

Und wenn aufgeblasne Herren
dir galant den Weg versperren,
ihre Blicke unter Lallen
nur in deinen Ausschnitt fallen,
wenn sie prahlen von der Alten,
die sie sich zu Hause halten,
denn das Weib ist nur was wert
wie dereinst - an Heim und Herd,
tritt nicht ein in den Verein:
Sage nein!

Und wenn sie in deiner Schule
plötzlich lästern über Schwule,
schwarze Kinder spüren lassen,
wie sie andre Rassen hassen,
Lehrer, anstatt auszusterben,
Deutschland wieder braun verfärben,
hab dann keine Angst zu schrein:
Sage nein!

Ob als Penner oder Sänger,
Bänker oder Müßiggänger,
ob als Schüler oder Lehrer,
Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert,
sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, bring dich ein:
Sage nein!

Eingefügte zweite Strophe auf "Gamsig":

Auch wenn jetzt die Neunmalklugen
ihre Einsamkeit benutzen
unsren Aufschrei zu verhöhnen,
öffentlich zurechtzustutzen,
wolln wir statt mit Eitelkeiten
und Zynismus abzulenken,
endlich mal zusammenstehn,
endlich mit dem Herzen denken.
Laßt uns doch zusammen schrein:
Sage nein!

Anzeige

loretta
loretta
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von loretta
als Antwort auf Milan vom 04.04.2010, 22:17:34
.... und noch mal

Konstantin Wecker

Hexeneinmaleins

Du mußt verstehn! Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei laß gehn, und Drei mach gleich,
so bist du reich. Verlier die Vier!
Aus fünf und sechs - so sagt die Hex -
Mach Sieben und Acht, so ist´s vollbracht:
Und Neun ist Eins, und Zehn ist keins.
Das ist das Hexeneinmaleins!

Als sie Giordano Bruno verbrannten
sandte sein Gott keine Blitze gegen das Unrecht
munter flackerte das Feuer
der Pöbel mußte manchmal husten zwischen zwei Lachern
so qualmte Giordano
oder Grandier
neben seinem Scheiterhaufen
sonnte sich Richelieu
vierzehn Nonnen
mit Klistierspritzen garniert
wälzten sich vor Wollust und Gier
und das christliche Abendland
sann befriedigt
nach weiteren guten Taten.
Was hat dieser Ketzer mit uns zu tun
flötet unser Jahrhundert
doch
dreihundert Jahre später
konnte ein gewisser Trotzki
angeklagt
der Unzucht mit der Freiheit

das Haupt vom Dogmenbeil schon gespalten
dreihundert Jahre später
konnte dieser Trotzki
die Menschheit nur noch um Vergebung bitten für seinen Henker.

Immer noch werden Hexen verbrannt
auf den Scheiten der Ideologien.
Irgendwer ist immer der Böse im Land
und dann kann man als Guter
und die Augen voll Sand
in die heiligen Kriege ziehn!

Sacco und Vanzetti
keiner rothaarig
nie mischten sie Zaubertränke um Mitternacht
auch des Nachbarn Kühe gediehen vortrefflich
trotzdem wurden sie niedergemetzelt
von den Sklaven der freien Welt.
Oder
sechs Millionen Juden
eine Heerschar von Hexen
zum Aderlaß geprügelt für
die Reinheit des Blutes.
Schrecklich, schrecklich
und die Mönche der Demokratie
wedeln Verzeihung heischend mit der Rute
und siehe:
Der Freigeist geht um.
Alle sind aufgeklärt
doch wer weiß Bescheid
heute haßt man modern

die Angst ist die Flamme unserer Zeit
und die wird fleißig geschürt.
Sie verbrennen dich mit ihren Zungen und ihrer Ignoranz
dicke freundliche Herren
bitten per Television zur Jagd.
Tausende
zum Feindbild verdammt
halten sich fürs Exil bereit.

Die Schlupfwinkel werden knapp, Freunde.

Höchste Zeit
aufzustehn!

Du mußt verstehn! Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei laß gehn, und Drei mach gleich,
so bist du reich. Verlier die Vier!
Aus fünf und sechs - so sagt die Hex -
Mach Sieben und Acht, so ist´s vollbracht:
Und Neun ist Eins, und Zehn ist keins.
Das ist das Hexeneinmaleins!

Immer noch werden Hexen verbrannt
auf den Scheiten der Ideologien.
Irgendwer ist immer der Böse im Land
und dann kann man als Guter
und die Augen voll Sand
in die heiligen Kriege ziehn!

Hexeneinmaleins
enigma
enigma
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von enigma
als Antwort auf loretta vom 04.04.2010, 22:29:52
Einer der wichtigsten zeitkritischen Texte im 20. Jahrhundert war die Rede des schwarzen Bürgerrechtlers Dr. Martin Luther King Jr. “I Have a Dream”.
Wahrscheinlich haben viele von uns sie noch am Fernsehen miterleben können.

Zur Erinnerung noch einmal den Text und ein Video
hier:

Eine deutsche Übersetzung ist hier zu finden:

Ich habe im englischen Text nachgesehen , dass Martin Luther King selbst “Negro” gebraucht hat.
Es handelt sich also nicht um eine Fehlleistung des Übersetzers/der Übersetzerin.

Enigma
Milan
Milan
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von Milan
als Antwort auf pippa vom 04.04.2010, 18:35:35

Was ist der Mensch?

Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
Ein kleines Hirn und ein großer Mund,
Und eine Seele – daß Gott erbarme! –

Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
Muß essen und feilschen und Karren lenken,
Muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
Muß hoffen und muß sein Glück verpaßen
Und leiden wie ein geschundener Hund.

Erich Mühsam, (1878 - 1934), deutscher Schriftsteller, Anarchist und Pazifist, 1918/19 Herausgeber der Zeitschrift »Kain«, wurde von den Nazis am 10. Juli 1934 auf der Gefängnistoilette erhängt

Anzeige

Milan
Milan
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von Milan
als Antwort auf enigma vom 04.04.2010, 08:19:21


Hunger ist heilbar

Es kam ein Mann in’s Krankenhaus
und erklärte, ihm sei nicht wohl.
Da schnitten sie ihm den Blinddarm heraus
und wuschen den Mann mit Karbol.

Befragt, ob ihm besser sei, rief er: „Nein.“
Sie machten ihm aber Mut
und amputierten sein linkes Bein
und sagten: „Nun geht’s Ihnen gut.“

Der arme Mann hingegen litt
und füllte das Haus mit Geschrei.
Da machten sie ihm den Kaiserschnitt,
um nachzusehn, was denn sei.

Sie waren Meister in ihrem Fach
und schnitten sogar ein Gesicht.
Er schwieg. Er war zum Schreien zu schwach.
Doch sterben tat er noch nicht.

Sein Blut wurde freilich langsam knapp.
Auch litt er an Atemnot.
Sie sägten ihm noch drei Rippen ab.
Dann endlich war er tot.

Der Chefarzt sah die Leiche an.
Da fragte ein andrer, ein junger:
“Was fehlte denn dem armen Mann?“
Der Chefarzt schluchzte und murmelte dann:
“Ich glaube, er hatte nur Hunger.“

Erich Kästner
pittyom
pittyom
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von pittyom
als Antwort auf Milan vom 05.04.2010, 13:45:36
tja, zählen da auch eigene Gedichte? habe gerade mir den Ärger von der Seele geschrieben, vielleicht amüsiert es jemand anderen, vielleicht befindet sich ja auch jemand in der gleichen Situation... ;)
Ich habe es genannt :
Aus dem Leben gegriffen...

Wie wahr ist doch der Spruch hienieden:
„“Es lebt der Frömmste nicht in Frieden,
wenn es dem Nachbarn nicht gefällt.“
Das ist nun mal der Lauf der Welt!

Sie ist ein Nachbar wie im Buche,
ein Nachbar, den man NICHT sich suche!
Sie schnüffelt hier, sie schnüffelt dort,
sie spioniert in einem fort.

Sodass man, dass es auch was nütze,
mit eine Sichtzaun sich nun schütze,
der soll zudem als erster Nutz,
vor kalten Winden bieten Schutz,
denn die Terrasse, dass ist toll,
nun bald vergrößert werden soll.

Da gab es nun ein „Weh und Ach“,
die Nachbarin schlug lautstark Krach.
Verboten sei es und nicht richtig,
sie bläst sich auf, tut sich ganz wichtig:
Die Polizei sei informiert,
das Ordnungsamt auch instruiert,
dass dieses Ärgernis von ihr,
soll schnellstens wieder weg von hier.

Nur hat sie dabei nicht bedacht,
dass vorher man sich kundig macht,
dass dieser Sichtschutz ist doch recht,
den sie vor allen macht so schlecht!
Soll sie doch zetern, soll sie schrei’n,
der Sichtschutz wird nun rechtens sein.

Denn was erlaubt ist, das bleibt steh’n,
wenn’s nicht gefällt, soll weg sie seh’n!

So manch’ Nachbar im Stillen lacht,
wie sie sich wieder wichtig macht,
man freut sich, denn die böse Alte
schon manchem hier den Tag vergallte:
„Der fällt den Baum ganz ohne Grund!
Der musiziert zu später Stund!
Und der da geht auf meinem Dach!
Das darf er nicht, er hält mich wach! “

So geht’s tagaus und geht’s tagein,
doch bei mir soll es Schluss jetzt sein,
sollt’s auf die Spitz getrieben sein,
so schalte ich den Anwalt ein,
der wird’s in meinem Sinne richten,
den Streit zu meinen Gunsten schlichten.

Doch weiß ich jetzt schon ganz genau,
auch daraus wird sie nicht mehr schlau,
sie wird nach Streit doch weiter sinnen,
bis einst sie geht im Tod von hinnen.

Da wir das wissen, wir nun warten...
mit neuem Nachbarn netter starten!
pilli
pilli
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von pilli
als Antwort auf clara vom 04.04.2010, 13:34:20
Hanns Dieter Hüsch gehört ja so zu sagen in die Burg-Waldeck - Familie, ich meine das berühmte in den 60ern alljährlich stattfindende Liedermacher-Festival im Hunsrück. Es fand dann leider mit der 68er Bewegung ein Ende, weil die es total in ihrem Sinn politisieren wollte. Ich besitze noch die Tonbänder von den Aufnahmen, die ich als junges Ding damals vom Radio gemacht habe. Für Interessierte: Beim taz Verlag bekommt man alle Waldeck Festivals auf CD.

Dies ist immer noch eines meiner Lieblingslieder auch eines Waldeckers, Franz Josef Degenhardt mit seinen "Schmuddelkindern"

Clara



ich hatte seinerzeit in den "klassischen foren" des Seniorentreff das thema:

"bänkelsänger + liedermacher...selbstgerechte moralisten, zeitzeugen oder feinsinnige beobachter?"

eingestellt und das war mein eröffnender beitrag dazu:

pilli begann die Diskussion am 03.10.03 (01:25) mit folgendem Beitrag:

erinnert ihr euch an diese wundersamen typen, die worte und töne verbanden...ein paar griffe auf der gitarre spielten und zumindest mich nächtelang begeistern konnten?

Burg Waldeck, eine Mühle im Hunsrück...erste begegnungen mit liedern, deren texte schon bald von uns mitgesungen wurden und zuhause in der warmen stube oft endlos- diskussionen hervorriefen. egal irgendwie schafften wir es zum wochenende mit gepacktem rucksack der warmen stube entfliehen zu können, um bei lagerfeuer und "shy" zumindest darüber geredet zu haben, wie es wäre,diese bigotte welt aus den angeln zu heben.


die kritischen lieder der "Waldecker" treffen noch heute nach vierzig jahren den ton und ihre klartextlichen aussagen zeigen m.e. immer mehr ihre berechtigung. sie gehören sicherlich nicht in die rubrik der "Spinner" in die sie manche der altvorderen drängen möchten!

Ostersonntag habe ich mit meiner familie in einem cafe gefrühstückt und während Sophie draussen ostereier mit ihrem vater suchte, stillte Anne die gerade drei wochen alte Sarah während ich daran dachte, dass am späten nachmittag die im krieg getöteten fallschirmjäger (25, 28, 35 jahre alt) auf dem flugplatz in Köln landen sollten.

als "Krieg", so hatte ich am vorabend von Verteidigungsminister Guttenberg in den nachrichten gehört, sei es "umgangssprachlich" zu bezeichnen! ob die mütter der getöteten soldaten jemals daran gedacht haben, dass "Krieg" ab nun zur umgangssprache gehören soll?

...

ES IST AN DER ZEIT von Hannes Wader

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
da wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn,
da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht
im Wind der sanft über das Gräberfeld streicht.
Auf deinem Kreuz finde ich, toter Soldat,
deinen Namen nicht, nur Ziffern, und jemand hat
die Zahl neunzehnhundertundsechzehn gemalt,
und du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt.

Ja auch dich haben sie schon genauso belogen,
so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben:
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?
Sicher nicht, denn nur dort, wo es Frieden gibt,
können Zärtlichkeit und Vertrauen gedeihn.
Warst Soldat, um zu sterben, nicht, um jung zu sein.
Vielleicht dachtest du dir, ich falle schon bald,
nehme mir mein Vergnügen wie es kommt mit Gewalt.
Dazu warst du entschlossen, hast dich aber dann
vor dir selber geschämt und es doch nie getan.

Ja auch dich haben sie schon genauso belogen,
so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben:
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Soldat, ginst du gläubig und gern in den Tod?
Oder hast du verzweifelt, verbittert, verroht
deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluß?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuß!
Oder hat ein Geschoß dir die Glieder zerfetzt?
Hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt?
Bist du auf deinen Beinstümpfen weitergerannt?
Und dein Grab: Birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?

Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur
von deinem Leben. Doch hör meinen Schwur
für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein.
Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein,
dann kann es geschehn, daß bald niemand mehr lebt,
niemand, der die Milliarden von Toten begräbt.
Doch längst finden sich mehr unhd mehr Menschen bereit,
diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.

Ja auch dich haben sie schon genauso belogen,
so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben:
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Es ist an der Zeit


--
pilli
tristan
tristan
Mitglied

Re: zeitkritische texte...gestern & heute
geschrieben von tristan
als Antwort auf pilli vom 06.04.2010, 13:27:20
Um was geht es denn hier? Ergoogeltes eingestellt oder? Ist ja alles gut und schön, ach ja ich erinner mich. Waren schöne Zeiten, aber wo ist denn bloss der Zeitgeist geblieben? Isser noch auf der Strecke? Er wandert wohl immer noch in vergangenen Zeiten und wundert sich, dass ihm die Füße schwer werden...

Leute. Lebt heute.

... sagt mir mein Zeitgeist. Oder war es mein Hühnerauge auf dem linken Zeh?

*fg*
Tristan

Anzeige