Literatur Wortkunde(n)
Wortkunde(n)
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich möchte vorschlagan, unter diesem Stichwort Anregungen, Betrachtungen, kritische Gedanken zu Worten oder Wörtern oder Metaphern oder Redensarten zu versammeln, solche, die aufgefallen sind, die neu sind, die alt sind, die unnötig sind, die man vermeiden könnte, die man umtaufen könnte oder die man erfinden müsste....
Also:
Schöne, gute, edle, nichtsnutzige, dumme, heikle, blöde ... Wörter eben!
--
elfenbein
Über die "Füßchen" von Hasen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Kluge Forderung...?
"Die Politik muss das Verbotsverfahren wieder aufnehmen. Sonst sendet sie faktisch das Signal aus, dass die NPD eine Bestandsgarantie hat", sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann am Samstag.
Unterstützung findet er im Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag.
Peter Struck sagte: "Für mich ist das Thema NPD-Verbotsverfahren keineswegs erledigt."
Graumann sprach von einem "fatalen Zeichen von Resignation". Die Gesellschaft müsse "den Kampf aufnehmen, alles andere ist hasenfüßig."
... "h a s e n f ü ß i g sein:"
Übliche Synonyme dazu sind:
ängstlich, duckmäuserisch (ugs.), feig, feige,
hasenfüßig (ugs.), hasenherzig (ugs.), memmenhaft (ugs.), mutlos, schüchtern, ängstlich, feige, hasenfüßig (ugs.) duckmäuserisch (ugs.), memmenhaft (ugs.)
Schon Goethe kannte sich auf dem Feld der Hassenfüße tierisch prägnant aus:
"HASENFÜSZIG" [So im 'Grimmschen Wörterbuch'. Lfg. 10,3]:
"Adj. und adv. wie ein hasenfusz, närrisch: "da sein herr das zutrauen zu mir hat, mir so hasenfüszig zu schreiben." (GÖTHEs Werke. 20, 221).
Von dem auf der ganzen Erde so erfolgreichen Fluchttier Hase das Hasige, das Kämpferische, dass Mutig-Erforderliche abzuleiten...?
Oder, vom "Polarfuchs", auch Eisfuchs genannt: Alopex lagopus; er wird zoologisch den Wildhunden zuordnet; er ist u. a. ein Verwandter des Polarwolfs. Der wissenschaftliche Name bedeutet "hasenfüßiger Fuchs", da seine Pfoten wie die des Polarhasen mit dichtem Pelz besetzt sind. Seine Gestalt weist ihn als typischen Fuchs aus, doch wirken seine Kopf- und Schnauzenform gedrungener als etwa beim Rotfuchs.
Genetisch mag's bei ihm in den Chromosomen zugehen, egal wie hasenfüßig, nämlich feige, das kann kein Polartier sein; allenfalls, scheu, zurückhaltend, im besten humanen Sinne: vorsichtig, klug!
Andere Menschen - Tiere kann man es ja nicht "hasenfüßig" nennen, das hieße, sie zu etwas antreiben zu wollen, was man selber nicht einzuschätzen weiß, indem man sie charakterlich pejorativ behandelt; um sie zu wahren Lauf- und dann Verbots-und dann Jagd-Exzessen anzutreiben: normale Kriegspolitk auf dem Felde der Ehre!
Ach, das Problem der Rechtsradikalen, der Neonazis?
Dann kann kein Hase lösen, egal, ob auf flinken Sohlen oder mit langen Löffeln.
Da müssen schlaue Igel ran! Als Friedenstiere!
--
elfenbein
"Die Politik muss das Verbotsverfahren wieder aufnehmen. Sonst sendet sie faktisch das Signal aus, dass die NPD eine Bestandsgarantie hat", sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann am Samstag.
Unterstützung findet er im Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag.
Peter Struck sagte: "Für mich ist das Thema NPD-Verbotsverfahren keineswegs erledigt."
Graumann sprach von einem "fatalen Zeichen von Resignation". Die Gesellschaft müsse "den Kampf aufnehmen, alles andere ist hasenfüßig."
... "h a s e n f ü ß i g sein:"
Übliche Synonyme dazu sind:
ängstlich, duckmäuserisch (ugs.), feig, feige,
hasenfüßig (ugs.), hasenherzig (ugs.), memmenhaft (ugs.), mutlos, schüchtern, ängstlich, feige, hasenfüßig (ugs.) duckmäuserisch (ugs.), memmenhaft (ugs.)
Schon Goethe kannte sich auf dem Feld der Hassenfüße tierisch prägnant aus:
"HASENFÜSZIG" [So im 'Grimmschen Wörterbuch'. Lfg. 10,3]:
"Adj. und adv. wie ein hasenfusz, närrisch: "da sein herr das zutrauen zu mir hat, mir so hasenfüszig zu schreiben." (GÖTHEs Werke. 20, 221).
Von dem auf der ganzen Erde so erfolgreichen Fluchttier Hase das Hasige, das Kämpferische, dass Mutig-Erforderliche abzuleiten...?
Oder, vom "Polarfuchs", auch Eisfuchs genannt: Alopex lagopus; er wird zoologisch den Wildhunden zuordnet; er ist u. a. ein Verwandter des Polarwolfs. Der wissenschaftliche Name bedeutet "hasenfüßiger Fuchs", da seine Pfoten wie die des Polarhasen mit dichtem Pelz besetzt sind. Seine Gestalt weist ihn als typischen Fuchs aus, doch wirken seine Kopf- und Schnauzenform gedrungener als etwa beim Rotfuchs.
Genetisch mag's bei ihm in den Chromosomen zugehen, egal wie hasenfüßig, nämlich feige, das kann kein Polartier sein; allenfalls, scheu, zurückhaltend, im besten humanen Sinne: vorsichtig, klug!
Andere Menschen - Tiere kann man es ja nicht "hasenfüßig" nennen, das hieße, sie zu etwas antreiben zu wollen, was man selber nicht einzuschätzen weiß, indem man sie charakterlich pejorativ behandelt; um sie zu wahren Lauf- und dann Verbots-und dann Jagd-Exzessen anzutreiben: normale Kriegspolitk auf dem Felde der Ehre!
Ach, das Problem der Rechtsradikalen, der Neonazis?
Dann kann kein Hase lösen, egal, ob auf flinken Sohlen oder mit langen Löffeln.
Da müssen schlaue Igel ran! Als Friedenstiere!
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elfenbein
Re: Wortkunde(n)
Hallo Elfenbein,
bleiben wir doch gleich mal bei "nichtsnutz", diesem schönen alten Wort, wo hört man es denn heute noch?
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie meine beiden Cousins auf dem Hof meines Großvaters die kleinen Gänslein, die in einer Kiste neben dem Herd ihre ersten Lebenstage geschützt verbrachten, eben diese Kiste nach draußen schleppten und die "Tschiepeln" freiließen. Der Großvater war außer sich und schimpfte: "Ihr verflixten Nichtznutze, könnt Ihr nur Schaden anrichten?"
Zum Sprachschatz meiner Mutter gehörte das Wort ebenfalls und wenn ich wiedermal mit zerrissenen Kleidern ankam, weil ich an einem Baumast hängenblieb, wurde ich auch als "Nichtsnutz" bezeichnet, habe ich doch nun durch das Flickenmüssen ihre Arbeit um eine weitere erhöht.
Zu "Ihr Nichtsnutze" paßt auch "Ihr Taugenichtse",
im Ohr und im Sinn habe ich die Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts", die einfach wunderbar ist.
Wer kennt denn noch "Du Nimmersatt" für einen gefräßigen Menschen? )
Medea.
bleiben wir doch gleich mal bei "nichtsnutz", diesem schönen alten Wort, wo hört man es denn heute noch?
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie meine beiden Cousins auf dem Hof meines Großvaters die kleinen Gänslein, die in einer Kiste neben dem Herd ihre ersten Lebenstage geschützt verbrachten, eben diese Kiste nach draußen schleppten und die "Tschiepeln" freiließen. Der Großvater war außer sich und schimpfte: "Ihr verflixten Nichtznutze, könnt Ihr nur Schaden anrichten?"
Zum Sprachschatz meiner Mutter gehörte das Wort ebenfalls und wenn ich wiedermal mit zerrissenen Kleidern ankam, weil ich an einem Baumast hängenblieb, wurde ich auch als "Nichtsnutz" bezeichnet, habe ich doch nun durch das Flickenmüssen ihre Arbeit um eine weitere erhöht.
Zu "Ihr Nichtsnutze" paßt auch "Ihr Taugenichtse",
im Ohr und im Sinn habe ich die Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts", die einfach wunderbar ist.
Wer kennt denn noch "Du Nimmersatt" für einen gefräßigen Menschen? )
Medea.
Re: Über einen "Friedenheld"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Busch hat den Igel nicht allgemein als "Friedenstier", sondern genauer: als Friedenshelden bezeichnet.
Das wollte ich hier doch anzeigen.
Und Igel sind zwar nicht so hasenfüßig-schnell wie eben das Hasentier, aber sie sind intelligenter und wehrhafter fried- und freundlicher und weniger missverständlich in ihrem ökologischen Gebaren und in ihrem symbolischen Nutzen, auch weil sie defensiv und unmodern in ihrem Rückzugsverhalten sind.
Wilhelm Busch
Fuchs und Igel
Ganz unverhofft an einem Hügel
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
»Halt!« rief der Fuchs, »du Bösewicht,
kennst du des Königs Order nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen Seiner Majestät -
geh her und übergib dein Fell!«
Der Igel sprach: »Nur nicht so schnell!
Laß dir erst deine Zähne brechen;
dann wollen wir uns weiter sprechen.«
Und alsogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.
*
Leider sind die Igel innerhalb der Evolutionsgeschichte des KFZ.s, d.h. innerhalb der Absichten des Evolutionsmotors Mensch, die millionenfachen Opfer der Entwicklung.
Wenn hier der Erfindugnsreichtum des Menschen keine Lösungen versucht, glaube ich nicht an eine ökologische Zukunft.
--
elfenbein
Das wollte ich hier doch anzeigen.
Und Igel sind zwar nicht so hasenfüßig-schnell wie eben das Hasentier, aber sie sind intelligenter und wehrhafter fried- und freundlicher und weniger missverständlich in ihrem ökologischen Gebaren und in ihrem symbolischen Nutzen, auch weil sie defensiv und unmodern in ihrem Rückzugsverhalten sind.
Wilhelm Busch
Fuchs und Igel
Ganz unverhofft an einem Hügel
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
»Halt!« rief der Fuchs, »du Bösewicht,
kennst du des Königs Order nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen Seiner Majestät -
geh her und übergib dein Fell!«
Der Igel sprach: »Nur nicht so schnell!
Laß dir erst deine Zähne brechen;
dann wollen wir uns weiter sprechen.«
Und alsogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.
*
Leider sind die Igel innerhalb der Evolutionsgeschichte des KFZ.s, d.h. innerhalb der Absichten des Evolutionsmotors Mensch, die millionenfachen Opfer der Entwicklung.
Wenn hier der Erfindugnsreichtum des Menschen keine Lösungen versucht, glaube ich nicht an eine ökologische Zukunft.
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elfenbein
Re: Über einen
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immergruen
....und trotzt getrost der ganzen Welt
bewaffnet, doch als Friedensheld ...
war die Parole der DDR Regierung, als sie ihre Bewaffnung vorantrieb und trotzdem ihren Status als friedliebender Staat propagierte. Ich werde diese Worte Wilhelm Buschs nie vergessen, sie gehörten zum Lehrstoff im Deutschunterricht. Es wundert mich, dass Herr Bush sie noch nicht für sikch entdeckte; er könnte versucht sein, eine Parallele zu ziehen zur Denkweise des alten Europa und seiner Geisteswerte.
Re: Über einen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
wie er. Wer also ein Igel ist, der muß darauf sehen, daß auch seine Frau ein Igel ist.
*
Aber, wer zurückkehrt, in die Politik, weiß, dass - nach Erkenntissen des Verfassungsgerichts beim letzten Versuch, die NPD verbieten zu lassen, festgestellt wurde, das alle Landesverbände in den vorsitzenden Gremien von Verfassungs-Igeln dominiert wurden, die die Beschlüssen, die Ausgaben-Regelungen und Organisatonspläne und die verfassungsfeindlichen "Geheimnisse" der Rechtsradiaklen besser kannten, als deren Abgeordnete in einigen Länderparlamente...
Diese schlauen "Ich versteck-mich-mal-bei-der-NPD-Igel" hatten sie selber herbeigeführt, mit Geldern der Verfassungsschutz-Organisationen.
Die Neonazis selber aber hat das sagen-hafte Treiben nicht "zu Tode hetzen" können, wie im Märchen.
Sie konnten sich öffentlich viele Male eins lachen - ins Fäustchen, und nicht "zu Tode".
--
elfenbein
*
Aber, wer zurückkehrt, in die Politik, weiß, dass - nach Erkenntissen des Verfassungsgerichts beim letzten Versuch, die NPD verbieten zu lassen, festgestellt wurde, das alle Landesverbände in den vorsitzenden Gremien von Verfassungs-Igeln dominiert wurden, die die Beschlüssen, die Ausgaben-Regelungen und Organisatonspläne und die verfassungsfeindlichen "Geheimnisse" der Rechtsradiaklen besser kannten, als deren Abgeordnete in einigen Länderparlamente...
Diese schlauen "Ich versteck-mich-mal-bei-der-NPD-Igel" hatten sie selber herbeigeführt, mit Geldern der Verfassungsschutz-Organisationen.
Die Neonazis selber aber hat das sagen-hafte Treiben nicht "zu Tode hetzen" können, wie im Märchen.
Sie konnten sich öffentlich viele Male eins lachen - ins Fäustchen, und nicht "zu Tode".
--
elfenbein
Re: Über einen Friedenstext
geschrieben von ehemaliges Mitglied
@ immergruen - Dank für die Hinweise!
Auch im Westen stand der Busch-Text (umgspr.: "Bewaffneter Frieden") in vielen Deutsch-Lesebuchwerken.
Hier im Lande hat man dem Text und der Friedenspolitik der Demokraten geglaubt.
Glück gehabt? Oder: Sinn und Chance der freien Meinungsäußerung und Glaubwürdigkeit und kritischen Öffentlichkeit...?
Wen da jemand von "Ochs" und "Esel" schwätzte, war das kein Märchen, keine Fabel und erst recht kein historisches Versprechen, wie aus de Weihnachtslegende...
"Drüben" hat niemand der Propaganda geglaubt - und einen unwürdigen Staat verabschiedet.
Und hier müssten wir den "Hurra-wir-haben-gesiegt-Kapitalismus" noch überwinden!
--
elfenbein
Auch im Westen stand der Busch-Text (umgspr.: "Bewaffneter Frieden") in vielen Deutsch-Lesebuchwerken.
Hier im Lande hat man dem Text und der Friedenspolitik der Demokraten geglaubt.
Glück gehabt? Oder: Sinn und Chance der freien Meinungsäußerung und Glaubwürdigkeit und kritischen Öffentlichkeit...?
Wen da jemand von "Ochs" und "Esel" schwätzte, war das kein Märchen, keine Fabel und erst recht kein historisches Versprechen, wie aus de Weihnachtslegende...
"Drüben" hat niemand der Propaganda geglaubt - und einen unwürdigen Staat verabschiedet.
Und hier müssten wir den "Hurra-wir-haben-gesiegt-Kapitalismus" noch überwinden!
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elfenbein
Re: Über einen Friedenstext
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immergruen
Der Link ist herrlich! Aber solch ein Ochs gehört nirgendwo anders hin als in einen Eselskarren!Ein Segen, dass der Esel den Karren in den Dreck gezogen hat.
Re: Über einen Friedenstext
geschrieben von ehemaliges Mitglied
"Mühlensenf"
- das Wörtchen ist mir aufgefallen beim Schnbaulieren; ich habe es einfallen lassen in mein külturelles Gedächtnis.
(Irgendwo habe ich was gegessen; und als Attribut zu sonstigem Schnodder las ich: "Bärlauch" und irgendwie "Mühlensenf"; aha, dache ich, also kein Senf aus Senfkörnerchen, den Wundern des Wachstums und der Entwicklung von Pflänzchen zu "Großgrün" und hochgelobtes Beispiel für biblische Parabelkunst - sondern Senfiges aus irgendwie-was Mühlen-Getriebenes oder Treibendes oder Was-auch! Es muss dann nur noch verpackt, vertrieben, verarbeitet und dem malenden und zahlenden Esser vorgesetzt werden.
Also, wechsele ich mal lieber das scharfe Thema, zu "Kümmeltürke". Von dem gibt es zwar nichts Neues, aber sprachlich Virtuoses zu berichten:
06.07.2007 / Feuilleton / Seite 12
"Kümmeltürken"
Wenn der Eckpunkt Sinn macht (5).
Wiglaf Drostes Sommertagebuch
Groß ist das öffentliche, vulgo geheuchelte Interesse der Deutschen an ihrer Sprache. Zwar reden sie bevorzugt Phrase, Gosse, Gewäsch, Blablabla, doch das beckmesserische Unterscheiden und Einsortieren in richtiges und falsches Deutsch betreiben sie handkehrum mit großem Eifer, fanatischer Akribie und persönlicher Inbrunst. Das gleichermaßen uninspirierte wie vorhersehbare Auswählen von gemeinem Allerweltsvokabular zu »Wörtern« beziehungsweise »Unwörtern des Jahres« wird mit gewaltigem medialem Aufwand betrieben und turnusmäßig in den Rang einer Nachricht erhoben. In Deutschland kann alles aussterben, niemals aber der Deutschlehrer. Wenn einmal alles versaftet oder weggeschmolzen sein sollte, so bliebe doch wenigstens ein Deutschlehrer übrig – wie Bastian Sick, dessen Nachnamen man korrekt allerdings besser englisch ausspräche –, und monierte mit rechtwinkligem Rotstifthirn, was beim Untergang der Welt grammatikalisch und semantisch nicht korrekt und nach Regelwerk sich vollzog.
Das Delikt der Buchhalterei mit Wörtern hat Folgen. Auch Schriftsteller, also Menschen, die zur Sprache ein inniges Verhältnis haben müßten, flanschen sich an den Modemarkt der witzigen Deutschlehrerei an. Eine Truppe um Jakob Hein und Eva Menasse drückt sich Anfang 2007 Krokodilstränen ab und halluziniert zoologisch eine Spezies der »bedrohten Wörter«. »Täglich«, jammern die Wortschützer juvenilgreisenhaft, »entstehen neue Wörter, sogenannte Neologismen.« Wie? Neue Wörter entstehen? Sprache lebt? Das muß unterbunden werden – oder wenigstens wollen die Sprachschützer vorher um Erlaubnis gefragt werden. Dabei ist es die Aufgabe von Schriftstellern, die Worte zu finden, mit denen man die vielschichtige Wirklichkeit beschreiben, durchleuchten und zur Wahrheit verdichten kann. Ob diese Wörter alt oder neu oder sachdienlich erfunden sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptsache sie sind treffend in Gehalt und Klang.
Doch den Pflegern der bedrohten Wortwelt geht es um Nostalgie und Folklore. Sie behaupten, »gerade aussterbende Wörter verdien(t)en mehr Aufmerksamkeit; sie können Geschichte und Geschichten erzählen.« Ihr liebstes bedrohtes Wort ist der »Käseigel«, ein ulkiges Utensil auf Kleinbürgerfeierlichkeiten in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um einen halbierten, mit Aluminiumfolie überzogenen Weißkohlkopf, in dem in Viertelstückchen zerteilte, auf Plastikstäbe gespießte Käsehäppchen staken, manchmal garniert mit einer Olive, einer Weintraube oder einem Mandarinen-Stückchen. Doch weder um den antiquierten Käseigel selbst noch um die nicht minder angestaubte Vokabel muß man sich Sorgen oder sonstwie Tamtam machen. Der Käseigel ist, wie der Käsepieker, in der Welt und muß nicht künstlich am Leben gehalten oder aufwendig subventioniert werden. Jedes Wort, das einmal das Licht der Welt erblickte, ist für immer hier – es kommt nur darauf an, ob es noch etwas zu sagen hat. Antiquiertheit um ihrer selbst Willen ist manieristisch und deshalb langweilig.
Es gibt so viele normalschöne Wörter wie Gurkensalat. Logarithmus, Pfauenauge, Pflaumenaugust, Montanindustrie, Cremeschnitte, Schabernack oder Bad Salzschlirf. Man muß sie nicht in einer fürsorglichen Umarmung ersticken. Sie können sehr gut auf sich selbst aufpassen. Zwar gibt es Mißbrauch mit Wörtern, doch auch die geschändeten Worte können sich wehren, indem sie ihre Geschichte und Herkunft erzählen oder erzählen lassen.
Blättern wir im anderthalb Kilo schweren etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache. Das Wort »Kümmeltürke« ist tatsächlich vom Aussterben bedroht. Kein denkender Mensch will es mehr in den Mund nehmen, seit es zu einer abwertenden, beleidigenden Vokabel herabgesunken ist. Dabei ist »Kümmeltürke« ursprünglich eine harmlos-flapsige Bezeichnung für einen Studenten aus der Umgebung von Halle an der Saale; diese Gegend wurde im 18. Jahrhundert wegen des dort betriebenen Kümmelanbaus scherzhaft »Kümmeltürkei« genannt.
Man muß sich nur vorstellen, wie ein rechtsgerichteter Hallenser Student, der vielleicht auch noch einer sogar schlagenden Verbindung angehört, sich mit der zufälligen Tatsache seines Deutschseins aufblähen möchte und deshalb Türken in schmähender Absicht als »Kümmeltürken« bezeichnet. Dieses deutsche Nationalwürstchen, das man auch als Nitritgöbelsalz bezeichnen könnte, ahnt es nicht einmal – aber wenn es »Kümmeltürke« sagt, spricht es ausschließlich über sich selbst. So schön ist die Sprache. Sie braucht keine Aufpasser und keinen Blockwart.
Man muß sie lieben und ihr auf den Grund gehen, dann erfährt man alles.
*
http://www.jungewelt.de/2007/07-06/046.php
*
Wer sich auch am Senf oder am Kümmel die Zähnchen belebt, den Geschmack von sich selber steigern kann; die Vögel des Himmels kommen und wohnen unter den Zweigen des Senfbaumes; berichten einhellig die Synoptiker Mt 13,32; Mk 4,30; Lk 13,19; soviel Eintracht muss löstlich & lehrreich sein & christlich.
Wiglaf soll auch Senf und Bärlauch miteinandner sprachlich versöhnen, zu edlen Gaben für die Maultaschen der Schmecklecker.
--
elfenbein
- das Wörtchen ist mir aufgefallen beim Schnbaulieren; ich habe es einfallen lassen in mein külturelles Gedächtnis.
(Irgendwo habe ich was gegessen; und als Attribut zu sonstigem Schnodder las ich: "Bärlauch" und irgendwie "Mühlensenf"; aha, dache ich, also kein Senf aus Senfkörnerchen, den Wundern des Wachstums und der Entwicklung von Pflänzchen zu "Großgrün" und hochgelobtes Beispiel für biblische Parabelkunst - sondern Senfiges aus irgendwie-was Mühlen-Getriebenes oder Treibendes oder Was-auch! Es muss dann nur noch verpackt, vertrieben, verarbeitet und dem malenden und zahlenden Esser vorgesetzt werden.
Also, wechsele ich mal lieber das scharfe Thema, zu "Kümmeltürke". Von dem gibt es zwar nichts Neues, aber sprachlich Virtuoses zu berichten:
06.07.2007 / Feuilleton / Seite 12
"Kümmeltürken"
Wenn der Eckpunkt Sinn macht (5).
Wiglaf Drostes Sommertagebuch
Groß ist das öffentliche, vulgo geheuchelte Interesse der Deutschen an ihrer Sprache. Zwar reden sie bevorzugt Phrase, Gosse, Gewäsch, Blablabla, doch das beckmesserische Unterscheiden und Einsortieren in richtiges und falsches Deutsch betreiben sie handkehrum mit großem Eifer, fanatischer Akribie und persönlicher Inbrunst. Das gleichermaßen uninspirierte wie vorhersehbare Auswählen von gemeinem Allerweltsvokabular zu »Wörtern« beziehungsweise »Unwörtern des Jahres« wird mit gewaltigem medialem Aufwand betrieben und turnusmäßig in den Rang einer Nachricht erhoben. In Deutschland kann alles aussterben, niemals aber der Deutschlehrer. Wenn einmal alles versaftet oder weggeschmolzen sein sollte, so bliebe doch wenigstens ein Deutschlehrer übrig – wie Bastian Sick, dessen Nachnamen man korrekt allerdings besser englisch ausspräche –, und monierte mit rechtwinkligem Rotstifthirn, was beim Untergang der Welt grammatikalisch und semantisch nicht korrekt und nach Regelwerk sich vollzog.
Das Delikt der Buchhalterei mit Wörtern hat Folgen. Auch Schriftsteller, also Menschen, die zur Sprache ein inniges Verhältnis haben müßten, flanschen sich an den Modemarkt der witzigen Deutschlehrerei an. Eine Truppe um Jakob Hein und Eva Menasse drückt sich Anfang 2007 Krokodilstränen ab und halluziniert zoologisch eine Spezies der »bedrohten Wörter«. »Täglich«, jammern die Wortschützer juvenilgreisenhaft, »entstehen neue Wörter, sogenannte Neologismen.« Wie? Neue Wörter entstehen? Sprache lebt? Das muß unterbunden werden – oder wenigstens wollen die Sprachschützer vorher um Erlaubnis gefragt werden. Dabei ist es die Aufgabe von Schriftstellern, die Worte zu finden, mit denen man die vielschichtige Wirklichkeit beschreiben, durchleuchten und zur Wahrheit verdichten kann. Ob diese Wörter alt oder neu oder sachdienlich erfunden sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptsache sie sind treffend in Gehalt und Klang.
Doch den Pflegern der bedrohten Wortwelt geht es um Nostalgie und Folklore. Sie behaupten, »gerade aussterbende Wörter verdien(t)en mehr Aufmerksamkeit; sie können Geschichte und Geschichten erzählen.« Ihr liebstes bedrohtes Wort ist der »Käseigel«, ein ulkiges Utensil auf Kleinbürgerfeierlichkeiten in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um einen halbierten, mit Aluminiumfolie überzogenen Weißkohlkopf, in dem in Viertelstückchen zerteilte, auf Plastikstäbe gespießte Käsehäppchen staken, manchmal garniert mit einer Olive, einer Weintraube oder einem Mandarinen-Stückchen. Doch weder um den antiquierten Käseigel selbst noch um die nicht minder angestaubte Vokabel muß man sich Sorgen oder sonstwie Tamtam machen. Der Käseigel ist, wie der Käsepieker, in der Welt und muß nicht künstlich am Leben gehalten oder aufwendig subventioniert werden. Jedes Wort, das einmal das Licht der Welt erblickte, ist für immer hier – es kommt nur darauf an, ob es noch etwas zu sagen hat. Antiquiertheit um ihrer selbst Willen ist manieristisch und deshalb langweilig.
Es gibt so viele normalschöne Wörter wie Gurkensalat. Logarithmus, Pfauenauge, Pflaumenaugust, Montanindustrie, Cremeschnitte, Schabernack oder Bad Salzschlirf. Man muß sie nicht in einer fürsorglichen Umarmung ersticken. Sie können sehr gut auf sich selbst aufpassen. Zwar gibt es Mißbrauch mit Wörtern, doch auch die geschändeten Worte können sich wehren, indem sie ihre Geschichte und Herkunft erzählen oder erzählen lassen.
Blättern wir im anderthalb Kilo schweren etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache. Das Wort »Kümmeltürke« ist tatsächlich vom Aussterben bedroht. Kein denkender Mensch will es mehr in den Mund nehmen, seit es zu einer abwertenden, beleidigenden Vokabel herabgesunken ist. Dabei ist »Kümmeltürke« ursprünglich eine harmlos-flapsige Bezeichnung für einen Studenten aus der Umgebung von Halle an der Saale; diese Gegend wurde im 18. Jahrhundert wegen des dort betriebenen Kümmelanbaus scherzhaft »Kümmeltürkei« genannt.
Man muß sich nur vorstellen, wie ein rechtsgerichteter Hallenser Student, der vielleicht auch noch einer sogar schlagenden Verbindung angehört, sich mit der zufälligen Tatsache seines Deutschseins aufblähen möchte und deshalb Türken in schmähender Absicht als »Kümmeltürken« bezeichnet. Dieses deutsche Nationalwürstchen, das man auch als Nitritgöbelsalz bezeichnen könnte, ahnt es nicht einmal – aber wenn es »Kümmeltürke« sagt, spricht es ausschließlich über sich selbst. So schön ist die Sprache. Sie braucht keine Aufpasser und keinen Blockwart.
Man muß sie lieben und ihr auf den Grund gehen, dann erfährt man alles.
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http://www.jungewelt.de/2007/07-06/046.php
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Wer sich auch am Senf oder am Kümmel die Zähnchen belebt, den Geschmack von sich selber steigern kann; die Vögel des Himmels kommen und wohnen unter den Zweigen des Senfbaumes; berichten einhellig die Synoptiker Mt 13,32; Mk 4,30; Lk 13,19; soviel Eintracht muss löstlich & lehrreich sein & christlich.
Wiglaf soll auch Senf und Bärlauch miteinandner sprachlich versöhnen, zu edlen Gaben für die Maultaschen der Schmecklecker.
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elfenbein
Buchstabenprozessionen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Langwörtersuchungsbegehrungsideenankündigung:
Buchstabenprozessionen
Die für das Deutsche typischste Art der Wortfügungen im Nominalbereich ist die Kopplung zweier oder mehrerer Substantive wie z. B. der leidige, unleidliche Donau|dampf|schiff|fahrts|gesellschafts|kapitän (mit sechs Wortelementchen). Natürlich noch zu steigern für komische Zwecke:
Donau|dampf|schiff|fahrts|gesellschafts|kapitäns|witwen|grab0|stein|schmiererei.
Mark Twain sprach hierbei von "Buchstabenprozessionen".
Die einfache, übliche Wortfügungstechnik hat jedoch auch immer nützliche Kombinationen ergeben wie Volkslied, Weltschmerz, Kindergarten, Umweltschutz - oder, importiert: Communitymitteilungsbedürfnisüberundübelschwang.
In einer anderen Übersetzung, die Werner Fuld bietet, wird diese Langwörterei "Demonstrationszüge von Buchstaben" genannt; als Übertragung des Twainschen Begriffs "alphabetical processions".
Ja, ihr erinnert euch an seine Beispiele? "Stadtverordnetenversammlungen", "Dilletantenaufdringlichkeiten" oder "Waffenstillstandsunterhandlungen" - usw.
Na, da bin ich gespannt, ob euch noch viele Langwörter [nominia longitudinis perennis sacris germani] einfallen.
Ein älterer Hinweis: (Im Internet gibt es bessere...)
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elfenbein