Literatur Wie wir wurden, was wir sind Heinrich-August Winkler
In diesem 2020 erschienen Sachbuch zur deutschen Geschichte will Heinrich-August Winkler einen kurzen zusammenfassenden Überblick über die deutsche Geschichte vom Mittelalter bis 2020 geben. Wesentliche Entwicklungen wie das „Heilige Römische Reich deutscher Nation ”, das trotz seiner partikularistischen Tra-dition Europa bis heute prägt, die Reformation, der aufgeklärte Absolutismus, die gescheiterte Revolution von 1848/49, die Reichsgründung 1870/71, die Weimarer Republik und das Dritte Reich, aber auch die deutsche Nachkriegsgeschichte und die damit verbundene Gründung der EU werden von Winkler in präg-nanter Weise erfasst und in ihrer Wirkung auf das politische Selbstverständnis heutiger Deutscher ana-lysiert. Der Autor warnt vor der Gefahr einer moralischen Selbstüberschätzung im Hinblick auf den proble-matischen Versuch einer absoluten Wiedergutmachung der Verbrechen des Nationalsozialismus z. B. in der Flücht-lingsfrage, wobei er trotz der verbalen Abkehr vieler Deutscher vom Nationalismus eine gefährliche Entwicklung zu einer neuen Europa provozierenden Führungsrolle Deutschlands und zur Gefährdung der politischen Stabilität der deutschen Demokratie sieht. Bemerkenswert an diesem Buch sind das umfangreiche Quellenverzeichnis, die klare Sprache und die prägnanten Werturteile. Dennoch wäre in manchen Teilen dieses insgesamt gelungenen Buchs eine stär-kere Differenzierung notwendig, die auch dem nicht vorgebildeten Leser die Zusammenhänge mehr ver-deutlicht. Was die Werturteile Winklers betrifft, kann man Manches zwar in Frage stellen und Gegenargu-mente anführen, aber Winklers historisch durchaus fundierte Meinungen regen doch sehr zum Nach-denken über die deutsche Geschichte an. Eigentlich müsste dieses Buch ein Anreiz sein, auch die anderen Bücher des Autors zur deutschen Geschichte zu lesen.