Literatur Vita POETARAUM
Ja gerne,
ausnahmsweise nochmals...
"...was für eine Ordnung halten wir denn aufrecht mit unserem Krieg? Die Ordnung der Friedhöfe. Und den letzten Friedhof, den größten dann, den belegen wir selbst. Und wenn wir doch übrigbleiben sollten, dann wird man uns fragen: was habt ihr getan? Und dann werden wir alle daherkommen und sagen: Wir, wir tragen keine Verantwortung, wir haben nur getan, was uns befohlen wurde...Ich sehe es schon im Geist, das ganze Heer der Beteuerer, die Händewäscher der Unschuld....."
So gesprochen in Proskurow oder Umgebung, 1942.
Geschrieben vom Lieblings-Schriftsteller von
--
marieke
ausnahmsweise nochmals...
"...was für eine Ordnung halten wir denn aufrecht mit unserem Krieg? Die Ordnung der Friedhöfe. Und den letzten Friedhof, den größten dann, den belegen wir selbst. Und wenn wir doch übrigbleiben sollten, dann wird man uns fragen: was habt ihr getan? Und dann werden wir alle daherkommen und sagen: Wir, wir tragen keine Verantwortung, wir haben nur getan, was uns befohlen wurde...Ich sehe es schon im Geist, das ganze Heer der Beteuerer, die Händewäscher der Unschuld....."
So gesprochen in Proskurow oder Umgebung, 1942.
Geschrieben vom Lieblings-Schriftsteller von
--
marieke
Re: Vitae P O E T A R U M
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich dachte zuerst an einen Ausschnitt aus einem Brief von Heinrich Böll, der auch fast fünf Jahre im Krieg war wie der Gesuchte, auch in der Ukraine (dann auf der Krim und später auch wieder im Westen).
Da musste ich noch weitersuchen - nach:
Albrecht Goes.
Aus der "Unruhigen Nacht" (Weihnachten 1949 erschienen) - ja, einem wunderbar wichtigen Text, wie er selten vorher oder nachher zur Verantwortung von Pfarrern im Krieg geschrieben wurde.
(Von zwei katholischen Militärgeistlichen, deren Bücher ich kenne, ist nichts dergleichen überliefert: weder das Poetische, noch das Politische, noch das Zeit überdauernde gewissensmäßig- verantwortliche Menschliche.
Ja, der Schwabe und Pfarrer konnte schreiben über:
Mörike, über Mozart und über die Verantwortung eines Mannes in der Nacht mit einem Soldaten vor dessen Hinrichtung; und von der Verantwortung (nicht "Schuld") der folgenden Generationen.
*
Bei dieser Autoren-Darstellung bei "wiki" kommt die "Unruhige Nacht" in ihrer historischen und literarischen Bedeutung zu kurz:
http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Goes
*
Im Nachwort zu der sehr gut informierenden Reclam-Ausgabe, s. TIPP, schreibt Goes, wie 1958 das damals neue "Bundeswehrministerium" in Bonn gegen die Verfilmung der Novelle protestierte und schikanierte.
Goes gehört leider wie Schneider, Schaper, Hausmann, Wiechert und viele andere der frühen (wahren) Fünfziger zu den "vergessenen Autoren".
*
Danke für den Text, Marieke!
An Goes' Beerdigung, ein paar Schritte von Mörikes Grab entfernt auf dem Prager Friedhof in Stuttgart habe ich teilgenommen. (Es war zwar Zufall, aber ein ewiger...)
--
hubertine
Da musste ich noch weitersuchen - nach:
Albrecht Goes.
Aus der "Unruhigen Nacht" (Weihnachten 1949 erschienen) - ja, einem wunderbar wichtigen Text, wie er selten vorher oder nachher zur Verantwortung von Pfarrern im Krieg geschrieben wurde.
(Von zwei katholischen Militärgeistlichen, deren Bücher ich kenne, ist nichts dergleichen überliefert: weder das Poetische, noch das Politische, noch das Zeit überdauernde gewissensmäßig- verantwortliche Menschliche.
Ja, der Schwabe und Pfarrer konnte schreiben über:
Mörike, über Mozart und über die Verantwortung eines Mannes in der Nacht mit einem Soldaten vor dessen Hinrichtung; und von der Verantwortung (nicht "Schuld") der folgenden Generationen.
*
Bei dieser Autoren-Darstellung bei "wiki" kommt die "Unruhige Nacht" in ihrer historischen und literarischen Bedeutung zu kurz:
http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Goes
*
Im Nachwort zu der sehr gut informierenden Reclam-Ausgabe, s. TIPP, schreibt Goes, wie 1958 das damals neue "Bundeswehrministerium" in Bonn gegen die Verfilmung der Novelle protestierte und schikanierte.
Goes gehört leider wie Schneider, Schaper, Hausmann, Wiechert und viele andere der frühen (wahren) Fünfziger zu den "vergessenen Autoren".
*
Danke für den Text, Marieke!
An Goes' Beerdigung, ein paar Schritte von Mörikes Grab entfernt auf dem Prager Friedhof in Stuttgart habe ich teilgenommen. (Es war zwar Zufall, aber ein ewiger...)
--
hubertine
Re: Vitae P O E T A R U M
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Eine andere Erinnerung an Goes:
"Leicht und schwer" - Siebzig Jahre im Gedicht.
Von Matthias Sträßner; im dradio.de
***
Auch als Erinnerung an den "Felmy":
"Unruhige Nacht".
Regie: Falk Harnack, Drehbuch: Horst Budjuhn Albrecht Goes. Darsteller: mit Bernhard Wicki, Hansjörg Felmy, Ulla Jacobson, Erik Schumann, Werner Peters. BRD 1958, 102 Min., S/W.
--
hubertine
"Leicht und schwer" - Siebzig Jahre im Gedicht.
Von Matthias Sträßner; im dradio.de
***
Auch als Erinnerung an den "Felmy":
"Unruhige Nacht".
Regie: Falk Harnack, Drehbuch: Horst Budjuhn Albrecht Goes. Darsteller: mit Bernhard Wicki, Hansjörg Felmy, Ulla Jacobson, Erik Schumann, Werner Peters. BRD 1958, 102 Min., S/W.
--
hubertine
Re: Vitae P O E T A R U M
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Weil ich seit gestern nur Goes lese, biete ich dieses Gedicht hier an:
Albrecht Goes
Der alte Leser
Ich weiß, ihr siegt. Ihr seid schon weit voran
Mit eurer weißen Schrift auf grünem Grund.
Die schreibt für euch, die ordnet, speichert, denkt,
Sie korrigiert und warnt euch; wie nur, wie?
Dies pralle Ding: Jahrhundertweisheit-Wust,
Der Kontinente Glanz und Schuld und Jammer,
Der Babel-Sprach-Fluch und der Unzahl Zahl.
Ein Ding, sagt ihr. Klug im Exzess.
Und doch
Ein fremdes, mir feindseliges Gerät.
Ich denk einen, der am Rechtecktisch
Im Lesesaal bei seiner Lampe sitzt -
Geduldig ganz der Handschrift zugewandt,
Dem Vorfahr nah im schweigenden Gespräch,
Dem schönen Fund zulob der Feder führend -
Ich weiß, ihr siegt. Ich will nicht mit euch siegen.
Ich will beim Buchstab bleiben.
Bis zuletzt.
*
(Aus: A.G.: Vierfalt. Wagnis und Erfahrung. FiTabu 11633. S. 147)
--
hubertine
Albrecht Goes
Der alte Leser
Ich weiß, ihr siegt. Ihr seid schon weit voran
Mit eurer weißen Schrift auf grünem Grund.
Die schreibt für euch, die ordnet, speichert, denkt,
Sie korrigiert und warnt euch; wie nur, wie?
Dies pralle Ding: Jahrhundertweisheit-Wust,
Der Kontinente Glanz und Schuld und Jammer,
Der Babel-Sprach-Fluch und der Unzahl Zahl.
Ein Ding, sagt ihr. Klug im Exzess.
Und doch
Ein fremdes, mir feindseliges Gerät.
Ich denk einen, der am Rechtecktisch
Im Lesesaal bei seiner Lampe sitzt -
Geduldig ganz der Handschrift zugewandt,
Dem Vorfahr nah im schweigenden Gespräch,
Dem schönen Fund zulob der Feder führend -
Ich weiß, ihr siegt. Ich will nicht mit euch siegen.
Ich will beim Buchstab bleiben.
Bis zuletzt.
*
(Aus: A.G.: Vierfalt. Wagnis und Erfahrung. FiTabu 11633. S. 147)
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hubertine
Re: Vitae P O E T A R U M
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Goes, Albrecht
Text zur Internt-Abbildung des Grabsteins:
bei www.knerger.de:
• geb. 22.3.1908 in Langenbeutingen (heute zu Langenbrettach, Lkrs. Heilbronn)
• gest. 23.2.2000 in Stuttgart
Deutscher Schriftsteller und Pfarrer (ev.); arbeitete seit 1953 als freier Schriftsteller; knüpfte als Lyriker an die Tradition seiner schwäbischen Heimat (Eduard Mörike) an; verfaßte u.a. Laienspiele, Biographen und Predigten.
Werke u.a.:
Noch und schon. 12 Überlegungen, 1983), Unruhige Nacht (1950).
--
hubertine
Text zur Internt-Abbildung des Grabsteins:
bei www.knerger.de:
• geb. 22.3.1908 in Langenbeutingen (heute zu Langenbrettach, Lkrs. Heilbronn)
• gest. 23.2.2000 in Stuttgart
Deutscher Schriftsteller und Pfarrer (ev.); arbeitete seit 1953 als freier Schriftsteller; knüpfte als Lyriker an die Tradition seiner schwäbischen Heimat (Eduard Mörike) an; verfaßte u.a. Laienspiele, Biographen und Predigten.
Werke u.a.:
Noch und schon. 12 Überlegungen, 1983), Unruhige Nacht (1950).
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hubertine
Re: Vitae P O E T A R U M
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Wer hier miträtseln will - bitte..:
Für heute diese Aufgabe über zwei Lyriker, die sich beide mit Rainer Maria Rilke beschäftigten:
Aus dem Aufsatz: »Die Zeit der anderen Auslegung wird anbrechen“, den der Autor zu Ehren von Rainer Maria Rilke schrieb:
Aus Anlaß des vierzigsten Todestages von Rainer Maria Rilke, also zum 29. Dezember 1966, wurden seinerzeit von einer großen deutschen Zeitung eine Reihe zeitgenössischer Lyriker nach der Bedeutung und Wirkung des Werks dieses Schriftstellers befragt. Die Antworten fielen unterschiedlich genug aus, allein, man war sich doch in manchem einig, etwa in der Tatsache, daß von diesem Werk nur noch indirekte Wirkungen ausgingen, daß die Zeit der Begeisterung und der enervierenden Nachahmung vorüber sei, vorüber die Zeit (unter dem Nationalsozialismus), in der dieser wichtige und für nicht wenige wichtigste deutschschreibende Lyriker des Jahrhunderts eine Zuflucht in den politisch-militärischen Schnecken der Jahre zwischen 1933 und 1945 bedeutet hatte. Man zollte Respekt, aber man distanzierte sich zugleich. Man bewunderte eine Wortkunst, die man ebenso bereit war, in ihren Grenzen zu erkennen. Bei Marie Luise Kaschnitz war die Beziehung zu Rilke auf die charakteristische Formel gebracht: »Rilkes Werk wird untergehen, wieder auftauchen, wieder untergehen, wieder auftauchen, wie das für alle großen Dichter gilt.«
[Ein kritischer Zeitgenosse Rilkes und Lyriker] bemängelte, daß Rilke die sinnlichen Phänomene nicht ganz ernst nehme und sie mit Vorbehalt ansähe, »eben daraufhin, ob von ihnen ein ‚Weg nach innen’ führe«.
Und er fügte hinzu: »So meinte er, die Feige trage Früchte, ohne vorher blühen zu müssen - und sie wurde ihm gleich zu einem Denkbild. Sein Werk ist voll von Gedankenhaftigkeit, meist siecht Lyrik an ihr dahin ... Für Rilke war die Materie nicht ein inspiriertes Phänomen. Sie war ihm Hinderung, die Erde sollte unsichtbar werden. Er erfand ein System von Beziehungen der Dinge untereinander: immer steuert er auf ein. Innen zu«.
Der Kritiker [selber Naturlyriker] sprach mit solchen Sätzen nichts als die eigene Position aus, die er in der Entwicklung des Gedichts bei uns inne hatte: Er war folgerichtig einseitig in der Beurteilung eines Werkes, das eher zu vielseitig ist und schnell unübersehbar in solcher Vielseitigkeit und in seiner Gegensätzlichkeit irritabel.
Man kann sich Rilke nicht einseitig nähern, nicht in der Art … [Namesangabe] oder wie es damals - und zuvor und danach - andere besorgten.
Es ist leicht, ihn, wie es [der kritische Naturlyriker] tat, einen »Berufsmelancholiker« zu schelten.
*
Wer schrieb diesen Aufsatz zum Geburtstag Rilkes – und welchen lyrisch kritischen Zeitgenossen, der 1968 starb, zitiert er hier?
--
hubertine
Für heute diese Aufgabe über zwei Lyriker, die sich beide mit Rainer Maria Rilke beschäftigten:
Aus dem Aufsatz: »Die Zeit der anderen Auslegung wird anbrechen“, den der Autor zu Ehren von Rainer Maria Rilke schrieb:
Aus Anlaß des vierzigsten Todestages von Rainer Maria Rilke, also zum 29. Dezember 1966, wurden seinerzeit von einer großen deutschen Zeitung eine Reihe zeitgenössischer Lyriker nach der Bedeutung und Wirkung des Werks dieses Schriftstellers befragt. Die Antworten fielen unterschiedlich genug aus, allein, man war sich doch in manchem einig, etwa in der Tatsache, daß von diesem Werk nur noch indirekte Wirkungen ausgingen, daß die Zeit der Begeisterung und der enervierenden Nachahmung vorüber sei, vorüber die Zeit (unter dem Nationalsozialismus), in der dieser wichtige und für nicht wenige wichtigste deutschschreibende Lyriker des Jahrhunderts eine Zuflucht in den politisch-militärischen Schnecken der Jahre zwischen 1933 und 1945 bedeutet hatte. Man zollte Respekt, aber man distanzierte sich zugleich. Man bewunderte eine Wortkunst, die man ebenso bereit war, in ihren Grenzen zu erkennen. Bei Marie Luise Kaschnitz war die Beziehung zu Rilke auf die charakteristische Formel gebracht: »Rilkes Werk wird untergehen, wieder auftauchen, wieder untergehen, wieder auftauchen, wie das für alle großen Dichter gilt.«
[Ein kritischer Zeitgenosse Rilkes und Lyriker] bemängelte, daß Rilke die sinnlichen Phänomene nicht ganz ernst nehme und sie mit Vorbehalt ansähe, »eben daraufhin, ob von ihnen ein ‚Weg nach innen’ führe«.
Und er fügte hinzu: »So meinte er, die Feige trage Früchte, ohne vorher blühen zu müssen - und sie wurde ihm gleich zu einem Denkbild. Sein Werk ist voll von Gedankenhaftigkeit, meist siecht Lyrik an ihr dahin ... Für Rilke war die Materie nicht ein inspiriertes Phänomen. Sie war ihm Hinderung, die Erde sollte unsichtbar werden. Er erfand ein System von Beziehungen der Dinge untereinander: immer steuert er auf ein. Innen zu«.
Der Kritiker [selber Naturlyriker] sprach mit solchen Sätzen nichts als die eigene Position aus, die er in der Entwicklung des Gedichts bei uns inne hatte: Er war folgerichtig einseitig in der Beurteilung eines Werkes, das eher zu vielseitig ist und schnell unübersehbar in solcher Vielseitigkeit und in seiner Gegensätzlichkeit irritabel.
Man kann sich Rilke nicht einseitig nähern, nicht in der Art … [Namesangabe] oder wie es damals - und zuvor und danach - andere besorgten.
Es ist leicht, ihn, wie es [der kritische Naturlyriker] tat, einen »Berufsmelancholiker« zu schelten.
*
Wer schrieb diesen Aufsatz zum Geburtstag Rilkes – und welchen lyrisch kritischen Zeitgenossen, der 1968 starb, zitiert er hier?
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hubertine
Ich danke dir betr. Albrecht Goes!
Seine Bücher habe ich wahrscheinlich fast alle, einige mit seiner persönlichen Widmung von 1979-, eine Lesung vom ihm, in Stuttgart damals.
Herzlich,
--
marieke
Seine Bücher habe ich wahrscheinlich fast alle, einige mit seiner persönlichen Widmung von 1979-, eine Lesung vom ihm, in Stuttgart damals.
Herzlich,
--
marieke
Da wir nun beide A.Goes-Verehrer sind- das ist schön.
Dies heisst aber nicht, dass ich, hubertine, deine Ausfälle in anderen Threads gut heisse.
Guten Sonntag,
--
marieke
Dies heisst aber nicht, dass ich, hubertine, deine Ausfälle in anderen Threads gut heisse.
Guten Sonntag,
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marieke