Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
danke für das Dada-Gedicht - es erinnert ein wenig an Morgensterns "Das große Lalula"
CHRISTIAN MORGENSTERN
Das große Lalula
Kroklokwafzi? Seṁemeṁi!
Seiokrontro – prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulaleṁi:
quasti basti bo…
Lalu lalu lalu lalu la!
Hontraruru miromente
zasku zes rü rü?
Entepente, leiolente
klekwapufzi lü?
Lalu lalu lalu lalu la!
Simarar kos malzipempu
silzuzankunkrei (;)!
Marjomar dos: Quempu Lempu
Siri Suri Sei []!
Lalu lalu lalu lalu la!
Ja Malinka, das ist richtig. Er war, so habe ich verstanden, ein 'Vorbild' für die 'Lautpoesie' der Dadaisten. Aber ich weiss eigentlich nur sehr wenig von ihnen. In Zürich gab es mal das Café Voltaire mit ein paar Ausstellungsstücken zum Thema DADAismus. Leider ist es inzwischen geschlossen.
Unter Lautpoesie habe ich dies noch gefunden:
von Hugo Ball (aus Wikipedia - gemeinfrei)
Zitat:
Ball war ein Pionier des Lautgedichts. Hier das Beispiel Karawane aus dem Jahr 1917
Nachtrag zu 'Lautpoesie'. Diese Gedichte 'wirken' nur, wenn sie vom Autor vorgetragen werden. Es gab mal eine TV-Doku mit Originalaufnahmen. Sie haben damals auch bei DADA-Banausen für Kopfschütteln gesorgt.
Das Dorf im Schnee
Still, wie unterm warmen Dach,
liegt das Dorf im weißen Schnee;
In den Erlen schläft der Bach,
unterm Eis der blanke Schnee.
Weiden steh´n im weißen Haar,
spiegeln sich in starrer Flut;
alles ruhig, kalt und klar
wie der Tod, der ewig ruht.
Weit, soweit das Auge sieht,
keinen Ton vernimmt das Ohr.
Blau zum blauen Himmel zieht
sacht der Rauch vom Schnee empor.
Möchte schlafen wie der Baum
ohne Lust und ohne Schmerz;
doch der Rauch zieht wie im Traum
still nach Haus mein Herz.
Klaus Groth (1819 - 1899)
Erich Mühsam
War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.
Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.
Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.
Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.
Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt!
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"
Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.
Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. –
Joseph von Eichendorff (1788–1857) war einer der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller
„Es färbte sich die Wiese grün"
Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt,
Es drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßem Duft entgegen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben, Farben, Duft und Schall,
Sie schienen gern sich zu vereinen,
Daß alles möchte lieblich scheinen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
So dacht ich: ist ein Geist erwacht,
Der alles so lebendig macht
Und der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren?
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Vielleicht beginnt ein neues Reich
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Wie ich so stand und bei mir sann,
Ein mächtger Trieb in mir begann.
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Sie ging vorbei, ich grüßte sie,
Sie dankte, das vergeß ich nie
Ich mußte ihre Hand erfassen
Und sie schien gern sie mir zu lassen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein.
Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden.
Nun wußt ich wohl, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Novalis (1772 - 1801), Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, Dichter der Romantik.