Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
Es steht allein im rauen Norden
Auf kahlem Berg ein Fichtenstamm:
Im Kleid, das Schnee und Eis geworden,
Schläft diese Fichte leis und schwankt.
Sie träumt, wie in der fernen Wüste,
Dort, wo die Sonne aufgehn muss,
Allein, auf einem Felsen brütend,
Eine schöne Palme wuchs.
Michail Lermontov 1841
Noch ist es vor dem Fenster hell,
Die Sonne blinkt in Wolkenrissen,
Ein Spatz, im Sande badend, schlägt
Mit seinen Flügeln, leise zitternd.
Doch schon bis tief zur Erde schwankt
Ein großer Vorhang hoch vom Himmel,
Und hinter ihm der Waldesrand
Schaut wie bestäubt mit goldnem Flimmer.
Ein Tropfen an die Scheibe spritzt,
Von den Linden träuft's wie Honig,
Bis jemand durch den Garten flitzt
Auf die frischen Blätter trommelnd.
Afanasij Fet (1857)
Wenn das Leben dich betrügt,
Sei nicht traurig, nicht beklommen!
Bleib auch beim Schicksalsschlag vergnügt:
Ein bessrer Tag, glaub mir, wird kommen.
Das Herz: im Zukünftigen lebt's;
Die Gegenwart kennt nur Beschwerden;
Doch schon im Nu ist sie verweht;
Und was vergeht, wird wieder werden.
Aleksandr Puskin 1825
Aber ist Puschkin wirklich vergessen? In Russland doch nicht, oder? In Wikipedia ist zu lesen:
"Puschkin gilt für die meisten seiner Landsleute als der russische Nationaldichter (mit weitem Abstand vor im Ausland wohl bekannteren Schriftstellern wie Tolstoi, Dostojewski, Gogol oder Pasternak)."
Clara
Hallo Clara,
da hast du natürlich Recht. Puskin gehört natürlich zu den bekannten Dichtern. Ich habe Ihn nur mit aufgeführt, da ich glaube, da es viele Interessierte Menschen gibt, die zwar die Namen kennen, aber vielleicht nur wenig von Ihnen gelesen haben. Die meisten, so wie ich, können ja auch nicht russisch und sind dann auf Übersetzungen angewiesen. Vielleicht liege ich ja auch falsch mit meiner Einschätzung aber schaden kann es ja nicht mal die Namen zu nennen. Ich finde die Übersetzungen aber auch sehr gut. Da muss man schon selber Dichter sein, um so aus einer fremden Sprache übersetzen zu können.
Lieben Gruß
Yankee
vermutlich ist die Hauptseite auch für andere „vergessene“ Dichter ein zielführender Tipp.
Das werde ich demnächst erkunden.
freeon
Ich bin in den achzigerjahren einmal auf einer Lesung in Esslingen gewesen. Dort wurden Liebesgedichte einer deutschen Dichterin vorgelesn und über das Leben dieser Frau erzählt. Sie hieß Katharina Vemen. Jetzt ist mir vor ein paar Wochen wieder das Buch in die Hände gefallen, das damals für den Vortrag gemacht wurde, und ich habe mich darin festgelesen. Ich möchte gerne mehr über die Autorin erfahren. Leider finde ich aber keine Informationen zu ihr. Wer weiß vielleicht etwas?
Josef Viktor von Scheffel (1859)
Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
wer lange sitzt, muss rosten!
Den allerschönsten Sonnenschein
läßt uns der Himmel kosten.
Drum reich mir Stab und Ordenskleid
der fahrenden Scholaren,
ich will zur schönen Sommerzeit
ins Land der Franken fahren.
Valleri, vallera, valleri, vallera,
ins Land der Franken fahren.
Der Wald steht grün, die Jagd geht gut,
schwer ist das Korn geraten;
sie können auf des Maines Flut
die Schiffe kaum verladen.
Bald hebt sich auch das Herbsten an,
die Kelter hart des Weines;
der Winzer Schutzherr Kilian
beschert uns etwas Feines.
Valleri, vallera, valleri, vallera,
beschert uns etwas Feines.
Wallfahrer ziehen durch das Tal
mit fliegenden Standarten,
hell grüßt ihr doppelter Choral
den weiten Gottesgarten.
Wie gerne wär ich mitgewallt,
ihr Pfarr' wollt mich nicht haben!
So muss ich seitwärts durch den Wald
als räudig Schäflein traben.
Valleri, vallera, valleri, vallera,
als räudig Schäflein traben.
Zum heiligen Veit von Staffelstein
komm' ich emporgestiegen
und seh die Lande um den Main
zu meinen Füßen liegen:
Von Bamberg bis zum Grabfeldgau
umrahmen Berg und Hügel
die breite, stromdurchglänzte Au,
ich wollt, mir wüchsen Flügel!
Valleri, vallera, valleri, vallera,
ich wollt, mir wüchsen Flügel!
Einsiedelmann ist nicht zu Haus,
dieweil es Zeit zu mähen;
ich seh ihn an der Halde draus
bei einer Schnittrin stehen.
Verfahrner Schüler Stoßgebet
heißt: Herr, gib uns zu trinken!
Doch wer bei schöner Schnittrin steht,
dem mag man lange winken.
Valleri, vallera, valleri, vallera,
dem mag man lange winken.
Einsiedel, dass war missgetan,
dass du dich hubst von hinnen!
Es liegt, ich seh's dem Keller an,
ein guter Jahrgang drinnen.
Hoiho! die Pforten brech ich ein
und trinke, was ich finde.
Du heiliger Veit von Staffelstein,
verzeih mir Durst und Sünde!
Valleri, vallera, valleri, vallera,
verzeih mir Durst und Sünde!
Der Frühling küsste
sanft die Bäume,
und frisches Grün stieg auf
wie grüner Rauch.
Die Wolken zogen
übers jugendliche Land...
Im schwanken Laub hab ich
die kühlen Tropfen des April gesehn.
Dort unter jenem Mandelbaum
in voller Blütenpracht
- ich weiß es noch - dort hab ich ihr geflucht,
ihr, meiner Jugend ohne Liebe.
Heute, in des Lebens Mitte,
grüble ich nicht mehr...
Jugend, die man nie gelebt,
wer träumte wohl von ihrer Wiederkehr!
© Bertram Kottmann,
aus dem Spanischen
La primavera besaba
suavemente la arboleda,
y el verde nuevo brotaba
como una verde humareda.
Las nubes iban pasando
sobre el campo juvenil...
Yo vi en las hojas temblando
las frescas lluvias de abril.
Bajo ese almendro florido,
todo cargado de flor
- recordé -, yo he maldecido
mi juventud sin amor.
Hoy, en mitad de la vida,
me ha parado a meditar...
¡Juventud nunca vivida,
quién te volviera a soñar!
Aus: Soledades, LXXXV
Antonio Machado
Antonio Machado
An die Sittlichkeitsprediger in Köln am Rheine
Warum schimpfen Sie, Herr Lizentiate,
Über die Unmoral in der Kemenate?
Warum erheben Sie ein solches Geheule,
Sie gnadentriefende Schöpsenkeule?
Ezechiel und Jeremiae Jünger,
Was beschmeußen Sie uns mit dem Bibeldünger?
Was gereucht Ihnen zu solchem Schmerze,
Sie evangelische Unschlittkerze?
Was wissen Sie eigentlich von der Liebe
Mit Ihrem Pastoren-Kaninchentriebe,
Sie multiplizierter Kindererzeuger,
Sie gottesseliger Bettbesteuger? .
Als wie die Menschen noch glücklich waren,
Herr Lizentiate, vor vielen Jahren,
Da wohnte Frau Venus im Griechenlande
In schönen Tempeln am Meeresstrande.
Man hielt sie als Göttin in hohen Ehren
Und lauschte willig den holden Lehren.
Sie reden von einem schmutzigen Laster,
Sie jammerseliges Sündenpflaster!
Sie haben den Schmutz wohl häufig gefunden
In Ihren sündlichen Fleischesstunden
Bei Ihrem christlichen Eheweibchen?
In Frau Pastorens Flanellenleibchen?
Ludwig Thoma
(* 21.01.1867, † 26.08.1921)