Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
SCHLAFLIED
Die Sonne macht ihr Auge zu,
Die Fenster sind schon zugetan,
Die Wiese schläft in guter Ruh,
So schlaf auch du, Sebastian –
Es schlafen alle Käfer ein,
Und auch der Storch, der lange sann,
Und auch das Stichel-Stadselschwein,
So schlaf auch du, Sebastian –
Der Affe schläft in seinem Ring,
Es schläft die grüne Straßenbahn,
Sie macht im Traume leis: kling-ling...
So schlaf auch du, Sebastian –
Es schläft der lose Hosenknopf,
Der Wald, den wir am Sonntag sahn,
Es schläft der Honig in dem Topf,
So schlaf auch du, Sebastian –
Du wirst im Traum ein Riese sein,
Ein Neger und ein Würstelmann,
Schlaf ein, mein Liebling, sag nicht nein,
Schlaf ruhig ein, Sebastian –
Du reitest, wie ein Königssohn –
Und fährst auf einem Zauberkahn –
– Die gute Mutti schlummert schon,
So schlaf auch du, Sebastian.
Jozsef Attila
(übersetzt von Lenard Sandor)
Attila József
Dieses Schlaflied hat mich sehr gefallen. Muss doch unbedingt mal mehr ungarische Poesie lesen, eleonore. Gibt es nicht etwa eine Anthologie auf deutsch ?
Roger
Mir gefällt er auch, der Attila József.
Darum noch ein Gedicht von ihm:
Staunen
Wenn meine Liebste lacht, so lacht sie Sterne,
doch wenn ich dürste, einen Quell für mich.
Sie mag nur blühn für jede Himmelsferne,
doch küssen darf kein andrer sie, nur ich.
Ihr Haar ist Pech, durchwirkt mit altem Golde,
taufrische Wälder sind ihr Augenlicht.
Ich läge gern als Matte, wenn sie's wollte,
vor ihrer Tür. Sie sagt, das will sie nicht.
In unserm Wortgeplänkel lauern Küsse,
die wolln zu ihren Brüdern insgeheim...
Nur Wiesen träumen solche Traumgenüsse,
mein Mädchen ist der Gräser Honigseim.
Am Abend wachsen unsern Küssen Flügel,
sie tragen uns hinauf zum Sternenmeer,
wir lagern morgens auf dem Himmelshügel
und staunen über dieses Leben sehr.
Attila József (1905-1937)
Darum noch ein Gedicht von ihm:
Staunen
Wenn meine Liebste lacht, so lacht sie Sterne,
doch wenn ich dürste, einen Quell für mich.
Sie mag nur blühn für jede Himmelsferne,
doch küssen darf kein andrer sie, nur ich.
Ihr Haar ist Pech, durchwirkt mit altem Golde,
taufrische Wälder sind ihr Augenlicht.
Ich läge gern als Matte, wenn sie's wollte,
vor ihrer Tür. Sie sagt, das will sie nicht.
In unserm Wortgeplänkel lauern Küsse,
die wolln zu ihren Brüdern insgeheim...
Nur Wiesen träumen solche Traumgenüsse,
mein Mädchen ist der Gräser Honigseim.
Am Abend wachsen unsern Küssen Flügel,
sie tragen uns hinauf zum Sternenmeer,
wir lagern morgens auf dem Himmelshügel
und staunen über dieses Leben sehr.
Attila József (1905-1937)
Staunen
Wenn meine Liebste lacht, so lacht sie Sterne,
doch wenn ich dürste, einen Quell für mich.
Sie mag nur blühn für jede Himmelsferne,
doch küssen darf kein andrer sie, nur ich.
Ihr Haar ist Pech, durchwirkt mit altem Golde,
taufrische Wälder sind ihr Augenlicht.
Ich läge gern als Matte, wenn sie's wollte,
vor ihrer Tür. Sie sagt, das will sie nicht.
In unserm Wortgeplänkel lauern Küsse,
die wolln zu ihren Brüdern insgeheim...
Nur Wiesen träumen solche Traumgenüsse,
mein Mädchen ist der Gräser Honigseim.
Am Abend wachsen unsern Küssen Flügel,
sie tragen uns hinauf zum Sternenmeer,
wir lagern morgens auf dem Himmelshügel
und staunen über dieses Leben sehr.
Attila József (1905-1937)
Die Liebe, in Himmel und auf Erden. Und soch ein bildhaftes Natürgefühl.
Roger
„Mitten in dieser Versammlung der Sonnen erhebt sich der Himmel,
Rund, unermeßlich, das Urbild der Welten, die Fülle
Aller sichtbaren Schönheit, die sich, gleich flüchtigen Bächen,
Um ihn, durch den unendlichen Raum nachahmend, ergiesset.
Also dreht er sich, unter dem Ewigen, um sich selber.
Indem er wandelt, ertönen von ihm, auf Flügeln der Winde,
An die Gestade der Sonnen die sphärischen Harmonien
Hoch hinüber. Die Lieder der göttlichen Harfenspieler
Schallen mit Macht, wie beseelend, darein. Dieß vereinbarte Tönen
Führt vorm unsterblichen Hörer manch hohes Loblied vorüber.“
Messias-Gesänge
von Friedrich Gottlieb Klopstock.
Diese Gesänge stehen schon seit Jahren auf meiner Liste "zu lesen". Danke für die Erinnerung, eleonore.
Roger
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
Staunen
von Attila Joszef.
Ein wunder-, wunderschönes Gedicht -
mir war bislang der Schriftsteller unbekannt.
Ich freue mich sehr, daß es hier eingestellt
wurde und ich es lesen durfte.
Medea.
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
Passt zum bevorstehenden Frühlingsausbruch:
Zwei lila Primeln
Zwei lila Primeln stehn auf der Fensterbank
und blühen, als haben zwei Menschen verliebt denselben Gedank'.
Vor den Wolken draußen, die hochgeschwungen,
stehen die Blumenbündel dunkel gedrungen,
als wachsen zwei Schatten wild aus zwei Töpfen,
als platzt hier die Sehnsucht aus Blumen wie aus zwei Köpfen.
Es stehen finster trutzig im Fensterrahmen
die Zwei, die zu einem Gedanken kamen.
(Max Dauthendey)
Max Dauthendey wurde am 5. Juli 1867 in Würzburg geboren. Er veröffentlichte Romane, Dramen, Novellen, Lyrik, u.w. Er verstarb am 29. August 1918 in Malang auf Java.
Luchs
Zwei lila Primeln
Zwei lila Primeln stehn auf der Fensterbank
und blühen, als haben zwei Menschen verliebt denselben Gedank'.
Vor den Wolken draußen, die hochgeschwungen,
stehen die Blumenbündel dunkel gedrungen,
als wachsen zwei Schatten wild aus zwei Töpfen,
als platzt hier die Sehnsucht aus Blumen wie aus zwei Köpfen.
Es stehen finster trutzig im Fensterrahmen
die Zwei, die zu einem Gedanken kamen.
(Max Dauthendey)
Max Dauthendey wurde am 5. Juli 1867 in Würzburg geboren. Er veröffentlichte Romane, Dramen, Novellen, Lyrik, u.w. Er verstarb am 29. August 1918 in Malang auf Java.
Luchs
Hallo, liebe Luchs,
die zwei Primeln und ihren Schöpfer, den Herrn Dauthendey, mag ich auch und erlaube mir darum, hier ein weiteres Gedicht von ihm einzustellen.
Da hast Du mich auf die Idee gebracht, auch durch die Anspielung auf den kommenden Frühling.
Weil’s Frühling ist, Frau Dauthendey
Die Schmetterlinge saßen gut
Frau Dauthendey am Frühlingshut,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Maikäfer saßen mehr abwärts
Hinterm Korsett an ihrem Herz,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Ihr fielen Blumen in den Schoß,
Es blühte dort bald klein und groß,
Und jede sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Doch sie schickt Schmetterlinge fort,
Und bricht selbst Maikäfern das Wort,
Spricht: "Blüten seid mir einerlei,
Im Frühling braucht mich Dauthendey."
Max Dauthendey
Viele Grüße
Enigma
die zwei Primeln und ihren Schöpfer, den Herrn Dauthendey, mag ich auch und erlaube mir darum, hier ein weiteres Gedicht von ihm einzustellen.
Da hast Du mich auf die Idee gebracht, auch durch die Anspielung auf den kommenden Frühling.
Weil’s Frühling ist, Frau Dauthendey
Die Schmetterlinge saßen gut
Frau Dauthendey am Frühlingshut,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Maikäfer saßen mehr abwärts
Hinterm Korsett an ihrem Herz,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Ihr fielen Blumen in den Schoß,
Es blühte dort bald klein und groß,
Und jede sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."
Doch sie schickt Schmetterlinge fort,
Und bricht selbst Maikäfern das Wort,
Spricht: "Blüten seid mir einerlei,
Im Frühling braucht mich Dauthendey."
Max Dauthendey
Viele Grüße
Enigma
Liebeserklärung
von Robert Burns
Und wär ein König ich
und wär die Erde mein,
du wärst in meiner Krone
doch der schönste Stein.
Robert Burns
Des Dichters letztes Sonett
John Keats
Strahlstern! könnt ich gleich dir beständig sein!
Nicht einsam prangend in der nächtigen Herde,
Nicht offnen Lides wandern im Verein
Mit dem geduldigen Eremit der Erde,
Dem Strom des Wassers, der mit Priesterhand
Der Menschen Lande wäscht in ewigem Wachen,
Nicht starrend auf der Berge Schneegewand
Und dunkler Moore grün verschlossne Rachen –
Nein – doch beständig: immerdar gebettet
Auf der Geliebten reifend wache Brust,
Wie Schwellen sich mit Sinken zart verkettet,
Sanft fühlend, süßer Unruh stets bewußt,
Noch hörend, noch, des Atems lindes Wehen –
So ewig leben – oder tot vergehen!
von Robert Burns
Und wär ein König ich
und wär die Erde mein,
du wärst in meiner Krone
doch der schönste Stein.
Robert Burns
Des Dichters letztes Sonett
John Keats
Strahlstern! könnt ich gleich dir beständig sein!
Nicht einsam prangend in der nächtigen Herde,
Nicht offnen Lides wandern im Verein
Mit dem geduldigen Eremit der Erde,
Dem Strom des Wassers, der mit Priesterhand
Der Menschen Lande wäscht in ewigem Wachen,
Nicht starrend auf der Berge Schneegewand
Und dunkler Moore grün verschlossne Rachen –
Nein – doch beständig: immerdar gebettet
Auf der Geliebten reifend wache Brust,
Wie Schwellen sich mit Sinken zart verkettet,
Sanft fühlend, süßer Unruh stets bewußt,
Noch hörend, noch, des Atems lindes Wehen –
So ewig leben – oder tot vergehen!
Ja, die "Engländer" lese ich auch gerne.
Hermann von Gilm zu Rosenegg, auch ein Vergessener oder Halbvergessener?
Einige seiner Sophien-Gedichte wurden von Richard Strauß vertont.
Eines seiner Gedichte stelle ich nachfolgend ein:
Ein Veilchen blühte still verborgen,
Da fliegt ein Schmetterling vorbei
Und setzt sich fern, sitzt bang voll Sorgen,
Das Veilchen grüßt: "Recht guten Morgen!"
Und frägt, warum er traurig sei.
"Ich komm' herauf von jener Heide,
Da sind sie alle schön geschmückt
Mit Gold auf ihrem Flügelkleide –
Den stolzen Blumen ihre Freunde -,
Nur mich hat keine angeblickt.
"Ich hab' kein Gold auf meinem Flügel,
Es hat's der Mond, der Sterne Licht,
Es hat's der Baum auf jedem Hügel,
Es hat's der Bach auf seinem Spiegel; -
Nur ich bin arm, ich hab' es nicht!"
Doch bei der ersten Sterne Schimmer
Lag er beim Veilchen duftberauscht,
Und diese Eine Nacht hätt' nimmer
Um all' des Goldes Glanz und Flimmer
Der arme Falter eingetauscht.
Hermann von Gilm zu Rosenegg
Hermann von Gilm zu Rosenegg, auch ein Vergessener oder Halbvergessener?
Einige seiner Sophien-Gedichte wurden von Richard Strauß vertont.
Eines seiner Gedichte stelle ich nachfolgend ein:
Ein Veilchen blühte still verborgen,
Da fliegt ein Schmetterling vorbei
Und setzt sich fern, sitzt bang voll Sorgen,
Das Veilchen grüßt: "Recht guten Morgen!"
Und frägt, warum er traurig sei.
"Ich komm' herauf von jener Heide,
Da sind sie alle schön geschmückt
Mit Gold auf ihrem Flügelkleide –
Den stolzen Blumen ihre Freunde -,
Nur mich hat keine angeblickt.
"Ich hab' kein Gold auf meinem Flügel,
Es hat's der Mond, der Sterne Licht,
Es hat's der Baum auf jedem Hügel,
Es hat's der Bach auf seinem Spiegel; -
Nur ich bin arm, ich hab' es nicht!"
Doch bei der ersten Sterne Schimmer
Lag er beim Veilchen duftberauscht,
Und diese Eine Nacht hätt' nimmer
Um all' des Goldes Glanz und Flimmer
Der arme Falter eingetauscht.
Hermann von Gilm zu Rosenegg
Francesco Petrarca (1304-1374)
Ist Liebe lauter nichts...
Ist Liebe lauter nichts, wie dass sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewusst?
Ist sie auch recht und gut, wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut, wie dass man Freud aus ihr empfindet?
Lieb ich gar williglich, wie dass ich Schmerzen trage?
Muss ich es tun, was hilfts, dass ich solch Trauren führ?
Tu ichs nicht gern, wer ists, der es befiehlet mir?
Tu ichs gern, warum, dass ich mich dann beklage?
Ich wanke wie das Gras, so von den kühlen Winden
Um Vesperzeit bald hin geneiget wird, bald her.
Ich walle wie ein Schiff, das in dem wilden Meer
Von Wellen umgejagt nicht kann zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich will, ich will nicht was ich weiß,
Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiß.
(aus dem Italienischen von Martin Opitz)
Ist Liebe lauter nichts...
Ist Liebe lauter nichts, wie dass sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewusst?
Ist sie auch recht und gut, wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut, wie dass man Freud aus ihr empfindet?
Lieb ich gar williglich, wie dass ich Schmerzen trage?
Muss ich es tun, was hilfts, dass ich solch Trauren führ?
Tu ichs nicht gern, wer ists, der es befiehlet mir?
Tu ichs gern, warum, dass ich mich dann beklage?
Ich wanke wie das Gras, so von den kühlen Winden
Um Vesperzeit bald hin geneiget wird, bald her.
Ich walle wie ein Schiff, das in dem wilden Meer
Von Wellen umgejagt nicht kann zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich will, ich will nicht was ich weiß,
Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiß.
(aus dem Italienischen von Martin Opitz)