Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
@Enigma
Ja, Enigma, Liliencron mag ich besonders, seine Gedichte kommen mir irgendwie moderner vor als die von vielen seiner Zeitgenossen. Liegt das an der Sprache ? Ich weiss es nicht. Mein Lieblingsgedicht ist: Einen Sommer lang...
Hier noch eins:
Wiegenlied
Vor der Türe schläft der Baum
durch den Garten zieht ein Traum
langsam schwimmt der Mondeskahn
und im Schlafe kräht der Hahn
schlaf mein Wölfchen, schlaf
Schlaf mein Wulff. In später Stund
küss ich deinen roten Mund
streck dein kleines dickes Bein
steht noch nicht auf Weg und Stein
schlaf mein Wölfchen schlaf
Schlaf mein Wulff. Es kommt die Zeit
Regen rinnt, es stürmt und schneit
lebst in atemloser Hast
hättest gerne Schlaf und Rast
Schlaf mein Wölfchen schlaf
Vor der Türe schläft der Baum
... 1. Vers
Das, welches Milan eingesetzt hat, ist auch sehr schön
Ja, Enigma, Liliencron mag ich besonders, seine Gedichte kommen mir irgendwie moderner vor als die von vielen seiner Zeitgenossen. Liegt das an der Sprache ? Ich weiss es nicht. Mein Lieblingsgedicht ist: Einen Sommer lang...
Hier noch eins:
Wiegenlied
Vor der Türe schläft der Baum
durch den Garten zieht ein Traum
langsam schwimmt der Mondeskahn
und im Schlafe kräht der Hahn
schlaf mein Wölfchen, schlaf
Schlaf mein Wulff. In später Stund
küss ich deinen roten Mund
streck dein kleines dickes Bein
steht noch nicht auf Weg und Stein
schlaf mein Wölfchen schlaf
Schlaf mein Wulff. Es kommt die Zeit
Regen rinnt, es stürmt und schneit
lebst in atemloser Hast
hättest gerne Schlaf und Rast
Schlaf mein Wölfchen schlaf
Vor der Türe schläft der Baum
... 1. Vers
Das, welches Milan eingesetzt hat, ist auch sehr schön
Ja, Val,
die meisten Lilienthal-Gedichte mag ich auch sehr gerne, so auch das von Dir eingestellte.
Wer nie in der Jugend...
Wer nie in der Jugend Gewitterdrang
über jedes trennende Gitter sprang,
wer nie sünd´gem Verlangen gebebt hat
und immer nur nach Erlaubtem gestrebt hat,
dem schmücke das Wams mit Orden und Tressen,
doch sag ihm, er habe zu leben vergessen.
Oscar Blumenthal
(1852 - 1917)
Gruß von Enigma
die meisten Lilienthal-Gedichte mag ich auch sehr gerne, so auch das von Dir eingestellte.
Wer nie in der Jugend...
Wer nie in der Jugend Gewitterdrang
über jedes trennende Gitter sprang,
wer nie sünd´gem Verlangen gebebt hat
und immer nur nach Erlaubtem gestrebt hat,
dem schmücke das Wams mit Orden und Tressen,
doch sag ihm, er habe zu leben vergessen.
Oscar Blumenthal
(1852 - 1917)
Gruß von Enigma
Bist du als Mann geboren
Bist du als Mann geboren,
dann wank und schwanke nicht
bei jedem Schlag des Schicksals,
gleich einem feigen Wicht.
Das Schicksal ist ein Kläffer,
der schnell den Schwanz einzieht,
wenn man ihm unerschrocken
fest in die Augen sieht.
Bist du als Mann geboren,
dein Tun beweise es!
So klar wie Taten sprechen,
spricht kein Demosthenes.
Du magst erbaun, zerstören,
doch wenn dein Werk getan,
rühm dich nicht deiner Taten,
verstumm wie der Orkan.
Bist du als Mann geboren,
zeig's durch Bekennermut,
und müßtest du's bezahlen
sogleich mit deinem Blut.
Das Leben mag vergehen,
was dir als Wahrheit gilt,
verleugne nicht, bewahr es
wie deiner Ehre Schild.
Bist du als Mann geboren,
gib um die Gunst der Welt
nicht auf dein freies Leben,
noch gar um schnödes Geld.
Mit käuflichen Subjekten
mach niemals dich gemein!
Nein! "Bettelstab und Freiheit!"
laß deine Losung sein.
Bist du als Mann geboren,
zeig stets dich stark und fest
als Kerl, der sich vom Schicksal
nicht unterkriegen läßt,
der keine Feinde fürchtet,
ein unbeugsamer Mann,
der Eiche gleich, die stürzen,
doch nie sich krümmen kann.
Santor Petöfi
Bist du als Mann geboren,
dann wank und schwanke nicht
bei jedem Schlag des Schicksals,
gleich einem feigen Wicht.
Das Schicksal ist ein Kläffer,
der schnell den Schwanz einzieht,
wenn man ihm unerschrocken
fest in die Augen sieht.
Bist du als Mann geboren,
dein Tun beweise es!
So klar wie Taten sprechen,
spricht kein Demosthenes.
Du magst erbaun, zerstören,
doch wenn dein Werk getan,
rühm dich nicht deiner Taten,
verstumm wie der Orkan.
Bist du als Mann geboren,
zeig's durch Bekennermut,
und müßtest du's bezahlen
sogleich mit deinem Blut.
Das Leben mag vergehen,
was dir als Wahrheit gilt,
verleugne nicht, bewahr es
wie deiner Ehre Schild.
Bist du als Mann geboren,
gib um die Gunst der Welt
nicht auf dein freies Leben,
noch gar um schnödes Geld.
Mit käuflichen Subjekten
mach niemals dich gemein!
Nein! "Bettelstab und Freiheit!"
laß deine Losung sein.
Bist du als Mann geboren,
zeig stets dich stark und fest
als Kerl, der sich vom Schicksal
nicht unterkriegen läßt,
der keine Feinde fürchtet,
ein unbeugsamer Mann,
der Eiche gleich, die stürzen,
doch nie sich krümmen kann.
Santor Petöfi
Stoßseufzer
Unbequemer neuer Glauben !
Wenn sie uns den Herrgott rauben,
Hat das Fluchen auch ein End -
Himmel-Herrgott-Sakrament!
Wir entbehren leicht das Beten,
Doch das Fluchen ist von Nöten,
Wenn man gegen Feinde rennt -
Himmel-Herrgott-Sakrament !
Nicht zum Lieben, nein zum Hassen,
Sollt ihr uns den Herrgott lassen,
Weil man sonst nicht fluchen könnt -
Himmel-Herrgott-Sakrament!!
Heinrich Heine
Unbequemer neuer Glauben !
Wenn sie uns den Herrgott rauben,
Hat das Fluchen auch ein End -
Himmel-Herrgott-Sakrament!
Wir entbehren leicht das Beten,
Doch das Fluchen ist von Nöten,
Wenn man gegen Feinde rennt -
Himmel-Herrgott-Sakrament !
Nicht zum Lieben, nein zum Hassen,
Sollt ihr uns den Herrgott lassen,
Weil man sonst nicht fluchen könnt -
Himmel-Herrgott-Sakrament!!
Heinrich Heine
Der Reim
Der Reim ist nur der Sprache Gunst,
nicht nebenher noch eine Kunst.
Geboren wird er, wo sein Platz,
aus einem Satz mit einem Satz.
Er ist kein eigenwillig Ding,
das in der Form spazieren ging.
Er ist ein Inhalt, ist kein Kleid,
das heute eng und morgen weit.
Er ist nicht Ornament der Leere,
des toten Wortes letzte Ehre.
Nicht Würze ist er, sondern Nahrung,
er ist nicht Reiz, er ist die Paarung.
Er ist das Ufer, wo sie landen,
sind zwei Gedanken einverstanden.
Er ist so seicht und ist so tief
wie jede Sehnsucht, die ihn rief.
Er ist so einfach oder schal
wie der Empfindung Material.
Er ist so neu und ist so alt
wie des Gedichtes Vollgestalt.
Orphischen Liedes Reim, ich wette,
er steht auch in der Operette.
Wenn Worte ihren Wert behalten,
kann nie ein alter Reim veralten.
Fühlt sich am Vers ein Puls, ein Herz,
so fühlt es auch den Reim auf Schmerz.
Aus allgemeinrer Sachlichkeit
glückt neu der Reim von Leid auf Zeit.
Weist mich das Wort in weitere Fernen
o staunend Wiedersehn mit Sternen!
Der erdensichern Schmach Verbreitung
bedingt dafür die Tageszeitung
und leicht trifft einem irdnen Tropf
der Reim den Nagel auf den Kopf.
Dem Wortbekenner ist das Wort
ein Wunder und ein Gnadenort.
Der Reim, oft nur der Verse Leim,
ist der Gedanken Honigseim.
Hier bietet die Natur den Schatz,
dort Technik süßeren Ersatz.
Ein Wort, das nie am Ursprung lügt,
zugleich auch den Geschmack betrügt.
Dort ist's ein eingemischter Klang,
hier eingeboren in den Drang.
Sei es der Unbedeutung Schall:
ein Schöpfer ruft es aus dem All.
Dort deckt der Reim die innre Lücke
und dient als eine Versfußkrücke.
Hier nimmt er teil am ganzen Muß,
die Fessel eines Genius,
Gebundnes tiefer noch zu binden.
Was sich nicht suchen läßt, nur finden.
was in des Wortglücks Augenblick,
nicht aus Geschick, nur durch Geschick
da ist und was von selbst gelingt,
aus Mutterschaft der Sprache springt:
das ist der Reim. Nicht, was euch singt!
Karl Kraus, 1874 - 1936
Der Reim ist nur der Sprache Gunst,
nicht nebenher noch eine Kunst.
Geboren wird er, wo sein Platz,
aus einem Satz mit einem Satz.
Er ist kein eigenwillig Ding,
das in der Form spazieren ging.
Er ist ein Inhalt, ist kein Kleid,
das heute eng und morgen weit.
Er ist nicht Ornament der Leere,
des toten Wortes letzte Ehre.
Nicht Würze ist er, sondern Nahrung,
er ist nicht Reiz, er ist die Paarung.
Er ist das Ufer, wo sie landen,
sind zwei Gedanken einverstanden.
Er ist so seicht und ist so tief
wie jede Sehnsucht, die ihn rief.
Er ist so einfach oder schal
wie der Empfindung Material.
Er ist so neu und ist so alt
wie des Gedichtes Vollgestalt.
Orphischen Liedes Reim, ich wette,
er steht auch in der Operette.
Wenn Worte ihren Wert behalten,
kann nie ein alter Reim veralten.
Fühlt sich am Vers ein Puls, ein Herz,
so fühlt es auch den Reim auf Schmerz.
Aus allgemeinrer Sachlichkeit
glückt neu der Reim von Leid auf Zeit.
Weist mich das Wort in weitere Fernen
o staunend Wiedersehn mit Sternen!
Der erdensichern Schmach Verbreitung
bedingt dafür die Tageszeitung
und leicht trifft einem irdnen Tropf
der Reim den Nagel auf den Kopf.
Dem Wortbekenner ist das Wort
ein Wunder und ein Gnadenort.
Der Reim, oft nur der Verse Leim,
ist der Gedanken Honigseim.
Hier bietet die Natur den Schatz,
dort Technik süßeren Ersatz.
Ein Wort, das nie am Ursprung lügt,
zugleich auch den Geschmack betrügt.
Dort ist's ein eingemischter Klang,
hier eingeboren in den Drang.
Sei es der Unbedeutung Schall:
ein Schöpfer ruft es aus dem All.
Dort deckt der Reim die innre Lücke
und dient als eine Versfußkrücke.
Hier nimmt er teil am ganzen Muß,
die Fessel eines Genius,
Gebundnes tiefer noch zu binden.
Was sich nicht suchen läßt, nur finden.
was in des Wortglücks Augenblick,
nicht aus Geschick, nur durch Geschick
da ist und was von selbst gelingt,
aus Mutterschaft der Sprache springt:
das ist der Reim. Nicht, was euch singt!
Karl Kraus, 1874 - 1936
Auch Michelangelo Buonarroti (1475-1564) schrieb Gedichte
Übersetzung ins deutsche von Sophie Hasenclever
Übersetzung ins deutsche von Sophie Hasenclever
Ich bin nicht tot
Es sandte mir das Schicksal tiefen Schlaf.
Ich bin nicht tot, ich tauschte nur die Räume.
Ich leb in euch, ich geh in eure Träume,
da uns, die wir vereint, Verwandlung traf.
Ihr glaubt mich tot, doch dass die Welt ich tröste,
leb ich mit tausend Seelen dort, an diesem wunderbaren Ort,
im Herzen der Lieben. Nein, ich ging nicht fort,
Unsterblichkeit vom Tode mich erlöste.
Es sandte mir das Schicksal tiefen Schlaf.
Ich bin nicht tot, ich tauschte nur die Räume.
Ich leb in euch, ich geh in eure Träume,
da uns, die wir vereint, Verwandlung traf.
Ihr glaubt mich tot, doch dass die Welt ich tröste,
leb ich mit tausend Seelen dort, an diesem wunderbaren Ort,
im Herzen der Lieben. Nein, ich ging nicht fort,
Unsterblichkeit vom Tode mich erlöste.
Das Lob des Essens
An Quintus Icilius
1764
Das Lob des Rebensaftes ward
Von keinem Dichter je vergessen,
Doch keiner sang mit gleicher Art
Das Lob vom guten Essen.
O, wenn wir von dem Hunger stark
Getrieben sind zum vollen Tische,
Erregt alsdann des Rindes Mark,
Der Brustkern, und die Fische,
Das Feldhuhn, oder von dem Reh
Der wohlgebratne zarte Rücken,
Und selbst der Hummer aus der See,
Dem Gaumen kein Entzücken?
Wie? wäre nicht aus Calekut
Der Hahn, und eines Hammels Lende
So liederwerth, als Traubenblut,
Das ich vortrefflich fände?
Sprich, Quintus! wenn Du müd und matt
Ins Lager kamst von Kriegesthaten,
Wie reizte Dich das Schulterblatt
Des Ebers frisch gebraten!
Mit welcher Wollust des Geschmacks
Verzehrtest Du, statt der Melonen
Und Pfirsichen, den trocknen Lachs
Beträufelt von Citronen!
Und wenn Dir noch anjezt Cothen
Nichts darf verbieten, nichts befehlen,
Siehst Du mit Lust die Schüsseln stehn
Und lobst sie vor Pokälen.
Anna Louisa Karsch
Habe die Tage einige Werke von Georg von der Vring gelesen, der seine Verse mit unglaublich filigranen Melodien versah. Das Gedicht "Vor Ostern" paßt in den März. (s. Linktipp)
Hallo Caminito,
ja, den von der Vring kenne ich auch noch, finde es aber erstaunlich, dass Du als junge Frau, dem Foto nach zu urteilen, auf ihn gekommen bist und Dich vor allem auch dafür interessierst.
Aber vielleicht setzt das ja ein Interesse an Lyrik schlechthin und nicht nur an den gängigen Versen voraus?
Das von Dir gewählte Gedicht finde ich wirklich sehr passend, sowohl zum März als auch zu Ostern.
Einer der vergessenen oder halb vergessenen Lyriker ist auch Wolfgang Bächler, der zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe 47 gehörte.
Der Krieg und zwei Kriegsgefangenschaften haben ihre Spuren in ihm hinterlassen, die er oft in seinen Werken verarbeitete.
Leider unterliegen seine Lyrik und Prosa noch dem Urheberrechtsschutz, so dass ich an dieser Stelle nur Links anbieten kann mit Aussagen über sein Werk und ihn, wie z.B. eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag 2005 in der “Lyrikwelt”, die hier zu finden ist:
Über diesen Link lassen sich ebenfalls einige Gedichte von Bächler finden.
Grüße von Enigma
PS
Seit einigen Jahren habe ich aber den Eindruck, dass Bächler "wiederentdeckt" wird.
Das sollte mich freuen.
ja, den von der Vring kenne ich auch noch, finde es aber erstaunlich, dass Du als junge Frau, dem Foto nach zu urteilen, auf ihn gekommen bist und Dich vor allem auch dafür interessierst.
Aber vielleicht setzt das ja ein Interesse an Lyrik schlechthin und nicht nur an den gängigen Versen voraus?
Das von Dir gewählte Gedicht finde ich wirklich sehr passend, sowohl zum März als auch zu Ostern.
Einer der vergessenen oder halb vergessenen Lyriker ist auch Wolfgang Bächler, der zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe 47 gehörte.
Der Krieg und zwei Kriegsgefangenschaften haben ihre Spuren in ihm hinterlassen, die er oft in seinen Werken verarbeitete.
Leider unterliegen seine Lyrik und Prosa noch dem Urheberrechtsschutz, so dass ich an dieser Stelle nur Links anbieten kann mit Aussagen über sein Werk und ihn, wie z.B. eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag 2005 in der “Lyrikwelt”, die hier zu finden ist:
Über diesen Link lassen sich ebenfalls einige Gedichte von Bächler finden.
Grüße von Enigma
PS
Seit einigen Jahren habe ich aber den Eindruck, dass Bächler "wiederentdeckt" wird.
Das sollte mich freuen.
Illeguan Russische Lyrik
Mit der freundlichen Erlaubnis des Übersetzers, stelle ich ein paar ausgesuchte Gedichte aus der russischen Lyrik ein. Wer sich mehr dafür interessiert, kann dem link folgen. Dort findet ihr eine große Auswahl der russichen Lyriker mit deren Werken in russisch und der Übersetzung ins deutsche.
Mit der freundlichen Erlaubnis des Übersetzers, stelle ich ein paar ausgesuchte Gedichte aus der russischen Lyrik ein. Wer sich mehr dafür interessiert, kann dem link folgen. Dort findet ihr eine große Auswahl der russichen Lyriker mit deren Werken in russisch und der Übersetzung ins deutsche.
Zwei Wege der Weisheit
Zwei Wege hält die Weisheit offen
Dem Menschen, dass er wähle gut:
Zum einen – ruhelose Hoffnung,
Zum andern – hoffnungslose Ruh.
Der glaube, dass ihm Hoffnung lächelt,
Des unerfahrener Verstand
Gerüchten nach, die viel versprechen,
Denkt, Schicksals Spott er überwand!
Hofft nur, ihr glühnden, jungen Hähne!
Man gab euch Flügel! Nun, so fliegt!
Für euch sind die brillanten Pläne,
Das Flammenherz im Träumen siegt!
Doch ihr, die's Schicksal schon erfahren,
Das Blech des Siegs, der Trauer Macht,
Euch's schwere Schicksal offenbarte,
Dass reicher nur Erfahrung macht!
Ja! Lebt ein Leben in der Stille,
Verjagt die schmeichlerische Brut,
Wahrt rettende Verstandeskühle
In eurer Seele, die nichts tut.
Dass ihr nichts fühlt, ist euer Segen,
Ganz wie ein Leichnam aus dem Sarg,
Den eines Zaubrers Spruch erweckte,
Verlasst ihr zähneknirschend 's Grab, –
Ihr, die an Wünschen sich geweidet,
Getrogen von der Seele Wahn,
Erwacht nur, dass ihr neu erleidet
Die Schmerzen, die ihr längst erfahrn.
Evgenij Baratynskij 1823
Zwei Wege hält die Weisheit offen
Dem Menschen, dass er wähle gut:
Zum einen – ruhelose Hoffnung,
Zum andern – hoffnungslose Ruh.
Der glaube, dass ihm Hoffnung lächelt,
Des unerfahrener Verstand
Gerüchten nach, die viel versprechen,
Denkt, Schicksals Spott er überwand!
Hofft nur, ihr glühnden, jungen Hähne!
Man gab euch Flügel! Nun, so fliegt!
Für euch sind die brillanten Pläne,
Das Flammenherz im Träumen siegt!
Doch ihr, die's Schicksal schon erfahren,
Das Blech des Siegs, der Trauer Macht,
Euch's schwere Schicksal offenbarte,
Dass reicher nur Erfahrung macht!
Ja! Lebt ein Leben in der Stille,
Verjagt die schmeichlerische Brut,
Wahrt rettende Verstandeskühle
In eurer Seele, die nichts tut.
Dass ihr nichts fühlt, ist euer Segen,
Ganz wie ein Leichnam aus dem Sarg,
Den eines Zaubrers Spruch erweckte,
Verlasst ihr zähneknirschend 's Grab, –
Ihr, die an Wünschen sich geweidet,
Getrogen von der Seele Wahn,
Erwacht nur, dass ihr neu erleidet
Die Schmerzen, die ihr längst erfahrn.
Evgenij Baratynskij 1823