Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
Re: Vergessen? Fontanes "Das Trauerspiel von Afghanistan!
Elisabeth Langgässer (1899-1950)
Wie nur wenige Schriftsteller und Autorinnen hatte Elisabeth Langgässer die Widersprüche und Absurditäten einer Epoche auszuhalten. Tochter eines katholisch getauften Kreisbaurats jüdischer Herkunft, fiel sie im »Dritten Reich« als sogenannte »HalbJüdin« unter die Nürnberger Rassegesetze und erhielt Schreibverbot. Aus ihrer Ehe mit dem Heidegger-Schüler Hoffmann gingen drei Töchter hervor, aber ihr erstgeborenes, uneheliches Kind Cordelia, Tochter des jüdischen Staatsrechtlers Heller, wurde 1944, nach einem schurkischen Ränkespiel der Gestapo, ins Lager Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert. Erst im Januar 1946 erfuhr Elisabeth Langgässer, dass Cordelia überlebt hatte und in ein schwedisches Sanatorium gerettet worden war. So ist das Frühjahr 1946, selbst in derTrümmerstadt Berlin, für die Dichterin wahrhaft ein Frühling nach langer winterlicher Lebenszeit.
(entn. Internet)
Frühling 1946
Holde Anemone,
bist du wieder da
und erscheinst mit heller Krone
mir Geschundenem zum Lohne
wie Nausikaa?
Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärisches Entzücken
nahm dem staubgebeugten Rücken
endlich sein Gewicht?
Aus dem Reich der Kröte
steige ich empor,
unterm Lid noch Plutons Röte
und des Totenführers Flöte
gräßlich noch im Ohr.
Sah in Gorgos Auge
eisenharten Glanz,
ausgesprühte Lügenlauge
hört‘ ich flüstern, daß sie tauge
mich zu töten ganz.
Anemone! Küssen
laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
um das Nein und Nicht.
Ohne zu verführen,
lebst und bist du da,
still mein Herz zu rühren,
ohne es zu schüren -
Kind Nausikaa!
Holde Anemone,
bist du wieder da
und erscheinst mit heller Krone
mir Geschundenem zum Lohne
wie Nausikaa?
Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärisches Entzücken
nahm dem staubgebeugten Rücken
endlich sein Gewicht?
Aus dem Reich der Kröte
steige ich empor,
unterm Lid noch Plutons Röte
und des Totenführers Flöte
gräßlich noch im Ohr.
Sah in Gorgos Auge
eisenharten Glanz,
ausgesprühte Lügenlauge
hört‘ ich flüstern, daß sie tauge
mich zu töten ganz.
Anemone! Küssen
laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
um das Nein und Nicht.
Ohne zu verführen,
lebst und bist du da,
still mein Herz zu rühren,
ohne es zu schüren -
Kind Nausikaa!
Ein schönes Gedicht, Elisabeth Langgässer war mir nicht bekannt.Mir fiel nur die Sage des Odysseus und der Nausikaa ein.ein Motiv, daß viele Künstler über die Jahrhunderte umgesetzt haben.
Ich höre gerade eine sehr schöne Vertonung vom Zupfgeigenhansel eines Gedichtes von Georg Forster aus dem 16.Jh:
Wie schön blüht uns der Maien,
Der Sommer fährt dahin,
Mir ist ein schönes Jungfräulein
Gefallen in meinen Sinn
Bei ihr da wär mir wohl,
Wann ich nur an sie denke,
Mein Herz ist freudevoll.
Wenn ich des Nachts lieg schlafen,
Mein Feinslieb kommt mir für,
Wenn ich alsdann erwache,
Bei mir ich niemand spür;
Bringt meinem Herzen Pein,
Wollt Gott, ich sollt ihr dienen.
Wie möchte mir bass gesein.
Bei ihr, da wär ich gerne,
Bei ihr, da wär mir wohl;
Sie ist mein Morgensterne,
Strahlt mir ins Herz so voll,
Sie hat ein roten Mund,
Sollt ich sie darauf küssen,
Mein Herz würd mir gesund.
Ich werf mit Rosenblättern
In Liebchens Fenster ein:
"Ei, schlafe oder wache,
Ich möchte bei dir sein!"
Das Fensterlein steht auf
Wie bei dem Vogelsteller,
Ich wag mich nicht hinauf.
Wollt Gott, ich fänd im Garten
Drei Rosen auf einem Zweig,
Ich wollte auf sie warten,
Ein Zeichen wärs mir gleich;
Das Morgenrot ist weit,
Es streut schon seine Rosen,
Ade, mein schöne Maid.
und zum Anhören im Link.
einen schönen Tag noch allen Dichter-und Gedichtefreunden!
Ich höre gerade eine sehr schöne Vertonung vom Zupfgeigenhansel eines Gedichtes von Georg Forster aus dem 16.Jh:
Wie schön blüht uns der Maien,
Der Sommer fährt dahin,
Mir ist ein schönes Jungfräulein
Gefallen in meinen Sinn
Bei ihr da wär mir wohl,
Wann ich nur an sie denke,
Mein Herz ist freudevoll.
Wenn ich des Nachts lieg schlafen,
Mein Feinslieb kommt mir für,
Wenn ich alsdann erwache,
Bei mir ich niemand spür;
Bringt meinem Herzen Pein,
Wollt Gott, ich sollt ihr dienen.
Wie möchte mir bass gesein.
Bei ihr, da wär ich gerne,
Bei ihr, da wär mir wohl;
Sie ist mein Morgensterne,
Strahlt mir ins Herz so voll,
Sie hat ein roten Mund,
Sollt ich sie darauf küssen,
Mein Herz würd mir gesund.
Ich werf mit Rosenblättern
In Liebchens Fenster ein:
"Ei, schlafe oder wache,
Ich möchte bei dir sein!"
Das Fensterlein steht auf
Wie bei dem Vogelsteller,
Ich wag mich nicht hinauf.
Wollt Gott, ich fänd im Garten
Drei Rosen auf einem Zweig,
Ich wollte auf sie warten,
Ein Zeichen wärs mir gleich;
Das Morgenrot ist weit,
Es streut schon seine Rosen,
Ade, mein schöne Maid.
und zum Anhören im Link.
einen schönen Tag noch allen Dichter-und Gedichtefreunden!
Prima liebe Holzfisch,
vom Zupfgeigenhansel besitze ich einiges und höre
ich immer wieder zu gern, steht ja auch in meiner
VK.
L.
Magst Du denn auch Ernst Jandl?
fortschreitende räude
him hanfang war das wort hund das wort war bei
gott hund gott war das wort hund das wort hist fleisch
geworden hund hat hunter huns gewohnt
him hanflang war das wort hund das wort war blei
flott hund flott war das wort hund das wort hist fleisch
gewlorden hund hat hunter huns gewlohnt
schim schanflang war das wort schund das wort war blei
flott schund flott war das wort schund das wort schist
fleisch gewlorden schund schat schunter schuns gewlohnt
schim schanschlang schar das wort schlund schasch wort
schar schlei schlott schund flott war das wort schund
schasch fort schist schleisch schleschlorden schund
schat schlunter schluns scheschlohnt
s-----------------------c--------------------h
s-----------------------c--------------------h
schllls-----------------c--------------------h
flottsch
ernst jandl
LG,
Holzfisch
fortschreitende räude
him hanfang war das wort hund das wort war bei
gott hund gott war das wort hund das wort hist fleisch
geworden hund hat hunter huns gewohnt
him hanflang war das wort hund das wort war blei
flott hund flott war das wort hund das wort hist fleisch
gewlorden hund hat hunter huns gewlohnt
schim schanflang war das wort schund das wort war blei
flott schund flott war das wort schund das wort schist
fleisch gewlorden schund schat schunter schuns gewlohnt
schim schanschlang schar das wort schlund schasch wort
schar schlei schlott schund flott war das wort schund
schasch fort schist schleisch schleschlorden schund
schat schlunter schluns scheschlohnt
s-----------------------c--------------------h
s-----------------------c--------------------h
schllls-----------------c--------------------h
flottsch
ernst jandl
LG,
Holzfisch
Ich habe hier gelesen, auch gefunden, was mich schon als Kind berührt hat, z.B. das Gedicht mit der Gewitterstimmung "Urahne, Großmutter, Mutter und Kind...". Ich habe mich auch immer sehr in das Geschehen im Gedicht von C.Ferdinand Meyer:"Die Füße im Feuer" hineinversetzen lassen - es ist wie ein fesselnder Krimi.
Ich hab ein Gedicht von Lulu von Stauß und Torney (1873-1956), einer Adligen aus dem Fürstentum Schaumburg-Lippe, entdeckt, das mir auch nahe ging (die ersten 3 Stophen lass ich weg-zu lang, es geht um einen kroatischen Überfall, sehr drastische Beschreibung der Grausamkeiten)
"Nach einem alten Kirchenbuch" (ab 4. Strophe)
Hallo und Lärm die ganze Nacht
und Fluchen, Schrein und Flammensteigen,
bis kalt und grau der Tag erwacht;
da brausts davon; - rings tiefes Schweigen!
Und in des Morgens fahlem Schimmer
huschts talwärts von der Waldeshöh´,
und scheu umschleicht´s in Wut und Weh
der Heimstatt rauchgeschwärzte Trümmer.
Verkohlte Balken, Schutt und Blut;
verqualmend graue Wolken weben
um halberstickter Flammen Glut;
nur Tod und Öde - nirgends Leben!
Da horch - ein Ruf - sie stehn und starren;
wars nicht wie leiser Kinderlaut?
Hilf Gott! - ein weinend Würmchen, schaut,
im halbzerbrochnen Trosseskarren!
Halbnackt, die Glieder glänzend braun,
das Auge blinzelnd, nächtlich dunkel.
"Kroatenblut, das Püppchen,traun!"
Ein finstres Schweigen - leis Gemunkel;
dann johlt es auf, und von den Brettern
reißt´s hoch das Kind in Wut:
"Ha, Blut für Blut, du Teufelsbrut!
Wer hilft den Schädel ihm zerschmettern?"
"In Gottes Namen! Halt! Zurück!"
Hoch steht der Pfarrherr in dem Toben;
ein heilig Feuer flammt im Blick:
"Dies Kind gehört dem Herrn da droben!
Weh, harte Herzen, nicht gewendet
durch Gottes furchtbar Strafgericht!
Aufs Knie und betet, daß er nicht
noch schwerer Zorneswetter sendet!"
Ein Raunen sich im Kreise hub,
halb Reu´ und Scham, halb Trotz und Dräuen.
Da sprang Hans Klaus, des Bauern Bub,
hell jauchzend vorwärts aus den Reihen:
"Lug, Mutter, lug nur, da im Wagen!
Gelt, schickt der liebe Gott uns hier
ein neues Schwesterlein dafür,
weil sie das Liesel uns erschlagen?"
Das Weib stand starr, ward rot und blaß;
ins Aug ihr heiß die Tränen kamen;
dann lief sie durchs verkohlte Gras:
"Gebt her das Wurm! In Gottes Namen!"
Der Sonnenschein, der morgenklare,
spielt um des Weibes Stirne lind,
und lachend griff das braune Kind
dem Buben in die blonden Haare.
_______
Im alten Kirchenbuch von flücht´ger Hand
ein kurzes Wort nur:"Am Sankt Paulstag haben
Hans Klaus, des jungen, Hausfrau wir begraben,
die schwarze Lies, Kroatenlies genannt.
Ist funden hier als Kind im großen Kriege,
da die Kroaten auch das Dorf zerstört;
hat nit gewußt, wo ihre Heimat liege,
noch wer sie sei und wem sir zugehört.
____
Ich hab ein Gedicht von Lulu von Stauß und Torney (1873-1956), einer Adligen aus dem Fürstentum Schaumburg-Lippe, entdeckt, das mir auch nahe ging (die ersten 3 Stophen lass ich weg-zu lang, es geht um einen kroatischen Überfall, sehr drastische Beschreibung der Grausamkeiten)
"Nach einem alten Kirchenbuch" (ab 4. Strophe)
Hallo und Lärm die ganze Nacht
und Fluchen, Schrein und Flammensteigen,
bis kalt und grau der Tag erwacht;
da brausts davon; - rings tiefes Schweigen!
Und in des Morgens fahlem Schimmer
huschts talwärts von der Waldeshöh´,
und scheu umschleicht´s in Wut und Weh
der Heimstatt rauchgeschwärzte Trümmer.
Verkohlte Balken, Schutt und Blut;
verqualmend graue Wolken weben
um halberstickter Flammen Glut;
nur Tod und Öde - nirgends Leben!
Da horch - ein Ruf - sie stehn und starren;
wars nicht wie leiser Kinderlaut?
Hilf Gott! - ein weinend Würmchen, schaut,
im halbzerbrochnen Trosseskarren!
Halbnackt, die Glieder glänzend braun,
das Auge blinzelnd, nächtlich dunkel.
"Kroatenblut, das Püppchen,traun!"
Ein finstres Schweigen - leis Gemunkel;
dann johlt es auf, und von den Brettern
reißt´s hoch das Kind in Wut:
"Ha, Blut für Blut, du Teufelsbrut!
Wer hilft den Schädel ihm zerschmettern?"
"In Gottes Namen! Halt! Zurück!"
Hoch steht der Pfarrherr in dem Toben;
ein heilig Feuer flammt im Blick:
"Dies Kind gehört dem Herrn da droben!
Weh, harte Herzen, nicht gewendet
durch Gottes furchtbar Strafgericht!
Aufs Knie und betet, daß er nicht
noch schwerer Zorneswetter sendet!"
Ein Raunen sich im Kreise hub,
halb Reu´ und Scham, halb Trotz und Dräuen.
Da sprang Hans Klaus, des Bauern Bub,
hell jauchzend vorwärts aus den Reihen:
"Lug, Mutter, lug nur, da im Wagen!
Gelt, schickt der liebe Gott uns hier
ein neues Schwesterlein dafür,
weil sie das Liesel uns erschlagen?"
Das Weib stand starr, ward rot und blaß;
ins Aug ihr heiß die Tränen kamen;
dann lief sie durchs verkohlte Gras:
"Gebt her das Wurm! In Gottes Namen!"
Der Sonnenschein, der morgenklare,
spielt um des Weibes Stirne lind,
und lachend griff das braune Kind
dem Buben in die blonden Haare.
_______
Im alten Kirchenbuch von flücht´ger Hand
ein kurzes Wort nur:"Am Sankt Paulstag haben
Hans Klaus, des jungen, Hausfrau wir begraben,
die schwarze Lies, Kroatenlies genannt.
Ist funden hier als Kind im großen Kriege,
da die Kroaten auch das Dorf zerstört;
hat nit gewußt, wo ihre Heimat liege,
noch wer sie sei und wem sir zugehört.
____
Wilhelm Hauff
Rätsel 4
Noch sitzt auf halbzerfallnem Throne,
Noch hält die längst bestrittne Krone
Die alte Königin der Welt.
Ob sie wohl je vom Throne fällt?
Vielleicht; doch liest du sie von hinten,
So wirst du einen König finden,
Der herrscht, seitdem die Welt besteht,
Des Reich nur mit der Welt vergeht,
Sie schießt nicht ew'ge Donnerkeile,
Doch ewig treffen seine Pfeile.
Wenn Ihr nicht gleich drauf kommt, bei Gutenberg gibts die Auflösung des Hauffschen Rätsels.
Gruß von Enigma
Rätsel 4
Noch sitzt auf halbzerfallnem Throne,
Noch hält die längst bestrittne Krone
Die alte Königin der Welt.
Ob sie wohl je vom Throne fällt?
Vielleicht; doch liest du sie von hinten,
So wirst du einen König finden,
Der herrscht, seitdem die Welt besteht,
Des Reich nur mit der Welt vergeht,
Sie schießt nicht ew'ge Donnerkeile,
Doch ewig treffen seine Pfeile.
Wenn Ihr nicht gleich drauf kommt, bei Gutenberg gibts die Auflösung des Hauffschen Rätsels.
Gruß von Enigma
Bestimmt ist Theodor Storm kein vergessener Dichter!
Aber ist das Gedicht nicht wunderschön? Es paßt auch zum Thread "Stille ..."
Theodor Storm - Abseits
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit
Aber ist das Gedicht nicht wunderschön? Es paßt auch zum Thread "Stille ..."
Theodor Storm - Abseits
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
Ulrich von Hutten
Ein neu Lied Herr Ulrichs von Hutten
Ich habs gewagt mit Sinnen
Und trag des noch kein Reu,
Mag ich nit dran gewinnen,
Noch muß man spüren Treu;
Darmit ich mein
Nit eim allein,
Wenn man es wollt erkennen:
Dem Land zu gut,
Wiewohl man tut
Ein Pfaffenfeind mich nennen.
Da laß ich jeden liegen
Und reden was er will;
Hätt Wahrheit ich geschwiegen,
Mir wären hulder viel.
Nun hab ichs gsagt,
Bin drumb verjagt,
Das klag ich allen Frummen,
Wiewohl noch ich
Nit weiter fleich,
Vielleicht werd wiederkummen.
Umb Gnad will ich nit bitten,
Dieweil ich bin ohn Schuld;
Ich hätt das Recht gelitten,
So hindert Ungeduld,
Daß man mich nit
Nach altem Sitt
Zu Ghör hat kummen lassen;
Vielleicht wills Gott,
Und zwingt sie Not,
Zu handlen diesermaßen.
Nun ist oft diesergleichen
Geschehen auch hie vor,
Daß einer von den Reichen
Ein gutes Spiel verlor;
Oft großer Flamm
Von Fünklin kam,
Wer weiß, ob ichs werd rächen;
Staht schon im Lauf,
So setz ich drauf:
Muß gahn oder brechen.
Darneben mich zu trösten
Mit gutem Gwissen hab,
Daß keiner von den Bösten
Mir Ehr mag brechen ab,
Noch sagen, daß
Uff einig Maß
Ich anders sei gegangen
Dann Ehren nach;
Hab diese Sach
In gutem angefangen.
Will nun ihr selbs nit raten
Dies frumme Nation,
Ihrs Schadens sich ergatten,
Als ich vermahnet han:
So ist mir leid,
Hiemit ich scheid,
Will mengen baß die Karten;
Bin unverzagt,
Ich habs gewagt
Und will des Ends erwarten.
Ob dann mir nach tut denken
Der Kurtisanen List,
Ein Herz laßt sich nit kränken,
Das rechter Meinung ist.
Ich weiß noch viel,
Wölln auch ins Spiel,
Und solltens drüber sterben:
Auf, Landsknecht gut
Und Reuters Mut,
Laßt Hutten nit verderben!
Ich habs gewagt mit Sinnen
Und trag des noch kein Reu,
Mag ich nit dran gewinnen,
Noch muß man spüren Treu;
Darmit ich mein
Nit eim allein,
Wenn man es wollt erkennen:
Dem Land zu gut,
Wiewohl man tut
Ein Pfaffenfeind mich nennen.
Da laß ich jeden liegen
Und reden was er will;
Hätt Wahrheit ich geschwiegen,
Mir wären hulder viel.
Nun hab ichs gsagt,
Bin drumb verjagt,
Das klag ich allen Frummen,
Wiewohl noch ich
Nit weiter fleich,
Vielleicht werd wiederkummen.
Umb Gnad will ich nit bitten,
Dieweil ich bin ohn Schuld;
Ich hätt das Recht gelitten,
So hindert Ungeduld,
Daß man mich nit
Nach altem Sitt
Zu Ghör hat kummen lassen;
Vielleicht wills Gott,
Und zwingt sie Not,
Zu handlen diesermaßen.
Nun ist oft diesergleichen
Geschehen auch hie vor,
Daß einer von den Reichen
Ein gutes Spiel verlor;
Oft großer Flamm
Von Fünklin kam,
Wer weiß, ob ichs werd rächen;
Staht schon im Lauf,
So setz ich drauf:
Muß gahn oder brechen.
Darneben mich zu trösten
Mit gutem Gwissen hab,
Daß keiner von den Bösten
Mir Ehr mag brechen ab,
Noch sagen, daß
Uff einig Maß
Ich anders sei gegangen
Dann Ehren nach;
Hab diese Sach
In gutem angefangen.
Will nun ihr selbs nit raten
Dies frumme Nation,
Ihrs Schadens sich ergatten,
Als ich vermahnet han:
So ist mir leid,
Hiemit ich scheid,
Will mengen baß die Karten;
Bin unverzagt,
Ich habs gewagt
Und will des Ends erwarten.
Ob dann mir nach tut denken
Der Kurtisanen List,
Ein Herz laßt sich nit kränken,
Das rechter Meinung ist.
Ich weiß noch viel,
Wölln auch ins Spiel,
Und solltens drüber sterben:
Auf, Landsknecht gut
Und Reuters Mut,
Laßt Hutten nit verderben!
Über Ulrich von Hutten
Überall Bakterien
Nee, ich sag' schon! von Bakterien
Hat man früher nischt jewußt.
Da war's Essen noch ne' Freude
Und det Trinken war ne' Lust.
Aber seit man die Bazillen
Und dergleichen Zeugs erfund,
Is der Mensch total jeliefert,
Alles is jetzt unjesund.
Les' ick da, det äußerst jiftig
Heutzutag Vanillen-Eis:
Früher aß man's mit Verjnügen
Jeden Sommer massenweis'.
Heute is selbst die Vanille
Vom Bazillenherd bedroht,
Schmecken dhut se ausjezeichnet,
Aber nachher is man dot.
Jrüne Aale, sonst det Beste
Wo der Mensch nur haben kann,
Sind nu ooch nich zu jebrauchen,
Seit der Fischbazillus dran.
Ißt se eener mit Verjnügen
An der Spree zum Abendbrot,
Liejt er jleich in letzten Zügen
Zehn Minuten später: dot.
Krebse, rechte scheene, jroße,
Wie jesund det früher war!
Heute jibt es Krebsbazillen
In dem Oderkrebs sogar;
Hat man sechs Stück ufjeprepelt,
Denkt man jleich: Schockschwerenot,
Warum is mich denn so übel?
Nächsten Morjen is man dot.
Ooch det Atmen ist jefährlich:
Wenn ich dir jut raten kann,
Mitmensch, atme nich zu ville,
Sieh dir erst de Luft mal an;
Kommste in so'n Pilzjewimmel,
Hilft dir keen Karbol und Jod,
Ziehste in den janzen Schimmel,
Fällste um un biste dot.
Holste dir nen netten Schmöker
Aus de Leihbibliapothek,
Kriegste jleich n Schock Millarden
Von Mikroben uf'n Weg;
Kommste uf de vierte Seite,
Wirste im Jesichte rot,
Uf der fünften kriegste's Fieber,
Bei der sechsten biste Dot.
Det ick mit de Hochbahn rutsche,
Kommt mir niemals in den Sinn;
Nee, in die Bazillenkutsche
Da kriegt mir keen Deibel rin!
Steigste in fidel und munter,
Plötzlich spürste Atemnot,
Fährste bis zum Zoo hinunter,
Steigste aus und biste dot.
Nee, ick sag schon! Von dem Leben
Hat man nischt als wie Verdruß,
Weil man die verfluchten Dinger
Immerzu verschlucken muß!
Alle Dage muß man lesen,
Wie det Kleinzeug uns bedroht,
Und wir jroßen Lebewesen
Fallen um - schwapp - mausedot!
Alexander Moszkowski (1887)
Nee, ich sag' schon! von Bakterien
Hat man früher nischt jewußt.
Da war's Essen noch ne' Freude
Und det Trinken war ne' Lust.
Aber seit man die Bazillen
Und dergleichen Zeugs erfund,
Is der Mensch total jeliefert,
Alles is jetzt unjesund.
Les' ick da, det äußerst jiftig
Heutzutag Vanillen-Eis:
Früher aß man's mit Verjnügen
Jeden Sommer massenweis'.
Heute is selbst die Vanille
Vom Bazillenherd bedroht,
Schmecken dhut se ausjezeichnet,
Aber nachher is man dot.
Jrüne Aale, sonst det Beste
Wo der Mensch nur haben kann,
Sind nu ooch nich zu jebrauchen,
Seit der Fischbazillus dran.
Ißt se eener mit Verjnügen
An der Spree zum Abendbrot,
Liejt er jleich in letzten Zügen
Zehn Minuten später: dot.
Krebse, rechte scheene, jroße,
Wie jesund det früher war!
Heute jibt es Krebsbazillen
In dem Oderkrebs sogar;
Hat man sechs Stück ufjeprepelt,
Denkt man jleich: Schockschwerenot,
Warum is mich denn so übel?
Nächsten Morjen is man dot.
Ooch det Atmen ist jefährlich:
Wenn ich dir jut raten kann,
Mitmensch, atme nich zu ville,
Sieh dir erst de Luft mal an;
Kommste in so'n Pilzjewimmel,
Hilft dir keen Karbol und Jod,
Ziehste in den janzen Schimmel,
Fällste um un biste dot.
Holste dir nen netten Schmöker
Aus de Leihbibliapothek,
Kriegste jleich n Schock Millarden
Von Mikroben uf'n Weg;
Kommste uf de vierte Seite,
Wirste im Jesichte rot,
Uf der fünften kriegste's Fieber,
Bei der sechsten biste Dot.
Det ick mit de Hochbahn rutsche,
Kommt mir niemals in den Sinn;
Nee, in die Bazillenkutsche
Da kriegt mir keen Deibel rin!
Steigste in fidel und munter,
Plötzlich spürste Atemnot,
Fährste bis zum Zoo hinunter,
Steigste aus und biste dot.
Nee, ick sag schon! Von dem Leben
Hat man nischt als wie Verdruß,
Weil man die verfluchten Dinger
Immerzu verschlucken muß!
Alle Dage muß man lesen,
Wie det Kleinzeug uns bedroht,
Und wir jroßen Lebewesen
Fallen um - schwapp - mausedot!
Alexander Moszkowski (1887)
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
Kaum zu glauben, dass dieses Gedicht bereits aus 1887
stammt, also über hundert Jahre alt ist.
Linta