Literatur Vergessene Dichter und Gedichte
Elysium
Und ist’s mit dieser Welt herum,
und komm’ ich ins Elysium,
meiner Ahne Haus muß mit hinein,
sonst mag ich nicht darinnen sein.
Hinter dem Hause muß am Hag
die Sonne lagern den ganzen Tag,
daß golden durch der Blätter Lucken
wie Engelsbacken die Kürbiss’ gucken,
daß die Nachbarn wieder herüberschaun,
die Arme aufgestemmt am Zaun,
wie sie am Sonntag aus den Pfeifen
lassen die blauen Wolken schweifen;
lustige Mägde ziehn am Haus
in weißer Schürze den Weg hinaus;
doch draußen schütteln am Gartensaum
wir Buben den frühsten Birnenbaum.
So sei es im Elysium,
sonst scher’ ich mich den Teufel drum.
Johann Georg Fischer
(1816-1897)
--
yankee
Und ist’s mit dieser Welt herum,
und komm’ ich ins Elysium,
meiner Ahne Haus muß mit hinein,
sonst mag ich nicht darinnen sein.
Hinter dem Hause muß am Hag
die Sonne lagern den ganzen Tag,
daß golden durch der Blätter Lucken
wie Engelsbacken die Kürbiss’ gucken,
daß die Nachbarn wieder herüberschaun,
die Arme aufgestemmt am Zaun,
wie sie am Sonntag aus den Pfeifen
lassen die blauen Wolken schweifen;
lustige Mägde ziehn am Haus
in weißer Schürze den Weg hinaus;
doch draußen schütteln am Gartensaum
wir Buben den frühsten Birnenbaum.
So sei es im Elysium,
sonst scher’ ich mich den Teufel drum.
Johann Georg Fischer
(1816-1897)
--
yankee
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
.... doch ich merke, doch ich merke,
immer kommt mir was dazwischen ....
So geht es mir leider auch sehr häufig wie dem guten alten Vater Wilhelm Busch.
Zum Schlafen wolln wir walzen.
Nun fragt das Hausdirnlein
ob es im Bette sei.
Das Kraut hat es versalzen,
dazu den guten Brei.
Was solln wir lange balzen -
es war nicht gut geschmalzen -
der Schäden wären drei.
(Oswald von Wolkenstein - 1377-1445)
Medea
immer kommt mir was dazwischen ....
So geht es mir leider auch sehr häufig wie dem guten alten Vater Wilhelm Busch.
Zum Schlafen wolln wir walzen.
Nun fragt das Hausdirnlein
ob es im Bette sei.
Das Kraut hat es versalzen,
dazu den guten Brei.
Was solln wir lange balzen -
es war nicht gut geschmalzen -
der Schäden wären drei.
(Oswald von Wolkenstein - 1377-1445)
Medea
Einer, der trotz des posthum verliehenen Nobelpreises für Literatur halb vergessen ist?
Erik Axel Karlfeld:
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen...
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen,
ich weiß nicht, wohin sie will.
Flieht sie zum Himmel, bleibt sie auf Erden?
Ich liege und halte still.
Sucht sie des Grabes Ruh oder das Leben?
Ich fühl´s, sie läßt sich nicht stillen,
es ist eine Sehnsucht auf eigene Hand,
nur um der Sehnsucht willen.
Erik Axel Karlfeldt
1864-1931
--
enigma
Erik Axel Karlfeld:
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen...
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen,
ich weiß nicht, wohin sie will.
Flieht sie zum Himmel, bleibt sie auf Erden?
Ich liege und halte still.
Sucht sie des Grabes Ruh oder das Leben?
Ich fühl´s, sie läßt sich nicht stillen,
es ist eine Sehnsucht auf eigene Hand,
nur um der Sehnsucht willen.
Erik Axel Karlfeldt
1864-1931
--
enigma
Die Blume
Im Buch ein Blümlein seh' ich liegen.
Vergessen, duftlos und verblüht;
Gedanken, wundersame, fliegen
Mir bei dem Anblick durchs Gemüt.
Wo blühte sie? Wann und wie lange?
Wer pflückte sie? Durch was bewegt?
In welchem Lenz? An welchem Hange?
Warum ward sie hierhergelegt?
Als Zeichen holden Wiederfindens,
Als unheilvoller Trennung Mal?
Oder des seligen Verschwindens
Im dunklen Wald, im stillen Tal?
Und lebt er noch? Lebt sie noch heute?
Wo weilen sie zu dieser Frist?
Oder sind sie des Todes Beute,
Verwelkt, wie diese Blume ist?
Alexander Puschkin
1799-1837
--
enigma
Im Buch ein Blümlein seh' ich liegen.
Vergessen, duftlos und verblüht;
Gedanken, wundersame, fliegen
Mir bei dem Anblick durchs Gemüt.
Wo blühte sie? Wann und wie lange?
Wer pflückte sie? Durch was bewegt?
In welchem Lenz? An welchem Hange?
Warum ward sie hierhergelegt?
Als Zeichen holden Wiederfindens,
Als unheilvoller Trennung Mal?
Oder des seligen Verschwindens
Im dunklen Wald, im stillen Tal?
Und lebt er noch? Lebt sie noch heute?
Wo weilen sie zu dieser Frist?
Oder sind sie des Todes Beute,
Verwelkt, wie diese Blume ist?
Alexander Puschkin
1799-1837
--
enigma
Wie man bei einem vergessenen und vertrockneten Blümlein so einfühlsam sein kann und dann sich noch lyrisch ausdrücken, das gefällt mir, das liest sich anregend. Vielen Dank für eure schönen Einträge
--
britt
--
britt
Karl Freiherr v. Berlepsch, 1815-1877
Der Weichensteller
Und nun noch der Schnellzug nach Charleroi!
In fünf Minuten schon ist er da! -
Er trottet hinaus zum äußersten End',
Die letzte Weiche zu stellen behend.
Im Schnee seine Schritte knarren,
Die Nacht ist kalt zum Erstarren!
Bald lädt bei traulichem Lampenschein
Die warme Stube den Müden ein,
Und ein Kuß vergilt ihm des Tages Qual,
Ein liebendes Weib und ein einfach Mahl:
Dann werden am Bettchen sie stehen
Und das Bübchen schlummern sehen! -
Hei, wie der Ostwind eisig pfeift,
Wie's tief durchs wollene Wams ihm greift!
Eine rote Lampe! Nun ist er zur Stell'.
Nur schnell!
Fern sind zwei Lichter erschienen,
Schon stoßen und stampfen die Schienen.
Der Zug! Es war die höchste Zeit!
Doch was ist das? Barmherzigkeit!
Der Hebel dreht sich im Bügel zu leicht,
Und wie er in Eile sich niederneigt,
Da hat es ganz leise geklungen,
Das eiserne Band ist zersprungen! -
Verzweifelt preßt er die Hand an die Stirn
Ein einz'ger Gedanke durchzuckt sein Hirn:
Der Zug! - Und braust er die falsche Bahn,
So ist es um ihn und die Menschen getan!
Denn kaum minutenlang weiter
Rast ihm entgegen ein zweiter! -
Da wirft sich zwischen die Schienen der Mann,
Preßt dicht seinen Leib an das Eisen an
Und dehnt und stemmt sich mit Riesenkraft -
Ein gewaltiger Druck! Nun ist es geschafft!
Ob lebendig oder als Leiche,
Er liegt eine knöcherne Weiche! -
Er liegt und steht und hört nichts mehr.
Der Eilzug rasselt über ihn her.
Nur ein Haken im Weg, eine Bremse zu tief!
- Wie's heiß und kalt durch die Adern ihm lief! -
Was gilt nur dein Leben!
Du mußt es für hundert geben! -
Ein Haken zu tief, eine Bremse im Weg!
Sekunden! Doch schlichen sie viel zu träg!
Und wenn er nur diesmal am Leben blieb -
O Gott! Wie hat er das Leben so lieb!
Da ist er vorbei geschnoben,
Und ferner hört er es toben! -
Nun naht es wieder und flackert und braust
Und ist an ihm vorbeigesaust:
Der zweite Zug, von Lichtern erhellt,
Voll Menschenglück - eine kleine Welt! -
Gerettet - Er lauscht in die Ferne,
- Und über ihm funkeln die Sterne! -
Eine, wie ich finde, sehr schöne Ballade. Wir mußten sie einst im Deutschunterricht auswendig lernen.
--
walter4
Der Weichensteller
Und nun noch der Schnellzug nach Charleroi!
In fünf Minuten schon ist er da! -
Er trottet hinaus zum äußersten End',
Die letzte Weiche zu stellen behend.
Im Schnee seine Schritte knarren,
Die Nacht ist kalt zum Erstarren!
Bald lädt bei traulichem Lampenschein
Die warme Stube den Müden ein,
Und ein Kuß vergilt ihm des Tages Qual,
Ein liebendes Weib und ein einfach Mahl:
Dann werden am Bettchen sie stehen
Und das Bübchen schlummern sehen! -
Hei, wie der Ostwind eisig pfeift,
Wie's tief durchs wollene Wams ihm greift!
Eine rote Lampe! Nun ist er zur Stell'.
Nur schnell!
Fern sind zwei Lichter erschienen,
Schon stoßen und stampfen die Schienen.
Der Zug! Es war die höchste Zeit!
Doch was ist das? Barmherzigkeit!
Der Hebel dreht sich im Bügel zu leicht,
Und wie er in Eile sich niederneigt,
Da hat es ganz leise geklungen,
Das eiserne Band ist zersprungen! -
Verzweifelt preßt er die Hand an die Stirn
Ein einz'ger Gedanke durchzuckt sein Hirn:
Der Zug! - Und braust er die falsche Bahn,
So ist es um ihn und die Menschen getan!
Denn kaum minutenlang weiter
Rast ihm entgegen ein zweiter! -
Da wirft sich zwischen die Schienen der Mann,
Preßt dicht seinen Leib an das Eisen an
Und dehnt und stemmt sich mit Riesenkraft -
Ein gewaltiger Druck! Nun ist es geschafft!
Ob lebendig oder als Leiche,
Er liegt eine knöcherne Weiche! -
Er liegt und steht und hört nichts mehr.
Der Eilzug rasselt über ihn her.
Nur ein Haken im Weg, eine Bremse zu tief!
- Wie's heiß und kalt durch die Adern ihm lief! -
Was gilt nur dein Leben!
Du mußt es für hundert geben! -
Ein Haken zu tief, eine Bremse im Weg!
Sekunden! Doch schlichen sie viel zu träg!
Und wenn er nur diesmal am Leben blieb -
O Gott! Wie hat er das Leben so lieb!
Da ist er vorbei geschnoben,
Und ferner hört er es toben! -
Nun naht es wieder und flackert und braust
Und ist an ihm vorbeigesaust:
Der zweite Zug, von Lichtern erhellt,
Voll Menschenglück - eine kleine Welt! -
Gerettet - Er lauscht in die Ferne,
- Und über ihm funkeln die Sterne! -
Eine, wie ich finde, sehr schöne Ballade. Wir mußten sie einst im Deutschunterricht auswendig lernen.
--
walter4
Eine meiner Lieblingsballaden:
Die Vergeltung
von Annette Droste-Hülshoff
http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/dro_av01.html
Gabe es nur öfter die höhere Gerechtigkeit!
--
walter4
Die Vergeltung
von Annette Droste-Hülshoff
http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/dro_av01.html
Gabe es nur öfter die höhere Gerechtigkeit!
--
walter4
Da ist ein Missgeschick mit den Lebensdaten des Dichters von Berlepsch passiert:
Karl Graf von Berlepsch lebte von 1882 bis 1955.
*
Zu der Adelsfamilie von Berlepsch s.:
http://de.wikipedia.org/wiki/Berlepsch_(Adelsgeschlecht)
--
longtime
Karl Graf von Berlepsch lebte von 1882 bis 1955.
*
Zu der Adelsfamilie von Berlepsch s.:
http://de.wikipedia.org/wiki/Berlepsch_(Adelsgeschlecht)
--
longtime
Eine richtige Schatztruhe ist dieser Thread.
So viele wunderbare Gedichte!
Hier eines meiner Lieblingsgedichte,
eines Dichters, der zwar nicht vergessen,
sondern eher wohl bekannt sein dürfte:
Dein wahrer Freund ..
Dein wahrer Freund ist nicht,
wer dir den Spiegel hält der Schmeichelei,
worin dein Bild dir selbst gefällt.
Dein wahrer Freund ist,
wer dich sein lässt deine Flecken
und sie dir tilgen hilft,
eh’ Feinde sie entdecken.
Friedrich Rückert, 1788 – 1866
--
hisun
So viele wunderbare Gedichte!
Hier eines meiner Lieblingsgedichte,
eines Dichters, der zwar nicht vergessen,
sondern eher wohl bekannt sein dürfte:
Dein wahrer Freund ..
Dein wahrer Freund ist nicht,
wer dir den Spiegel hält der Schmeichelei,
worin dein Bild dir selbst gefällt.
Dein wahrer Freund ist,
wer dich sein lässt deine Flecken
und sie dir tilgen hilft,
eh’ Feinde sie entdecken.
Friedrich Rückert, 1788 – 1866
--
hisun
Und da war mir wieder:
...daß irgendwo ein nieerlöstes Land
aus meinem Schauen schöner steigen will,
daß irgendwo ein Brauch ist, und ein Brand,
der meine Mauern sich zueigen will,
und irgendwo: ein Spiel ist ausgespannt,
daß sein Gesetz aus meinen Geigen will ---
Und daß ich wandern muß bis an das Meer,
an dem ich einst in dunkler Bucht begann,
und wachsam dorten wohnen muß und dann
empfinden muß, wie jedes Ungefähr
mit jedem Wind zu meiner Seele kann...
Berlin-Schmargendorf, 17. April 1899
Rainer Maria Rilke
senhora
...daß irgendwo ein nieerlöstes Land
aus meinem Schauen schöner steigen will,
daß irgendwo ein Brauch ist, und ein Brand,
der meine Mauern sich zueigen will,
und irgendwo: ein Spiel ist ausgespannt,
daß sein Gesetz aus meinen Geigen will ---
Und daß ich wandern muß bis an das Meer,
an dem ich einst in dunkler Bucht begann,
und wachsam dorten wohnen muß und dann
empfinden muß, wie jedes Ungefähr
mit jedem Wind zu meiner Seele kann...
Berlin-Schmargendorf, 17. April 1899
Rainer Maria Rilke
senhora