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Literatur Vergessene Dichter und Gedichte

Medea
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von Medea
als Antwort auf yankee vom 25.03.2009, 11:53:12
Wohin ziehst du mich,
Fülle meines Herzens,
Gott des Rausches?

Welche Wälder, welche Klüfte
durchstreif ich mit fremdem Mut?
Oh welche Höhlen
hören in den Sternenkranz
Cäsars ewigen Glanz mich flechten
und den Göttern ihn zugesellen?

Unerhörte, gewaltige,
keinen sterblichen Lippen entfallende
Dinge will ich sagen.
Wie die glühende Nachtwandlerin,
die bacchische Jungfrau
am Hebrus staunt
und im thrazischen Schnee
und in Rhodope, im Lande der Wilden,
so dünkt mir seltsam und fremd
der Flüsse Gewäser,
der einsame Wald .....

(Novalis)


Medea
yankee
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von yankee
als Antwort auf Medea vom 25.03.2009, 15:12:14
Meines Erachtens auch eine sehr ausdrucksstarke Dichterin war Adele Schopenhauer.

An Ihn

Ich atme Deinen Namen nicht!
Kein Hauch verrät mein zitternd Herz,
In seinen Adern wühlt der Schmerz,
Geheimer Qualen glühend Erz,
In tiefstem Schacht - doch fern dem Licht!

Ich klag' um meine Liebe nicht!
Sie brach in's Leben ungesucht:
Der Lava Strom trägt reiche Frucht,
Doch der Verheerung wehrt nicht Flucht:
Gewaltsam seine Bahn er bricht!

Ich frage nach dem Ende nicht!
Dein Glück und Elend sei mein Los;
Aus der Zerstörung dunklem Schoß
Ringt sich der Keim der Blüte los,
Ich frage nach dem Ende nicht -
Was hilfts, daß man vom Tode spricht!

Adele Schopenhauer
(1797-1849)




--
yankee
Medea
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von Medea
als Antwort auf yankee vom 25.03.2009, 15:43:38

Ein Jüngling an die Jungfern

Ihr Jungfern, wenn ich sollte
so wie ich gerne wollte,
ihr würdet sehn, ich wollte
nicht anders, als ich sollte;
denn dies wär, was ich sollte,
was euer Wille wollte.



(Friedrich von Logau, 1604-1655)

Medea

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yankee
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von yankee
als Antwort auf Medea vom 25.03.2009, 22:04:00
Was bleibt?

Ach, was bleibt? - Ein kleiner Hügel,
Drüben mit dem leichten Flügel
Froh ein Sommerfalter fliegt
Und das Gras im Wind sich wiegt.
Eine Weile Angedenken
Mag man wohl den Schläfer schenken;
Bald weiß niemand, wer da liegt

Manche, die der Ruhm erhoben,
Hört man ein Jahrhundert lang,
Bis auch sie die Zeit verschlang.
Die zum Höchsten einst erkoren -
Ihr Gedächtnis ging verloren,
Wie ein Lied im Wind verklang.

Fern noch ragen mächt'ge Gipfel
Als der Menschheit stolze Wipfel
Leuchtend aus dem Nebelmeer:
Alexander und Homer.
Aber jene Zeit wird kommen,
Da auch sie im Duft verschwommen
Und es nennt sie keiner mehr.

Unterdes in ew'gen Kreisen
Und in altgewohnten Gleisen
Ihre Bahn die Erde geht,
Achtlos, was auf ihr besteht.
Achtlos auf der Menschheit Träume,
Wandelt sie durch Weltenräume,
Bis auch sie in Staub verweht.

Rudolf Baumbach
(1840-1905)
--
yankee
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von yankee
als Antwort auf yankee vom 26.03.2009, 10:11:05
Abendphantasie

Süßes Bild,
Schwebst mir vor mit leisem Sehnen!
Klagst mit wehmutsvollen Tränen,
Tief in Trauerflor verhüllt.

Wonnezeit!
Ach! Umstrahlt von Frühlingsmilde,
Froh in Tempe's Lichtgefilde,
Lebt' ich dir, o Zärtlichkeit.

Tränen fließt!
Tauend, wie die kleine Quelle
Rieselnd, perlend, Well' an Welle
Über Blumen sich ergießt.

Alles schweigt!
Kaum, daß in des Westes Flüstern,
Unterm Schattendach des düstern
Tannenhains, der Halm sich beugt.

Holder Traum!
Fliehe nicht auf Rosenflügeln;
Weile an des Baches Spiegeln,
Suche nicht des Aethers Raum.

Es entschwand! ...
So entfloh vor Psyche's Kusse
Amor, da mit holdem Gruße
Sie: Geliebter ihn genannt.

Friederike Brun
(1765-1835)

--
yankee
floravonbistram
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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von floravonbistram
als Antwort auf yankee vom 23.02.2009, 15:43:49
Helmina von Chézy (1783-1856)

Seelenklänge der Freundschaft


1.

Ich bin so reich in Deinem Angedenken,
Daß ich mich nimmer kann ganz einsam nennen,
Nur wenn ich mich kann ganz hinein versenken,
Dann gibt's für mich kein banges Herzenstrennen;
Will mir die Welt die eitlen Freuden schenken,
Ich fliehe sie, und mag sie nimmer kennen,
Welt, Seele, Herz und Himmel sind vereint,
Wo mir Dein Bild, ein süßer Stern, erscheint.



2.

Ich singe gern der Seele stille Klagen
Im sanften Lied, das Leid in Lust verklärt,
Ich härme gern mich in den trüben Tagen,
Wo nicht ein Strahl der Seele Trost gewährt,
Ich weine gern, weil Thränenwellen tragen
Lind hin das Weh, das tief am Herzen zehrt,
Kann ich um Dich mich härmen, weinen, singen,
Sind Schmerzen Flügel, die zu Dir mich schwingen.



Helmina von Chézy war eine Tochter der Schriftstellerin Karoline Louise von Klenke und des preußischen Offiziers Karl Friedrich von Klenke. Ihre Großmutter mütterlicherseits war die Schriftstellerin Anna Louisa Karsch.
--
floravonbistram

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floravonbistram
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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von floravonbistram
als Antwort auf floravonbistram vom 26.03.2009, 11:27:13
Anna Louisa Karsch
(1722-1791)


Eine Satire auf die Verfassung von Schlesien,
während der Kaiserlichen Regierung.
1740.

Als Friedrichs große Macht in Schlesien marschiret,
Da bin ich gleichfalls mit als Volontair passiret:
Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an,
So daß ich meinen Weg ein wenig seitwärts nahm.
Da ich mich von dem Marsch der Preußen abgetrennt,
Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt,
Und als ich im Begriff daselbst hineinzugehn,
Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume stehn.
Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken,
Die Hände waren ihr gebunden auf den Rücken,
Die Augen thränenvoll, die Haare ganz zerstreut,
Und als ich näher kam, wars die Gerechtigkeit.
Ich fragte ganz bestürzt, was ist Euch denn geschehen,
Madame, daß man sie hier so betrübt soll sehen;
Wenns nach den Rechten ging, so sollet ihr ja schon
Heut auf dem Rathhaus seyn und bei der Session.
Ach, hub sie seufzend an, dem Himmel seys geklaget
Man hat mich schon vorlängst aus dieser Stadt verjaget,
Da lebt ein jeder so, wie es ihm selbst beliebt:
Das ist es, was mir jetzt so Geist als Herz betrübt.
Bemühet euch, mein Freund, ein wenig umzusehn,
Da wird ein neues Haus vor jenem Thore stehen,
Da wohnt ein Herr vom Rath, ein Schalk in seiner Haut,
Der mit Particken hat dies Häuschen aufgebaut.
Da geht der krumme Schalk, schaut wie er spekuliret,
Weil er Betrug und List in seinem Schilde führet:
So sieht er unter sich nach Art der falschen Welt,
Er sucht die Schlüssel zu der Bürger Gut und Geld.
Nun wollt ich euch noch mehr von gleicher Gattung zeigen;
Doch weil so Zeit als Ort mir itzt befiehlt zu schweigen,
So sag ich nur noch dies: der Consul und der Rath,
Die stimmen überein sowohl in Wort als That.
Der große Carolus, der noch in Schriften lebet,
Und dessen theure Seel itzt bei der Gottheit schwebet,
Der gab aus Gütigkeit der Invalidenschaar
Gewisses Gnadengeld zur Unterhaltung dar:
Es theilt sich dieses Volk in unterschiedne Städte,
Das war nun eben recht vor unsre Herren Räthe.
Sie delibrirten bald, und machten diesen Schluß,
Daß man bei unsrer Stadt auch welche haben muß.
Indem sie dieses sagt, vergoß sie bittre Thränen:
Ach weh, o Grausamkeit, thät sie an mich erwähnen,
Man hat genommen mir die Wage, welcher Werth!
Die Händ gebunden mir, dazu geraubt das Schwerdt,
Die Großen legten an der Bürgerschaft viel Gaben,
Und das zu diesen Zweck, daß sie nichts sollten haben,
Ihr Güter brachten sie an sich mit Listigkeit,
Und die betrieben sie fast stets zu jeder Zeit.
Weil nun die Bürgerschaft die Steur nicht mehr konnt geben,
Also empfingen sie dreihundert Mann auch eben,
Mit sie ward bequartirt ein jeder Bürgersmann;
Doch wie es weiter ging, hört mich nur ferner an:
Man richt ihm Zimmer zu, indem sie gute Zahler,
Ein jeder geben muß des Jahres Mieth sechs Thaler;
Und ob der meisten gleich nicht hier war ihr Bestand,
Indem sie mußten weg heim in ihr Vaterland,
Jedennoch kamen sie ihr Geld hier zu empfangen,
Und mußten auch sobald alda das Miethgeld langen.
Ja diese hatten all die Großen unter sich,
Kein einzger ihm zukam. Nun höret ferner mich:
Sie bauten vor das Volk aus Stall und Winkel Häuser
Darein zu setzen sie, die nicht vor sie der Kaiser
Wohl aber dieser Stadt, die in der Bürgerpflicht
Die Gaben rechnen dran und sollten geben nicht.
Es konnten viele nicht nicht einen Mann erlangen,
Ob sie gleich oft und viel zum Herren seyn gegangen;
Sie sagten bald zu ihm: geht ihr habt eu'r Bericht
Nicht bei euch schickt es sich, und ihr verstehts auch nicht.
Sie machten sich gar frey, daß sie nichts durften geben,
Und also thäten sie bei großen Gütern leben.
Es mußten ihre Werk und Thun stets seyn gerecht,
Auch trotz dem, der nur was wieder das aufbrächt.
Im Gaben mußten sie die Bürger übertragen,
Und dieses konnten sie auch keinem Rechten klagen:
So also bin ich hier aus dieser Stadt verbannt,
Daß ich itzt und darin bin nun nicht mehr bekannt.
Ich sprach, sie sey getrost, man wird sie wieder kennen,
Ein jeder Mann wird sie sein Schatz und Freundin nennen:
Dem Könige gehört mit Recht das ganze Land,
Der der wird geben ihr ihr Schwerdt in ihre Hand;
Und ob er gleich noch ist in seiner Blüth der Jugend,
So find't man doch an ihm das Muster aller Tugend.
Er liebet Frömmigkeit, die reine Gotteslehr,
Und mit ihr zieht ins Feld Gott selbst sein Engelheer;
Ich selber werde ihm auch dieses alles sagen
Das was sie so betrübt und was sie mir thut klagen.
Mit ihr macht ers bald aus, es ist geschehn der Schluß,
Daß sie sich packen soll, daß sie nun weichen muß.
Sie darf nunmehro nicht an keine Macht gedenken,
Sonst wird der König sie gewißlich lassen henken.
Ein jeder nehm sich nur vor diesem Weib in acht!
Auf daß er nicht mit ihr werd auf den Bau gebracht.
Sie glaub mir sicherlich, sie wird an ihm den finden,
Der ihre Hände wird auflösen und aufbinden:
Sie hoffe nur getrost, indem ich weiter geh,
Sie leb indeß vergnügt, ich sage ein Adieu.



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floravonbistram
yankee
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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von yankee
als Antwort auf floravonbistram vom 26.03.2009, 11:30:59
Aus jungen Tagen weht ein Duft

Aus jungen Tagen weht ein Duft
Durch dieses Sommerschweigen;
Ich fühl' aus meines Herzens Gruft
Viel liebe Träume steigen.

Da kommen Ritter, der Waffen bar,
Die gingen blutig sterben —
Ich wußt' ja nicht, wie stark ich war
Im Verderben!

Da wallen Frau'n, eine stille Schar,
Die singen, und ich lausche -
Ich wußt' ja nicht, wie schlecht ich war
Im Rausche.

Da kommen Kinder im blonden Haar
Und winden lachend Kränze —
Ich wußt' ja nicht, wie reich ich war
Im Lenze.

In Früchten strotzt rings Baum bei Baum,
Im Gold die Felder prangen —
Mein Kampf, mein Glück, mein Lenz, mein Traum —
Vergangen ... still! vergangen.

Rudolf Presber
(1868-1935)

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yankee
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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von yankee
als Antwort auf yankee vom 26.03.2009, 15:09:59
Die Abergläubische

Sie litt an starkem Aberglauben.
Man mühte sich, ihn ihr zu rauben,
und mehr als eine riet der Schönen,
sie möge sich ihn abgewöhnen.

Allein sie sprach: "Das geht nicht gut.
Es steckt mir so in Fleisch und Blut,
daß ich zum Beispiel meinen Mann
am Freitag nicht betrügen kann."

Arthur Pserhofer
(1873-1907)


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yankee
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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von Medea
als Antwort auf yankee vom 26.03.2009, 15:22:00
An Celia

Trinkt mir dein Auge nur Bescheid,
meins dir, nenn ich dich mein;
im Glas noch deines Kusses Hauch
trink lieber ich als Wein.
Der Durst, der aus der Seele schreit,
muß überirdisch sein;
doch böte man mir Nektar auch,
ich tauscht ihn niemals ein.

Ich sandt dir einen Rosenkranz,
nicht so zu ehren dich,
als vielmehr einer Hoffnung froh,
daß er dort nie verblich.
Du hauchtest nur darauf - o Glanz!
und sandtest ihn an mich:
wenn er nun wächst und duftet, so
verdankt ers dir, nicht sich.

(Ben Jonson, 1573-1637)

Medea




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