Literatur Schöne Lyrik
M.(Betti)
Das Veilchen.
Das Veilchen sieht des Baches Flut an sich vorüber ziehn;
es sieht das scheue, junge Blut, wie keck die Wellen ziehn!
"lieb Veilchen mein, du einsam Kind, folg' uns'rem lust'gen Zug,
und mit den Wogen pfeilgeschwind dahin in wildem Flug."
"O laßt mich einsam und allein hier auf der stillen Au!
kommt doch zu mir bei Sternenschein ein mächt'ger Gast, der Tau.
Der ruth im Kelch, bis ihn erwacht tödtet der Sonne Blick!
mein Tag ist Sehnen nach der Nacht-doch meine Nacht ist Glück!"
Die Rose prangt in stolzer Lust, die Myrte lockt und ruft,
doch treue Lieb in stiller Brust, die atmet Veilchenduft.
Und wenn der Herbst sie kalt und rau mit welkem Laub erstickt-
vom Himmel fällt der Tropfen Tau, der sie im Tod erquickt.
Rudolf Gottschalk
1823-1909
Das Veilchen.
Das Veilchen sieht des Baches Flut an sich vorüber ziehn;
es sieht das scheue, junge Blut, wie keck die Wellen ziehn!
"lieb Veilchen mein, du einsam Kind, folg' uns'rem lust'gen Zug,
und mit den Wogen pfeilgeschwind dahin in wildem Flug."
"O laßt mich einsam und allein hier auf der stillen Au!
kommt doch zu mir bei Sternenschein ein mächt'ger Gast, der Tau.
Der ruth im Kelch, bis ihn erwacht tödtet der Sonne Blick!
mein Tag ist Sehnen nach der Nacht-doch meine Nacht ist Glück!"
Die Rose prangt in stolzer Lust, die Myrte lockt und ruft,
doch treue Lieb in stiller Brust, die atmet Veilchenduft.
Und wenn der Herbst sie kalt und rau mit welkem Laub erstickt-
vom Himmel fällt der Tropfen Tau, der sie im Tod erquickt.
Rudolf Gottschalk
1823-1909
Meiner Mutter
Du warst allein,
ich sah durchs Schlüsselloch
den matten Schein
der Lampe noch.
Was stand ich nur und trat nicht ein?
Und brannte doch,
und war mir doch, es müßte sein,
daß ich noch einmal deine Stirne strich
und zärtlich flüsterte: Wie lieb ich dich!
Die alte böse Scheu,
dir ganz mein Herz zu zeigen,
sie quält mich immer neu.
Nun lieg ich durch die lange Nacht
und horche in das Schweigen -
ob wohl dein weißes Haupt noch wacht?
Und einmal hab ich leis gelacht:
Was sorgst du noch,
sie weiß es doch,
sie hat gar feine Ohren,
ihr geht von deines Herzens Schlag,
obwohl die Lippe schweigen mag,
auch nicht ein leiser Ton verloren.
Gustav Falke
(1853 - 1916), deutscher Lyriker und Kinderbuchautor
Du warst allein,
ich sah durchs Schlüsselloch
den matten Schein
der Lampe noch.
Was stand ich nur und trat nicht ein?
Und brannte doch,
und war mir doch, es müßte sein,
daß ich noch einmal deine Stirne strich
und zärtlich flüsterte: Wie lieb ich dich!
Die alte böse Scheu,
dir ganz mein Herz zu zeigen,
sie quält mich immer neu.
Nun lieg ich durch die lange Nacht
und horche in das Schweigen -
ob wohl dein weißes Haupt noch wacht?
Und einmal hab ich leis gelacht:
Was sorgst du noch,
sie weiß es doch,
sie hat gar feine Ohren,
ihr geht von deines Herzens Schlag,
obwohl die Lippe schweigen mag,
auch nicht ein leiser Ton verloren.
Gustav Falke
(1853 - 1916), deutscher Lyriker und Kinderbuchautor
Frühlingslied
Der Frühling lacht von grünen Höh'n,
Es steht vor ihm die Welt so schön,
Als seien eines Dichters Träume
Getreten sichtbar in die Räume.
Wann schöpferisch aus Morgenduft
Der Sonne Strahl die Wesen ruft,
Kehrt jedes Herz sich, jede Blume
Empor zum lichten Heiligtume.
Wann Abendrot den Purpur webt,
Darin die Sonne sich begräbt,
Schließt sich befriedigt jede Blüte,
Und Sehnsucht schlummert im Gemüte.
Vom Morgen bis zur Nacht entlang
Ist all ein Kampf der Sonne Gang;
Ein Kampf, die Schöpfung zu gestalten,
Durch Licht zur Schönheit zu entfalten.
Die Sonn' ist Gottes ew'ger Held,
Mit goldner Wehr im blauen Feld,
Und zu dem lichten Heldenwerke
Erneut der Frühling ihr die Stärke.
Die Sonn' am Tag, der Mond bei Nacht,
Sie ringen all' mit Wechselmacht,
Die Sonne, Rosen rot zu strahlen,
Und Lilien weiß der Mond zu malen.
Der Himmel ein saphyrnes Dach
Der Flur smaragdnem Brautgemach,
Wo sich im Spiegel von Kristallen
Schaut Rose Braut mit Wohlgefallen.
Die Morgenröte wirkt ihr Kleid,
Der Morgentau reicht ihr Geschmeid,
Der Morgenwind, ihr kecker Freier,
Küßt sie errötend unterm Schleier.
Der Frühling gibt im Garten Tanz,
Und alle Blumen nahn im Glanz,
Wo Mädchen vorzustellen haben
Die Rosen und Jasmine Knaben.
Das Veilchen birgt in Duft sich still,
Weil aufgesucht es werden will;
Die Rose glühend zeigt sich offen,
Wie könnte sie Verbergung hoffen?
Des Paradieses Pforten sind
Nun aufgethan im Morgenwind,
Und auf die Erde strömt vom Osten
Der Duft, den sonst die Sel'gen kosten.
Die Lauben Edens werden leer,
Zur Erd' hernieder zog ihr Heer,
Wo nun die Engel schöner wohnen
In Rosenzelt und Lilienkronen.
Nun lebt, berührt vom Liebeshauch,
Das Leben neu, und Totes auch;
Der starre Fels vor Sehnsucht bebet,
Bis auch ein Epheu ihn umwebet.
O Frühlingsodem, Liebeslust,
O Glück der felsentreuen Brust,
Die ein Geliebtes an sich drücket,
Das dankbar sie mit Kränzen schmücket.
In dieser Stille der Natur,
Wo Liebe spricht und Friede nur,
Sei fern den schweigenden Gedanken
Des Menschenlebens lautes Zanken.
Wie sie die Sinne sich verwirrt
Und wie in Wüsten sich verirrt,
Wie sie die Freude sich verkümmert
Und wie das Dasein sich zertrümmert.
Und wie die Welt, so ist ihr Lohn.
Es reut mich jeder Liedeston,
Der aufs verworrene Getriebe
Der Zeit sich wandt' und nicht auf Liebe.
Die Liebe ist der Dichtung Stern,
Die Liebe ist des Lebens Kern;
Und wer die Lieb' hat ausgesungen,
Der hat die Ewigkeit errungen.
Weg Thorentand und Flitterpracht!
Im Himmel gilt nicht ird'sche Macht.
Erob'rer, Helden, Weltvernichter,
Geht, sucht euch einen andern Dichter.
Du Freimund laß den eitlen Schwall,
Sing' Lieb' als wie die Nachtigall,
O trachte, still in deinen Tönen
Dein eignes Dasein zu versöhnen.
Friedrich Rückert
Der Frühling lacht von grünen Höh'n,
Es steht vor ihm die Welt so schön,
Als seien eines Dichters Träume
Getreten sichtbar in die Räume.
Wann schöpferisch aus Morgenduft
Der Sonne Strahl die Wesen ruft,
Kehrt jedes Herz sich, jede Blume
Empor zum lichten Heiligtume.
Wann Abendrot den Purpur webt,
Darin die Sonne sich begräbt,
Schließt sich befriedigt jede Blüte,
Und Sehnsucht schlummert im Gemüte.
Vom Morgen bis zur Nacht entlang
Ist all ein Kampf der Sonne Gang;
Ein Kampf, die Schöpfung zu gestalten,
Durch Licht zur Schönheit zu entfalten.
Die Sonn' ist Gottes ew'ger Held,
Mit goldner Wehr im blauen Feld,
Und zu dem lichten Heldenwerke
Erneut der Frühling ihr die Stärke.
Die Sonn' am Tag, der Mond bei Nacht,
Sie ringen all' mit Wechselmacht,
Die Sonne, Rosen rot zu strahlen,
Und Lilien weiß der Mond zu malen.
Der Himmel ein saphyrnes Dach
Der Flur smaragdnem Brautgemach,
Wo sich im Spiegel von Kristallen
Schaut Rose Braut mit Wohlgefallen.
Die Morgenröte wirkt ihr Kleid,
Der Morgentau reicht ihr Geschmeid,
Der Morgenwind, ihr kecker Freier,
Küßt sie errötend unterm Schleier.
Der Frühling gibt im Garten Tanz,
Und alle Blumen nahn im Glanz,
Wo Mädchen vorzustellen haben
Die Rosen und Jasmine Knaben.
Das Veilchen birgt in Duft sich still,
Weil aufgesucht es werden will;
Die Rose glühend zeigt sich offen,
Wie könnte sie Verbergung hoffen?
Des Paradieses Pforten sind
Nun aufgethan im Morgenwind,
Und auf die Erde strömt vom Osten
Der Duft, den sonst die Sel'gen kosten.
Die Lauben Edens werden leer,
Zur Erd' hernieder zog ihr Heer,
Wo nun die Engel schöner wohnen
In Rosenzelt und Lilienkronen.
Nun lebt, berührt vom Liebeshauch,
Das Leben neu, und Totes auch;
Der starre Fels vor Sehnsucht bebet,
Bis auch ein Epheu ihn umwebet.
O Frühlingsodem, Liebeslust,
O Glück der felsentreuen Brust,
Die ein Geliebtes an sich drücket,
Das dankbar sie mit Kränzen schmücket.
In dieser Stille der Natur,
Wo Liebe spricht und Friede nur,
Sei fern den schweigenden Gedanken
Des Menschenlebens lautes Zanken.
Wie sie die Sinne sich verwirrt
Und wie in Wüsten sich verirrt,
Wie sie die Freude sich verkümmert
Und wie das Dasein sich zertrümmert.
Und wie die Welt, so ist ihr Lohn.
Es reut mich jeder Liedeston,
Der aufs verworrene Getriebe
Der Zeit sich wandt' und nicht auf Liebe.
Die Liebe ist der Dichtung Stern,
Die Liebe ist des Lebens Kern;
Und wer die Lieb' hat ausgesungen,
Der hat die Ewigkeit errungen.
Weg Thorentand und Flitterpracht!
Im Himmel gilt nicht ird'sche Macht.
Erob'rer, Helden, Weltvernichter,
Geht, sucht euch einen andern Dichter.
Du Freimund laß den eitlen Schwall,
Sing' Lieb' als wie die Nachtigall,
O trachte, still in deinen Tönen
Dein eignes Dasein zu versöhnen.
Friedrich Rückert
Friedrich Rückert (1788 - 1866) hätte heute Geburtstag gehabt.
An meinem Fünfundsiebzigsten
Hundert Briefe sind angekommen
ich war vor Freude wie benommen,
nur etwas verwundert über die Namen
und über die Plätze woher sie kamen.
Ich dachte, von Eitelkeit eingesungen:
Du bist der Mann der "Wanderungen",
du bist der Mann der märk’schen Geschichte,
du bist der Mann der märk’schen Gedichte,
du bist der Mann des Alten Fritzen
und derer die mit ihm bei Tafel sitzen,
einige plaudernd, andere stumm,
erst in Sanssouci, dann in Elysium;
du bist der Mann der Jagow und Lochow,
der Stechow und Bredow, der Quitzow und Rochow,
du kanntest keine größere Meriten
als die von Schwerin und vom alten Zieten,
du fandst in der Welt nichts so zu rühmen
als Oppen und Groeben und Kracht und Thümen,
an der Schlachten und meiner Begeisterung Spitze
marschieren die Pfuels und Itzenplitze,
marschierten aus Uckermark, Havelland, Barnim
die Ribbecks und Kattes, die Bülow und Arnim,
marschierten die Treskows und Schlieffen und Schlieben,
und über alle hab‘ ich geschrieben.
Aber die zum Jubeltag da kamen,
das waren doch sehr andre Namen.
Auch "sans peur et reproche", ohne Furcht und Tadel,
aber fast schon von prähistorischem Adel:
Die auf "berg" und auf "heim" sind gar nicht zu fassen,
sie stürmen ein in ganzen Massen,
Meyers kommen in Bataillonen,
auch Pollacks und die noch östlicher wohnen,
Abram, Isak, Israel,
alle Patriarchen sind zur Stell‘,
stellen mich freundlich an ihre Spitze,
was sollen mir da noch die Itzenplitze!
Jedem bin ich was gewesen,
alle haben sie mich gelesen,
alle kannten mich lange schon,
und das ist die Hauptsache --- "Kommen Sie, Cohn!" *)
*) In der Aufforderung „kommen Sie, Cohn“ vernehmen wir in knappster Formulierung seinen Dank, vielleicht gar seine Rührung. Der hier für die Juden steht, Fritz Theodor Cohn, war Mitinhaber des Verlags von Fontanes Sohn.
Übrigens wurde das Gedicht „An meinem Fünfundsiebzigsten“ erst nach Fontanes Tod gedruckt. Es hätte, wurde ihm gesagt, die Juden kränken können: Sie seien nur deshalb so willkommen gewesen, weil die adligen Gratulanten ausblieben. Fontane hat sofort auf die Veröffentlichung verzichtet. (Wiki)
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Das Birkenbäumchen
Ich weiß den Tag, es war wie heute,
ein erster Maitag, weich und mild,
und die erwachten Augen freute
das übersonnte Morgenbild.
Der frohe Blick lief hin und wieder,
wie sammelt er die Schätze bloß?
So pflückt ein Kind im auf und nieder
sich seine Blumen in den Schoß.
Da sah ich dicht am Wegessaume
ein Birkenbäumchen einsam stehn,
rührend im ersten Frühlingsflaume,
konnt' nicht daran vorübergehn.
In seinem Schatten stand ich lange,
hielt seinen schlanken Stamm umfasst
und legte leise meine Wange
an seinen kühlen Silberbast.
Ein Wind flog her, ganz sacht, und wühlte
im zarten Laub wie Schmeichelhand.
Ein Zittern lief herab, als fühlte
das Bäumchen, dass es Liebe fand.
Und war vorher die Sehnsucht rege,
hier war sie still, in sich erfüllt;
es war, als hätte hier am Wege
sich eine Seele mir enthüllt.
Gustav Falke
1853-1916
O wie bricht aus den Zweigen
das maifrische Grün
und die Lerchen, sie steigen
die Veilchen erblüh´n.
Mein Herz kann sich freuen
und es blüht mir auch darin
im Mai, im schönen Maien
hab ich viel noch im Sinn
Wenn die Bäume sich wiegen
in Lüften so lind´
o so möcht ich gern fliegen
wie die Wolken geschwind,
möcht singen im Freien
daß es weithin erklingt
die Lust am schönen Maien
meine Seele durchdringt.
Wenn die Vöglein dann singen
frühmorgens zieh ich aus
will die Wälder durchdringen
nimmer nach Haus
Mein Herz kann sich freuen
und es blüht mir auch darin
im Mai, im schönen Maien
hab ich viel noch im Sinn
(Verfasser unbekannt)
Die Heimat
Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh?
Das Horn lockt nächtlich dort, als ob's dich riefe,
Am Abgrund grast das Reh,
Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe –
O stille! Wecke nicht! Es war, als schliefe
Da drunten ein unnennbar Weh. –
Kennst du den Garten? – Wenn sich Lenz erneut,
Geht dort ein Fräulein auf den kühlen Gängen
Still durch die Einsamkeit
Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,
Als ob die Blumen und die Bäume sängen,
Von der alten schönen Zeit.
Ihr Wipfel und ihr Brunnen, rauscht nur zu!
Wohin du auch in wilder Flucht magst dringen:
Du findest nirgends Ruh!
Erreichen wird dich das geheime Singen,
In dieses Sees wunderbaren Ringen
Gehn wir doch unter, ich und du! –
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh?
Das Horn lockt nächtlich dort, als ob's dich riefe,
Am Abgrund grast das Reh,
Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe –
O stille! Wecke nicht! Es war, als schliefe
Da drunten ein unnennbar Weh. –
Kennst du den Garten? – Wenn sich Lenz erneut,
Geht dort ein Fräulein auf den kühlen Gängen
Still durch die Einsamkeit
Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,
Als ob die Blumen und die Bäume sängen,
Von der alten schönen Zeit.
Ihr Wipfel und ihr Brunnen, rauscht nur zu!
Wohin du auch in wilder Flucht magst dringen:
Du findest nirgends Ruh!
Erreichen wird dich das geheime Singen,
In dieses Sees wunderbaren Ringen
Gehn wir doch unter, ich und du! –
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
An dem Feuer saß das Kind,
Amor, Amor,
Und war blind;
Mit dem kleinen Flügel fächelt
In die Flamme er und lächelt,
Fächle, lächle, schlaues Kind!
Ach, der Flügel brennt dem Kind,
Amor, Amor
Läuft geschwind!
»O, wie mich die Glut durchpeinet!«
Flügelschlagend laut er weinet,
In der Hirtin Schoß entrinnt
Hülfeschreind das schlaue Kind.
Und die Hirtin hilft dem Kind
Amor, Amor,
Bös und blind.
Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,
Hast den Schelm du nicht gekennet?
Sieh, die Flamme wächst geschwind,
Hüt' dich vor dem schlauen Kind!
Clemens Brentano
Amor, Amor,
Und war blind;
Mit dem kleinen Flügel fächelt
In die Flamme er und lächelt,
Fächle, lächle, schlaues Kind!
Ach, der Flügel brennt dem Kind,
Amor, Amor
Läuft geschwind!
»O, wie mich die Glut durchpeinet!«
Flügelschlagend laut er weinet,
In der Hirtin Schoß entrinnt
Hülfeschreind das schlaue Kind.
Und die Hirtin hilft dem Kind
Amor, Amor,
Bös und blind.
Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,
Hast den Schelm du nicht gekennet?
Sieh, die Flamme wächst geschwind,
Hüt' dich vor dem schlauen Kind!
Clemens Brentano
Mauern
Wir gehen aneinander vorüber,
Jeder in sich und sein Schicksal gebannt –
Wir schicken Gruß und Gebärde hinüber
und leben jeder in anderem Land ...
Aber hinter Wällen und Mauern,
Die sich unsichtbar zwischen uns baun,
Lebt der einsamen Seelen Trauern
Und der verwirrten Geschöpfe Graun.
Suchender Sehnsucht trübe Funken
Schwirren über den Mauerrand –
Aber schon hat sie die Nacht getrunken,
Ehe das Licht zum Ziele fand ...
Und von der nächtlichen Schwermut Fächeln,
Von der Wehmut des jähen Verwehns
Bleibt nur der wissenden Seele Lächeln
Über den kurzen Trug des Verstehns. –
Alles wähnt, im andern zu leben –
Wenige küssen im Dunkeln sich sacht,
Wenn die Mauern klingend erbeben –
Doch über allen brütet die Nacht. –
Kurt Walter Goldschmidt
Wir gehen aneinander vorüber,
Jeder in sich und sein Schicksal gebannt –
Wir schicken Gruß und Gebärde hinüber
und leben jeder in anderem Land ...
Aber hinter Wällen und Mauern,
Die sich unsichtbar zwischen uns baun,
Lebt der einsamen Seelen Trauern
Und der verwirrten Geschöpfe Graun.
Suchender Sehnsucht trübe Funken
Schwirren über den Mauerrand –
Aber schon hat sie die Nacht getrunken,
Ehe das Licht zum Ziele fand ...
Und von der nächtlichen Schwermut Fächeln,
Von der Wehmut des jähen Verwehns
Bleibt nur der wissenden Seele Lächeln
Über den kurzen Trug des Verstehns. –
Alles wähnt, im andern zu leben –
Wenige küssen im Dunkeln sich sacht,
Wenn die Mauern klingend erbeben –
Doch über allen brütet die Nacht. –
Kurt Walter Goldschmidt
Mittagsstille
H. Löns
Silbereis liegt auf den Gräben,
auf dem Weg Goldsonnenschein,
auf dem Weg, mein süßes Leben,
den wir gehen ganz allein.
Keine Blume sprengt die Hülle,
und kein Spierchen schiebt das Ried,
in die große Mittagsstille
singt ein Vogel nur sein Lied.
Was er singt, wir wissen’s beide,
denn in unsern Herzen klingt,
was die Ammer in der Weide
immer immer wieder singt.