Literatur Schöne Lyrik

Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 28.01.2017, 08:24:47
Danke, liebe Clematis. Ich habe es aufgenommen auf dem Weg von Titisee nach Hinterzarten.



Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergeßne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Fraun, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloß;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentroß.

Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt.
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.

Heinrich Heine

Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona


Nach schwerem Kranksein

Die Nacht war so schwül und ich wurde umtanzt
von Gespenstern mit drohenden Mienen
doch die Sonne kam und da wurde der Spuk
zu flatternden Fenstergardinen.

Liegst Du krank in der Nacht und fühlst Dich bedroht
vom Grauen der nebligen Wesen
warte ab Deinen Tag und schau bittend ins Licht
dann bist Du halb schon genesen.

Was ängstigt mich ein schwerer Traum?
Was ruft der Totenvogel im Baum?
Meine Seele lebt im göttlichen Licht
und fürchtet die Schatten des Todes nicht.
Mein wirkliches Sein wird nimmermehr sterben
Leben ist Reifen und kein Verderben.

Gern wär ich weiter gegangen
ins andere,bessere Land.
Doch an der himmlischen Pforte
streng noch der Cherubim stand.
Vergaß nun im Lichte der Sonne
alle fiebrige Not.
Gut ist es hüben und drüben,
wenn die Seele nur ruhet in Gott.

Und laß ich Euch einmal allein
tragt nur um mich kein Leid.
Gestorben ist ja nicht mein Sein
gestorben ist ja nur das Kleid.

Siehst Du den weißen Vogel sich heben und heben?
Siehst Du ihn über dem Meere ins Blaue entschweben?
Selber sieht er sein Bild im Wasser versinken.
Doch er ist schon dabei,
aus himmlischen Quellen zu trinken

(Elfriede Daum 1959)
Elfriede Daum ist die verstorbene Großmutter von Neptun.
Mit seiner Genehmigung durfte ich dieses Gedicht eingeben.
Mary-Lou
Mary-Lou
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Mary-Lou
Schon längst wollte ich mich bei denen bedanken, die diesen Thread am Leben halten und immer wieder wunderbare Gedichte einstellen. Auch wenn ich selber nicht aktiv dabei bin, so freue ich mich doch jedes Mal, wenn ich etwas Neues entdecke. Bitte gebt nicht auf, für mich ist es eine große Freude. DANKE! Mary-Lou


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Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Mary-Lou vom 30.01.2017, 20:32:20
Liebe Mary Lou, ich denke dass nicht nur ich sondern alle hier aktiven Mitglieder sich über Deine Ermunterung freuen. Diese wirkt garantiert sehr stimulierend und motivierend, so dass auch weiterhin viele schöne Gedichte zu lesen sein werden. Übrigens ist der von Dir eingestellte Blumenstrauss eine Augenweide. Wunderschön! Hierfür herzlichen Dank!

LG Sirona
Neptun
Neptun
Mitglied

Re: Fröhliche Ostern
geschrieben von Neptun
Diverses(Neptun)
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Die rheinischen Weinbauern


An Ahr und Mosel glänzten
die Trauben gelb und rot;
die dummen Bauern meinten,
sie wären aus jeder Not.

Da kamen die Handelsleute
herüber aus aller Welt:
– Wir nehmen ein Drittel der Ernte
für unser geliehenes Geld! –

Da kamen die Herren Beamten
aus Koblenz und aus Köln:
– Das zweite Drittel gehöret
dem Staate an Steuern und Zölln! –

Und als die Bauern flehten
zu Gott in höchster Pein:
da schickt er ein Hageln und Wettern
und brüllte: Der Rest ist mein!

Viel Leid geschieht jetzunder,
viel Leid und Hohn und Spott,
und wen der Teufel nicht peinigt,
den peinigt der liebe Gott!



[i]Georg Weerth
(1821 - 1856)
Milan
Milan
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Milan
Danke Neptun !

Hier kommt noch ein Gedicht von Georg Weerth.

Herüber zog eine schwarze Nacht

Herüber zog eine schwarze Nacht.
Die Föhren rauschten im Sturme;
Es hat das Wetter wild zerkracht
Die Kirche mit ihrem Turme.
Zerschmettert das Kreuz;
Zerdrückt den Altar;
Zermalmt das Gebein in den Särgen –
Die gotischen Bögen wälzen sich
Donnernd hinab von den Bergen.
Zum Dorfe stürzt sich Turm und Chor
Als wie zu einem Grabe –
Da fährt entsetzt vom Lager empor
Und spricht zur Mutter der Knabe :
"Ach Mutter, mir träumte ein Traum so schwer,
Das hat den Schlaf mir verdorben.
Ach Mutter, mir träumte, soeben wär'
Der liebe Herr Gott gestorben."

Georg Weerth
(1821 - 1856), deutscher Kaufmann, Erzähler, Lyriker und Feuilletonist, war mit Marx und Engels befreundet

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Sirona
Sirona
Mitglied

Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Au weia, der Herr Weerth scheint ja nicht gut von dem lieben Gott gedacht zu haben. Damals brachten die Menschen Unwetter oft mit einer Strafe Gottes in Verbindung. Inzwischen ist man aber klüger geworden und weiss dass Gott nicht mit solchen Mitteln die Menschen erschreckt.
Danke Euch beiden, Neptun und Milan!
Auch die Beiträge von Clematis und Roxanna haben mir sehr gut gefallen, auch dafür DANKE!

Sirona
Betti
Betti
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Betti
Liebe Lyrik-Freunde,
zufällig habe ich diesen Thread entdeckt, ich muss gestehen, daß ich keine Ahnung von
Lyrik habe.Im Nachlass meines Mannes fand ich ein Büchlein mit Gedichten, die Euch vielleicht gefallen.


Ein Tor, wer mürrisch.

Otto Buchwald
1842-1915.

Ein Tor, wer mürrisch und verdrossen
mit dem bescheid'nen Lose grollt,
wenn nicht mit vier geschwinden Rossen
sein Wagen durch die Straßen rollt.

Ein Tor, wer aus des Nächsten Freuden
sich schöpft des Lebens Bitterkeit,
und grollend bei vermeinten Leiden
Gift auf die eig'ne Speise streut,

Bescheid'nes Glück, das hat ein Jeder,
nimmt er das Leben, wie er's fand;
treibt nicht das Wasser seine Räder,
dreh' er sein Rad mit eig'ner Hand.
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Betti vom 01.02.2017, 09:11:54
Liebe Betti,

wir freuen uns dass Du uns entdeckt hast.
Kommt es auf „Ahnung“ an wenn man ein Gedicht liest das die eigenen Gefühle anspricht? Nichts anderes möchte Lyrik vermitteln. Hier geht es nicht um Professoren-Wissen sondern um das seelische Empfinden. So hat mich das von Dir eingegebene Gedicht sehr berührt. Und ist es nicht in der Tat so dass man etwas neidisch auf Jene schaut, die augenscheinlich auf der besseren Seite des Lebens wandeln? Wir kommen ohne gefragt zu werden in diese Welt und haben eine bestimmte Aufgabe, die zu bewältigen ist. So wie es die Schlusszeile des Gedichtes auch sagt: „Dreh’ er sein Rad mit eig’ner Hand“. Wichtig ist das Beste aus seinem Leben zu machen. Und ob die Menschen, die „geschwinde Rosse“ im Stall haben glücklicher sind als derjenige, der sein bescheid’nes Glück genießen kann?

Danke für die guten Gedanken!
LG Sirona
Neptun
Neptun
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Neptun
Die Langeoog (Foto) ist ein ehemaliges Motorrettungsboot der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) und war zwischen dem 1. März 1945 und dem 22. Juli 1980 auf der Nordseeinsel Langeoog stationiert
Zu ihrer Aufgaben gehörten unter Anderem die Rettung von Schiffbrüchigen.


Diverses(Neptun)
/storage/pic/sys-userpics/2017/01/b0b33db4f67892c4243e0606c2f2ab47_20170131090923/717205_1_004.jpg?version=1485850331[/img]


Gegründet wurde die DGzRS im Jahre 1865. Nicht immer war die Seenotrettung so gut ausgerüstet wie zurzeit. Damals zur Gründungszeit wurden im Notfall Ruderboote von Pferden zu Wasser gelassen und von beherzten Mannschaften zu den Verunglückten gerudert. Oft blieben bei den Rettungsaktionen auch die Retter für immer auf See.

Eine Ballade, die von einer solchen Rettung berichtet, möchte ich nachstehend noch einmal in Erinnerung rufen obwohl ich überzeugt bin, dass etliche von uns diese in der Schule auswendig lernen mussten.


Nis Randers

Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!
Und brennt der Himmel, so sieht man's gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich's der Abgrund.
Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen."
Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein!
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will's, deine Mutter!
Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!"
Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
"Und seine Mutter?"
Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.
Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muss es zerschmettern ...! Nein, es blieb ganz! ...
Wie lange? Wie lange?
Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.
Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des anderen springt
Mit stampfenden Hufen!
Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen!
Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt ...
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit's durch die Hand:
"Sagt Mutter, 's ist Uwe!"


[i]Otto Ernst
(1862-1925)

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