Literatur Schöne Lyrik

Sirona
Sirona
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Re: Lyrik von Puschkin
geschrieben von Sirona


Emanuel Geibel (1815 – 1884)

Wenn einer starb, den du geliebt hienieden,
so trag hinaus zur Einsamkeit dein Wehe,
dass ernst und still es sich mit dir ergehe
im Wald, am Meer, auf Steigen längst gemieden.
Da fühlst du bald, dass jener, der geschieden,
lebendig dir im Herzen auferstehe;
in Luft und Schatten spürst du seine Nähe,
und aus den Tränen blüht ein tiefer Frieden.

Ja, schöner muss der Tote dich begleiten,
ums Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein,
und treuer – denn du hast ihn alle Zeiten.
Das Herz auch hat sein Ostern, wo der Stein
vom Grabe springt, dem wir den Staub nur weihten;
und was du ewig liebst, ist ewig dein.
Milan
Milan
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Re. Re. Lyrik von Puschkin
geschrieben von Milan
Lyrik von Puschkin ? Wo kann ich die finden ?? ;-(
Sirona
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Re: Re. Re. Lyrik von Puschkin
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Milan vom 13.11.2016, 17:54:08
Hallo Milan, ich habe diese Seiten gefunden, vielleicht ist ja etwas dabei wonach Du suchst.

Gedichte Puschkin

Liebeslyrik Puschkin

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Sirona
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona



Der Lebenswagen
Alexander Puschkin (1799 - 1837)

Hat oft geladen schwere Säcke,
doch rollt der Wagen wie geschmiert;
macht keine Pausen auf der Strecke,
wird flott von grauer Zeit kutschiert.

Wir steigen morgens in den Wagen;
wir kennen weder Maß noch Ruh,
riskieren gerne Hals und Kragen,
und rufen: Schneller, lahme Kuh!

Am Mittag aber wird es enger;
schon recht gefährlich diese Bahn:
Durch tiefe Graben, steile Hänge;
wir rufen: Vorsicht, Blödian!

Rollt weiter unbeirrt der Wagen;
am Abend sind wir schon entspannt,
wir werden in die Nacht getragen -
die Zeit treibt rasend das Gespann.
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona


Todes - Erfahrung
R.M. Rilke

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Hass
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so dass wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

Roxanna
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 19.11.2016, 09:30:02
Nachruf

Du liebe, treue Laute,
Wie manche Sommernacht,
Bis daß der Morgen graute,
Hab' ich mit dir durchwacht!

Die Täler, wieder nachten,
Schon sinkt das Abendrot,
Doch die sonst mit uns wachten,
Die liegen lange tot.

Was wollen wir nun singen
Hier in der Einsamkeit,
Wenn alle von uns gingen,
Die unser Lied erfreut'?

Wir wollen dennoch singen!
So still ist's auf der Welt;
Wer weiß, die Lieder dringen
Vielleicht zum Sternezelt.

Wer weiß, die da gestorben,
Sie hören droben mich
Und öffnen leis' die Pforten
Und nehmen uns zu sich.

Joseph von Eichendorff

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Sirona
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Re: Suliko
geschrieben von Sirona

/storage/pic/sys-userpics/2015/06/902c45d57fe49a0c6a2c64848371cff4_20150627211903/711357_1_winter_bild_1_gross.jpg?version=1480234472[/img]

[i]Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.

Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern,
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zu Ewigkeit.


Rainer Maria Rilke
Roxanna
Roxanna
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
Winter

Weg und Wiese zugedeckt,
Und der Himmel selbst verhangen,
Alle Berge sind versteckt,
Alle Weiten eingegangen.

Ist wie eine graue Nacht,
Die sich vor den Tag geschoben,
Die der Sonne glühe Pracht
Schleierdicht mit Dunst umwoben.

Oder seid ihr alle tot:
Sonne, Mond und lichte Sterne?
Ruht das wirkende Gebot,
Das euch trieb durch Näh und Ferne?

Leben, lebst du noch ringsum?
Sind verschüttet alle Wege?
Grau und eng die Welt und stumm.
Doch mein Herz schlägt seine Schläge.

Otto Julius Bierbaum
Milan
Milan
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Advent Loriot
geschrieben von Milan
Advent
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
am Niklasabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh',
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
(was der Gemahl bisher vermied) -,
behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt zum Schluß, es geht auf vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt's von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist's, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!
He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?
Des Försters Haus ist tiefverschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
's ist alles, was ich geben kann.
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt - es ist Advent.

Loriot

https://www.youtube.com/watch?v=Fn2FS6lkY3Q
Sirona
Sirona
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Altes Kaminstück (Heinrich Heine)

Draußen ziehen weiße Flocken
durch die Nacht, der Sturm ist laut;
hier im Stübchen ist es trocken,
warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
an dem knisternden Kamin,
kochend summt der Wasserkessel
längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
wärmt die Pfötchen an der Glut;
und die Flammen schweben, weben,
wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
manche längst vergessne Zeit,
wie mit bunten Maskenzügen
und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Frau´n, mit kluger Miene,
winken süß geheimnisvoll,
und dazwischen Harlekine
springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüssen Marmorgötter,
traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
in dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbei geschwommen
manches alte Zauberschloss;
hintendrein geritten kommen
blanke Ritter, Knappentross.

Und das alles zieht vorüber,
schattenhastig übereilt.
Ach! da kocht der Kessel über,
und das nasse Kätzchen heult.


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