Literatur Schöne Lyrik
Verwicklungen
Es stand in dem Garten ein Apfelbaum,
Vor Blüten sah man die Blätter kaum.
Ein Bienchen flog in dem Garten umher,
Eine Apfelblüte gefiel ihm sehr.
Sie liebten sich beide treu und wahr;
Darum verlobten sie sich als ein Paar.
Das Bienchen zog auf die Sommerfahrt –
Ein Fruchtknopf indes aus der Blüte ward.
Bienchen und Fruchtknopf grämten sich sehr,
Doch war's nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Nun hielt eine arme, doch ehrliche Maus
Neben der Wurzel des Baumes Haus.
Die seufzte: »Du Fruchtknopf, o wärest du mein,
So würde mein Keller der Himmel sein!« –
Aufs neu' kam das Bienchen zurück von der Flucht,
Da fand es die Blüte verwandelt zur Frucht.
Bienchen und Frucht, die grämten sich sehr,
Doch war's nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Am Giebel, über des Baumes Geäst,
Da wohnt' ein Sperling in seinem Nest.
Der seufzte: »Du Frucht, o wärest du mein,
So würde mein Nest mir der Himmel sein!«
Bienchen und Frucht, die grämten sich sehr,
Maus und Sperling erfüllte Begehr;
Doch alles ging ganz in der Stille her –
Es war nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Da fiel und platzte die Frucht – o Not!
Und bald war die Maus auch mausetot.
Und tot im Nest man den Sperling fand,
Als den Vögeln die Weihnachtsgarbe man band.
Und als das getreue Bienchen nun frei,
Da war es mit Sommer und Blüten vorbei.
Zum Bienenstock flog es, wo Frieden es fand,
Und starb dann später als Wachsfabrikant. –
Seht, all der Jammer blieb uns erspart,
Wenn das Bienchen zur Maus bei der Heimkehr ward;
Und wär' mit der Frucht dann zum Sperling die Maus
Geworden – wie herrlich ging alles aus!
Henrik Ibsen
Es stand in dem Garten ein Apfelbaum,
Vor Blüten sah man die Blätter kaum.
Ein Bienchen flog in dem Garten umher,
Eine Apfelblüte gefiel ihm sehr.
Sie liebten sich beide treu und wahr;
Darum verlobten sie sich als ein Paar.
Das Bienchen zog auf die Sommerfahrt –
Ein Fruchtknopf indes aus der Blüte ward.
Bienchen und Fruchtknopf grämten sich sehr,
Doch war's nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Nun hielt eine arme, doch ehrliche Maus
Neben der Wurzel des Baumes Haus.
Die seufzte: »Du Fruchtknopf, o wärest du mein,
So würde mein Keller der Himmel sein!« –
Aufs neu' kam das Bienchen zurück von der Flucht,
Da fand es die Blüte verwandelt zur Frucht.
Bienchen und Frucht, die grämten sich sehr,
Doch war's nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Am Giebel, über des Baumes Geäst,
Da wohnt' ein Sperling in seinem Nest.
Der seufzte: »Du Frucht, o wärest du mein,
So würde mein Nest mir der Himmel sein!«
Bienchen und Frucht, die grämten sich sehr,
Maus und Sperling erfüllte Begehr;
Doch alles ging ganz in der Stille her –
Es war nun einmal nicht zu ändern mehr. –
Da fiel und platzte die Frucht – o Not!
Und bald war die Maus auch mausetot.
Und tot im Nest man den Sperling fand,
Als den Vögeln die Weihnachtsgarbe man band.
Und als das getreue Bienchen nun frei,
Da war es mit Sommer und Blüten vorbei.
Zum Bienenstock flog es, wo Frieden es fand,
Und starb dann später als Wachsfabrikant. –
Seht, all der Jammer blieb uns erspart,
Wenn das Bienchen zur Maus bei der Heimkehr ward;
Und wär' mit der Frucht dann zum Sperling die Maus
Geworden – wie herrlich ging alles aus!
Henrik Ibsen
Frühlingsahnen à la Ludwig Thoma:
Frühlingsahnen
Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
Und es tropft von jedem Dach.
Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächtens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.
So auch uns ergreift die Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.
Treibet das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.
Frühlingsahnen
Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
Und es tropft von jedem Dach.
Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächtens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.
So auch uns ergreift die Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.
Treibet das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.
Denn, Herr, die großen Städte sind ......
(Rainer Maria Rilke 1875 - 1926)
Denn, Herr, die großen Städte sind
Verlorene und Aufgelöste;
wie Flucht vor Flammen ist die größte,
und ist kein Trost, dass er sie tröste,
und ihre kleine Zeit verrinnt.
Da leben Menschen, leben schlecht und schwer,
in tiefen Zimmern, bange von Gebärde,
geängsteter denn eine Erstlingsherde;
und draußen wacht und atmet deine Erde,
sie aber sind und wissen es nicht mehr.
Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,
die immer in demselben Schatten sind,
und wissen nicht, dass draußen Blumen rufen
zu einem Tag voll Weite, Glück und Wind,
und müssen Kind sein und sind traurig Kind.
Da blühen Jungfraun auf zum Unbekannten
und sehnen sich nach ihrer Kindheit Ruh;
das aber ist nicht da, wofür sie brannten,
und zitternd schließen sie sich wieder zu.
Und haben in verhüllten Hinterzimmern
die Tage der enttäuschten Mutterschaft,
der langen Nächte willenloses Wimmern
und kalte Jahre ohne Kampf und Kraft.
Und ganz im Dunkel stehn die Sterbebetten,
und langsam sehnen sie sich dazu hin;
und sterben lange, sterben wie in Ketten
und gehen aus wie eine Bettlerin.
(Rainer Maria Rilke 1875 - 1926)
Denn, Herr, die großen Städte sind
Verlorene und Aufgelöste;
wie Flucht vor Flammen ist die größte,
und ist kein Trost, dass er sie tröste,
und ihre kleine Zeit verrinnt.
Da leben Menschen, leben schlecht und schwer,
in tiefen Zimmern, bange von Gebärde,
geängsteter denn eine Erstlingsherde;
und draußen wacht und atmet deine Erde,
sie aber sind und wissen es nicht mehr.
Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,
die immer in demselben Schatten sind,
und wissen nicht, dass draußen Blumen rufen
zu einem Tag voll Weite, Glück und Wind,
und müssen Kind sein und sind traurig Kind.
Da blühen Jungfraun auf zum Unbekannten
und sehnen sich nach ihrer Kindheit Ruh;
das aber ist nicht da, wofür sie brannten,
und zitternd schließen sie sich wieder zu.
Und haben in verhüllten Hinterzimmern
die Tage der enttäuschten Mutterschaft,
der langen Nächte willenloses Wimmern
und kalte Jahre ohne Kampf und Kraft.
Und ganz im Dunkel stehn die Sterbebetten,
und langsam sehnen sie sich dazu hin;
und sterben lange, sterben wie in Ketten
und gehen aus wie eine Bettlerin.
Rilke - Ein typisches Beispiel von kritischen Realismus.
Milan
Milan
Theodor Storm
Für meine Söhne
Hehle nimmer mit der Wahrheit!
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;
Doch, weil Wahrheit eine Perle,
Wirf sie auch nicht vor die Säue.
Blüte edelsten Gemütes
Ist die Rücksicht; doch zuzeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.
Wackrer heimatlicher Grobheit
Setze deine Stirn entgegen;
Artigen Leutseligkeiten
Gehe schweigend aus den Wegen.
Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen würdest zu begehren,
Halte dich zu wert, um gastlich
In dem Hause zu verkehren.
Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Karrieremachen.
Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber.
Für meine Söhne
Hehle nimmer mit der Wahrheit!
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;
Doch, weil Wahrheit eine Perle,
Wirf sie auch nicht vor die Säue.
Blüte edelsten Gemütes
Ist die Rücksicht; doch zuzeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.
Wackrer heimatlicher Grobheit
Setze deine Stirn entgegen;
Artigen Leutseligkeiten
Gehe schweigend aus den Wegen.
Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen würdest zu begehren,
Halte dich zu wert, um gastlich
In dem Hause zu verkehren.
Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Karrieremachen.
Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber.
An die Redaktion der »Lustigen Blätter«
Auch uns, in Ehren sei's gesagt,
Hat einst der Karneval behagt,
Besonders und zu allermeist
In einer Stadt, die München heißt.
Wie reizend fand man dazumal
Ein menschenwarmes Festlokal,
Wie fleißig wurde über nacht
Das Glas gefüllt und leer gemacht,
Und gingen wir im Schnee zuhaus,
War grad die frühe Messe aus,
Dann konnten gleich die frömmsten Fraun
Sich negativ an uns erbaun.
Die Zeit verging, das Alter kam,
Wir wurden sittsam, wurden zahm.
Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern
Die Sach uns an, doch nur von fern
(Ein Auge zu, Mundwinkel schief)
Durch's umgekehrte Perspektiv.
Abgeschickt 30ten Jan. 1905.
Wilhelm Busch
(1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
An den Domherrn v. Rochow
(Anna Louisa Karsch 1722 - 1791)
Meine Jugend war gedrückt von Sorgen,
seufzend sang an manchem Sommermorgen
meine Einfalt ihr gestammelt Lied.
Nicht dem Jüngling töneten Gesänge,
nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge
wie auf Ameishaufen niedersieht!
Ohne Neigung, die ich oft beschreibe,
ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe,
ward zur Mutter, wie im wilden Krieg
unverliebt ein Mädchen werden müßte,
die ein Krieger halb gezwungen küßte,
der die Mauer einer Stadt erstieg.
Was wir heftig lange wünschen müssen
und was wir nicht zu erhalten wissen,
drückt sich tiefer unserm Herzen ein;
Rebensaft verschwendet der Gesunde
doch erquickend schmeckt des Kranken Munde
auch im Traum der ungetrunk’ne Wein.
Frauen in den vergangenen Jahrhunderten hatten es wirklich äußerst schwer sich in der Gesellschaft durchzusetzen. Und doch gibt es einige, die es allerdings mit Unterstützung namhafter Zeitgenossen geschafft haben sich selbst zu verwirklichen.
In dem Buch „Meine Seele will Freiheit – Frauen setzen sich durch" wird der Lebenslauf der Anna Louisa Karsch geschildert, die vom Hirtenmädchen zur gefeierten Dichterin geworden war. Sie wurde am 1. Dezember 1722 als Tochter des Land- und Gastwirts Dürbach in Niederschlesien geboren, und somit war ihr eigentlich ein Leben in Abgeschieden- und Einfachheit vorbestimmt. Im Jahr 1728 kommt sie zu ihrem Großonkel der ihr Lesen und Schreiben beibrachte. Da eröffnete sich ihr zum ersten Mal die Chance in die Welt des Geistes einzutreten.
Wie damals üblich wurde sie im Alter von 16 Jahren mit einem Tuchhändler verheiratet, die Ehe scheiterte und der Ehemann ließ sich scheiden. Dies war in Preußen die erste Ehescheidung.
Eine zweite Ehe ging nicht gut wegen der Trunksucht des Ehemannes, und Anna musste zusehen wie sie mit ihren Kindern finanziell zurecht kam. Sie fing an zu dichten, und verfertigte zu sich bietenden Gelegenheiten Lobgedichte auf Ereignisse und Personen; die entsprechenden Vorträge ließ sie sich bezahlen. Der Durchbruch aber erfolgte mit einem Gedicht auf den preußischen Sieg bei Torgau im Jahr 1760.
1761 siedelte die Familie nach Berlin über, wo Anna den Dichter Gleim kennenlernte. Dieser nannte sie „Deutsche Sappho“. Doch immer noch lebte sie von der Hand in den Mund, auch eine Audienz bei König Friedrich dem Großen führte nicht zu einem erhofften regelmäßigen Einkommen, obwohl sie vielfach gefeiert wurde. Erst 1789 kann sie ein eigenes Häuschen beziehen, das ihr König Friedrich Wilhelm II. geschenkt hatte.
Ihren täglichen Kampf ums Dasein schilderte „die Karschin“ – wie sie genannt wurde – im „Lebenslauf in Briefen“.
Ihre Dichtkunst wurde von Lessing, Sulzer, Ramler und Moses Mendelssohn gefördert, und mit Goethe pflegte sie sogar einen Briefwechsel.
Sirona
(Anna Louisa Karsch 1722 - 1791)
Meine Jugend war gedrückt von Sorgen,
seufzend sang an manchem Sommermorgen
meine Einfalt ihr gestammelt Lied.
Nicht dem Jüngling töneten Gesänge,
nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge
wie auf Ameishaufen niedersieht!
Ohne Neigung, die ich oft beschreibe,
ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe,
ward zur Mutter, wie im wilden Krieg
unverliebt ein Mädchen werden müßte,
die ein Krieger halb gezwungen küßte,
der die Mauer einer Stadt erstieg.
Was wir heftig lange wünschen müssen
und was wir nicht zu erhalten wissen,
drückt sich tiefer unserm Herzen ein;
Rebensaft verschwendet der Gesunde
doch erquickend schmeckt des Kranken Munde
auch im Traum der ungetrunk’ne Wein.
Frauen in den vergangenen Jahrhunderten hatten es wirklich äußerst schwer sich in der Gesellschaft durchzusetzen. Und doch gibt es einige, die es allerdings mit Unterstützung namhafter Zeitgenossen geschafft haben sich selbst zu verwirklichen.
In dem Buch „Meine Seele will Freiheit – Frauen setzen sich durch" wird der Lebenslauf der Anna Louisa Karsch geschildert, die vom Hirtenmädchen zur gefeierten Dichterin geworden war. Sie wurde am 1. Dezember 1722 als Tochter des Land- und Gastwirts Dürbach in Niederschlesien geboren, und somit war ihr eigentlich ein Leben in Abgeschieden- und Einfachheit vorbestimmt. Im Jahr 1728 kommt sie zu ihrem Großonkel der ihr Lesen und Schreiben beibrachte. Da eröffnete sich ihr zum ersten Mal die Chance in die Welt des Geistes einzutreten.
Wie damals üblich wurde sie im Alter von 16 Jahren mit einem Tuchhändler verheiratet, die Ehe scheiterte und der Ehemann ließ sich scheiden. Dies war in Preußen die erste Ehescheidung.
Eine zweite Ehe ging nicht gut wegen der Trunksucht des Ehemannes, und Anna musste zusehen wie sie mit ihren Kindern finanziell zurecht kam. Sie fing an zu dichten, und verfertigte zu sich bietenden Gelegenheiten Lobgedichte auf Ereignisse und Personen; die entsprechenden Vorträge ließ sie sich bezahlen. Der Durchbruch aber erfolgte mit einem Gedicht auf den preußischen Sieg bei Torgau im Jahr 1760.
1761 siedelte die Familie nach Berlin über, wo Anna den Dichter Gleim kennenlernte. Dieser nannte sie „Deutsche Sappho“. Doch immer noch lebte sie von der Hand in den Mund, auch eine Audienz bei König Friedrich dem Großen führte nicht zu einem erhofften regelmäßigen Einkommen, obwohl sie vielfach gefeiert wurde. Erst 1789 kann sie ein eigenes Häuschen beziehen, das ihr König Friedrich Wilhelm II. geschenkt hatte.
Ihren täglichen Kampf ums Dasein schilderte „die Karschin“ – wie sie genannt wurde – im „Lebenslauf in Briefen“.
Ihre Dichtkunst wurde von Lessing, Sulzer, Ramler und Moses Mendelssohn gefördert, und mit Goethe pflegte sie sogar einen Briefwechsel.
Sirona
Neuer Glaube - Theodor Storm, Dichter (1817-1888)
Größer werden die Menschen nicht.
Doch unter den Menschen
größer und größer wächst
die Welt des Gedankens.
Strengeres fordert jeglicher Tag
von den Lebenden.
Und so sehen es alle,
die zu sehen verstehen:
Aus dem Glauben des Kreuzes
bricht ein andrer hervor;
selbstloser und größer.
Dessen Gebot wird sein:
Edel lebe und schön,
ohne Hoffnung künftigen Seins
und ohne Vergeltung,
nur um der Schönheit des Lebens willen.
Größer werden die Menschen nicht.
Doch unter den Menschen
größer und größer wächst
die Welt des Gedankens.
Strengeres fordert jeglicher Tag
von den Lebenden.
Und so sehen es alle,
die zu sehen verstehen:
Aus dem Glauben des Kreuzes
bricht ein andrer hervor;
selbstloser und größer.
Dessen Gebot wird sein:
Edel lebe und schön,
ohne Hoffnung künftigen Seins
und ohne Vergeltung,
nur um der Schönheit des Lebens willen.
Milan(Milan)
Der gelehrte Kater
Ein Kater sitzt vor'm dicken Buch
Die Brille auf der Nase;
Man sieht's, er denkt gewaltig klug
Ob einer dunklen Phrase.
Er zieht die Stirne kraus und krumm,
Legt sie in hundert Falten;
Es geht ihm Viel im Kopf herum,
Denn er studirt die Alten.
Die schönsten Frauchen schleichen dort
Am stillen Schornsteinplatze;
Wie sie miauen fort und fort:
Er liebt nicht eine Katze!
Lieb', Freundschaft, Schönheit prallen ab
Von seiner Brust, der kalten;
Sein Inn'res ist ein weites Grab,
Drinn spucken nur die Alten.
Er wäscht sich nicht, er kämmt sich nicht;
Er bleibt in seinem Schmutze:
Was scheert mich mein gemein Gesicht,
Wenn ich die Seele putze!
So schnurrt den Muhmen er Bescheid,
Die ihren Vetter schalten:
Was brauch' ich eure Sauberkeit
Im Schattenreich der Alten!
Komm' mit! sagt ihm sein Kamerad,
Hier nebenan im Häuschen,
Da schmausen wir ganz delicat,
Da gibt's die fett'sten Mäuschen!
Der Kater wirft zwar einen Blick
Durch seines Bodens Spalten,
Doch zieht er sich sogleich zurück
Und hungert bei den Alten.
Der König seines Vaterlands,
Das ist ein arger Sünder;
Die Bürger all' des Katerlands
Sie schreien wie die Kinder.
Das ganze Reich ist voll Miaus
Ob des Tyrannen Walten:
Der Kater macht sich gar Nichts draus,
Denn er ist bei den Alten.
Die Feinde dringen in das Land,
Die großen Metzgerhunde;
Von jeder Mauer, jeder Wand
Hört man die Schreckenskunde;
Man zieht die Krallen vor, um
Wauwauer abzuhalten!
Nur Einer, das gelehrte Vieh,
Bleibt ruhig bei den Alten.
Im ganzen Reiche rundherum
Murrt man von ihm am Schlimmsten;
So manchen Kater nennt man dumm,
Doch ihn den Allerdümmsten:
Er lachte, sang und liebte nie,
Wenn wir die Lust umkrallten;
So laßt denn das gelehrte Vieh
Verfaulen bei den Alten!
Er starb. Kein Kater, keine Katz'
Hat kläglich drob miauet;
Im Gegentheil: sein Studienplatz
Ward ekelhaft besauet.
Sein Wissen, das mit ihm verscharrt,
Schrien sie, er mag's behalten!
Wir leben in der Gegenwart
Und schnurren auf die Alten!
Adolf Glaßbrenner
Der gelehrte Kater
Ein Kater sitzt vor'm dicken Buch
Die Brille auf der Nase;
Man sieht's, er denkt gewaltig klug
Ob einer dunklen Phrase.
Er zieht die Stirne kraus und krumm,
Legt sie in hundert Falten;
Es geht ihm Viel im Kopf herum,
Denn er studirt die Alten.
Die schönsten Frauchen schleichen dort
Am stillen Schornsteinplatze;
Wie sie miauen fort und fort:
Er liebt nicht eine Katze!
Lieb', Freundschaft, Schönheit prallen ab
Von seiner Brust, der kalten;
Sein Inn'res ist ein weites Grab,
Drinn spucken nur die Alten.
Er wäscht sich nicht, er kämmt sich nicht;
Er bleibt in seinem Schmutze:
Was scheert mich mein gemein Gesicht,
Wenn ich die Seele putze!
So schnurrt den Muhmen er Bescheid,
Die ihren Vetter schalten:
Was brauch' ich eure Sauberkeit
Im Schattenreich der Alten!
Komm' mit! sagt ihm sein Kamerad,
Hier nebenan im Häuschen,
Da schmausen wir ganz delicat,
Da gibt's die fett'sten Mäuschen!
Der Kater wirft zwar einen Blick
Durch seines Bodens Spalten,
Doch zieht er sich sogleich zurück
Und hungert bei den Alten.
Der König seines Vaterlands,
Das ist ein arger Sünder;
Die Bürger all' des Katerlands
Sie schreien wie die Kinder.
Das ganze Reich ist voll Miaus
Ob des Tyrannen Walten:
Der Kater macht sich gar Nichts draus,
Denn er ist bei den Alten.
Die Feinde dringen in das Land,
Die großen Metzgerhunde;
Von jeder Mauer, jeder Wand
Hört man die Schreckenskunde;
Man zieht die Krallen vor, um
Wauwauer abzuhalten!
Nur Einer, das gelehrte Vieh,
Bleibt ruhig bei den Alten.
Im ganzen Reiche rundherum
Murrt man von ihm am Schlimmsten;
So manchen Kater nennt man dumm,
Doch ihn den Allerdümmsten:
Er lachte, sang und liebte nie,
Wenn wir die Lust umkrallten;
So laßt denn das gelehrte Vieh
Verfaulen bei den Alten!
Er starb. Kein Kater, keine Katz'
Hat kläglich drob miauet;
Im Gegentheil: sein Studienplatz
Ward ekelhaft besauet.
Sein Wissen, das mit ihm verscharrt,
Schrien sie, er mag's behalten!
Wir leben in der Gegenwart
Und schnurren auf die Alten!
Adolf Glaßbrenner
Hallo Milan, ein so wunderbarer Kater und dann ein Misanthrop? Besser hätte man die Misanthropie nicht beschreiben können.
Danke für den Hinweis auf Adolf Glaßbrenner, habe noch nie von ihm gehört bzw. gelesen. Kennst Du noch mehr Gedichte von diesem Lyriker?
LG Sirona
Danke für den Hinweis auf Adolf Glaßbrenner, habe noch nie von ihm gehört bzw. gelesen. Kennst Du noch mehr Gedichte von diesem Lyriker?
LG Sirona