Literatur Schöne Lyrik
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Re: Schöne Lyrik
ich mag u.a. auch Fontane sehr.
Kunst des lebens
Es gibt ein Mittel,sich wohl zu fühlen:
man muß lernen, mit den Gegebenheiten zufrieden zu sein, und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt.
Theodor Fontane
Kunst des lebens
Es gibt ein Mittel,sich wohl zu fühlen:
man muß lernen, mit den Gegebenheiten zufrieden zu sein, und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt.
Theodor Fontane
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Dich wundert nicht des Sturmes Wucht, -
du hast ihn wachsen sehn; -
die Bäume flüchten. Ihre Flucht
schafft schreitende Alleen.
Da weißt du, der vor dem sie fliehn
ist der, zu dem du gehst,
und deine Sinne singen ihn,
wenn du am Fenster stehst.
Des Sommers Wochen standen still,
es stieg der Bäume Blut;
jetzt fühlst du, dass es fallen will
in den der Alles tut.
Du glaubtest schon erkannt die Kraft,
als du die Frucht erfasst,
jetzt wird sie wieder rätselhaft,
und du bist wieder Gast.
Der Sommer war so wie dein Haus,
drin weisst du alles stehn -
jetzt musst du in dein Herz hinaus
wie in die Ebene gehn.
Die große Einsameit beginnt,
die Tage werden taub,
aus deinen Sinnen nimmt der Wind
die Welt wie welkes Laub.
Durch ihre leeren Zweige sieht
der Himmel, den du hast;
sei Erde jetzt und Abendlied
und Land, darauf er passt.
Demütig sei jetzt wie ein Ding,
zu Wirklichkeit gereift, -
dass Der, von dem die Kunde ging,
dich fühlt, wenn er dich greift.
Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875-29. 12. 1926
aus: Stundenbuch
Sommer/Herbst(Clematis)
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der letzte Apfel
Clematis
du hast ihn wachsen sehn; -
die Bäume flüchten. Ihre Flucht
schafft schreitende Alleen.
Da weißt du, der vor dem sie fliehn
ist der, zu dem du gehst,
und deine Sinne singen ihn,
wenn du am Fenster stehst.
Des Sommers Wochen standen still,
es stieg der Bäume Blut;
jetzt fühlst du, dass es fallen will
in den der Alles tut.
Du glaubtest schon erkannt die Kraft,
als du die Frucht erfasst,
jetzt wird sie wieder rätselhaft,
und du bist wieder Gast.
Der Sommer war so wie dein Haus,
drin weisst du alles stehn -
jetzt musst du in dein Herz hinaus
wie in die Ebene gehn.
Die große Einsameit beginnt,
die Tage werden taub,
aus deinen Sinnen nimmt der Wind
die Welt wie welkes Laub.
Durch ihre leeren Zweige sieht
der Himmel, den du hast;
sei Erde jetzt und Abendlied
und Land, darauf er passt.
Demütig sei jetzt wie ein Ding,
zu Wirklichkeit gereift, -
dass Der, von dem die Kunde ging,
dich fühlt, wenn er dich greift.
Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875-29. 12. 1926
aus: Stundenbuch
Sommer/Herbst(Clematis)
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der letzte Apfel
Clematis
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ja, Rilke mag ich auch sehr gerne. Gibt es jemanden, der ihn nicht mag?
Manchmal geschieht es in tiefer Nacht,
Dass der Wind wie ein Kind erwacht,
Und er kommt die Allee allein
Leise, leise ins Dorf herein.
Und er tastet bis an den Teich,
Und dann horcht er herum:
Und die Häuser sind alle bleich,
Und die Eichen sind stumm ...
Manchmal geschieht es in tiefer Nacht,
Dass der Wind wie ein Kind erwacht,
Und er kommt die Allee allein
Leise, leise ins Dorf herein.
Und er tastet bis an den Teich,
Und dann horcht er herum:
Und die Häuser sind alle bleich,
Und die Eichen sind stumm ...
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
liebe Edith,
herzlichen Dank für dieses Glück,
am Sonntagmorgen einen neuen Rilke
lesen zu dürfen!
Sonntagsgruss
Clematis
herzlichen Dank für dieses Glück,
am Sonntagmorgen einen neuen Rilke
lesen zu dürfen!
Sonntagsgruss
Clematis
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Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
ich mag u.a. auch Fontane sehr.
Kunst des lebens
Es gibt ein Mittel,sich wohl zu fühlen:
man muß lernen, mit den Gegebenheiten zufrieden zu sein, und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt.
Theodor Fontane
Hallo Stierfrau,
danke für den Fontane.
einzelne Sätze und Aussagen finden auch
Platz bei
Anekdoten und Aphorismen
Witziges und Be-Denkliches
Schau mal vorbei!
Gruss
Clematis
Heimatlied
Horch! Die alten Eichen rauschen
iImmer noch dasselbe Lied
sonst ist alles anders worden
seit ich aus der Heimat schied
Mit Geleit zog ich von hinnen
fremd und einsam zieh´ ich her
Herz, wie bist du voll von Sehnen
Heimat ach, wie bist du leer
Nur die alten Kirchenglocken
singen ihren frommen Sang
sonst hat Willkomm´ mir geboten
keiner lieben Stimme Klang
Und kein glänzend Auge wünschte
freundlich mir zur Heimkehr Glück
Herz, die Heimat ward zur Fremde
Warum kehrtest du zurück?
Nur der Wald hat dir erhalten
hinterm beerenreichen Haag
wohlbekanntes Grünen, Blühen
und den alten Finkenschlag
Leises Flüstern, Jugendträume
heimisch Wehen, Herzensfried
und die alten Eichen rauschen
immer noch dasselbe Lied
...
Text: Emil Schimpke - um 1900?
Musik: Johannes Gelbke (1846-1903)
in Weltkriegs-Liedersammlung
Horch! Die alten Eichen rauschen
iImmer noch dasselbe Lied
sonst ist alles anders worden
seit ich aus der Heimat schied
Mit Geleit zog ich von hinnen
fremd und einsam zieh´ ich her
Herz, wie bist du voll von Sehnen
Heimat ach, wie bist du leer
Nur die alten Kirchenglocken
singen ihren frommen Sang
sonst hat Willkomm´ mir geboten
keiner lieben Stimme Klang
Und kein glänzend Auge wünschte
freundlich mir zur Heimkehr Glück
Herz, die Heimat ward zur Fremde
Warum kehrtest du zurück?
Nur der Wald hat dir erhalten
hinterm beerenreichen Haag
wohlbekanntes Grünen, Blühen
und den alten Finkenschlag
Leises Flüstern, Jugendträume
heimisch Wehen, Herzensfried
und die alten Eichen rauschen
immer noch dasselbe Lied
...
Text: Emil Schimpke - um 1900?
Musik: Johannes Gelbke (1846-1903)
in Weltkriegs-Liedersammlung
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
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Bergidylle – aus der Harzreise (Heinrich Heine 1797 - 1856)
Auf dem Berge steht die Hütte,
wo der alte Bergmann wohnt;
dorten rauscht die grüne Tanne,
und erglänzt der goldne Mond.
In der Hütte steht ein Lehnstuhl,
ausgeschnitzelt wunderlich,
der darauf sitzt, der ist glücklich,
und der Glückliche bin Ich!
Auf dem Schemel sitzt die Kleine,
stützt den Arm auf meinen Schoß;
Äuglein wie zwei blaue Sterne,
Mündlein wie die Purpurros.
Und die lieben, blauen Sterne
schaun mich an so himmelgroß,
und sie legt den Liljenfinger
schalkhaft auf die Purpurros.
Nein, es sieht uns nicht die Mutter,
denn sie spinnt mit großem Fleiß,
und der Vater spielt die Zither,
und er singt die alte Weis.
Und die Kleine flüstert leise,
leise, mit gedämpftem Laut;
manches wichtige Geheimnis
hat sie mir schon anvertraut.
Aber seit die Muhme tot ist,
können wir ja nicht mehr gehn
nach dem Schützenhof zu Goslar,
dorten ist es gar zu schön.
Hier dagegen ist es einsam,
auf der kalten Bergeshöh,
und des Winters sind wir gänzlich
wie begraben in dem Schnee.
Und ich bin ein banges Mädchen,
und ich fürcht mich wie ein Kind
vor den bösen Bergesgeistern,
Plötzlich schweigt die liebe Kleine,
wie vom eignen Wort erschreckt,
und sie hat mit beiden Händchen
ihre Äugelein bedeckt.
Lauter rauscht die Tanne draußen,
und das Spinnrad schnurrt und brummt,
und die Zither klingt dazwischen,
und die alte Weise summt:
„Fürcht dich nicht, du liebes Kindchen,
vor der bösen Geister Macht;
Tag und Nacht, du liebes Kindchen,
halten Englein bei dir Wacht!“
Prolog aus der Harzreise von Heinrich Heine
Schwarze Röcke, seidne Strümpfe,
Weiße, höfliche Manschetten,
Sanfte Reden, Embrassieren -
Ach, wenn sie nur Herzen hätten!
Herzen in der Brust, und Liebe,
Warme Liebe in dem Herzen -
Ach, mich tötet ihr Gesinge
Von erlognen Liebesschmerzen.
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die frommen Hütten stehen,
Wo die Brust sich frei erschließet,
Und die freien Lüfte wehen.
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunklen Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen.
Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen.
Traum durch die Dämmerung
Weite Wiesen im Dämmergrau;
die Sonne verglomm, die Sterne ziehn:
Nun geh ich zu der schönsten Frau,
weit über Wiesen im Dämmergrau,
tief in den Busch von Jasmin.
Durch Dämmergrau in der Liebe Land;
ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;
mich zieht ein weiches, samtenes Band
durch Dämmergrau in der Liebe Land,
in ein blaues, mildes Licht.
Otto Julius Bierbaum
1865-1910
Clematis
Weite Wiesen im Dämmergrau;
die Sonne verglomm, die Sterne ziehn:
Nun geh ich zu der schönsten Frau,
weit über Wiesen im Dämmergrau,
tief in den Busch von Jasmin.
Durch Dämmergrau in der Liebe Land;
ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;
mich zieht ein weiches, samtenes Band
durch Dämmergrau in der Liebe Land,
in ein blaues, mildes Licht.
Otto Julius Bierbaum
1865-1910
Clematis
Als Leo XIII. Papst wurde, gab es im Vatikan eine kleine Palastrevolte, weil der sparsame
Papst den Schweizern das übliche Antrittsgeschenk vorenthielt.
Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang
Den von Raphaels Fresken verherrlichten Gang
In der puffigen alten geschichtlichen Tracht
Als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht:
„Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort,
So kann es nicht gehn und so geht es nicht fort!
Du sparst an den Kohlen, du knickerst am Licht -
An deinen Helvetiern knausre du nicht!
Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann,
Ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!
So galts und so gilts von Geschlecht zu Geschlecht,
Wir pochen auf unser historisches Recht!
Herr Heiliger Vater, du weißt, wer wir sind!
Bescheidene Leute von Ahne zu Kind!
Doch werden wir an den Moneten gekürzt,
Wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!
Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!
Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus ...
Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!
Wir versteigern dir den apostolischen Stuhl!"
Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt
Und zaudert und langt in die Tasche zuletzt -
Da werden die Löwen zu Lämmern im Nu:
„Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns du!"
Conrad Ferdinand Meyer
(*1825 in Zürich; † 1898)
Nach der Schlachtenzeit im 14. und 15. Jahrhundert waren Schweizer Söldner eine begehrte „Handelsware“. Die
Könige und der Papst hielten sich eine Schweizergarde, die als treu und zuverlässig galt. Die Garde des
französischen Königs ging in der französischen Revolution beim Tuileriensturm von 1792 unter. Mit der ersten
Bundesverfassung von 1848 wurde dann den jungen Schweizern verboten, Kriegsdienste für ein fremdes Land zu
leisten. Einzig die Schweizergarde im Vatikan bildete eine Ausnahme und blieb bis heute bestehen.
Papst den Schweizern das übliche Antrittsgeschenk vorenthielt.
Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang
Den von Raphaels Fresken verherrlichten Gang
In der puffigen alten geschichtlichen Tracht
Als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht:
„Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort,
So kann es nicht gehn und so geht es nicht fort!
Du sparst an den Kohlen, du knickerst am Licht -
An deinen Helvetiern knausre du nicht!
Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann,
Ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!
So galts und so gilts von Geschlecht zu Geschlecht,
Wir pochen auf unser historisches Recht!
Herr Heiliger Vater, du weißt, wer wir sind!
Bescheidene Leute von Ahne zu Kind!
Doch werden wir an den Moneten gekürzt,
Wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!
Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!
Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus ...
Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!
Wir versteigern dir den apostolischen Stuhl!"
Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt
Und zaudert und langt in die Tasche zuletzt -
Da werden die Löwen zu Lämmern im Nu:
„Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns du!"
Conrad Ferdinand Meyer
(*1825 in Zürich; † 1898)
Nach der Schlachtenzeit im 14. und 15. Jahrhundert waren Schweizer Söldner eine begehrte „Handelsware“. Die
Könige und der Papst hielten sich eine Schweizergarde, die als treu und zuverlässig galt. Die Garde des
französischen Königs ging in der französischen Revolution beim Tuileriensturm von 1792 unter. Mit der ersten
Bundesverfassung von 1848 wurde dann den jungen Schweizern verboten, Kriegsdienste für ein fremdes Land zu
leisten. Einzig die Schweizergarde im Vatikan bildete eine Ausnahme und blieb bis heute bestehen.