Literatur Schöne Lyrik

Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Bild Das Göttliche.jpg


Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut!
Denn das allein
unterscheidet ihn
von allen Wesen,
die wir kennen.

Heil den unbekannten
höhern Wesen,
die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch!
Sein Beispiel lehr' uns
jene glauben.

Denn unfühlend
ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
über Bös' und Gute,
und dem Verbrecher
glänzen wie dem Besten
der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
rauschen ihren Weg
und ergreifen
vorübereilend
einen um den andern.

Auch so das Glück
tappt unter die Menge,
faßt bald des Knaben
lockige Unschuld,
bald auch den kahlen
schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehernen,
großen Gesetzen
müssen wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch
vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
wählet und richtet;
er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf
den Guten lohnen,
den Bösen strafen,
Heilen und retten,
alles Irrende, Schweifende
nützlich verbinden.

Und wir verehren
die Unsterblichen,
als wären sie Menschen,
täten im großen,
was der Beste im kleinen
tut oder möchte.

Der edle Mensch
sei hilfreich und gut!
Unermüdet schaff er
das Nützliche, Rechte,
sei uns ein Vorbild
jener geahneten Wesen!
LisaK
LisaK
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von LisaK
Fluchtgedanken.png
???
Eine sich stets wiederholende Frage,
die sich auch Jahrhunderte später viele Menschen in der Fremde stellen.
LisaK
LisaK
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von LisaK

Meine Lebensart
In der ganzen Stadt ist keine
Hütte kleiner als die meine;
Für mich ist sie groß genug.
Noch viel kleiner ist mein Gärtchen,
Ich nur gehe durch sein Pförtchen;
Doch auch so ist's groß genug.
 
Zweimal setz' ich mich zu Tische,
Etwas Fleisch, Kohl, Grütze, Fische;
Hungrig ging ich nie zur Ruh.
Ja, im Sommer, eß' ich Beeren:
Him- und Erd- und Heidelbeeren,
Oft kommt eine Birn dazu.
 
Bisher hatt' ich stets zwei Kleider;
Viele Menschen haben, leider!
Eines nur, und das noch schwach.
Klagen wäre eine Sünde!
Arm ist nur der Lahme, Blinde,
Und die Waise ohne Dach.
Elisabeth Kulmann (1808 - 1825), deutsch-russische Dichterin

Hütten-Zuhause.png

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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf LisaK vom 19.08.2024, 16:12:57

Wow! Was für wahre Worte! Wäre die Menschheit bescheidener sähe es mit unserer Umwelt sicherlich anders aus. Dann würde man entdecken dass die eigene Heimat viele schöne Orte zu bieten hat. "Warum in die Ferne schweifen wenn das Gute liegt so nah?" 
Aber es soll ja immer mehr und größer und weiter sein. 

LisaK
LisaK
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von LisaK
als Antwort auf Sirona vom 19.08.2024, 18:47:48

Liebe Sirona
Das Gedicht von Elisabeth Kulmann über die „Bescheidene Lebensart“ gefiel mir gut und ich stimme dir zu, ganz sicher würde eine solche Lebensart sich positiv auf unsere Umwelt auswirken.
Leider scheint sie den meisten Menschen, mich eingeschlossen, nicht mehr gegeben zu sein.
Da brauche ich nur in meine Schränke zu schauen um beschämt festzustellen, wieviel unnützer Ballast sich im Laufe der Zeit angesammelt hat. Es kann nicht schaden, dass wir uns dessen hin und wieder bewusst werden und unser Verhalten überdenken.
Ein wenig kenne ich diese bescheidene Lebensart noch von meinen Großeltern, die auf dem Land lebten.
Einen schönen Abend wünscht dir Lisa
 

Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf LisaK vom 19.08.2024, 21:36:20

Liebe Lisa,

wenn ich an meine Kindheit denke (40er und 50er Jahre) dann lebe ich heute tatsächlich im Überfluß. Es gab kein Badezimmer, keine Heizung, kalte Schlafzimmer, Wäsche wurde nur samstags gewechselt. Für mich heute unvorstellbar. Es gab Alltags- und Sonntagskleidung, d.h. ein Schulkleid, ein Sonntagskleid und ein abgelegtes zum Umhertollen. Schuhe wurden zum Schuster gebracht und nicht entsorgt. Es war wirklich alles völlig anders, doch die Menschen waren nicht unglücklicher als die heutige Generation.
Wenn ich meinen Kindern und Enkeln davon erzähle schauen sie nur ungläubig und könnten sich eine solche bescheidene Lebensweise überhaupt nicht vorstellen. 

Ich wünsche Dir einen schönen Tag!
Helga

 


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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Wanderlust.jpg

Wanderlust
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 

Morgen müssen wir verreisen,
und es muß geschieden sein.
Traurig ziehn wir unserer Straßen,
lebe wohl, Herzliebchen mein!

Kommen wir zu jenem Berge,
schauen wir zurück ins Tal,
schauen uns um nach allen Seiten,
sehen die Stadt zum letzten Mal.

Wenn der Winter ist vorüber,
und der Frühling zieht ins Feld,
will ich werden wie ein Vöglein,
fliegen durch die ganze Welt.

Dahin fliegen will ich wieder,
wo's mir lieb und heimisch war.
Schätzlein, muß ich jetzt auch wandern,
kehr' ich heim doch übers Jahr.

Übers Jahr zur Zeit der Pfingsten
pflanz' ich Maien dir ans Haus,
bringe dir aus weiter Ferne
einen frischen Blumenstrauß.

 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Abenddämmerung.jpg

Abend wird es wieder
über Wald und Feld
säuselt Frieden nieder
und es ruht die Welt.

Nur der Bach ergießet
sich am Felsen dort,
und er braust und fließet
immer, immer fort.

Und kein Abend bringet
Frieden ihm und Ruh,
keine Glocke klinget Ihm
ein Rastlied zu.

So in deinem Streben
bist, mein Herz, auch du:
Gott nur kann dir geben
wahre Abendruh.

Hoffmann v. Fallersleben


 
LisaK
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von LisaK
als Antwort auf Sirona vom 31.08.2024, 19:05:27

Guten Abend Sirona,
gerne ergänze ich dein Gedicht von Hoffmann von Fallerslebens durch die vertonte Variante.

Abend wird es wieder...
 
Das Lied Abend wird es wieder wird heute auf eine Melodie gesungen,
die Johann Christian Heinrich Rinck bereits 1827 – zehn Jahre vor der Entstehung
von Hoffmann von Fallerslebens Text – für Männerchor komponiert hatte.
Der Text in Kombination mit dieser heute üblichen Melodie erschien 1841
in Ludwig Erks Sammlung Liederkranz.
(Quelle Wikipedia)
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf LisaK vom 02.09.2024, 20:49:42

Danke für die Ergänzung und den HInweis auf die Vertonung. 
In meiner Jugend wurde dieses Lied sehr oft gesungen. Ich kann mich noch an eine Freizeit erinnern, bei der wir oft den Abend am Waldesrand sitzend haben ausklingen lassen. Dazu gehörte auch dieses Lied. Selbst in der Erinnerung überkommt mich das wundersame Gefühl der Abendstille und des Friedens.

LG Sirona
 


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