Literatur Schöne Lyrik

Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Kärnten 2009 (92).jpg
Eigenes Foto - Kärnten

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Hinab ins Tal, mit Rasen sanft begleitet,
vom Weg durchzogen, der hinüber leitet,
das weiße Haus inmitten aufgestellt,
was ist's, worin sich hier der Sinn gefällt?
 
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Erstieg ich auch der Länder steilste Höhen,
von wo ich könnt die Schiffe fahren sehen
und Städte fern und nah von Bergen stolz umstellt,
nichts ist's, was mir den Blick gefesselt hält.
 
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Und könnt ich Paradiese überschauen,
ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,
wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,
denn der allein umgrenzet meine Welt.
 
(Bettina von Arnim)


 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
7.JPG
Bild gemeinfrei

Früher Frühling
Fred Endrikat (1890-1942)

Zwischen Februar und März
liegt die große Zeitenwende,
und man spürt es allerwärts,
mit dem Winter geht`s  zu Ende.

Schon beim ersten Sonnenschimmer
steigt der Lenz ins Wartezimmer,
keiner weiß, wie es geschah,
und auf einmal ist er da.

Manche Knospe wird verschneit
zwar im frühen Lenz auf Erden,
alles dauert seine Zeit,
nur Geduld, es wird schon werden.

Folgt auch noch ein rauher Schauer,
lacht der Himmel um so blauer,
leichter schlägt das Menschenherz
zwischen Februar und März.

 
Jole
Jole
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Jole
IMG_20240302_095219.png

Lebensfreude

Soll mir die Freude am Leben gedeihn, so bad' ich im stillen Quartiere
Den Leib in Wasser, die Kehle im Wein, die Seele in guter Lektüre.


Rudolf Presber (1868 - 1935), deutscher Journalist,
Dichter, Dramatiker, Romancier und Erzähler

 

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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Jole vom 24.03.2024, 11:46:02

Das nenne ich ein tolles Rezept um Freude zu genießen. 😊

Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
gettyimages-1280555379-2048x1366.jpg

Palmsonntag
Chr. Morgenstern

Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch, ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt.

Wollen's gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum,
haben winterüber
drin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.

In dem dürren Baume
in tieftiefem Traume
habt geschlafen ihr?
In dem Holz, dem harten
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?

Mußt dich recht besinnen:
Was da träumte drinnen,
waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.

Nur als wie Gedanken
lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
dort verweilen läßt.

Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
ja, nun weiß, ihr Schätzchen,
ich, woher ihr stammt.
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
himmel-lerche-20858360.jpg

An die Lerche 
E. M. Arndt 

Vöglein, Vöglein in den Lüften,
Lerche, die zum Himmel schwebt,
unten still in Blumendüften
und im Grün der Wiesen lebt,
du bist mein, du süße Kehle,
meine Sehnsucht, meine Lust,
alles Weh der Menschenseele
klingst du hell aus frommer Brust.

Also trägst du meine Schmerzen
aus der Erde Nebelflor
zu dem Herzen aller Herzen,
zu dem Himmelshort, empor,
trägst mich hin zu meinen Lieben,
die nun oben selig sind:
Unten ist das Leid geblieben,
droben wehet Lebenswind.

O wie süß, mit dir zu kreisen
in dem heitern Sonnenstrahl!
O wie süß, mit dir zu reisen
himmelauf vom Erdental!
Auszujubeln, auszusingen,
was das stille Herz nur weiß,
und aus voller Brust zu klingen
Liebeslust und Himmelspreis!


 

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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 23.03.2024, 11:04:32

Auf diesem Hügel ...
 
(Bettina von Arnim)


 


Was für eine erstaunliche Frau . . .

Was für eine erstaunliche Verwandschaft . . .

Was für eine erstaunliche Zeit . . .

😯😊



Bettina-von-arnim-grimm.jpg



Bettina von Arnim um 1809, in einer Radierung von Ludwig Emil Grimm


WIKIPEDIA
 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.03.2024, 16:10:52

Das ist in der Tat so, fast könnte man Bettina beneiden in einem solchen Umfeld geboren und aufgewachsen zu sein. 😄

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 26.03.2024, 17:21:06

Was mir an Bettine so gefällt, ist, dass sie nicht im Schatten der sie umgebenden Männer stand, sondern selbst ein Licht war. 👍😊

Sirona
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Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Es_klappert_die_Muehle_am_rauschenden_Bach_0_reference.jpg
Bild gemeinfrei


Wißt ihr, wo ich gerne weil
in der Abendkühle?
In dem Beurertal da ist
eine kleine Mühle;
und ein kleiner Bach davor,
ringsherum steh′ n Bäume;
oft sitz ich da stundenlang,
schau umher und träume.

Zweiglein gucken in den Bach,
die Insekten schwirren,
Vöglein singen freudig drein,
Turteltäubchen girren;
freundlich nicken Gras und Laub,
leise sich bewegend,
und die Mühle plappert laut
von der schönen Gegend.

Auch die Blümlein in dem Grün
sprechen unbefangen,
und das blaue Blümlein sagt:
Sieh mein Köpfchen hangen!
Röslein mit dem Dornenkuß
hat mich so gestochen,
ach! das macht mich gar betrübt,
hat mein Herz gebrochen.

Drauf naht sich ein Spinnlein weiß
spricht: sei doch zufrieden!
Einmal mußt du doch vergehn;
so ist es hienieden!
Besser wenn das Herz dir bricht
von dem Kuß der Rose,
als du kennst die Liebe nicht
und stirbst liebelose.

(Bettina von Arnim)


 

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