Literatur Schöne Lyrik
Ach, ist das schön!
Gerade habe ich das Gedicht meinem Mann vorgelesen, wir haben beide herzlich gelacht.
Hier im Bergischen ist es immer noch kalt und naß. Daher schließe ich mich Fritzchens Wunsch aus vollem Herzen an...
Fritzchen an den May
Komm, lieber May, und mache
Die Bäume wieder grün,
Und laß mir an dem Bache
Die kleinen Veilchen blühn!
Wie möcht’ ich doch so gerne
Ein Blümchen wieder sehn!
Ach, lieber May! wie gerne
Einmal spatzieren gehn!
In unsrer Kinderstube
Wird mir die Zeit so lang!
Bald werd’ ich armer Bube
Vor Ungeduld noch krank!
Ach bey den kurzen Tagen
Muß ich mich oben drein
Mit den Vokabeln plagen,
Und immer fleißig seyn!
Mein neues Steckenpferdchen
Muß jetzt im Winkel stehn;
Denn draußen in dem Gärtchen
Kann man vor Schnee nicht gehn.
Im Zimmer ist’s zu enge,
Und stäubt auch gar zu viel,
Und die Mama ist strenge,
Sie schilt aufs Kinderspiel.
Am meisten aber dauret
Mich Fiekchens Herzeleid!
Das arme Mädchen lauret
Auch auf die Blumenzeit!
Umsonst hol’ ich ihr Spielchen
Zum Zeitvertreib heran;
Sie sitzt in ihrem Stühlchen,
Und sieht mich kläglich an.
Ach! wenns doch erst gelinder,
Und grüner draußen wär!
Komm, lieber May! Wir Kinder,
Wir bitten gar zu sehr!
O komm, und bring vor allen
Uns viele Rosen mit!
Bring auch viel Nachtigallen,
Und schöne Kukuks mit!
Christian Adolph Overbeck (1755 bis 1821)
Der Knoten
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.
Seitdem hab ich die Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, daß im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.
Mein Stolz, der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruß:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muß.
Wilhelm Busch
*15.4.1932 - + 9.1.1908
An die Lerche
E. M. Arndt
Vöglein, Vöglein in den Lüften,
Lerche, die zum Himmel schwebt,
unten still in Blumendüften
und im Grün der Wiesen lebt,
du bist mein, du süße Kehle,
meine Sehnsucht, meine Lust,
alles Weh der Menschenseele
klingst du hell aus frommer Brust.
Also trägst du meine Schmerzen
aus der Erde Nebelflor
zu dem Herzen aller Herzen,
zu dem Himmelshort, empor,
trägst mich hin zu meinen Lieben,
die nun oben selig sind:
Unten ist das Leid geblieben,
droben wehet Lebenswind.
O wie süß, mit dir zu kreisen
in dem heitern Sonnenstrahl!
O wie süß, mit dir zu reisen
himmelauf vom Erdental!
Auszujubeln, auszusingen,
was das stille Herz nur weiß,
und aus voller Brust zu klingen
Liebeslust und Himmelspreis!
Im Park
Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
still und verklärt wie im Traum.
Das war des Nachts elf Uhr zwei.
Und dann kam ich um vier
Morgens wieder vorbei.
Und da träumte noch immer das Tier.
Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum -
gegen den Wind an den Baum,
und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips.
Und da war es aus Gips.
Joachim Ringelnatz
(Das "Original-Reh" steht angeblich in einem Park in Hamburg-Blankenese :-)
Froh wie die Libell am Teich
froh sein macht leicht und reich
braucht nicht zu borgen
braucht nicht zu sorgen
lebet von Licht und Luft
lebet von Blumenduft
Frohsinn, Frohsinn
Frohsinn macht reich
Froh im Bächlein ist der Fisch
froh sein macht rasch und frisch
scherzend und munter
auf und hinunter
taucht er im Wasser schnell
labt sich an jeder Well´
Frohsinn, Frohsinn
Frohsinn macht frisch
Froh ist Vogel in dem Nest
froh sein ist´s allerbest´
sanft sich zu wiegen
jubelnd zu fliegen
singend bald hier, bald dort
glücklich an jedem Ort
Frohsinn, Frohsinn
Frohsinn ist´s allerbest´
Froh wie liebe Engelein
froh will ich immer sein
was mir beschieden
nehm ich zufrieden
Schmerzen und Sorg und Müh
kommen ja spät und früh
Frohsinn, Frohsinn
froh will ich sein
Text: R. Löwenstein – (1819-1891)
Das ungewöhnlich kühle Frühjahr hat dazu geführt, daß (nicht nur) in meinem Garten die Narzissen, ebenso wie alle anderen Frühlingsblüher, auch ungewöhnlich lange geblüht haben. Aber jetzt geht es damit langsam zu Ende. Passend dazu hier das Gedicht To Daffodils (An Narzissen) von Robert Herrick, einem englischen Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Vordergründig ist es ein Gedicht über das so baldige Verblühen der Narzissen, aber eigentlich ist es eine Klage über die Vergänglichkeit – was für die meisten von uns ein naheliegendes Thema sein dürfte.
Die Übersetzung stammt von mir; einige Freiheiten, die ich mir genommen habe, sind dem Reimzwang geschuldet.
TO DAFFODILS
Fair daffodils, we weep to see
You haste away so soon;
As yet the early-rising sun
Has not attain'd his noon.
Stay, stay,
Until the hasting day
Has run
But to the evensong ;
And, having prayed together, we
Will go with you along.
We have short time to stay, as you,
We have as short a spring ;
As quick a growth to meet decay,
As you, or anything.
We die,
As your hours do, and dry
Away,
Like to the summer's rain;
Or as the pearls of morning's dew,
Ne'er to be found again.
AN NARZISSEN
Narzissen hold wir weinen weil
Ihr gar so bald entflieht;
Die sonne, früh erwacht, erklomm
Noch längst nicht den zenit.
Verweilt
Bis auch der tag enteilt
Wenn fromm
Ertönt das abendlied;
Dann flehen wir zumal um heil
Und gehen mit euch mit.
Uns bleibt nur kurze zeit, wie euch,
Gleich kurz ist unser lenz;
Wir blühn um zu vergehn wie ihr,
Gleich schnell, zum schmerz des ends.
Es droht
So euch wie uns der tod,
Auch wir
Vertrocknen bald, gleichwie
Der tau, dem sommerregen gleich,
Und wieder kehrn wir nie.
Ach ja....
da war doch was:
That floats on high o'er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host of golden daffodils,
Beside the lake, beneath the trees
Fluttering and dancing in the breeze.
Continuous as the stars that shine
And twinkle on the milky way,
They stretch'd in never-ending line
Along the margin of a bay:
Ten thousand saw I at a glance
Tossing their heads in sprightly dance.
The waves beside them danced, but they
Out-did the sparkling waves in glee: -
A poet could not but be gay
In such a jocund company!
I gazed - and gazed - but little thought
What wealth the show to me had brought.
For oft, when on my couch I lie
In vacant or in pensive mood,
They flash upon that inward eye
Which is the bliss of solitude;
And then my heart with pleasure fills
And dances with the daffodils.
Quelle: https://www.bbc.co.uk/poetryseason/poems/daffodils.shtml
Morgengebet
(Joseph v. Eichendorff)
O wunderbares, tiefes Schweigen,
wie einsam ist’s noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl mich recht wie neu geschaffen,
wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
ich schäm mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
schweig ich vor Dir in Ewigkeit.
Lieblingsplätzchen
Wißt ihr, wo ich gerne weil
In der Abendkühle?
In dem Beurertal da ist
Eine kleine Mühle;
Und ein kleiner Bach davor,
Ringsherum steh′ n Bäume;
Oft sitz ich da stundenlang,
Schau umher und träume.
Zweiglein gucken in den Bach,
Die Insekten schwirren,
Vöglein singen freudig drein,
Turteltäubchen girren;
Freundlich nicken Gras und Laub,
Leise sich bewegend,
Und die Mühle plappert laut
Von der schönen Gegend.
Auch die Blümlein in dem Grün
Sprechen unbefangen,
Und das blaue Blümlein sagt:
Sieh mein Köpfchen hangen!
Röslein mit dem Dornenkuß
Hat mich so gestochen,
Ach! das macht mich gar betrübt,
Hat mein Herz gebrochen.
Drauf naht sich ein Spinnlein weiß
Spricht: sei doch zufrieden!
Einmal mußt du doch vergehn;
So ist es hienieden!
Besser wenn das Herz Dir bricht
Von dem Kuß der Rose,
Als du kennst die Liebe nicht
Und stirbst liebelose.
Bettina von Arnim (*1785 - †1859), deutsche Schriftstellerin, Zeichnerin und Komponistin